Mittwoch, der 1. Juli 1970

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Bei der Nationalratssitzung, der ich fernzubleiben hatte, aber
als Regierungsmitglied doch beiwohnen konnte, hatte ich Gelegenheit,
mit Mussil über die Wünsche bezüglich unserer Konsumentendeklaration
zu sprechen. Mussil erklärte mir, dass er im Prinzip einverstanden
sei, dass das Unlautere Wettbewerbsgesetz novelliert werden sollte,
er meinte nur dass die Klageberechtigung, die wir für die Arbei-
terkammer, die Landwirtschaftskammer, den Gewerkschaftsbund forderten
– die Bundeskammer besitzt sie ja derzeit schon – auf den Gewerksch.
Bund nicht ausgedehnt werden sollte. Gleichzeitig verlangte er, dass
in dieses Gesetz von ihm dann gefordert wird werden, eine Bestimmung
aufzunehmen, wonach die Schleuderpreise dann nicht zu beanständen
sind, wenn sie als Sonderangebote gekennzeihnet werden. Mit dieser
Bestimmung sollte verhindert werden, dass eben ein oder zwei Lock-
preise in der Auslage als besonders preiswert angesehen werden
und wenn der Betreffende dann im Laden ist, die anderen Preise wesent-
lich überhöht nur eingekauft werden können, aber von Konsumenten
eben nicht erkannt werden. Seiner Meinung nach handelt es sich
hier nur um einige Ergänzungen des derzeit schon im Unlauteren
Wettbewerb festgehaltenen Tatbestandes, dass wenn eine Firma Preise
günstig anbietet und dann im Laden selbst Qualitäten und Sortimente
nicht entsprechend vorhanden sind, dann ist dies eine unlauterer
Wettbewerbstatbestand, der verboten ist, weil der Konsument nur mit
Hilfe der billigen Preise ins Geschäft gelockt werden soll, z.B.
Schuhe, und dann nur Grössen der Klasse 35 und 48 vorhanden sind.
Ich vereinbarte mit Mussil, dass Dr. Christian von der Bundeskammer
und Dr. Koppe unverzüglichst Besprechungen aufnehmen sollten. Unsere
Taktik müsste sein, doch ein grösseres Forderungsprogramm zur Novel-
le des UWG vorzulegen. um die Bundeskammer auf der einen Seite
die Möglichkeit zu geben, entsprechende Streichungen zu veranlassen
die wenn der Gesetzentwurf im Parlament dann behandelt wird, sicher
auch nicht die Mehrheit des Hauses finden wird, und auf der anderen
Seite zu ermöglichen, dass die Bundeskammer entsprechende Anträge,
wie z.B. die Ankündigung und Auszeichnungen von Sonderangeboten


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bei der Begutachtung in das Gesetz hineinreklamieren kann,
Sallinger war bei diesem Teil der Besprechung nicht anwesend,
da er als ich mit Mussil mich zurückzog, im Hause nicht zu sehen
war. Jetzt erschien er, als Mussil zufälligerweise telefonieren
war und erklärte mir unverzüglich, dass die Erklärung, die ich
bezüglich der Konsumentenpolitik des Handelsministeriums abgege-
ben habe, für ihn ungeheure Schwierigkeiten gebracht hätten und
er deshalb beabsichtigt, die direkte Telefonleitung stillzulegen
und mir die Freundschaft aufzukündigen. Es war dies aber scheinbar
nur eine Drohung, denn ich konnte ihm ja mitteilen, dass ich
dies im engsten Einvernehmen mit Mussil zu handhaben beabsichtige,
und dass zweitens er und Mussil ja von diesem Schritt informiert
gewesen sind. Ich gebe allerdings zu, dass er grosse Schwierig-
keiten in der Organisation des Wirtschaftsbundes u. der ÖVP ins-
besondere hat, denn natürlich will man dort so wenig wie mög-
lich Aktivitäten von unserer Seite sehen. Sallinger hatte ich
eine Besprechung mit Kirchschläger wegen der Aussenhandelsstellen
insbesondere wünschte er eine Aussenhandelssstelle in Ostberlin
zu errichten , und teilte mir gleichzeitig mit, dass er mit
Kirchschläger einen vollkommenen Akkord in diesen Fragen erzielt
hatte. Die Hauptschiwerigkeit mit der DDR wird sich nur dadurch
ergeben, dass diese jetzt von einer anderen Stelle aus die Han-
delsvertragsbesprechungen mit der Handelskammer bei uns führen
wollen. Nach einer Mitteilung, den Brief hatten wir bis jetzt
immer nicht bekommen und ich urigerte ihn deshalb bei Mussil
der DDR-Stellen sollte in Zukunft eine halbamtliche Stelle mit
der österr. BHK die Vertragsverhandlungen – die Abwicklung –
des Handels zwischen unseren Staaten und der DDR – durchführen.

Abgeordneter Staudinger von der ÖVP hatte mich vor längerer Zeit
ersucht, ob ich bereit wäre, einem deutschen Korrespondenten des
Lebensmittelhandels – eine bedeutende Zeitung in Westdeutschland –
ein Interview zu geben. Da ich ihm dies selbstverständlich zuge-
sagt habe, war dieser Mann mit Flugzeug nach Wien gekommen. Stau-
dinger
fragte ganz schüchtern ab, ob er bei diesem Interview
dazu sein könnte, was ich selbstverständlich sofort bejahte. Ich
hatte eine sehr interessante, und viel länger dauernde Diskussion
mit den beiden, wobei Staudinger zwar sehr zurückhaltend war, aber
immer klar und deutlich noch präzise Fragen stellte, um meine


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Stellungnahme zu dem Problem des Lebensmittelhandels zu erfahren.
Ich bin sehr neugieirig, wie dieses Interview von dieser deutschen
Lebensmittelzeitung ankommt, wobei ich überzeugt bin, dass der
Interviewer auf dem Standpunkt gestanden ist – den ich auch
einnehme – dass all die Vorschläge, die man bisher gehört hat
von denen aber fortschirttliche Funktionäre aber auch schon ab-
gehen, wie Antischleuderergesetz, Schutz des Mittelstandes usw.
eigentlich ebenfalls auf Grund der deutschen Erfahrungen schon
längst abgegangen ist. Zum Schluss erwähnte ich noch, dass es
mir gar nichts ausmacht sondern nur sehr angenehm wäre, wenn in der
Interview zum Ausdruck käme, dass bei dieser Besprechung auch
Abgeordneter Staudinger anwesend gewesen ist und ebenfalls für
Fragen zur Verfügung gestanden ist und Fragen an mich gerichtet
hatte.

Bei der Vorbesprechung mit Reiterer und Fälbl über den russischen
Handelsvertrag, deren Paraphierung heute Platz greifen sollte,
konnte ich feststellen, dass Reiterer noch immer nicht meinen
Stil ganz begriffen hat. Es ist üblich, dass bei dieser.Para-
phierung, die unter Anwesenheit des russischen Botschafters
und des Handelsministers stattfinden sollte, die beiden Dele-
gationsleiter Maschulo und Reiterer, die Paraphierung vorzu-
nehmen hatten. Gleichzeitig ist es dann üblich, dass entsprechende
Worte der Anerkennung und der Bedeuung des Vertrages gewechselt
werden. Reiterer fragte nun, ob ich beabsichtige, diese Ansprache
zu halten. Ich war mir nicht ganz sicher, Gott sei Dank fiel
Fälbl sofort ins Wort und sagte, nein, Herr Minister, meiner
Meinung nach müssten dies unbedingt der Delegationsleiter tun,
weil ansonsten würde man den Botschafter in eine unglückliche
Situation bringen, denn er müsste dann auch etwas sagen und
sei nicht darauf vorbereitet und es wäre auch gegen die bishe-
rigen Gepflogenheiten. Reiterer selbst war über diese Erklärung
Fälbls sehr froh und ich erklärte ihm, Sie sehen, Herr Ministerial
rat, bevor ich noch ein Wort sagen konnte, schon die Antwort ge-
geben hatte, die ich von einem Beamten erwarte, nämlich mir
zu sagen, was seiner Meinung nach richtig ist. Reiterer meinte,
er wollte mir nur unbedingt diese Erklärung anbieten, Ich nehme
an, dass dies auf die Fernsehdiskussion zurückzuführen ist.
Koppe und Wanke hatten nämlich vorgesehen, dass Fernsehen, welches


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sich angemeldet hatte, ein Interview dann mit mir zu machen
hätte. Ich war über diese Entscheidung nicht sehr glücklich,
da ich ja den Beamten gesagt, hatte, dass der der die Arbeit
leistet, auch in Erscheinung treten sollte. Nun hatten Koppe
und Wanke aber meiner Meinung nach wieder zurecht so entschieden,
weil sie im Hinblick auf die zukünftige Herbstwahl alles daran
setzen, mich so viel wie möglich in der Öffentlichkeit ins Bild
zu rücken. Dass ich persönlich dies hasse, ist ihnen zwar be-
kannt, aber andererseits machen sie ihre Arbeit nicht nur gut,
sondern manipulieren mich in dieser Hinsicht, so dass ich nicht
ausweichen kann, weil sie die sachlichen Gründe für sich haben..
Ich nehme deshalb an, dass aus dieser Überlegung her, Reiterer
noch vorsichtiger wurde, und deshalb mit jetzt schon sogar die
Dankesrede angeboten hat. Fazit: Wir müssen in Zukunft noch viel
vorsichtiger mit dem Protokoll, Etikett und Gefühlsmoment der
einzelnen Beamten rechnen.

Bei der Unterzeichnung war auch Dkfm. Karall von der Landwirtschafts-
kammer anwesend und ich bat ihn nachher noch zu mir ins Büro, um
einige Probleme mit ihm zu besprechen. Ich entwickelte ihm meinen
ursprünglich vorgesehen Plan über Abbau derGetreidestützungen
und um Mittel für Milchpreisstützung zur Verfügung zu haben und
er meinte, das wäre auch nur sehr schwer gegangen, weil dadurch
doch für die Getreidebauern ein Einkommensverlust zu verzeichnen
ist. Er selbst bittet um Verständnis dafür, dass für sie jetzt
die Lage äusserst schwierig wird, weil die Radikalisierung des
Bauernbundes doch durch die Oppositionsrolle jetzt kaum mehr
zu verhindern ist, allerdings glaubt er, dass eine stärkere Radi-
kalisierung nicht eintreten wird, aber doch irgendetwas geschehen
müsste. Ich machte ihn nur darauf aufmerksam, wenn sie zum Bauern-
sturm blasen, doch in Wirklichnkeit sie daran denken müssten, welche
Ergebnisse dann in der Praxis zu erwarten seien, und verglich dies
mit einem Streik, der angezettelt wird oder auch wirklich
spontan ausbricht in einer Branche oder Firma, die womöglich kein
Geld hat und deshalb auch die Forderungen, die gestellt werden,
kaum oder gar nicht erfüllen kann. Anschliessend an solche Mass-
nahmen wird dann immer wieder von den Beteilgten festgestellt,
dass sie sich im Stich gelassen fühlten von den Organisationen,


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weil eben nicht mehr herausgekommen ist. Karall zählt
zweifelsohne zu den ruhigeren und besonneneren Ratgeber der
Funktionäre der Bauernorganisation, ich bin allerdings über-
zeugt, dass er sich derzeit nur sehr sehr schwer, wenn überhaupt
mit seiner Meinung durchsetzen kann. Er hat allerdings
drauf hingewiesen, dass man heute aber auch in der Vergangenheit
auf die ruhige und vernünftige Art versucht hat, den Funktionären
klarzumachen, warum die oder andere Probleme nicht so leicht zu
lösen sind, so hat man nur immer wieder dafür auch in dieser
Organisation womöglich das Schimpfwort "Bremser und Renegat"
oder noch ärgere zu hören bekommen.

Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


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      Tätigkeit: [Funktionär, Beamter o. ä.?; von ihm heißt es 1971 nach der Gem. Komm. in der SU, er habe alle bisherigen mitgemacht; ev. könnte Rudolf Karall von der LWK gemeint sein?]


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        Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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          Tätigkeit: HK


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            Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
            GND ID: 118723189


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              Tätigkeit: Beamter HM


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                Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.; Bgm. Schwanenstadt, OÖ


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                  Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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                    Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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                      Tätigkeit: stv. sowj. Außenhandelsminister


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