Montag, der 3. August 1970

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Das Gutachten für die Lannach-Raffinerie ist approbationsreif.
Ich habe deshalb eine letzte Aussprache mit Sekt.Chef Stv. Min.Rat
Fenz, dem jetzt vom Urlaub zurückgekommenen Sahcbearbeiter, Min.Rat
Schedl, und dem im Urlaub von ihm vertretenen Min.Rat Beran gehabt.
Min. Rat Fenz meinte, dass die Verantwortung letzten Endes die Ärzte
zu tragen hätten, die das Gutachten ausgearbeitet haben und aus
denen ersichtlich ist, dass keine Gefährdung von Menschen erfolgen
könnte. Ich teilte diese Meinung nicht, sondern erklärte, dass
letzten Endes ich dafür die Verantwortung und auch die politischen
Folgen zu tragen haben werde. Die ärztlichen Amtssachverständigen, Doz.
Dr. Lawenschitsch hat bekanntlicherweise Univ.Prof. Flamm als Hygieni-
ker für ein Spezialgutachten angefordert und dieser hat festgestellt,
dass die Auflage vollkommen genügen. Ebenso waren die
meteorologischen Gutachten von Univ.Prof. Dr. Steinhauser und Dr.
Drimmel von der Meteorologischen Anstalt als ausreichend empfunden.
Besonders wird darauf hingewiesen, dass Dr. Drimmel im Verein
Deutscher Ingenieure mitarbeitet, wo die Immissionen, d.h. die
Schornsteinhöhen genau berechnet werden können nach einem in der VDI
22 – 89 festgelegten Verfahren, nach diesen Berechnungen hätte es
vollkommen genügt, den Schornstein mit 80 Meter festzulegen, während-
dem jetzt 120 m bereits von der Erstinstanz vorgeschlagen wurden.
Die Tagemittelwerte 0,4 mg SO2 pro m3 Luft, den hauptsächlichsten
Angriffspunkt der Einsprüche betreffen, wurden ebenfalls von Fach-
leuten bestätigt, dass diese vollkommen ausreichend sind. In der BRD
beträgt der Dauerwert ebenfalls 0,4 mg und der Kurzzeitwert 0,75 mg.
In den Alarmstufen von Nordrhein-Westfalen wurde die Wanrstufe 1
bei 2,5 und die Wanrstuf 2 bei 5 gegeben. In Los Angeles ähnliche
Sätze und die Warnstufe beträgt dort 30 mg. In dem Einspruch wird
allerdings darauf hingewiesen, dass in der SU und in der DDR die
Dauerwerte 0,15 und die Kurzzeitwerte 0,5 mg betragen. Allerdings
wird dem entgegengehalten, dass dortAusnahmen gemacht werden und
wahrscheinlich auch tatsächlich diese Werte fast nirgends einge-
halten werden. Die Amtssachverständigen haben sich auch mit den Gegen-
gutachten der Univ.Prof. Burrghardt und anderer sehr eingehend ausein-
andergesetzt, aber für mich ergibt sich die Tatsache, dass halt Gut-
achten gegen Gutachten steht, wobei letzten Endes jetzt eine Entschei-
dung geroffen werden muss. Der Standort ist zweifelsohne sehr ungünsti


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Ich glaube, er ist wahrscheinlich der ungünstigste, den man
sich vorstellen kann. Gesetzlich gibt es aber keine Möglich-
keit, einen andere Standort vorzuschreiben, sondern ich könnte
nur, wenn die Sachverständigengutachten eine Möglichkeit ergeben
würden, die Raffinerie überhaupt verbieten, so kann ich nur entspre-
chende Auflagen machen und ich werde mit der Gesellschaft noch
einmal reden und sie darauf aufmerksam machen, dass ich auf die
Einhaltung der Auflagen unter allen Umständen drängen werde und
keinerlei Nachsicht gewähren kann.
h
Da ich vormittags ein bisschen Zeit hatte, besuchte Heindl und
ich überraschend das Patentamt. Ich begab mich in die Einlaufstelle
und fragte, wo ich Vizepräsident Schebesta erreichen könnte. Der
Beamte gab mit bereitwilligst Auskunft und erkannte mich in wei-
terer Folge auch. Natürlich sprach sich dann sofort herum, dass
der Minister im Haus ist und das Überraschungsmoment war natürlich
damit weggegfallen. Da sich das Amt in einem sehr trostlosen Zustand
befindet, hat die Bundesgebäudeverwaltung vor Jahren damit begon-
nen, es umzubauen und hat den vierten Stock bis jetzt ganz modern
adaptiert. Ob dies wirklich zielführend und zweckmässig ist, kann
ich nicht überprfen, vielleicht wäre es besser gewesen,man hätte
irgendwo ein neues Gebäude aufgeführt. In einem Betrieb zu arbeiten,
wo umgebaut wird, ist wahrlich kein Vergüngen und ich muss zugebenm
dass die Belastung der Beamten dort wirklich sehr stark ist. Inter-
essanterweise werden von den eingereichten Patenten immer wieder
Abschriften verlangt und es hat sich dort eine Kopieranstalt einge-
nistet, die für einen Express-Abzug pro Seit S 8.- verlangt und
für einen normalen etwas mehr als die Hälfte. Wenn man bedenkt,
dass die Gestehungskosten sich ungefähr auf 1/10 des Preises
rohstoffmäsisg beschränken, so kann man errechnen, welch gutes
Geschäft die Firma macht. Ich bin daher der Meinung und der Vize-
präsident hat auch gemeint, er hätte sowieso immer die Absicht
gehabt, dass dies das Amt selbst besorgen könnte, dass wir dies
im Interesse Service für die Wirtschaft zu einem beträchtlich
billigeren Preis im Amt selbst erledigen sollten. Heindl wird
diesbezügliche Untersuchungen anstellen. Der Personalvertreter
des Amtes, der sich unserer Führung dann anschloss. Dr. ?
war ein sehr aufgeweckter junger Mann und hat glaube ich auch
entsprechende Vorschläge zu machen, die er aber sicherlich nicht


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vorbringen kann, wenn seine Vorgesetzten anwesend, oder wenn
er überhaupt zu uns mit ihnen käme. Heindl wird deshalb ihn als
Vertreter des Personals einige Male jetzt rufen und bei dieser
Gelegenheit gleich Reformvorschläge mit ihm besprechen. Mir selbst
fiel z.B. auf, dass in der Buchhaltung die Vorschreibung für die
Markengebühren und für sonstige Gebührendie jahrelang von den Firmen
erfolgen müssen, fast noch in einem Organisationsstadium ist, wo man
keine technische Hilfsmittel wie elektronische Datenverarbeitung
kennt. Wenn ich mir vorstelle, dass dort jede Firma karteimässig
erfasst ist und dann jedes Jahr gemahnt wird und wenn sie nicht zahlt
dann mit 20 % Zuschlägen versehen, diese Beträge vorgeschrieben be-
kommt, dann kann ich mir vorstellen, dass dies doch ein typischer
Fall für eine elektronische Datenverarbeitung ist, wo auf Magnet-
bändern dies gespeichert und automatisch verarbeitet wird.

Mit Sekt.Chef Reiterer hatte ich die Vorbesprechung wegen der Russ-
landbesprechung und ich hatte verlangt, dass man alle Punkte konkret
mir vorlegen sollte, die ich mit dem Aussenhandelsminister zu bes-
sprechen hatte. Dies führte dazu, dass Reiterer mit einem Aide memoire
kam, das wir Patolitschew bei seiner Ankunft überreichen sollten.
Ich hatte den Eindruck, dass dies das erste Mal war, dass so konkret
Unterlagen vorbereitet wurden, obwohl ich es selbst zutiefst bedauer-
te, dass sich so wenige Firmen an uns gewendet hatten mit ihren Wün-
schen, die wir natürlich jetzt bei diesen Besprechungen auch tatsäch-
lich unterbringen sollten. Ausser der ÖMV, die eine zusätzliche Lie-
ferung von Rohöl wünschte, waren es die Korneuburger Sdhiffswerft,
die einen Auftrag von 3 Mio $, das sind ca. 3 Schubschiffe, erwarten
und die Maschinen u.Apparatebaugesellschaft Graz, die eine Lieferung
von kompletter Einrichtung zweier Lackdrahtfabriken und zuletzt noch
die Tiroler Werke Schwaz, die eine komplette Studie für die Errich-
tung einer Gashärtefabrik den zuständigen Stellen der SU übergeben
hat. Ansonsten hat sich bis jetzt niemand gerührt, der Wünsche an
den sowjetischen Aussenhandelsminister haben könnte. Bei dieser Be-
sprechung konnte ich feststellen, dass die mir übergebenen Ziffern
bezüglich der Kokslieferung in den vergangenen Jahren wieder nicht
stimmten und dass Reiterer andere als Sektionsleiter Gasser von der
DB hatte. Es ist unwahrscheinlich wie wenig in dem Haus koordiniert
wird oder wie wenig Ziffern abgestimmt werden. Ich habe dies
bei den Textilziffern festgestellt für die Dornbirner Messe genauso
wie jetzt bei den Kokslieferungen aus dem Osten. Man kann sich nur
immer wundern, wie es in einer solchen Situation möglich ist,


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eine zweckmässige Entscheidung zu treffen, d.h. wie die vorhergehenden
Minister, die sich aber wahrscheinlich um diese Detailprobeleme nicht
gekümmert haben, in dieser Atmosphäre wirklich arbeiten konnten. So
lange hier nicht eine grundlegende Reorganisation Platz greift, d.h.
dass sich die Sektionen auf kurzem Wege mit den entsprechenden Zif-
fern dauernd verständigen und sie abstimmen, kann es ja doch nur
irgendwelchen unmöglichen Entscheidung von einer oder der anderen
Stelle kommen und vor allem immer wieder festgestellt werden, dass
die scheinbar so gewissenhafte Bürokratie doch Lücken im Informations-
fluss hat, die zu anderen Ergebnissen kommen können.

Die Ankunft und die erste Fahrt mit Patolitschew in sein Hotel
haben keine besonderen Ergebnisse gezeitgt, war nur selbstver-
ständlich bereit, sowohl die entsprechende Pressekonferenz als auch
die Aufnahme im Rundfunk und im Fernsehen zuzustimmen. Er erklärte
sehr geschickt, man sollte ihm nur Fragen stellen, er wird dann
schon die Antwort geben, die er für notwendig und richtig hält
Am Abend gab Präs. Sallinger im Schloss Hernstein einen Empfang
für die russische Delegation, an der ausser Patolitschew und Manschule
auch noch der derzeitige Sonderleiter für die SALT-Gespräche Minister
Semjenov und der russische Botschaft Pozderov teilnahmen. Interessant
war bei der Diskussion, die ich teilweise mit Manschulo, er war mein
Tischnachbar, führte, und die auch Patolitschew hinweis bei seiner
Tischansprache, dass nämlich der Vertrag besser funktionieren könnte
und müsste, den wir abschliessen. Die Hinweise, dass man immer wieder
sagt, man müsse mit Russland Handel machen, erwiderte Patolitschew, we
wenn sie nicht wollen gestatten, dann sollen sie es halt bleiben lassen
das Ganze ist doch in Wirklichkeit eine wirtschaftliche Angelegenheit
und keine politische. Mein Hinweis bei der Diskussion mit Manschulo,
dass es für uns schwieriger ist, weil wir auf der einen Seite Staats-
handelsunternehmungen haben, auf der anderen Seite freie Unternehmungen
deren freier Entscheidung es überlassen bleibt, ob sie russische
Waren kaufen oder nicht, wurde von Manschulo nicht akzeptiert, Soweit
ich das in Englisch – ich musst in dieser Sprache mit ihm diskutieren
was für mich ja mit meinen schlechten Kenntnissen sehr schwer ist –
verstanden habe, steht er auf dem Standpunkt, das glaube ich habe ich
schon richtig mitgekriegt, dass doch auch die österreichische Regie-
rung einen Einfluss hat und dass sie diesen Einfluss geltend machen
muss. Ich hatte bei emeiner Einleitungsansprache am Flughafen ja
bereits darauf hingewiesen, dass Österreich und die Bundesregierung


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sich ganz besonders bemühen wird, den Aussenhandel, mit dem Osten und
insbesondere mit der SU zu verstärken. Die Russen hatten wider Erwarten
kaum etwas getrunken und sich auch sehr frühzeitig verabschiedet. Wir
blieben dann noch – es war von unserer Seite Präsident Benya und Präs.
Hrdlitschka anwesend – einige Zeit beisammen und sprachen mit Minister
Koren und Min. Mitterer, der dem NR-Abgeordneten Handelskammerpräsident
d. Burgenlandes Graf, sowie dem Präsidenten der Industriellenvereinigung
Mayer-Gunthof die wichtigsten politischen Vertreter der anderen Seite
gewesen sind. Sallinger erklärte zum Schluss noch, er möchte mich un-
bedingt einmal unter vier Augen sprechen, ich hätte gerne die Gelegenheit
benützt, diesen Abend in kleinerem Kreis, wie er vorher vorgesehen ge-
habt hat, nämlich Benya, Hrdlitschka, Sallinger und ich, eine Aussprache
zu führen, die aber, da die anderen auch noch blieben, nicht zustandekam.
Interessant war auch noch, dass Patolitschew sehr höflich aber ganz be-
stimmt, Sallinger als er ihn begrüsste und sagte, dass er sehr froh ist,
dass er wieder in Wien ist, erwiderte, ja wenn ich gerufen werde, dann
komme ich, Sie aber sind bis jetzt noch nie nach Russland gekommen.
Ich glaube, in dieser Beziehung muss man mit den Russen sehr sehr vorsich-
tig vorgehen und ich habe wohlweislich bereits auf der Hinfahrt ins Hotel
darauf hingewiesen, dass die Hauptschwierigkeit für mich bei Auslands-
besuchen derzeit inmeiner Abgeordnetentätigkeit besteht. Da Patolitschew
ebenfalls Abgeordneter zum Oberster Sowjet ist, sagte er, er kennt die
Arbeit eines Parteimannes, der sich um seine Mandat bewerben muss und
er hofft nur, dass ich positiv abschneide und vor allem dann doch einmal
Zeit finden werde, die UdSSR zu besuchen. Gott sei Dank konnte ich darauf
hinweisen, dass ich ja bereits zweimal mit Gewerkschaftsdelegationen dort
war und soweit es meine Zeit erlaubt, selbstverständlich gerne wieder
kommen werde.

Tätigkeit: AK, ÖIAG
GND ID: 128336552


Einträge mit Erwähnung:


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
        GND ID: 102318379X


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


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            Tätigkeit: MR HM, Leiter OB


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: MR


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Beamter HM


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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                        Tätigkeit: stv. sowj. Außenhandelsminister


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                          GND ID: 119083906


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