Am Montag hatte im Finanz- und Budgetausschuss der FPÖ-
Abgeordnete Peter den Antrag gestellt, die Witwenpension für die
öffentlich Bediensteten im Zuge des Pensionsanpassungsgesetzes
gleich auf 60 % zu erhöhen. Die Sozialisten erklärte, dass sie
derzeit nicht in der Lage wären, diesen Antrag zu unterstützen.
Die ÖVP aber hatte erklärt, sie würde dies erst entscheiden und
am Mittwoch im Plenum endgültig Stellung nehmen-. Zum Unterschied
von der Sozialistischen Partei, die 1966 als sie in die Opposition
ging, einen wichtigen grundsätzlichen Beschluss fasste nämlich
als grosse Oppositionspartei niemals die ÖVP zu unterstützen,
hatte die ÖVP scheinbar die Absicht, mit der FPÖ sehr deutlich
in solchen Fragen jetzt schon zu koalieren. Mussil, der unmittel-
bar aus dem Finanzausschuss zu uns zu einer Besprechung kam,
erklärte mir, dass er über diese Entwicklung sehr unglücklich
sei. Ich machte ihn noch aufmerksam, dass ich als Handelsminister
nicht genug warnen könnte, vor so einem Beschluss, erklärte aber
gleichzeitig als Gewerkschafter sei ich über diese Entwicklung
sehr glücklich.
Am Mittwoch versuchte die ÖVP aus taktischen Gründen zuerst un-
klar zu lassen, ob sie dem Antrag beitreten würde, die FPÖ-
Abgeordneten können mit ihren 5 Mandaten keinerlei Aktivität im Parlament
entwickeln. Die Sozialisten beschlossen deshalb in der ersten Sitzung
bereits eine dringliche Anfrage an den Sozialministerium, um zu
erfahren, wie die Sozialisten bei der Witwenpensionsfrage vorgehen
würden. Es entwickelte sich eine sehr heftige Diskussion, die aber
im Prinzip glaube ich klar und deutlich zeigte, dass die Sozia-
listen in der Witwenpension seit eh und je diese Forderung auf
Erhöhung von 55 auf 60 % nicht nur gestellt hat, sondern auch jetzt
erfüllen werden. Dies aber nicht nur für die Witwen des öffentli-
chen Dienstes, sondern auch selbstverständlich für die Witwen nach
dem ASVG, GSPVG und der Bauernpension. Peter, der in der Zwischen-
zeit die Zusicherung der ÖVP erhalten hatte, dass sie seinem An-
trag beitreten würden, war glückselig und in seiner Rede strich
er besonders heraus, dass er sich hier nicht durch einen Sieg der
ÖVP oder FPÖ handelt, sondern ausschliesslich um einen Sieg der
Witwen. Nun nachdem auch die ÖVP eine dringliche Anfrage über die
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Rundfunkpolitik Kreiskys und der Bundesregierung eingebracht hatte,
dieser Punkt in der zweiten Sitzung gegen Mitternacht zur Debatte
kam, war die SPÖ sehr geschickt und stellte durch den Abgeordneten
WEihs den Antrag, dass nicht nur die Witwen sondern auch die Pen-
sionen der Waisen erhöht werden müsste. Die ÖVP hatte darüber einen
unheimlichen Zorn und erklärte dieses Vorgehen sei unfair, da sie
erst jetzt von dieser Absicht erfahren hatte. In der vormittägigen An-
frage hatte aber Ulbrich und auch der Sozialminister Häuser von der
Regierungsbank auf dieses Problem hingewiesen. Da Präsident Waldbrunner
der zu dieser Zeit den Vorsitz führte, vor der Abstimmung die Sitzung
unterbrochen hatte – er musste ja dem Antrag entsprechend erst ab-
stimmungsmässig seine Unterlagen vorbereiten, – kam es zu einer erregte
Diskussion. Die Österreichische Volkspartei meinte , so könnte man
nicht verhandeln und das wäre unfair, und Peter selbst war am meisten
aufgeregt. Denn wenn es zu der Abstimmung gekommen wäre, hätten alle
die ÖVP, die FPÖ mit ihrem Antrag überhaupt nichts gehabt, denn ent-
weder sie hätten den weitergehenden Antrag der Sozialisten zugestimmt
oder sie hätten sich eben als Waisen feindlich demaskiert. Bei dem
vorhergehenden Tagesordnungspunkt über die Verlängerung der Wirt-
schaftsgesetze hat die ÖVP namentliche Abstimmung über ihren Antrag
verlangt, der eine unbefristete Verlängerung des Marktordnungsgesetzes
vorgesehen hatte. Kreisky war bei dieser Abstimmung – obwohl er die gan
ze Zeit im Parlament war – nicht hier. Als er jetzt kam, stellte sich
folgendes unfaire Verhalten der ÖVP heraus. Er hatte die beiden Vor-
sitzenden des SALT-Gespräches zu sich zu einem Abendessen geladen
und Withalm ausdrücklich gefragt, ob er weggehen könnte und Withalm
erklärte, ja es könnte sowieso nichts sein. In Wirklichkeit aber kommt
dann die namentliche Abstimmung und die ÖVP kann dokumentieren, dass
sie hier stärker ist mit der Freiheitlichen Partei, obwohl wenn Kreisky
anwesend gewesen wäre, ein anderes Verhältnis zustandegekommen wäre.
Kreisky verlangte deshalb jetzt, dass gar nichts mehr mit der ÖVP
verhandelt werden sollte, sondern das man abstimmen müsste. Laut Ge-
schäftsordnung hätte dies auch geschehen müssen, da der Präsident be-
reits erklärt hatte, es ist niemand mehr zu Worte gemeldet, bevor ich
die Abstimmung durchführen, unterbreche ich die Sitzung zur Vorbe-
reitung, falls sich noch Unklarheiten hier ergeben. Pittermann aber
begann mit Withalm und Peter – die beiden anderen Klubobmänner –
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Besprechung zu führen und erklärte, man sollte doch eventuell
einen gemeinsamen Antrag einbringen, dass die ganze Materie neuer-
dings dem Finanzausschuss zugeleitet werden sollte, was auch dann
letzten Endes tatsächlich geschah. Ich glaube, dadurch wird es
eine Spannung in dieserFrage zwischen Regierung und Parlament ge-
ben. Kreisky hat mit Recht beim Unterbrechen der Sitzung darauf
hingewiesen, dass die ÖVP und die FPÖ sich dies hätten alles vorher
überlegen müssen, denn letzten Endes könnte doch, ohne dass die Re-
gierung darüber gefragt werden, nicht ein solcher Antrag von ihnen
mit der FPÖ gemacht werden, denn die Regierung muss doch zumindesten
Gelegenheit haben, zu den Problemen Stellung zu nehmen und des-
halb sei es doch mehr als selbstverständlich gewesen, dass am
Montag die sozialistische Fraktion im Finanz- und Budgetausschuss
nicht unverzüglich zustimmen konnte. Wenn aber die ÖVP glaubt,
dass sie uns mit den Freiheitlichen links überholen kann, dann
wird sie sich sehr täuschen. Vom gesamtwirtschaftlichen Stand-
punkt aus gesehen, ist diese Methode bei der Budgetsituation, die
im Jahre 1971 und insbesondere 1972 zu erwarten ist, natürlich ver-
heerend. Ich hatte deshalb als wir während andere Tagesordnungspunk-
te mit Sallinger und Mussil eine Debatte führten über preisdämpfende
Massnahmen mit Androsch gemeinsam ihnen erklärt, dass eine solche
Politik, die jetzt die ÖVP führt, letzten Endes für die Unternehmer
verheerend sein müsste, denn irgendwie sei es dann notwendig, neue
Steuerquellen zu erschliessen um den Staatshaushalt einigermassen
ausgleichen zu können. Sallinger und Mussil versicherten vor den
Beamten des Finanzministeriums, dass sie sich gegen die-se Politik
ganz entschieden gewahrt hätten und überrascht wurden, da am Diens-
tag in ihrem Klub bis 6 Uhr abends noch klar war, dass der Antrag
der FPÖ nicht unterstützt wird..Sie hätten aber eine Wirtschafts-
bundsitzung ausserhalb des Hauses gehabt und hätten dann in der
Nacht erfahren, dass der ÖVP-Klub doch den Antrag der FPÖ unter-
stützen wird. Ich erwiderte unverzüglich,dassich diese Entschul-
digung nicht gelten lasse, denn letzten Endes müssten sie als ver-
antwortliche für die Wirtschaft in der ÖVP wissen, was in ihrem
Klub vorgeht und erklärte - insbesondere Mussil – könnte sich dann nicht
salvieren. Ich gebrauchte sehr harte Worte, Mussil steckte dies
alles ein. Als Handelsminister könnte ich diese unverantwortliche
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Politik gar nicht genug anprangern, als Gewerkschafter allerdings
könnte ich ihm nur sagen: Nur so weiter, denn unter diesen Umständen
würden wir nur auf kurze Sicht zumindestens nur profitieren können.
Ich bedenke hier – ich sagte ihm das nicht – dass hätte die SPÖ
diese Forderung in der Koalition z.B. gestellt und sie durchgesetzt,
dann hätte sie wahrscheinlich sowohl für die anderen Wünsche des
Wirtschaftsbundes schwere Zugeständnisse machen müssen. Diese Art
der Politik vom Parlament in den nächsten Monaten fortgesetzt wird,
dann muss es zu einer Budgetkatastrophe 1972 kommen, denn für 1971
wird die Budgetlage dadurch zwar sehr kritisch, aber kann noch eini-
germassen gemeistert werden, für 1972 aber sich dafür hunderte Millionen
Schilling notwendig, die irgendwie aufgebracht werden müssen.
In der Diskussion, als die Sitzung unterbrochen war, sagte ich laut
und deutlich zu Peter, ansonsten mische ich mich ja in die Dis-
kussion überhaupt nicht ein: Es war halt nicht nur ein Triumph heute
für die Witwen ,sondern auch für die Waisen. Peter allerdings rea-
gierte darauf sehr sauer, und sagte: Ja früher wie ich noch im Finanz-
und Budgetausschuss gewesen sei, da hätte man wirklich konkreter
und sachlicher gearbeitet als dies derzeit der Fall ist.
Wanke kam mit der Post am Abend ins Parlament, brachte mir tatsächlich
eine Partei-Presseaussendung mit folgenden Wortlautes: Es besteht begründete
Hoffnung, dass einige hunderttausend Tonnen Koks aus der UdSSR zu-
sätzlich geliefert werden könnten, um die bestehende Kokskrise zu
entschärfen , Verhandlungen mit russischen Vertretern seien im Gange
teilte Staatssekretär Veselsky Dienstag bei einer Veranstaltung
des Forum Praterstern mit. Ich erklärte Veselsky mit aller Deutlichkeit,
dass ich nicht wegen einer Kompetenzüberschreitung gegen ihn aber
wegen der unbegründeten Hoffnungen, die er hier den Konsumenten macht,
diese Vorgangsweise auf das entschiedendste verurteile. Ich sagte
ihm noch, setzte Dich sofort mit der AZ ins Einvernehmen, damit die
nicht womöglich diese Meldung auch tatsächlich bringt. Er tat dies
und wirklich hätte die AZ, wie er mir mitteilte, dies ganz gross
herausgebracht Ich.kann diese Politik von Veselsky nicht verstehen,
der um eines Effektes willen in einer Versammlung Konsumenten Hoffnung
macht, die durch keinerlei tatsächliche Lieferung in dieser Grössen-
ordnung von hunderttausenden Tonnen auch nur annähernd erfüllt wird.
Die Russen werden, wenn sie zur Vertragsunterzeichnung des Handels-
vertrages nach Wien kommen, Batolitschew wird vielleicht ja persön-
lich kommen, ja höchstens 50.000 t Keks zursätzlich liefern. Der Hin-
weis von Veselsky, Du wirst schon dann in den Verhandlungen mehr krie-
gen, halte ich für ausgesprochen dumm, denn bei den besten Anstrengungen
wird es nicht gelingen, hier die Russen zu wirklich hunderttausenden
Tonnen Kokslieferungen zu veranlassen. Ich glaube auch, so sollte und
kann man nicht Politik machen.