Donnerstag, der 30. Juli 1970

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Donnerstag, der 30. Juli

Im Institut für Gesellschaftspolitik war wieder die Fraktion
der Fremdenverkehrsfachleute der Partei. Da ich mit den
einzelnen Landesparteiverantwortlichen, Landesobmann oder Landes-
hauptleute oder Landeshauptmannstellvertreter, vereinbart hatte,
daß diese Fraktion für Fremdenverkehr bindende Beschlüsse fassen
konnte, hatte ich angenommen, daß es schwieriger sein würde
konkrete Ergebnisse durchzusetzen. Zu meiner größten Verwun-
derung hat es aber überhaupt keine Schwierigkeiten gegeben.Die
wichtigsten Punkte und Beschlüsse waren:
1.) Die Organisation der Fremdenverkehrswerbung wird von uns
entsprechend beeinflußt und der Auftrag den der Arbeitsausschuß
der FVW erhalten hat, wonach die Bundesländer-Vorschläge und die
Vorschläge der Handelskammer und die Vorschläge der Ratio ent-
sprechend auszuarbeiten sind, wird jetzt ergänzt durch Vorschläge,
die wir als Fremdenverkehrsfraktion jetzt gefaßt haben. Es wird
Aufgabe von Heindl sein diese dem Geschäftsführer Langer-Hansel
– ohne ihm ein konkretes Papier zu geben - aber doch inhaltlich
zu impotieren.
2.) Die finanzielle Organisation der Fremdenverkehrsförderung
wird geändert, Es wird a) bei behördlichen Kreditinstituten in
Zukunft um Zinszuschüße und Bürgschaften einzureichen sein;
b) es wird von den Ländern ein entsprechender Zinszuschuß gegeben;
c) es wird beim Handelsministerium die derzeitige ERP-Fachkommission
auch dafür verwendet um diese Zinszuschüße zu begutachten. Die
Zinszuschüße die der Bund maximal mit 2 % geben wird, können nur
dann in dieser Höhe gegeben werden, wenn das Land mindestens diese
2 % ebenfalls gibt. Derzeit gibt der Bund 2 1/2 % Zinsenzuschuß
und das Land ist verhalten genau denselben Prozentsatz zu geben,
darf aber darüberhinaus nicht gehen. In der neuen Regelung soll
jedes Bundesland mehr und höhere Zinsenzuschüße geben können.
Wie weit die BÜRGES bei diesen Aktionen ausgeschalten werden
kann, muß noch im Detail untersucht werden, sicher wird es
schwierig sein, sie auf Grund des Gewerbestrukturverbesserungs-
gesetzes und der bei ihr lagernden – bereits zugesagten – lebenden
Krediten auszuschalten. Auf alle Fälle wird Dr. Haiden, von der Z, mit
Uher, von der Länderbank, versuchen eine Konstruktion zu finden
wo die Organisation und Überprüfung der Kreditgewährung bei
behördlichen Kreditinstituten verankert bleibt. Der Wunsch


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"der Kreditgenossen" die die Umwandlung der 80 %igen Ausfalls-
haftung, wie ich sie mir vorstelle, in eine 100 %ige Bürger- u.
Zahlerverpflichtung gegenüber den behördlichen Kreditinstituten
wird sicherlich nicht zu erfüllen sein – ich selbst bin schwer
dagegen, weil dadurch nur ein Verlagern des Risikos auf die
öffentliche Hand Platz greift. Die Mittel für diese Aktion hoffe
ich durch die AHV-Anteile, die derzeit 0,3 % betragen, und dem
Finanzministerium – respective den Großteil der Handelskammer –
zufließt, zu erhalten. Der Wunsch in meinem Ministerium eine
eigene Sektion zu schaffen konnte ich den Genossen sofort aus-
reden, indem ich sie darauf hinwies, daß derzeit nur zwei Abtei-
lungen überhaupt existieren, wobei die fremdenverkehrspolitische
überhaupt nur mit Sektionsrat Würzel besetzt ist. Die Genossen
waren auch damit einverstanden, wenn wir eine Gruppe bilden. Über
die Besetzung dieser Gruppe konnte kein wie immer gearteter,
wirklich positiver Vorschlag gemacht werden.
Am Nachmittag kam Sektionschef Reiterer mit 2 Herren, Dr. Fuchs
von der MAG (das ist eine Maschinenfabrik in Graz, die eine
Schwester von Eldra ist, und Lackdrahtmaschinen erzeugt). Diese
Firma hatte bis jetzt ihren Export mit 50 % in den Westen und
einen Großteil in den Osten getätigt. In den letzten Jahren
hatte aber der Osten italienischen Maschinen den Vorzug gegeben
und die Sowjetunion hat Kooperationen mit italienischen Firmen
aufgenommen. Dadurch hat Italien auch die billigen Folgeaufträge
erhalten. Nach mühsamen Verhandlungen ist es der MAG gelungen
nach Polen neuerdings Lackdrahtmaschinen zu liefern und nun
hofft sie, daß mit der Sowjetunion 2 Lackdrahtfabriken in Koope-
ration errichtet werden können. Die Firma ersuchte mich, bei
dem Besuch Patolitschew ihr Ansuchen zu unterstützen. Diese
Zusage konnte ich selbstverständlich sehr leicht geben, da bis
jetzt eigentlich ja nur wenige Punkte mit den Russen zu besprechen
sind – nämlich, so viel ich weiß, Erdöl, Erdgas, Koks, Schiffs-
werft Korneuburg und MAG. Was mich am meisten verwundert ist, daß
sich nicht mehrere Firmen oder Ihteressensgruppen bis jetzt
gemeldet haben, die um Unterstützung ersuchen. Ich fragte aus-
drücklich noch einmal Reiterer ob wir mit dieser meiner Aufzählung
auch tatsächlich alle offenen Punkte bereits hatten. Er selbst
sagte, dies würde der Fall sein.



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Ich hatte in Erfahrung gebracht, daß der Verband für die Fettindu-
strie, das heißt die Margarine- und Speiseölhersteller sich
nachmittags treffen würden, um endgültig über das Anbot der
Bundesregierung – die Umsatzsteuer von 5,5 auf 1,7 zu senken –
zu beraten. Da Gen.Dir. Seifert im Ausland weilte und er jetzt
erst zurückkam hatte ich mich bei seinen Leuten angemeldet,
daß ich an dieser Sitzung teilnehmen würde. Ich kam tatsächlich
zu der Sitzung als sie ihre Vorbesprechung scheinbar bereits
abgehalten hatten, denn sie waren sehr in einer privaten Bespre-
chung in lockeren Gruppen versammelt. Zur Eröffnung schilderte
ich den Werdegang dieser Idee und wies darauf hin, daß es sich
doch um eine Art "Wiedergutmachung" gegenüber der Industrie, aber
auch gegenüber den Konsumenten handelt, denn 1968 wurde entgegen
dieser Gruppen eine Erhöhung der Umsatzsteuer auf Wunsch der
Bauern von 1,7 auf 5,5 im Parlament durchgedrückt. Die Vertreter
der Industrie hatten meine Ausführungen, die sehr umfangreich und
sehr detailliert waren,ohne ein Anzeichen ob sie dem zustimmen,
zur Kennntnis genommen. Ich hatte deshalb aber guten Grund anzunehmen,
daß die Sache positiv laufen würde, umso mehr als die ersten
Diskussionsredner sich gegen die Unilever-Vertreter Dkfm. Seefranz
wendeten, der ihrer Meinung nach die Lage zu positiv dargestellt
hatte. Seefranz selbst hat ja bei den Besprechungen mit mir immer
wieder darauf hingewiesen, man müßte mit dem Rechenstift genau
ausrechnen wie weit eine Möglichkeit besteht, die Vorschläge der
Bundesregierung – die er sehr positiv beurteilte – zu verwirklichen.
Zu meiner größten Verwunderung mischte sich aber im Laufe der
Debatte GenDir. Seifert, der Unilever, der gleichzeitig auch der
Vorsitzende dieser Fachgruppe ist, ein und erklärte, warum sie
nicht den Vorschlag der Bundesregierung annehmen könnten. Seiner
Meinung nach handelt es sich um einen Wechsel für die Zukunft,
dessen Einlösung nicht sicher ist. Außerdem würden die Rohstoff-
preise weiter steigen und es sollte die Bundesregierung eben
versuchen die Umsatzsteuer zu senken um dann im Herbst oder Winter
mit der Margarinindustrie zu verhandeln wie weit dann diese
Umsatzsteuersenkung auf die Letztverbraucher wieder weitergegeben
werden könnte, oder – wie GenDir. Erhart, der ehemalige Geschäfts-
führer vom Milchwirtschaftsfond und derzeit bei Ebhart & Herout
beschäftigt, sagte adiert werden sollte. Ich erklärte, daß es
sich um einen unfreundlichen Akt gegen die Bundesregierung handelt
und die Bundesregierung wird sich vorbehalten, wie sie auf diese


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Stellungnahme reagieren wird. Ich selbst würde mich unverzüglich
zum Bundeskanzler begeben. Man versuchte mir noch einzureden,
daß es sich um keine politische sondern um eine wirtschaftliche
Notwendigkeit handelt und er hätte einmal gegen die Bundesregierung
– unter Klaus bereits – Waschmittelpreise erhöht, auch gegen die
damalige Paritätische Kommission, die 5 Monate hindurch keinen
Entscheid gegeben hatte. Man versuchte mir noch einzureden, daß
man keine andere Möglichkeit gesehen hätte, da sie – insbeson-
dere Ebhart & Herout – bereits in roten Ziffern seien seit 1970
und bis 31.12. ein weiteres Defizit von 1,2 Millionen S erleiden
müßten. Als von den Wiener Ölwerken, Dir. Weinig, meinte, daß
das Defizit eigentlich nachgewiesen sei, sagte ich sofort,
davon könnte keine Rede sein und ich fragte KomRat Erhart ob er
bereit wäre einen Buchprüfer – den er übrigens in seinem Diskus-
sionsbeitrag angeboten hatte - auch tatsächlich bei ihm einsetzen
dürfte, der die Kalkulationen und die Betriebsabrechnung prüfen
dürfte, lief er rot an und sagte man müßte ihm doch als Mann
glauben, wenn er das Wort gibt, daß sie in roten Ziffern seien.
Ich zog mich sofort aus dieser Diskussion heraus indem ich
sagte, ich hab keinen Grund seine Aussagen zu bezweifeln, aber
nachgewiesen sei das Defizit keinesfalls. Die anderen Herren von
der Ölindustrie, Vegetatile Estermann wollten ja und werden in
den nächsten Wochen ihre Preisanträge über erhöhte Ölpreise
ebenfalls in der Paritätischen Kommission einbringen. Abschließend
erklärte ich, daß ich bei ihrer Beschlußfassung garnicht anwesend
sein will und deshalb die Sitzung auf alle Fälle nach stunden-
langen Debatten verlassen werde, daß ich ihnen aber doch zu
überlegen gebe, daß sie nicht kurzfristig und kurzsichtig einer
Lösung – nämlich Erhöhung der Margarinepreise – zustimmen sollten,
sondern sich doch den weiteren und längerfristig wirkenden Weg
der Umsatzsteuersenkung gehen sollten.
Kreisky, der mich am Vormittag bereits angerufen hatte und mir
sagte, die Margarineindustrie hätte bereits die Erhöhung beschlos-
sen, war – wie ich glaube mit ruhigem Gewissen sagen zu können -
zu diesem Zeitpunkt falsch informiert, da erst der Beschluß
scheinbar endgültig gefaßt wurde nachdem Seifert zurückgekommen
ist. Ich konnte ihm deshalb am Anfang gleich mitteilen, daß er
zwar falsch informiert, aber in der Sache rechtgehabt hat, denn
sie wollten also die Preise auf alle Fälle jetzt erhöhen. Die
Sekretärin von Kreisky, Frau Schmid, konnte über das Finanzmini-
sterium erheben, daß für Margarine ein Anwendungszollsatz gemäß


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§ 6 von 18 % des Wertes derzeit erhoben wird. Der allgemeine
Zollsatz ist 22 % und der vertragsmäßige Zollsatz 3,15 S pro kg.
Nach stundenlangen Suchen gelang es dann am späten Abend Seifert
in der Wohnung zu erreichen und Kreisky eröffnete ihm, daß die
Bundesregierung beabsichtige den Zollsatz auf 0 zu senken, wenn
es nicht doch der Margarineindustrie lieber ist auf die Preis-
erhöhung zu verzichten. Außerdem kündigte er ihm auch einen
Kampf bezüglich der Waschmittel an, denn er sagte er würde sich
und die Bundesregierung es nicht gefallen lassen, daß ein
Monopol – die Unilever – eine derartige Politik betreibt, ohne
auf die Bedürfnisse der Regierung Rücksicht zu nehmen. Kreisky
ist überzeugt, daß es sich bei diesem Kampf um eine ähnliche
Frage handelt wie Kennedy mit der Stahlindustrie ausgefochten hat
und hofft, daß dieser Kampf positiv entschieden werden kann.
Ich glaube, daß tatsächlich, wenn die Zölle auf 0 gesenkt werden –
dazu muß allerdings Finanzminister Androsch noch gefragt werden,
der nicht erreicht werden konnte – müßte es tatsächlich Außen-
seiter geben, die Margarine nach Österreich einführen.
Seifert selbst war auch daher sofort bereit und ersuchte, ob wir
nicht noch eine Aussprache haben könnten, die für Freitag 1/2 10
Uhr vor der Bauernversammlung – um 10 Uhr - vereinbart wurde.

Tätigkeit: Sekr. Kreisky


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    Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
    GND ID: 102318379X


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      Tätigkeit: Unilever


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          Tätigkeit: Bundeskanzler
          GND ID: 118566512


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            GND ID: 136291708


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              Tätigkeit: MR, Leiter Gruppe FV u. Gewerbeförd. HM


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                Tätigkeit: GD-Stv. Z


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                  Tätigkeit: Finanzminister
                  GND ID: 118503049


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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