Bei der Ministerratsvorbesprechung teilte Kreisky mit, daß an dem
"Spiegel"-Artikel kein Wort wahr sei. Seiner Mitteilung nach hat
Sandner, die Spiegel-Korrespondentin, das Material aus Hamburg
bekommen und angeblich als so schlüßig empfunden, daß sie gesagt hat
dies könnte in Druck gehen. Nach ihrer Mitteilung ist also dieses
Material von Deutschland gekommen. Ich persönlich bin überzeugt, daß
einige Genossen – vielleicht in den Bundesländern stärker als in
Wien – sich als Mittelsmänner gerne zur Verfügung stellen werden,
um gegebenenfalls eine kleine Koalition SPÖ-FPÖ zustande zu bringen.
So ist ja bekannt, daß Huemer, der ehemalige Direktor von den Stick-
stoffwerken, bereits vor Jahren einen Brief an die Parteileitung
geschrieben hat, wo er erklärte, man sollte mit der FPÖ zusammen-
gehen und er würde gern der Verbindungsmann sein. Ebenso hat sich
Kraus, von der Donau-Finanz – ein alter VdUler – mit Fischerlehner
einem Sekretär der SPÖ-Zentrale getroffen, um ihm zu erklären er
würde gerne vermitteln, daß die Parteiführung mit Peter besseren
Kontakt hätte. Kreisky selbst hat alle diese Ansinnen deshalb abge-
lehnt, weil er auf dem Standpunkt steht, er kann sowieso jederzeit
mit Peter sprechen und wenn er dies tut, dann informiert er unmittel-
bar anschließend die Öffentlichkeit. Ebenso hat er ja als Partei-
obmann und dann als Bundeskanzler auch mit Dr. Withalm entsprechenden
Kontakt. Ich persönlich glaube, daß es sehr unzweckmäßig wäre,
eine kleine Koalition mit der FPÖ anzustreben. Ich bin auch über-
zeugt, daß derzeit ganz konkrete Überlegungen in dieser Richtung
von Kreisky garnicht angestellt werden, sondern daß natürlich auch
diese Variation von manchen Genossen überlegt wird, um eine stärkere
Mehrheit im Parlament zu finden. Ich glaube, daß vor den Wahlen in
Wien – am 4. Oktober – keine wie immer gearteten konkreten Schritte
von niemandem getan werden, daß man allerdings nach dem Wahlausgang
sehen wird, ob und inwieweit die parlamentarische Arbeit fortgesetzt
werden kann, wobei es bis jetzt ja ganz gut gegangen ist, weil die
ÖVP nicht imstande war ein konkretes Oppositionsprogramm vorzulegen
und die FPÖ natürlich keinerlei Neuwahlen jetzt brauchen kann und
deshalb wahrscheinlich kaum einen Mißtrauensantrag der ÖVP unter-
stützen würde.
Bei der Ministerratsvorbesprechung kam außerdem noch die Frage der
Sektionschefsposten zur Diskussion, weil das Wissenschaftsministerium
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einen Sektionschefsposten erhalten wird, weil es sonst nur einen
einzigen Sektionsleiter bzw. Sektionschefsposten hätte. Der Land-
wirtschaftsminister und Bauten und viele andere und natürlich auch
ich, kündigten sofort an, daß auch wir Sektionschefsposten brauchen,
da allerdings seit Jahren keine mehr vergeben wurden, ist nicht zu
erwarten, daß irgendjemand einen solchen erhalten wird. Selbst im
Außenamt,konnte ich feststellen, hat der Generalsekretär – der in
Zukunft von Wodak besetzt wird – nur einen VIIIer-Posten.
Betreffend die Raumordnungspolitik teilte Kreisky mit, daß die Zeit
der Untersuchungen vorbei sei und daß deshalb ein Programm jetzt von
Veselsky mit den einzelnen Ressorts abgesprochen wird und die budget-
mäßige Ausrichtung bereits auf dieses Raumordnungsprogramm erfolgen
soll.
Gratz machte die Mitteilung, daß sein Schulbauprogramm - welches
in dieses Raumordnungskonzept eingefügt werden müßte – auf alle Fälle
erst im September fertig sein wird und dann eine Neuverteilung der
Schulen vorgenommen wird, weil bis jetzt nach politischen Gesichts-
punkten Schulen in manchen Dörfern errichtet werden sollten, die
garnicht wirklichen Bedarf haben während Ballungszentren vernachläßigt
wurden.
In der Ministerratssitzung wurde deshalb außer der Tagesordnung von
Kreisky darauf hingewiesen, daß raumwirksame Gesichtspunkte bei der
Budgetgestaltung zu berücksichtigen sind.
Außerdem wurde festgehalten, daß im Rumänien-Vertrag 20 Millionen
zinsenfreier Kredit zwar keine gesetzliche Deckung derzeit vorhanden
ist, daß aber die Bundesregierung trotz diesem Gesichtspunkt – der
vom Verfassungsdienst ihr mitgeteilt wird – einen Beschluß faßt, die
Abwicklung sofort in Angriff zu nehmen. Es ist unmöglich, daß so
lange gewartet wird bis ein zweites Budgetüberschreitungsgesetz die
finanzielle Deckung bringt.
Bautenminister Moser teilte mit, daß der Brückeneinsturz in Sobot
genau untersucht wird, der Schaden aber nicht 17 Millionen sondern
nur 7 Millionen beträgt. Die Fa. Mayreder, die einige dieser Brücken
bereits gebaut hat und insgesamt 450 Brücken mit einer Summe von
1,1 Milliarden S derzeit in Bau sind.
Der Innenminister teilte mit und fragte um die Wohlmeinung der
Bundesregierung, daß er eine Wahlrechtsreform ausarbeiten wird, die
zwar Verfassungsbestimmungen beinhaltet, aber für 25.000 Stimmen
ein Mandat vorsieht. Außerdem soll es nur 9 Wahlkreise – die
9 Bundesländer – und einen Wahlkreisverband geben. Wer in einem
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Wahlkreis die 5 %-Klausel überschritten hat, würde dann an der
Verteilung der Mandate teilnehmen. Auch für diese 5 %-Klausel ist
ist in diesem Fall eine Verfassungsbestimmung notwendig.
Ich teilte der Bundesregierung meine Verhandlungen mit der Margarine-
industrie mit, daß sie bereit wären ihre Organe zu befragen, wenn
die Regierung tatsächlich eine Umsatzsteuersenkung von 5,5 auf 1,7 %
vornehmen würde. Der Ausfall – wie ich auf der Pressekonferenz
anschließend gefragt wurde – bezifferte ich mit 80 – 90 Millionen.
Die Sektionschefbesprechung konnte ich nicht abhalten, weil
Kreisky mit mir etwas für seine Radiorede, Donnerstag, besprach und
dabei die Zweckmäßigkeit auftauchte, daß ich doch zur Pressekonferenz
mit die er und Rösch abhielten mitgehen sollte. Nach der
Pressekonferenz, die glaube ich ganz gut gelaufen ist, ging es zu
einem "Dreiergespräch" Kreisky, Kreuzer vom Rundfunk und mir, wobei
Kreuzer, als Koalitionsjournalist,von Kreisky – der natürlich noch
immer mit ihm gute freundschaftliche Beziehungen aufrecht erhält –
bezeichnet wurde. Kreuzer selbst war natürlich interessiert die
große Politik herauszubringen und ich sagte ihm, daß ich nach wie
vor für eine große Koalition wäre, wobei ich allerdings einschränkte,
daß das jetzige System auch verhältnismäßig noch sehr gut geht. Kreisky
selbst meinte, daß es weder eine große noch derzeit eine kleine Koali-
tion geben würde, sondern daß wir eben jetzt sehr positive Arbeit in
der Regierung leisten können. Er erinnert sich mit Schrecken an die
Koalitionsministerratssitzungen, wo also stundenlang oft um Kleinig-
keiten und unbedeutende Fragen gestritten wurde.
Beim Fremdenverkehrsausschuß wurde der Ratio-Bericht diskutiert und
die vom Arbeitsausschuß vorgelegte Gegenstellungnahme einstimmig
angenommen. Die Geschäftsführung, Langer-Hansel, wurde beauftragt
einen Entwurf über eine Reorganisation vorzulegen, der die positiven
Punkte des Ratioberichtes, aber auch die Vorschläge die sie von der
Bundeshandelskammer, Dr. Zedek, als auch von den Ländervertretern
der Geschäftsführung vor etlichen Jahren bereits vorgeschlagen wurden.
Ich konnte den Vertretern der Länder versichern, daß ich weder beabsich-
tige eine neue Überprüfung durch eine Prüfgesellschaft vorzunehmen,
die in Wirklichkeit ja nur viel Geld kostet und kaum positive
Ergebnisse zeitigen, weil die Reorganisationsmaßnahmen ja von ihnen
nur vorgeschlagen, aber de facto nie durchgeführt werden, noch daß
ich beabsichtige die Kompetenzen der Länder in irgendeiner Weise
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einzuschränken. Es kam übereinstimmend die Meinung zutage, daß es
zweckmäßig wäre zu versuchen, das Mißtrauen der letzten Jahre und
die Streitigkeiten, die eine konstruktive Arbeit nur behindern in
irgendeiner Weise abzubauen. Ich selbst versicherte, daß ich alles
daransetzen werde um, wenn ich ein entsprechendes Fremdenverkehrs-
konzept vorlegen werde, dies dann mit ihnen gemeinsamzu erarbeiten
um wirklich so viel wie möglich – trotz der finanziellen knappen
Mittel – eine zweckmäßige Fremdenverkehrspolitik zu betreiben.
Beim anschließenden Arbeitsausschuß blieb ich zwar bis zum Schluß,
aber ich hatte oft das Gefühl, daß hier sehr viel herumgeredet wird
ohne daß ein konkretes Konzept dem zugrundeliegt. Außerdem wird
von Langer-Hansel leider nicht abgestimmt in welcher Größenordnung
er sich in Zukunft bewegen sollte und vor allem in welcher budget-
mäßigen Größenordnung er sich bewegen kann. So hat er seine Leute
mit den EDV-Firmen (IBM/Pool/usw.) in Kontakt gebracht um eine elek-
trische Datenverarbeitung zu installieren. Dies würde einen Jahres-
aufwand von wahrscheinlich 1 Million S notwendig machen und er
glaubte, daß dies bei der Arbeitsausschußsitzung – zumindest in der
Grundsatzentscheidung – bewilligt bekommen würde. Ich habe zwar keine
Stimme in diesem Arbeitsausschuß und mische mich daher in die Detail-
besprechungen nicht ein, mußte aber doch bei der Gelegenheit sagen,
daß ich vom Ausschuß die maximale Ermächtigung für den Arbeitsschuß
herauslesen kann, daß sie Maschinen zur Reorganisation anschaffen,
die sich nicht in so einer Größenordnung bewegen. Wenn es richtig ist,
daß die Adrema (?)kaputt ist, so muß man eine neue Adrema (?)kaufen,
die 200.000 S vielleicht kosten wird. Wenn es richtig ist, daß noch
immer mit einer englischen Buchhaltung bei uns gearbeitet wird, dann
ist es notwendig, daß die Fremdenverkehrswerbung sich eine mechani-
sche Buchhaltungsmaschine anschafft, die man heute – nachdem sehr
viele Firmen auf EDV umsteigen – übertragen wahrscheinlich um
30.000 S bekommen kann, und wenn es richtig ist, daß für die Aus-
sortierung des Ortsverzeichnisses eine maschinelle Möglichkeit
geschaffen werden kann, dann gibt es auch billigere Maschinen, die
ca. 30-40 maximal 50.000 S kosten und nicht unbedingt eine EDV-Anlage
die eben im Monat 70.000 S Miete mindestens kosten würde und – ich
bin überzeugt – nicht ausgenützt sein kann. Ich habe bei der Sitzung
im Ausschuß als Vergleich darauf hingewiesen, daß natürlich die
Geschäftsführung der Arbeitsausschuß ermächtigt werden sollten, ent-
sprechende Reorganisationen einzuleiten und natürlich damit im
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Zusammenhang gewisse Maschinen und Geräte anzuschaffen. Ich hatte
darauf hingewiesen, daß es zum Beispiel kaum jemanden geben würde,
der sich dagegen ausspricht, wenn anstelle des Abschleckens von
Briefmarken ein Schwammerl angeschafft wird. Zum Schluß konnte ich
mir beim Arbeitsausschuß nicht verkneifen zu sagen, daß eine elek-
tronische Datenverarbeitung kaum als ein Schwammerl bezeichnet werden
kann und deshalb auch es sinnlos ist, zuerst den Ausschuß in einer
solchen Illusion zu belassen und nachher im Arbeitsausschuß zu sagen
man kann elektronische Datenverarbeitungsmaschinen anschaffen.
Tagesordnung 15. Ministerratssitzung, 28.7.1970
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