Der von mir einberufene Kraftfahrbeirat ist eine unbeweglich grosse
Versammlung. Sekt. Chef Habel und Min.Rat Steinhardt hatten die
Angst, dass diese Sitzung den ganzen Tag über dauern würde. Ich
konnte aber doch innerhalb von 3 Stunden die ganze Tagesordnung
durchboxen. Hauptsächlich kam es mir darauf an, den Beweis zu er-
bringen, dass der Initiativantrag von Mussil und Genossen, der aller-
dings vom Ministerium ausgearbeitet wurde, deshalb zu Fall zu bringen
in dieser Organisation, damit wenn im Parlament debattiert wird, die
ÖVP erkennen muss, dass sie die Organisationen nicht mehr hinter sich
hat. Die Wünsche des ÖAMTC und des ARBÖ, die Überprüfung der Kraftfahr-
zeuge in ihren Überprüfungszentren stiess auf den Widerstand der
Ländervertreter. Nur Vorarlberg und Tirol sprachen sich sehr positiv für
diese Idee aus, die anderen Bundesländer waren entweder zurückhaltend
oder wie Oberösterreich und Kärnten effektiv ablehend. Auch das Ver-
langen der Ärzte, insbesondere der Landärzte, als bevorrechtete
Fahrzeuge zu gelten, wenn sie im Einsatz sind zu Kranken, und insbeson-
dere Unfallverletzten, hatte nicht die ungeteilte Zustimmung des Kraft-
fahrbeirates. Es gelang mit aber, in all diesenFragen, entsprechende
Kommissionen einzusetzen, die unverzüglich die Arbeit aufnehmen sollten
und entsprechende, administrativ mögliche Vorschläge zu erstatten.
Da am demselben Tag der Verfassungsgerichtshof eine Verordnung des
Handelsministeriums aufgehoben hatte, weil aus rein formellen Gründen
die entsprechende Gesetzesstelle nicht nach Art. 18 Bundesverfassung
genau die Verordnungsermächtigung determinierte und damit in Zukunft
die 100.- S, die für eine Überprüfung des Kraftfahrzeuges zu leisten
sind, nicht mehr eingehoben werden können, muss eine Novelle des Kraft-
fahrgesetzes auf alle Fälle durchgeführt werden. Ebenso ist es dringendst
notwendig, dass eine Übergangsbestimmung im Gesetz festlegt, dass Ver-
ordnungen, die das Handelsministerium erlässt, auch Übergangsbestimmun-
gen aufnehmen kann. U.A. würde, wenn diese gesetzliche Ermächtigung
nicht vorliegt, und wir z.B. die Traktoren mit Überschlagsgeräten aus-
rüsten wollen, um in Zukunft bei Überstürzen der Traktoren die Todes-
fälle zu verringern, eine solche Verordnung unverzüglich verlangen
müssten, das 240.000 Traktoren sofort über Nach umgebaut sein müssten.
Eine solche Bestimmung ist undurchführbar, aber es gibt derzeit
keine gesetzliche Ermächtigung in der Verordnung eine Übergangszeit
festzulegen.
Min.Rat Steinhardt kam nach der Sitzung zu mir, um mir auseinanderzu-
setzen, welche technischen und zeitlich vor allem unmögliche Schwierig-
keiten es bereiten würde, diese Forderungen des Kraftfahrverbände und
der sonstigen Stellen in das Gesetz aufzunehmen. Ich erklärte ihm,
dass wir dies aber unbedingt machen müssten, da im Hebrst ein solcher
Gesetzesvorschlag über uns dem Parlament zugeleitet werden sollte.
Auf seine Anfrage, was mit dem Initiativ antrag geschehen üwrde,
sagte ich, das könnte ich nicht klären und auch nicht entscheiden,
auf aller Fälle aber müsstenwir von Seiten der Regierung und vor allem
von Seiten des Handelsministeriums entsprechende gesetzliche notwendige
Vorschläge an das Parlament erstatten.
Bei der Vorsitzübergabe vom Wirtschafts- und Sozialbeirat hatte ich
Gelegenheit mit Seidel über das Programm des Instituts für Wirtschafts-
forschung betreffend unseren Auftrag, zu sprechen. Mitterer hatte
bekanntlicherweise dem Wirtschaftsforschungsinstitut einen Millionen-
auftrag über eine Industriestudie zugesichert. Seidel stimmte mir voll-
kommen zu, dass es ihm viel lieber ist, wenn er Detailuntersuchungen
kriegen würde, die er allerdings nicht mehr in diesem Jahr abschliessen
könnte. Um nun die finanzielle Auszahlung zu ermöglichen, hatte er
mit Mitterer scheinbar vereinbart – oder mit Gröger nehme ich eher an –
dass er gegebenenfalls einen Teil Arbeit leistet und dafür den Betrag
ausbezahlt erhält. Ich erklärte ihm sofort, dass 1 Mio S sowieso
keinesfalls im Budget vorgesehen seien, sondern ein wesentlich geringerer
Betrag, und er wird einen diesbezüglichen Vorschlag jetzt über das
Programm, welches er in Arbeit nehmen will, erstattet. Ich hatte
dem Wirtschafts- und Sozialbeirat noch zugesichert, dass ich dies
im engesten Einvernehmen mit ihnen machen würde.
Bei der Sitzung, wo Klose noch den Vorsitz führte, war von Seiten der
Bundeskammer sowieso vorgechlagen worden, dass die Arbeit im Sozial-
beirat auch in diesem Sektor Industriepolitik fortgesetzt werden sollte.
Ich stimmte dem sofort zu. Ebenso wurde der Vorschlag, eine Studie über
die Mehrwertsteuer und eine Regionalstudie auszuarbeiten, akzeptiert.
Betreffend die Wettbewerbsfragen, wo eine Arbeitsgruppe, die
allerdings sehr inaktiv ist, unter Geschäftsführung Auracher ar-
beitet, wurde beschlossen, dass diese Wettbewerbsfragen neuerdings
in Angriff genommen werden sollte. Klose allerdings machte die sehr
interessante Bemerkung, dass wenn diese Arbeitsgruppe überhaupt ein
Ergebnis liefert, so wahrscheinlich zu spät kommt, da der Handels-
minister, der die Gewerbeordnung jetzt in Angriff nimmt und wahr-
scheinlich zu einem Ergebnis früher kommt, als die Arbeitsgruppe
die Studie über,Wettbewerbsfragen tatsächlich vorlegen kann.
Der französische Botschafter Leduc kam mit dem Handelsrat, um mir
mitzuteilen, dass es zweckmässig wäre, die Österreichisch-
-französische Gemischte Kommission für Herbst wieder einzuberufen. Da diese
aber erst im Frühjahr in Paris getagt hat, schlug Min.Rat Meisl
vor, diese erst vor Ostern des Jahres 1971 nach Wien einzuberufen.
In der Zwischenzeit könnte die Zusage der Franzosen geklärt werden,
ob und inwieweit sie gegebenenfalls in Ergänzung oder in Kompen.
sation für unsere Rüstungskäufe in Frankreich ebenfalls bei uns –
seien es Patronen in Hirtenberg oder gegebenenfalls Puch-Haflinger
oder sonstige Frahzeuge – kaufen. Unsere Handelsbilanz gegenüber Frank
reich ist ja derzeit mit l Mia S aktiv und es wäre dringend notwen-
dig, sie entsprechende abzubauen. Der franzöische Botschafter
konnte keinerlei Vorschläge machen und als ich ihm andeutete, dass
grosse Switch-Geschäfte derzeit im Gange sind, die in die
Hunderte Millionen Dollar gehen, konnte ich feststellen, ohne dass
ich den Namen nannte, dass er weder unseren Vermittler, noch eigent-
lich das Geschäft überhaupt gekannt hat. Als Reiterer versuchte,
die Frage auf die EWG-Problematik zu bringen, hatte der Botschafter
nur sehr zurückhaltend geantwortet und sich dann empfohlen.
Dr. Fink von der Hotel- und Treuhand AG, gleichzeitig auch im Frem-
denverkehr Leiter der Sektion, hatte sich bei mir angemeldet, um mir
erstens die Aufwertung zu machen, aber wie sich dann herausstellte,
auch seine Sorgen vorzutragen, da wir nur 150 Mio S ERP-Mittel
für den Fremdenverkehr zur Verfügung haben, er aber Anträge für
300 Mio S jetzt bereits vorliegen hat. Seine Idee ist es nun,
wie im Jahre 1955, eine sogenannte Bankenaktion zu starten, d.h.
zu diesem Zeitpunkt 1955 hatte er mit Joham von der CA vereinbart,
dass dieser 90 Mio S für Investitionen im Fremndenverkehr der Ostgebiete
zur Verfügung stellt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie dies möglich
war, da die Hauptschwierigkeit ja darin liegt, die entsprechende Zins-
herabsetzung zu finanzieren. Der ERP-Kreditzins beträgt 5 % und ich
bon gespannt, ob er imstande ist, eine Stelle zu finden, die diese
Differenz von derzeit zumindest 8,5 % auf 5 % herabzusubventionieren.
Beim Empfang für die UNO 25 Jahre – Festveranstaltung wurden wir über-
rascht, dass eine ausserodentliche Ministerratsvorbesprechung stattfinden
sollte. Die noch in Wien anwesenden Minister kamen bei Kreisky zusammen
und dieser erklärte uns, dass sich scheinbar eine Staatskrise heranbildet.
Withalm hätte ihm heute mitgeteilt, dass infolge der Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofes derzeit das Parlament nicht mehr 165 Abgeordnete
besitzt und deshalb auch nach Beschluss des ÖVP-Präsidiums keinerlei
Sitzungen und Gesetze mehr stattfinden sollten. Nach Auffassung der ÖVP
hätte die Regierung keine Chance mehr, die so notwendigen Gesetze im
Parlament auch beschlossen zu bekommen. Dies besitzt sich vor allem
auf das Kompetenzgesetz, aber was unserer Meinung wirklich kritischer
ist, auch auf die Pensionsbestimmungen für den öffentlichen Dienst. Die
Witwenpensionen werden mit 1.Juli von 50 auf 55 % angehoben und würden
für alle Witwen, nur nicht für die der öffentlich Bediensteten gelten.
Der Vorschlag von Withalm, dies gegebenenfalls rückwirkend zu einem
späteren Zeitpunkt zu beschlissen, kann nicht genug angeprangert werden
da die ÖVP bis jetzt immer erklärt hat, im Sinne der Rechtsstaatlichkeit
seien rückwirkende Gesetze womöglich nicht zu beschliessen. Interessant
ist, dass wie wir uns im Fernsehen überzeugen konnten, Maleta eine andere
Haltung einnimmt, als die die uns Kreisky von Withalm erzählte. Maleta
selbst hat sich ja mit der Geschäftsführung betrauen lassen. Waldbrunner
hat in einer feierlichen Sitzung die Geschäfte ihm übertragen und Maleta
erklärte auch deshalb, die Kontinuietät des Parlamentes müsste unbedingt
aufrechterhalten bleiben. Es ist in Österreich bekanntlicherweise schon
1933 als damalas alle drei Präsidenten zurückgetreten sind, zu einer
Parlamentskrise und in weiterer Folge zu einer Staatskrise gekommen. Ich
glaube nicht, dass die derzeitige politische Lage eine solche Gefahr be-
inhaltet, aber es ist richtig, dass man genug frühzeitig aufpassen kann,
um eine Parlamentarismus aufrechtzuerhalten, der gegebenenfalls aus
02-0311
irgendwelchen Entscheidungen ausgeschaltet werden könnte.
Gratz vertrat mit Recht die Meinung, dass es besser ist,
ein schlechtes und nicht vollständiges Parlament zu haben, als
gar keines, denn dann besteht unmittelbar die viel grössere
politische Gefahr, dass irgendwelche notwendigen Beschlüsse zu
fassen sein könnten, die dann nicht gefasst werden können, denn
wenn das Parlament nicht mehr – wie das Prof. Winkler jetzt so
gerne erzählt – existiert, das heisst nicht mehr vollzählig
und damit auch nicht beschlussfähig ist, dann könnte – wenn eine
Krisensituation eintritt – man natürlich auch auf dem Stndpunkt
stehen, das Parlament ist eben nicht existent. Dann mit Notver-
ordnungen zu arbeiten ist auch deshalb sehr schwierig, weil bekannt-
licherweise diese Notverordnungen innerhalb von 4 Wochen vom National-
rat bestätigt werden oder verworfen werden müssen. Man sieht, dass
der Verfassungsgerichtshof, der rein formell die Mandate nur aufgehoben
hat und die ungeteilte Zustimmung der öffentlichen Meinung zumin-
destens soweit sie in den Zeitungen repräsentiert ist, gefunden hat,
dass dieser Entscheidung doch sehr dürftig gewesen ist, weil er über
die weitere Tätigkeit der Abgeordneten und des Parlamentes über-
haupt nichts ausgesagt hat.