Dienstag, der 26. Mai 1970

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Da der Bundespräsident zu einem Staatsbesuch nach Brüssel reiste,
war die ganzenRegierung zu seiner Verabschiedung am Flugplatz Schwechat
erschienen. Bereits in der letzten und vorletzten Ministerrats-
besprechung hat es insoferne eine Diskussion über diesen Abflug
gegeben, als Kreisky erklärte, er selbst müsste unbedingt im so-
genannten Affengwandl, im Cut, erscheinen Dies wurde insbesondere
von mir als selbstverständlich empfunden. Seinem Hinweis dagegen,
dass die anderen vielleicht in gestreiften Hosen, d.h. im Strese-
mann kommen sollten, hatte ich sofort widersprochen, indem ich
erklärte, ich hätte mit dem Bundespräsidenten ja schon geklärt,
dass ich mit schwarzem Anzug jederzeit zu solchen Anlässen kommen
könnte. Ich war aber sehr uberraschat als beim Abflug alle Mini-
ster in dünkleren Anzügen erschienen sind, ich hoffe, vielleicht
setzt sich mein Kampf gegen das Protokoll wirklich durch. Als Bonmot
wurde geprägt, die Zeitungen werden schreiben, nachdem die Aussen-
beamten selbstverständlich im vorgeschriebenen Cut erschienen sind,
die Regierung war ärmlich aber sauber gekleidet.

Im Ministerrat wurde zur Ergänzung noch ein Bericht von Veselsky
über seine Reise nach Paris vorgelegt. Interessant war, dass sein
Büro ihn nicht einmal darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er als
Staatssekretär keinen solchen Bericht zeichnen kann, sondern aus-
schliesslich dafür der zuständige Bundeskanzler ermächtigt ist. Viel-
leicht handelt es sich hier nur um ein Versehen, vielleich wollte
ihn der zuständige Sektionschef oder die Präsidialabteilung auch
hienentanzen lassen. Kreisky selbst hat sich mit einem geschickten
Bonmot aus dieser Angelegenheit herausgezogen, indem er erklärte,
von Veselky bleibt das KY zurück und vorne kommt KREIS. Für
die Rumänienhilfe wurde beschlossen, einen grösseren Betrag zu
spenden. Interessanterweise hatte die Bürokratie grösste Bedenken
einen grösseren Betrag wegen der Beispielfolgen zu spenden. Bei
den Erdbebenkatastrophen in der Türkei wurden 1 Mio S von der
Bundesregierung zu Verfügung gestellt wobei 500.000 S in Natura-
lien und 500.000 S in bar abgewickelt wurden. Kreisky erklärte,
dass man gegenüber den Rumänen grosszügiger vorgesehen sollte,
denn erstens waren die Rumänen das erste Land das Österreich aner-
kannt hat und auch in den Ostblockstaaten das erste Land, das


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die österreichischen Ansprüche verhältnismässig sehr grosszügig gelöst
hat. Zweitens dürfte man nicht vergessen, dass gerade die Rumänen einen
sehr schweren politischen Stand innerhalb des COMECON haben und deshalb
unsere Unterstützung haben sollten.Es wurde deshalb vorgeschlagen, dass
ein ad-hoc-Ministerkomitte bestellt werden, bestehend aus Äusserem,
Land- und Forstwirtschaft, Finanzen und Handel, und über etwaige Liefer-
möglichkeiten mit den Rumänen Besprechungen führen sollte. Beabsichtigt
ist ein langrfistiger Kredit von 5 – 10 Jahren unverzinslich den Rumä-
nen zu gewähren, um gegebenenfalls Mehr, Futtergetreide, Molkerei-
produkte, Magertrockenmilch, Vollmilch-Trockenmilch oder Butter zu
liefern. Ich stellt fest, dass derzeit die österr. Handels-
Delegation mit den Rumänen verhandelt und man diese Delegation ver-
ständigen sollte, dass hier Möglichkeiten einer Hilfslieferung auch
bestehen. Nachdem Gratz den Aussenminister vertritt wird er unverzüg-
lich mit dem rumänischen Botschafter Verbindung aufnehmen. Der schlech-
te Beigeschmack für diese Aktion glaube ich wird nur darin bestehen,
dass man überall weiss, dass man diese Produkte in rauhen Mengen als
Überschussprodukte ganz gerne weghaben wollen und dass man deshalb
nicht auf einen langfristigen Kredit sondern gegebenenfalls auch a
eine Schenkung rechnen wird. Dann allerdings wird sich das Problem
stellen, wer wird diese Überschüsse österreichischerseits bezahlen
sollen. Da aber für die 1 Mio sowieso ein Kreditüberschreitungs-
gesetz notwendig ist, müsstehalt gegebenenfalls ein weiters Budget-
überschreitungsgesetz eingebracht werden. Bei einem Durchgang durch
das Ministerium – ich konnte Aktion ja erst einleiten – habe ich
Gelegenheit, auch mit den Verkehrsabteilungsleuten in Kontakt zu
kommen. Dabei stellte ich fest, dass bezüglich der Konzessions-
pflicht der Taxis und bezüglich der Genehmigungen des grenzüberschrei-
tenden Güterverkehrs nach wie vor die Zustände selbst als unbefrie-
digend betrachten. Für Taxikonzessionen, wo einmal schon 300.000.- S
bezahlt wurden, die in der letzten Zeit auf 60.000.- S zurückgegangen
sind, werden jetzt bereits wieder über 100.000.- S bezahlt. Auch für
die Rote Karte werden ähnliche Beträge in Aussicht gestellt. Nun er-
gibt das ein sehr unbefriedigendes System und ich habe deshalb die
Herren ersucht, sie sollten sich den Kopf zerbrechen, wie man hier
Abhilfe schaffen könnte. Interessant war eine Bemerkung des MR der
erklärte, Mitterer hätte einmal gesagt, drei Punkte seien in dem Haus,
die Schwierigkeiten und graue Haare bringen: 1. Die Verleihung de
Kommerzialrattitel, 2. die Rote Karte und 3. die Taxikonzessionen.



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Ich stimme dieser Auffassung zu, habe aber bereits zumindestens
was die Verleihung der Kommezialrattitel betrifft, eine gute
Lösung gefunden, indem ich gegen den Ratschlag des Sektionschefs
Schipper der Handelskammer überantwortet habe.

Bei der Sektionsleiterbesprechung hatte ich das erste Mal auch
Fabricii als Schriftführer zugezogen, die Hauptaufgabe besteht aber
darin, dass der junge Mann die Arbeitsweise kennenlernen soll und
gleichzeitig mit seinen Kenntnissen in der Verwaltung und im
Ressort wertvolle Hinweise geben kann, wie und in welchem Umfang
wir uns aktiv einschalten können, um zweckmässiger das Büro zu
organisieren. Ich benütze die Gelegenheit, wo ich gleichzeitig
über den Ministerrat berichte, eine Einführung, die es ja früher
überhaupt nicht gegeben hat, dass ich auch die Wünsche und die
entsprechenden Beschwerden meinerseits gegenüber den Sektionen
vorbringe. Eine diesbezügliche Ergänzung wird sicher Wanke noch
vornehmen, der die entsprechenden Unterlagen auch vorbereitet hat.
Vielfach verstärkt sich aber bei mir der Eindruck, dass es leider
sehr viele Beamte gibt, die überhaupt noch nicht erfassen, wie und
in welchem Umfang ein Ministerium arbeiten sollte, um den modernen
Anforderungen gerecht zu werden, sondern die auf dem Standpunkt
stehen, das Entscheidende ist, dass der Akt erledigt wird. Vielleicht
gibt es noch manchen unter ihnen, wie ein alter Hofrat mir einmal
gesagt hat, einen Akt erledigt man nicht, einen Akt geniesst man.
Der ganze Nachmittag war der Fremdenverkehrswerbung gewidmet
wo zuerst die Arbeitsgemeinschaft, d.h. die ganzen anwesenden
Fremdenverkehrsdirektoren der Länder vom Langer-Hansel als
Geschäftsführer der Fremdenverkehrswerbung und deren Referenten
über die nächsten Arbeiten informiert wurden. Anschliessend
daran tagte ein Arbeitsausschuss, der ebenfalls bis fast 1/2 8 Uhr
tätig war. In der Fremdenverkehrswerbung sind einige junge sehr
tüchtige leute – den Eindruck zumindestens habe ich – doch ist
das Hauptproblem ein anderes. Ich konnte immer wieder feststellen,
dass eine sehr starke Abneigung der Landesvertreter gegen die
zentralen Stellen zu verzeichnen ist, insbesondere Hofrat Manzano
von der Salzburger Landesregierung und Hofrat Gerstbacher von
der steirischen Landesregierung haben sich gegen die Zentrali-
sierung ausgesprochen. Bei der Arbeitsausschussitzung konnte


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ich allerdings noch feststellen, dass die Einwände der Landes-
regierungsvertreter sehr berechtigt waren. Denn erstens ist
eine vollkommen falsche Politik gemacht worden, so hatte Mitterer
am 30.6.1968, kaum dass er drei Monate im Amtwar, den Syndikats-
vertrag aufgekündigt, den er nachher wieder herstellen musste
und damit die Ländervertreter schokiert. Zweitens hat er dann
bei der Erstellung des Fremdenverkehrskonzeptes auf vollkommen
geheimnisvollste Weise nur den Vertreter des Landes Vorarlberg
Dr. Sohm, und dem Syndikus der Fremdenverkehrssektion Dr. Zedek
herangezogen, dass die anderen sehr verärgert waren.Endergebnis
davon ist, dass dieses Fremdenverkehrskonzept von der Ratio
erster Band auf das Entschiedendste von den Ländern bekämpft wird.
Der Ratio-Bericht insbesondere wird deshalb angefochten, weil
er von einem Zustand ausgeht, dass als Ideal eine Zentralstelle
für die Fremdenverkehrswerbung gefordert wird, wo also
die Kompetenzt der Bundesländer beschnitten werden soll. Ich
werde alles daran setzen, um diese Fehler nicht zu wiederholen,
sondern daraus zu lernen, d.h. es dürfen Belange, die die Länder
besitzen, nicht ohne vorhergehendes Einverständnis der Länder
in Angriff genommen werden, weil letzten Endes daraus nichts
resultiert als eine Verstimmung. Man ist unmöglich im Parlament
imstande, eine wirkliche Kompetenzänderung in diesem Sinne herbei-
zuführen.

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Tagesordnung 6. Ministerratssitzung, 26.5.1970

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Tätigkeit: SChef HM
GND ID: 12195126X


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


      Einträge mit Erwähnung:


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Bundeskanzler
          GND ID: 118566512


          Einträge mit Erwähnung:
            GND ID: 136291708


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Salzburger Landesverkehrsdir. [1971 als Gf. und Sprecher Arbeitsgemeinschaft der Fremdenverkehrsdirektoren]


              Einträge mit Erwähnung:
                GND ID: 12254711X


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: HK, Syndikus Bundessektion Fremdenverkehr, ÖFVW


                  Einträge mit Erwähnung: