Freitag, der 10. Juli 1970

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Bei der Präalabel-Sitzung, d.h. der Anforderung für das monatliche Budget
welches wir dem Finanzministerium zu stellen haben, konnte ich wie-
der die Sinnlosigkeit des Verwaltungssystems erkennen. Werden von
den einzelnen Abteilungen Aktennotizen mit Begründungen für die An-
forderungen vorgelegt und dann in der Budgetsektion zusammengefasst,
teilweise gekürzt, teilweise übernommen und dem Finanzministerium vor-
gelegt. Das Finanzministerium allerdings hat wahrscheinlich auf Grund
der Eingänge un-d der finanziellen sonstigen Verpflichtungen aber nur
die Möglichkeit, den einzelnen Ressorts gewisse Ansäzte zu genehmi-
gen, sodass das Endergebnis ist, dass es sich hier um einen riesigen
Aufwand von Papier und Zeit handelt, damit letzten Enedes die möglichen
finanziellen Zuweisungen durch den Finanzminister in der Monatsrate e-
rfolgen. Mir ist vollkommen klar, wenn ein so grosser Staatsapparat
mit einem 100 Mia Budget verwaltet werden muss, dass in irgendeiner
Weise der Geldfluss geregelt gehört. Ich frage mich allerdings nur,
ob dies auf so komplizierte Art und Weise notwendig ist. Ich bin
überzeugt davon, dass ein subalterner Beamter im Finanzministerium und
bei uns z.B. der Amtsrat Schütz, der in Wirklichkeit die ganze Budget-
arbeit macht, aber da er kein A-Beamter ist, über sich noch einen Sek-
tionsrat und einen Sektionschef sitzen hat, im vertraulichen Gespräch
wirklich festlegen könnten, was die einzelnen Ressorts und damit die
einzelne Abteilung bekommen könnte und sollte. Der einzige Vorteil
ist, dass dies heute rechnungsmässig wenigstens über die EDV abgewickelt
wird. Kom.Rat Wild vom Freien Wirtschaftsverband, der die Espresso-
und Gaststätten vertritt ist mit dem Sekretär gekommen, um gegen die
Errichtung von Geschäften der Firma Tchibo und Eduscho zu protestie-
ren, die Kaffee ausschenken und eigentlich nach seiner Meinung keine
Kaffeehaus-Konzession besitzen. Er wollte erreichen, dass ich mich ganz
entschieden gegen diese neue Verkaufsform ausspreche. Ich hatte ihm
sofort aber mitgeteilt, dass das ein Zug der Zeit ist und in West-
deutschland der hohe Kaffeeverbrauch nicht zuletzt auch darauf
zurückzuführen ist, weil eben in jeder Strasse fast ein sollches Ver-
kaufsgeschäft ist, wo entsprechende Möglichkeiten für die Passanten
bestehen, schnell einen Kaffee zu trinken. Auch in Österreich greifen
diese beiden Firmen die Verkaufsmöglichkeit auf, und wenn sich die


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Espresso- und Kaffeehausbesitzer dagegen wehren, dann müssten sie
ebenfalls solche Verkaufsmethoden einführen, von mir aus sollten sie
ein Fenster durch einen verübergehenden Verkaufsstand ersetzen. Ich
wollte haben, dass alle bei uns abhängigen Berufungen das Magistrat
der Stadt Wien lehnt ja die Ansuchen meistens auf Grund der Gutachten
der Gast- und Schankgewerbeinnung ab, solange nicht behandeln, bis der
Verwaltungsgerichtshof die bei ihm anhängigen Verfahren im Herbst ent-
schieden hat-.

Da Heindl im engsten Einvernehmen mit dem Sekretär des Freien Wirt-
schaftsverbandes, Bajano, die Fälle im einzelnen bespricht, haben
wir ihm zwar keine Illussion gelassen, dass wir nicht bereit waren,
eine restritive Politik zu verfolgen, dass wir aber im Einvernehmen,
resp. zumindestens durch Verständigung des Freien Wirtschaftsverbandes
auch in Zukunft alle diese Fälle behandeln werden.

Stadtrat Nekula, Gen.Dir. Reisinger und Gas-Direktor Jerusalem waren
gekommen, um die Umrechung von m3 auf megacal beim Gaspreis mit mir
zu besprechen. Die ÖVP hatte im Gemeinderat eine Offensive bereits
gestartet, wo sie darauf hinwies, dass unter gar keinen Umständen
sie dieser neuerlichen Belastung wie sie es nannten, zustimmen werden.
In Wirklichkeit handelt es sich um keine Mehrbelastung aber da das
Erdgas entsprechend billiger kommt als das Stadtgas wird in längerem
Zeitraum natürlich eine Kostensenkung zu verzeichnen sein, die zumindeste
die Kostensteigerungen, die sonst zu erwarten wäre, abfängt Min,Rat
Schleifer, der beimuns die Preisabteilung führt, hatte mir ja bereits
mitgeteilt, dass seiner Meinung nach unter gar keinen Umständen
eine einfache Umrechung auf megacal erfolgen könnte, da dadurch eine
mögliche Kostensenkung auf Grund der derzeitigen preisrechtlichen Be-
stimmungen unterbleiben würden. Er versuchte von mir eine Weisung zu
bekommen, damit er nachher, davon war ich fest überzeugt, dies propa-
gandistisch der ÖVP zur Auswertung übergebenkönnte. Ich hatte deshalb
sofort veranlasst, dass Schleifer eben zu der Besprechung kommen sollte
und bei dieser Gelegenheit er seinen Standpunkt durchsetzen müsste.
Reisinger, der sehr beschlagen ist, konnte deshalb alle Argumente, die
Schleifer vorgebracht hat, entkräften und ich konnte als objektiver
Vorsitzender der ausschliesslich den Gesichtspunkten Recht und Gesetz
vorzugehen hat, immer wieder nur feststellen, dass wir unter gar keinen
Umständen bereit sind, sei es Protektion walten zu lassen oder gar wie
das unter der Äre Mitterer der Fall war, wo der unzuständige Präsident


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Mühlhauser interveniert hatte und Schleifer – wie er sich ausdrückte –
immer nur nein gesagt hat, aber letzten Endes dann nach dem zweiten
Mal hinausgeschmissen wurde und eine Weisung bekommen hat, so wie es die
ÖVP gewünscht hat, vorzugehen. Schleifer wies darauf hin, dass die Um-
rechnung für die Gemeinde Wien nicht so problematisch ist, dass aber
wenn die Niogas, die derzeit bereits Erdgas miz 9.600 Kalorien verkauft
dann von der m3-Berechnung auf die megacal umsteigt und einen wesent-
lichen Supergewinn machen würde und dadurch der Konsument besonders
stark belastet wird. Ich erklärte sofort, dass ich nicht bereit bin,
vor einer anderen Konkurrenzfirma, nämlich die Wiener Stadtwerke sind
eine solche, über das Niogas-Problem zu reden oder zu verhandeln und
erklärte, das würden wir dann bei uns intern zu regeln haben. Nach
der Sitzung griff ich deshalb diesen Gedanken wieder auf und machte
Schleifer auf dieses Verhalten von mir noch im besonderen aufmerksam,
Er sollte den Eindruck gewinnen, und ich glaube, dass es mir auch geglück
ist ihn zu vermitteln, dass ich nicht bereit warm mit verschiedenen
Masstäben zu messen, wer immer und we lche Stellen sich immer an unser
Ministerium wenden, wir müssten und sollten nach objektiven Gesichts-
punkten vorgehen.

Bei der Besprechung mit Sekt.Chef Römer und seinen Herren betreffend
das Rohstofflenkungsgesetz, das Preistreibereigesetz und das Preis-
regelungsgesetz hat ergeben, dass man sich im Ministerium, was ja unsere
Aufgabe ist, mit legistischen Fragen sehr eingehend beschäftigt.
Im Rohstofflenkungsgesetz konnten die divergenten Auffassungen der
Arbeiterkammer und der Handelskammer nicht auf einen Nenner gebracht
werden. Da aber die Verfassungsdienststellen, Löbenstein, als auch
die wirtschaftliche Landesverteidigung, Min.Rat Hanisch, ein Bevorratungs
gesetz auf alle Fälle verlangen, ersuchte ich die Abteilungen, eine
Kombination zwischen den Bevorratungswünschen dieser Stellen und des
Rohstofflenkungsgesetzes herzustellen. Ich kann mir vorstellen, dass
es doch möglich sein müsste, ohne ein neues Gesetz zu schaffen, durch
eine Novelle des Rohstofflenkungsgesetzes, weil wir dort bereits
die Verfassungsbestimmungen haben, um ein vernünftige Bevorratungs-
und Rohstofflenkungsgesetz in einem unter einer Novelle des derzeit
bestehenden Rohstofflenkungsgesetzes zustandezubringen. Der Widerstand
gegen die Handelskammer sollte meiner Meinung nach doch aus der Welt
geschaffen werden, dadurch dass wir im Rohstofflenkungsgesetz nicht
mehr jetzt vorsehen, dass mit Beschlagnahme und weiss Gott was alles
vorgegangen wird, weil geraede diese Bestimmungen sowieso nie zur
Anwendung gekommen sind.



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Beim Preisregelungs- und Preistreibereigesetz konnte ebenfalls
zwischen der BHK und der AK kein Einvernehmen hergestellt werden.
Schleifer hatte als Vermittlungsversuch vorgeschlagen, dass der
§ 3 a nur zur Anwendung kommen soll, wenn ein preisbehördliches Ver-
fahren vorher abgführt wird. Auch diesen Vorschlag hat die Bundes-
kammer ganz entschieden abgelehnt. Dies hat Schleifer sehr erschüttert
und es ist deshalb anzunehmen, dass er unserenVorschlag, wonach
eben dann 3 a wirksam werden soll, wenn eine an Stelle bereits fest-
stellt, dass die Preise ohne Genehmigung der Paritätischen Kommission
erhöht wurden, aus innerer Überzeugung vertreten wird.
Beim Preistreibereigesetz ist er der Meinung, dass wo Nettopreis-
verordnungen erlassen werden, das Preistreibereigesetz nicht zur
Anwendung gelangen soll. Es ist sicher richtig, denn wenn jemand
zuerst Preise empfohlen bekommen hat und dann in eigener Kalkula-
tion sie festsetzt, kann es natürlich zu Preisdifferenzierungen kommen
und es wäre daher ungerecht, wenn die Betreffenden dann durch verschie-
dene ortübliche Preisbestimmungen bestraft werden, weil sie auf Grund
ihrer Kalkulation z.B. eben wirklich über dem ortsüblichen Preis zu
liegen kommen. Da die Nettopreisverordnung sowieso nur immer auf zwei
Jahre maximal getroffen werden kann, würde dies bedeuten, dass das
Preistreibereigesetz für diese Waren auf zwei Jahre ausser Kraft ist.
Bei der Besprechung mit den Sektionschefs der anderen Ressorts über
das Investorenkomitee konnte ich durch geschicktes Manipulieren durch-
setzen , dass die von uns gewünschten Vertreter in die Arbeitsgruppe
entsendet werden. Die Wasserbehörde hat ebenfalls mitgeteilt, sie
möchte an diesen Besprechungen teilnehmen. Sektionschef Neudörfer
vom Finanzminister hat uns dann darauf aufmerksam gemacht, dass
auch ein Vertreter der Nationalbank diesem Komitee zugezogen werden
soll, da doch immer wieder Kapitaltransaktionen zur Sprache stehen
werden. Vom Sozialministerium werden also Bernfeld, Vom BKA John,
vom LM Kopsa und vom FM Daum an unseren Besprechungen teilnehmen.
Gesandter Steiner, der in Athen seinen Diestn derzeit ausübt, aber
in Urlaub in Wien ist, hatte Gelegenheit, mit mir über die beab-
sichtigten Investitionen von Steyr-Werken ind Saloniki zu sprechen.
Im Prinzip sagte er, ist eine solche Beteiligung der Steyr-Werke
nur zu begrüssen, allerdings die jetzt eingeschalteten griechischen
Vermittler sind Schieber grösster Art. Ich versuchte sofort Kontakt
mit Gen.Dir. Rabus zu bekommen, am späten Abend war mir dies möglich.



02-0353

Ich erzählte Babus die Meinung der bisherigen österr. Stellen und
vor allem die bereits vorliegenden Informationen. Rabus teilte mir
mit, dass der Stellvertreter von Steiner leider nichts anderes ge-
macht hat, als zu den griechischen Generalvertreter von Steyr zu
gehen und ihn zu fragen, was er zu dieser ganzen Sache, zu diesem
Projekt zu sagen habe. Da es sich hier um ein ganz grosses Missver-
ständnis handelt, ersuchte ich Kirchschläger unverzüglich ein neues
Kabel nach Athen zu geben, wonach unser Vertreter die griechische Re-
gierung fragen sollte, was sie zu diesem Projekt zu sagen hat.

Im Parteivorstand wurden ausser der Geschäftsordnung auch die Nominie-
rungen für die verstaatlichten und Elektrizitätsbetriebe beschlossen.
Bei dieser Gelegenheit konnte ich neuerdings feststellen, was ich
allerdings seit dem Jahre 1945 seitdem ich in einem Spitzengremium
gesessen bin, immer schon festgestellt habe und erkannt habe, dass
es sich nur um formelle Beschlüsse handelt. Die Bestellung resp.
Aushandlung der einzelnen Positionen geschieht entweder in privaten
Kontakten zwischen den mächtigen Leuten der Partei voreher oder
maximalst in dem Parteipräsidium. Die Bestellung z.B. des Dr. Erbach
für Kothbauer in die Verbundgesellschaft löste den Widerstand von
Häuser aus, der sich ausdrücklich dagegen aussprach, Da Erbach erst
drei Wochen der SPÖ beigetreten ist und allerdings dem BSA schon
10 Jahre angehört. Häuser selbst wollte Panthauer, der die fach-
lichen Voraussetzungen nach seiner Meinung nach mitbringt und gleich-
zeitig aber auch dort die politische Organisation aufgerichtet hat.
Ich glaube aber, dass Häuser insbesondere Panthauer deshalb forciert
hat, weil er ihn aus der Gewerkschaft – er kommt ja von den Privat-
angestellten – sehr genau und gut kennt. Als Kompromiss hat Kreisky
vorgeschlagen, dass Pathauer der Nachfolgen von Hintermeier sein
soll, der in drei Jahren in Pension geht. und jetzt bereits die Hälfte
der Aufsichtsratposten besetzen wird, die bisher Hintermeier gehabt
hat. Drei Vorschläge zur Wahlrechtsreform, die ersten zwei beinhalten
insbesondere Persönlichkeitswahlen mit Proporzausgleich wurden
deshalb nicht angenommen, weil mit Recht gesagt wurde, jewede Wahl-
rechtsreform, die eine Verfassungsbestimmung beinhaltet, hat kaum
Chancen durchzukommen. Deshalb müsste eine Ausweitung der Mandats-
anzahl oder Vergrösserung der Wahlkreise dazu führen, dass nachher,
wenn die kleine Wahlrechtsreform kommt, wo die 25 Wahlkreise auf
neun Wahlkreise zurückgeführt werden und die vier Wahlkreisverbände auf
zwei Wahlkreisverbände der Bevölkerung vollkommen unerklärlichsei.



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Aus diesem Grund wird Rösch einen diesbezüglichen Vorschlag
ausarbeiten.

Besprechungen zwischen Nittel und dem ÖVP-Landessekretär Gratzl
und nachher Besprechungen mit allen drei Parteien haben ergeben,
dass der Wahlkampf am 13. September eröffnet werden sollen. Man
einigte sich auf eine Postwurfsendung, keine TV und die ÖVP wünscht
auch keine Inserate, keine Kinoreklame, keine Polemik, solange Ver-
handlungen über dieses Wahlabkommen stattfinden. Ebenso soll nur ein
Plakal 12 Bogen vorgesehen sein. Die Plakatfläche waren bisher mit
6 : 4 aufgeteilt und Nittel hat vorgeschlagen 5:3:1. Die Freiheit-
liche Partei, die scheinbar sehr viel Geld hat, hat vorgeschlagen
1:1:1. Da die Belangsendungen im September nur für die SPÖ und die ÖVP
vorgesehen sind, wird für die FPÖ ebenfalls eine Belangsendung, die
erste am 10.10. drankommen würde, in den September vorgezogen.

Bei der Abendaussprache mit den steirischen Genossen des Parteivor-
standes über Lannach konnte ich kein Einvernehmen herbeiführen, da
Landesratsmitglied Sebastian unbedingt auf eine Genehmigung der Kon-
zession besteht, während Kreisky aus humanpolitischen Gründen eine
solche ganz entschieden ablehnt. Ich erklärte allerdings beiden,
dass ich letzten Endes die Entscheidung zu fällen hätte und die
Verantwortung zu tragen .

Tätigkeit: Beamter [Amtsdirektor HM; 1971 von JS als B-Beamter bezeichnet, der das Budget im Einzelnen ausarbeitet und im Detail kennt]


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: GD Wr. Stadtwerke


      Einträge mit Erwähnung:


        Einträge mit Erwähnung:
          GND ID: 124089623


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
            GND ID: 118723189


            Einträge mit Erwähnung:
              GND ID: 124729509


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                GND ID: 102318379X


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: MR HM; evtl. ident mit Hanisch, Peter?


                  Einträge mit Erwähnung:


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: MR HM


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Personalvertreter HM


                        Einträge mit Erwähnung:
                          GND ID: 118996258


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Bundeskanzler
                              GND ID: 118566512


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: GD Steyr-Daimler-Puch


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Vertr. Finanzministerium


                                    Einträge mit Erwähnung: