Samstag, der 5. Dezember 1970

03-0891

Der steirische Landesrat für Fremdenverkehr hat nach Wien
zu einer steirischen kulinarischen Woche ins Hotel Inter-
continental eingeladen. Ich beabsichtigte diese Veranstaltung
nicht zu besuchen. Zum Glück drängte meine Frau und wir kamen
zwar statt um 8 Uhr um 10 Uhr erst hin, aber die Veranstaltung
hat sich für mich sehr gelohnt. Die Fremdenverkehrsleute in
ganz Österreich, wahrscheinlich ist das in der ganzen Welt so,
bemühen sich immer durch besondere Veranstaltungen hervorzutre-
ten. Die kulinarischen Wochen der Steiermark in Wien können
meiner Meinung nach keinerlei Fremdenverkehrswirkung haben.
Sie dienen glaube ich ausschliesslich dazu, um einen Nachweis
der Tätigkeit der Fremdenverkehrsstellen zu liefern. So wurde
u.a. auch Mitglieder der schon längst eingegangenen Familie
Leitner vom Fernsehen eingeladen. Ausserdem war der Chef der
seinerzeitigen Deutschmeisterkapelle, der weit über 80 Jahre
alte Kapellmeister Herrmann eingeladen. Selbstverständlich waren
auch Langer-Hansel und einige Herren der Fremdenverkehrswerbung
geladen. Die Veranstalter hatten Modeschauen, Grazer Dirndln
konnte man sehen, und folkloristische Darbietungen, es sangen
ein steirisches Quartett, und einen Unternehmer, der sonst
Branntwein erzeugt, als Conferencier der steirische und internatio-
nale Witze erzählte. Sein bester aktueller Witz war die Steige-
rung von Bacher, nämlich Bacher, Staribacher, Mutzenbacher.
Natürlich bei dieser Stelle ein ganz schwacher Applaus, die Pointe
sollte ja sein, dass er als nächste Steigerungsstufe den Hofrat
Geissbacher erwähnte, aber das haben die Leute überhaupt nicht
mitbekommen. Da die Zeitungen geladen waren, müsste man einmal
feststellen, ob diese kulinarischen Wochen, die doch eine ganz
schöne Stange Geld kosten, in der Presse zumindest ihren Nieder-
schlag finden. Ich fürchte, dass dies aber nicht der Fall sein
wird. Sicherlich kann man eine solche Politik machen, wenn man
durch die Mitteilungen der Presse sich Annoncen über solche Ver-
anstaltungen über das betreffende Bundesland oder im Ausland
über Österreich erspart. Wahrscheinlich kommt es aber
wesentlich billiger, wenn man mit diesem Geld einzelne Journa-
listen, sei es durch private persönliche Einladungen, sei es
durch Besichtigungen für eine entsprechende Reportage gewinnt.



03-0892

Die einzige politisch interessante Bemerkung war, dass die
Leute der ÖVP jetzt anfangen, mir zu erklären, man müsste es sich
ja doch irgendwie mit mir richten, da man ja die Tätigkeit fortsetzen
müsste und letzten Endes im gemeinsamen Interesse ja für den wirt-
schaftlichen oder Fremdenverkehrsausbau Österreichs verantwortlich sei.
Daraus entnehme ich, dass man auf der Gegenseite eingesehen hat,
dass es sich doch nicht um eine kurzfristige Episode der sozialistischen
Minderheitsregierung handelt.

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