Die Vorbesprechungen im Klub der SPÖ zum Handelsausschuss und zum
Handelskapitel im Finanzausschuss zeigten mir deutlich, dass sich im
Prinzip nichts geändert hat. Der Klubsekretär Dkfm. Dr. Reiter hatte
so wie immer die Fragen ausgearbeitet, die die einzelnen Abgeordneten
an den Handelsminister im Finanzausschuss stellen sollten. Als einziger
hat sich nur der neue Abgeordnete Hobel mit Verkehrs- und Gewerbe-
problemen selbstständig beschäftigt und wird daher wahrscheinlich eine
diesbezügliche Anfrage auch im Handelsausschuss an mich richten. Beim
Handelsausschuss, der sich mit ganz uninteressanten Tagesordnungspunkten
beschäftigte, wartete ich mit der Bürokratie draussen, bis auch die
ÖVP kam und ich begrüsste ganz besonders den neu zu wählenden Obmann
Staudinger sowie den ehemaligen Handelsminister Mitterer. Bei dieser
Gelegenheit konnte ich ihm auch gleich persönlich zu seiner Wahl als
Präsident der Wiener Handelskammer gratulieren. Im Handelsausschuss
stand auch der Bericht des Mühlenfonds zur Debatte, der bis 31. März,
wie die Berichterstatterin mitteilte, vorgelegt werden sollte. Mussil
glaubte hier eine Schwäche zu erkennen und meldete sich zu Wort und
sagte, es sei noch ein langer Zeitraum vom 3l. März bis zum 12.11.
bis er endlich jetzt im Hohen Hause zur Beschlussfassung vorliegt.
Da ich in dieser Zeit noch Mitglied des Mühlenausgleichsfonds – 31.3.70 –
war, meldete ich mich sofort und stellte richtig, dass bis 31.3. nur
dem Handelsministerium der Entwurf vorgelegt werden muss und dies ist
auch zeitgerecht geschehen. Da es doch gelungen war, dass die gestern
dem Haus zugewiesene Kraftfahrgesetz-Novelle ergänzt werden konnte,
verlangte Staudinger von mir einen diesbezüglichen Bericht. Es ist
allerdings unüblich, weil man normalerweise von einem Minister nicht
einen Bericht verlangt, wenn dieser Punkt nicht auf der Tagesordnung
steht. Selbst in diesem Fall aber hat auch nicht der Minister zu be-
richten, sondern selbstverständlich der Berichterstatter. Ich setzte
mich über diese Geschäftsordnungsverletzung selbstverständlich hinweg,
da ich auf dem Standpunkt stehe, der Minister muss jederzeit über jede
Materie berichten können. Ich glaube, ich habe auch alle die notwendigen
Punkte aufgezählt. Auch hier fiel mir Mussil einmal ins Wort, er
meinte, ich sollte den Initiativantrag bezüglich der H-Führerscheine nicht
vergessen, wenn er bis zum Schluss gewartet hätte, bin ich nicht ganz
sicher, ob ich mich an diesen Punkt erinnert hätte. So aber konnte
ich natürlich sofort sagen, er sollte doch abwarten, ich hätte
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selbstverständlich auch auf den Initiativantrag bezug genommen, der
ja eine bessere Regelung durch die Kraftfahrgesetznovelle vorsieht,
eigentlich abgelöst ist. Der Handelsausschuss setzte dann – wie ich
gewünscht hatte – einen Unterausschuss aus 4:4:1 ein und ich hoffe,
dass dieser Unterausschuss bald seine Arbeit aufnehmen wird. Ich
will aber keinesfalls darauf drängen oder einen besonderen Einfluss
nehmen, denn letzten Endes soll sich das Parlament ruhig Zeit lassen,
ich habe ja sowieso beschlossen, ohne Gesetz entsprechend zu regieren.
Wenn derzeit z.B. von Seiten des Handelsausschusses die notwendige
Verordnungsermächtigung betreffend des Bleigehaltes im Benzin, die
nicht bis zum l. Juli 1971 gegeben wird, so werde ich trotzdem,
da ich mit den Ölfirmen übereingekommen bin, mit 1.7.1971 eine dies-
bezügliche Regelung treffen.
Nach der Sitzung hatte ich Gelegenheit mit Mussil über den Initiativ-
antrag, den die ÖVP eingebracht hatte, betreffend verbilligte Abgabe
von eingefärbtem Dieselöl für die Landwirtschaft, zu sprechen. Bevor
die ÖVP diesen Initiativantrag eingebracht hatte, hat mich Mussil ge-
fragt, wieso Weihs einen diebezüglichen Verbilligunggesetzentwurf
vorlegen könnte. Ich hatte sofort erwidert, dass dies nicht der Fall
ist, denn Weihs hat nur – wie ich mich später überzeugen konnte – zur
Dieselöl d.h. ? gesetz seine Stellungnahme als Landwirtschaftsmini-
ster abgegeben, wo er eben einen Ausgleich für die Bauern verlangt hat.
In Wirklichkeit hat Mussil dies wahrscheinlich auch sehr genau gewusst,
nur hat er versucht, mir die Schuld zuzuschieben, weil eben die Sozia-
listen in dieser Richtung initiativ wurden und er deshalb innerhalb der
ÖVP auch nachgeben müssen. Da wir beide übereingekommen sind, dass diese
Regelung für die gesamte Wirtschaft von allergrösstem Nachteil ist,
versuchte er vielleicht mit der ÖVP mit untauglichen Mitteln dies zu
verhindern. Ich selbst hatte nur anschliessend an die Handelsausschuss-
sitzung darauf hingewiesen, welche sinnlose Regelung dies wäre. Erstens
hätte die ÖMV wahrscheinlich nie die Absicht, dieses verbilligte Diesel-
öl auch für die Bauern zur Verfügung zu stellen, wenn bei der Heizöl-
Dieselölverbilligung auf 1.70 hat die ÖMV auf 15 Groschen verzichtet.
Auf 65 Groschen verzichtete der Finanzminister bei der Mineralölsteuer,
so dass insgesamt dieser Ölpreis um 80 Groschen verbilligt abgegeben
werden konnte, Das jetzt vorliegende Gasölgemisch, bestehend aus Diesel-
öl und teilweise Petroleum ist für die Motoren überhaupt nicht geeignet.
Wenn die Landwirtschaft für ihre Traktoren, mit denen sie angeblich
die Strassen nicht befahren, eine entsprechende Ermässigung auf diese Art
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bekommt, werden natürlich auch alle anderen Firmen, die niemals mit
Caterpilar oder stationären Motoren die Strassen befahren, ebenfalls
dieses verbilligte Öl verlangen. Darüber hinaus ist selbstverständlich
auch die DDSG und darüber hinaus auch die ÖBB berechtigt, ein so ver-
billigtes Dieselöl zu beziehen, denn auch sie befährt nicht die Strassen
mit ihren Schienenfahrzeugen und die DDSG mit ihren Schiffen. Der wichtig-
ste Grund ist aber, dass die zweckgebundenen Einnahmen Mosers – aus
der Mineralölsteuer sollen ja die Strassen gebaut werden – wesentlich
zurückgehen würden. Moser, den ich von dieser Situation informierte,
erklärte auch deshalb sofort, dann müsste der Finanzminister entspre-
chende Strassenbausubventionen im Budget für Moser vorsehen. Androsch
ist deshalb auch von dieser Regelung überhaupt nicht begeistert und es
gelang mir spät abend Kreisky auch davon in Kenntnis zu setzen und
ich konnte feststellen, dass auch er diesen Initiativantrag oder die
Lösung, die die ÖVP vorschlägt, ablehnt. Bei der Aussprache mit Mussil
konnte ich feststellen, dass er beabsichtigt, im nächsten Tag im Finanz-
ausschuss insbesondere auch die – wie er sich ausdrückt – Kompetenz-
frage zur Sprache zu bringen. Ausserdem würde ich durch vier Fragen attak-
kiert werden. Ich sagte ihm sofort zu, dass mich dies nur sehr freuen würde
und ich mich schon auf die Diskussion im Budgetausschuss entsprechend
vorbereiten werde. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nicht die endgül-
tige Fassung der seinerzeitigen Kompetenzerklärung von Klaus-Mitterer
und Waldheim. Am Abend suchten wir bei uns im Ministerium den diesbe-
züglichen Akt und konnten ihn nicht finden, da angeblich kein einziger
Akt darüber angelegt wurde. Gehart hat sich nur einnert, dass in der
Wiener Zeitung einmal eine diesbezügliche Verlautbarung war. Wir konnten
diese Wiener Zeitung finden und ich zu meiner grössten Verwunderung
feststellen, dass angeblich im Ministerium bei uns kein Akt abgelegt war.
Da hätte höchstens ein diesbezüglicher Akt von der Ministerkorrespondenz
und vom Ministerbüro existieren können, der allerdings ja von Mitterer
verbrannt wurde. Da ich abends mit Kirchschläger nachdem sein Kapitel
im Finanzausschuss behandelt wurde, noch sprach, teilte er mir mit,
dass Dr. Fiedler dieses Problem im aussenpolitischen Ausschuss zur Sprache
gebracht wurde. Kirchschläger hatte ihm sofort in unserem Sinne geant-
wortet, dass ich selbstverständlich die weitere Kompetenz wahrnehme
und nur er im Auftrag der Bundesregierung die Erklärung in Brüssel abge-
geben hat. Kirchschläger, der wie die Zeitungen ja berichten, ganz
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phantastisch in Brüssel gewirkt und gearbeitet hatte, bestätigte auch
mir, dass es in der vorhergehenden Regierung unmöglich gewesen wäre.
Wenn Waldheim damals diesen grossen Erfolg, über den ich mich wirklich
sehr freue, auch propagandistisch erzielt hätte, dann wäre Mitterer
garantiert in die Luft gegangen und hätte nicht – wie dies in dieser
Regierung der Fall ist – sich nur aus sachlichen Gründen nicht nur
dazu bekannt, sondern wäre über die Lösung auch begeistert gewesen.
In der vorhergehenden Regierung war es so, dass einmal alle drei
Minister gleichzeitig in Brüssel gewesen sind, obwohl dort kein ein-
ziger Minister war, nur ein Generälsekretär verlegen nicht wusste,
was er mit den drei Ministern anfangen sollte. Dies teilte mir z.B.
Sekt.Chef Reiterer mit. Da ich einen Termin für die Vorsprache der
Transportunternehmer bei Kreisky der Handelskammer mitteilen musste,
und nur mehr Mussil um 7 Uhr abends anzutreffen war, verständigte
ich ihn über diesen Termin und warnte ihn gleichzeitig, diese Kompe-
tenzfrage weiter voranzutreiben, denn er würde, wie ich mich ausdrückte,
in ein offenes Messer laufen. Er dankte für diesen kollegialen Hin-
weis. Ich werde sehen, ob er sich auch daran hält.
In Vöslau hat sich die Fraktion , die das sozialistische Verkehrs-
konzept ausarbeiten sollte, zu einer weiteren Tagung zurückgezogen.
Ich musste dort wegen der Strassenprobleme, der Strassenverkehr gehört
ja derzeit noch zu mir, diskutieren. Ich hatte mich ja dort gegen eine
Formulierung ganz entschieden ausgesprochen, dass nämlich der Werks-
verkehr – nach Vorschlag dieses Gremiums – lizenziert werden soll und
gegebenenfalls durch Abschaffung von Investitionsbegünstigungen ver-
hindert werden soll. Die Verkehrsleute sind natürlich der richtigen
Meinung, dass eine solche Bestimmung vom Spediteurgewerbe nur positiv
aufgenommen werden würde. Ich selbst sprach mich aber im Hinblick auf
unsere moderne Auffassung, wonach wir keinerlei Lizenzierung oder
Verbote aussprechen wollen, gegen eine solche Formulierung aus. Es
werden jetzt die Genossen eine neue Formulierung versuchen.
Tagesprogramm, 12.11.1970