Montag, 22. Feber 1971
Die Berichterstattung des Botschafters Leitner über die Ver-
handlungen der zweiten Runde über das Interimsabkommen ergab
keine neuen Gesichtspunkte. Steiger hatte mir bereits vorige
Woche auf meine Aufforderung einen Bericht erstattet, Reiterer
selbst war bei der Berichterstattung von Leitner ebenfalls an-
wesend. Ich habe das Gefühl, sie betrachten alle ihre Berichterstat-
tung als eine lästige Verpflichtung. Ich gebe allerdings zu, dass
wahrscheinlich überhaupt derzeit die Verhandlungen mit der EWG
nur Zeitfüller sind, das Verhandlungsmandat für die Interims-
lösung ist von den EWG-Rat als viel zu gering und umfangmässig
unbedeutend ausgelegt worden, sodass eine Einigung ganz unmög-
lich erscheint. Leitner war erschüttert, was die Berichterstattung
von Klaus Emmerich im Fernsehen und vor allem auch im Kurier für
eine Wirkung auf Bekannte von ihm gehabt hat. Emmerich sprach,
resp. schrieb von einem präpotenten Verhalten der österreichischen
Delegation, die unverantwortlicherweise eine Ausdehnung des Man-
dates von der EWG-Kommission verlangt und andererseits von einem
Unverständnis der EWG-Kommission resp. des Rates, der nicht ein-
sehen will, dass Österreich schnell einen Abschluss des Interims-
abkommens wünscht. In Wirklichkeit liegen die Verhältnisse glaube
ich ganz anders und Leitner und Reiterer bestätigten mir dies.
Die EWG-Kommission hat dieses beschränkte Mandat nur bekommen,
weil eben der Rat gar kein Interesse daran hat, einen Abschluss
mit Österreich bald zu erreichen. Luns, der Aussenminister der
Niederlande, hat klar und deutlich erklärt, dass erst wenn das
Globalabkommen in den Grundzügen fertig ist, ein Interimsabkommen
mit Österreich abgeschlossen werden kann. Das Globalabkommen hängt
wieder ausschliesslich davon ab, dass der Beitritt Englands ge-
regelt ist. Wenn nun ein politischer Akt wie z.B. die NATO-Staaten
sollen enger zusammenrücken oder wirtschaftlich ebenfalls sich
einigen in eine Union zusammengefasst werden, nicht in Zukunft der
ausschlaggebende Faktor für einen entsprechenden Schritt nach vor-
wärts sind, wird meiner Meinung nach England niemals der EWG bei-
treten. Nur eine Bedrohung von aussen kann die westeuropäischen
Staaten zu solch einer politischen Anstrengung veranlassen, diese
Bedrohung muss aber keinesfalls vom Osten sein, sie kann genauso
auch von Amerika auf wirtschaftlichen oder aussenpolitischem Gebiet
kommen. Erst unter einem solchen Gesichtspunkt wird sich meiner
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Meinung nach Grossbritannien dazu entschliessen, die Belastungen
für seine Bevölkerung auf sich zu nehmen und der EWG beitreten.
Die EWG andererseits wird nur unter einem solchen Druck bereit
sein. Grossbritannien entsprechende Konzessionen zu gewähren,
die einen Beitritt überhaupt erst ermöglichen.
Das Pressegespräch im Club der Wirtschaftspublizisten, d.h. der
Organisation, die sich Horst Knapp, geschaffen hat, war sehr schlecht
besucht. Ich muss sagen, wenn Koppe so etwas organisiert, sind
wesentlich bedeutendere Journalisten anwesend. Da ich wirklich
nicht eitel bin und es mir daher persönlich ganz egal ist, ob
eine Veranstaltung daneben geht oder nicht, kann ich dies hier
besonders vermerken. Ich glaube aber, dass man Vorkehrungen treffen
muss, dass nicht mit der Zeit der Eindruck entsteht, Staribacher
hat ja nichts zu sagen und deshalb kommt niemand hin. Andererseits
bin ich der Meinung, dass man unbedingt mit Horst Knapp ein gutes
Einvernehmen halten muss, und er sich wahrscheinlich heute mehr
denn je verpflichtet fühlt, wenn eine Veranstaltung ihm daneben
geht. Ich würde anregen, dass Koppe versucht, einmal abzustimmen,
wie die einzelnen Redaktionen, aber vor allem die Einladenden Stel-
len einen Plan erstellen, wonach es nicht zu Überschneidungen von
Pressekonferenzen oder Pressegesprächen kommt. Ich weiss, dass dies
nicht sehr leicht sein wird und dass vor allem das nicht lückenlos
funktionieren kann. Ich glaube aber, dass es sehr zu empfehlen wäre
wenn man einen Versuch machen würde im Interesse der einladenden
Stellen als auch vor allem der wahrscheinlich heute hin und her
gerissenen Wirtschaftsredakteure.
Edi März erklärte beim Mittagessen, er wird jetzt einen Artikel
schreiben gegen den Verkauf der Elektrobau Linz an die ASEA. Ich
war sehr verwundert, dass er angenommen hat, dass dies bereits eine
beschlossene Sache sei und ersuchte ihn, er sollte doch vorher mit
Androsch über dieses Problem noch sprechen. Zöllner, ein ELIN-Auf-
sichtsrat, wurde von mir gefragt, was denn die ELIN nun eigentlich
beabsichtige, die sich ja auch für die Elektrobau interessiert hat.
Zöllner stellte sofort fest, dass ELIN den Betrieb kaufen würde,
wenn der Staat ELIN dafür die notwendigen Mittel gibt. Ob Elektrobau
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dann wirklich ausgebaut wird oder ob nicht eben weil die ELIN
in diesem Betrieb nur eine Konkurrenz ihrer Transformatorenpro-
duktion sieht, diese Produktion von Linz überhaupt wegnehmen
wird, konnte Zöllner nicht konkret beantworten. Trotzdem steht
März auf dem Standpunkt, müsste dieser Betrieb Österreich erhalten
bleiben. Ich muss sagen, dass ich diese Haltung von unseren
Leuten überhaupt nicht verstehe. Wenn wir in Österreich keine
Kapitalisten haben und keine Unternehmer, die kapitalistische
Politik machen, obwohl wir in einem kapitalistischen System wohnen,
dann müssen wir doch entsprechende ausländische Kapitalisten
hereinlassen, dass dies ununterbrochen geschieht, wird auch von
gar niemandem abgestritten, dass wir auch überhaupt keine Möglich-
keit haben, dies zu verhindern, wird auch zugegeben, ich bin daher
der Meinung, dass wenn ich diese Tatsachen einmal zur Kenntnis
genommen habe, dann auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen
muss. Ich bin der Meinung, dass es zweckmässiger und zielführender
ist, wenn man versucht, schwedische, schweizerische und vor allem
auch aus dem Osten Kapitalgesellschaften nach Österreich zu bringen
damit hier Unternehmungen, sei es aufgekauft, fusioniert oder
gegebenenfalls neu gegründet werden. Nur so könne wir der Argumen-
tation, dass ausschliesslich westdeutsche Unternehmer sich in Öster-
reich niederlassen ein Gegenargument entgegensetzen. Ich bin des-
halb sehr unglücklich, dass z.B. Heiss von der Fa. Tirolia mir
erklärt hat, es würde mit den Jugoslawen doch nicht zu einer
Kooperation resp. Errichtung eines Werkes in Kärnten kommen, da
die Jugoslawen 50 % Anteil verlangen. Andererseits gewähren die
jug. Regierungsstellen für österreichische Firmen, die in Jugoslawien
Betriebe errichten wollen, maximal einen 49 %-igen Anteil und
haben auch noch andere Beschränkungen. Ich verstehe die nationale
Einstellung unserer Genossen nicht, die als Marxisten geschult,
nicht zur Kenntnis nehmen, wenn keine österreichischen Kapitalisten
vorhanden sind, in einem kapitalistischen System, dass die aus-
ländischen Kapitalisten eben diese Funktion übernehmen. Wenn einige
Theorien Karl Marx's falsch waren, eines stimmt auf alle Fälle,
die Konzentration des Kapitals wird in der ganze Welt weiter fort-
schreiten.
Komm.Rat Katzinger wurde mit Dkfm. Badele von mir empfangen, weil
Badele über die Partei ersucht hat, eine solche Aussprache wäre
zielführend und für ihn vor allem einmal zweckmässig. Das Ergebnis
war, dass Katzinger sich bei mir beschwerte, dass die Messe ihm
bis jetzt noch keinen eigenen Pavillon errichtet hat und er eine
solche Halle dringendst benötigen würde. Er glaubt, dass dies der
Grund ist, dass sich der grösste Teil seiner Mitglieder jetzt aus
der Messe-Ausstellung zurückzieht und eine eigene Fachmesse –
die IFABO – gegründet hat. Der spiritus rector war Dr. Laszlo, den
er als Journalisten bezeichnet, der keine Ahnung hat vom Geschäft.
Die Messe AG macht jetzt ein dreifaches Geschäft indem sie nämlich
der IFABO ihren Messepalast vermietet und darüber hinaus zwei, näm-
lich die Frühjahrs- und die Herbstmesse von den Büromaschinenfirmen
beschicken lässt. Ich versprach Katzinger, mit der Messe – Porges –
zu klären, ob sie einen solchen Messe-Pavillon neu bauen wollen,
wie sie angeblich Katzinger vor Jahren bereits versprochen haben.
ANMERKUNG für HEINDL: Bitte, einen diesbezüglichen Brief an Porges.
Gen.Direktor Malley und sein Stellvertreter Wayd , beides Amerikaner
von der Anger Plastic, kamen, um eine Staatsunterstützung anzusuchen.
Anger hatte seinen Betrieb an die amerikanischen Familienbetrieb
Ines um 10 Mill. $ verkauft. Damit war er nach Auffassung der
derzeitigen Geschäftsführung wesentlich überzahlt. Der Betrieb
leidet nun unter den Zinslasten, denn der Girozentrale und der
Bank of America müssen jeweils ca. 50 Mill. S im Jahre bezahlt
werden. Der Gewinn von einem Umsatz von ca. 12 Mill. $ beträgt
ca. 1.6 Mill. $ in bar, behaupten zumindestens die beiden Geschäfts-
führer. Was sie wünschen ist eine Reduktion der Zinsbelastung von
8,5 % auf ca. 5 %. Da ich ihnen aber nicht helfen konnte, nicht
einmal das Gewerbestrukturverbesserungsgesetz gibt uns ja die
Möglichkeit eines Zinsverbilligung zur Umschuldung heranzuziehen,
verwies ich sie auf Direktor Mayerhofer von der Wiener Betriebs-
ansiedlungsgesellschaft. Die Geschäftsführung erklärte nämlich,
es bestünde die Gefahr, dass dieser Betrieb wieder an einen anderen
Amerikaner oder sonst jemanden verkauft wird und dann wahrscheinlich
ins Ausland gehen würde.
Pruscha, der Besitzer der Österr. Werkstätten und der Küfferle-
Schokolade-Fabrik, der die Fa. Gerstner an Goldix verkauft hatte
war mit einer neuen Idee bei mir. Wenn die Creditanstalt doch
ihre Filiale in der Kärntner Strasse aufgibt, würde er ihr
sein Küfferle-Verkaufslokal zur Verfügung stellen. Dann könnte
Gerstner bleiben, wo er jetzt ist und die Österreichischen Werk-
stätten würden in die CA-Filiale übersiedeln. Auf meinen Vor-
halt, dass er ja doch vielleicht noch die Firma Gerstner besitzt,
stellte sich heraus, dass dies nicht der Fall ist, er allerdings
die Maschinen und Einrichtungen noch in seinem Besitz hat.
An Goldix hat er nur die Liegenschaften verkauft. Zwar um einen
Preis von 10,5 Mill. S. Goldix ist nach Auffassung Pruschas
deshalb bereit, die Fa. Gerstner zu erhalten, weil die Gemeinde
Wien und auch ich darauf drängen. Die Goldix-Leute fürchten,
dass – wenn sie sich dagegen stemmen – die Gefahr besteht, dass
sie dann bei den Baugenehmigungen Schwierigkeiten haben. Da sie
das Grob-Haus bereits um 35 Mill. S erworben haben und sonstige
Ausgaben bereits getätigt haben, sind schon Investitionen von
60–70 Mill. S aufgewendet und brauchen jetzt dringend dafür
entsprechende Baugenehmigungen. Dass Gerstner im neuen Groh-Haus
unterkommen könnte, bezweifelt er, und für das Textilhaus im
ehemaligen Groh-Haus muss jeder Quadratmeter ausgenützt werden.
Er denkt, dass sie maximal eine Cafeteria, resp. ein kleines
Kaffeehaus im ersten Stock errichten werden. Als Beweis meint
er, dass die Firma Goldix bereits jetzt für den Umbau der Strassen-
fassaden die Österreichischen Werkstätten usw. 20 Mill. S inve-
stieren wird. Er hätte mit Androsch bereits ein Gespräch geführt,
dass dieser auf Treichl von der CA einwirkt. Treichl sei seiner
Information nach überhaupt für diesen Tausch, nur Dr. Grimm von
der CA will den Fundus, der aus der Bodenkreditanstalt seinerzeit
in die CA eingeflossen ist, unbedingt erhalten. Wenn Gerstner in
die Himmelpfortgasse übersiedelt, ist seiner Meinung nach das
Geschäft nicht aktiv zu führen. Er hatte die Absicht, bevor er
Gerstner verkaufte, Demel zu kaufen und beide zusammenzulegen.
Er wollte für Demel 14 Mill. S bezahlen, doch der jetzige Be-
sitzer v. Berzeviczy verlangte 18 Mill.
Häuser Rudi verständigte mich in der Früh, dass er nicht mehr
bereit sei, in Zukunft irgendwelche Konzessionen über Verhandlungen
von Gesetzentwürfen, die er ausgearbeitet hat, zu akzeptieren.
Er meinte, dass auf mein Drängen hin er das Lebensmittelgesetz
noch nicht in die Regierung gebracht hat und jetzt die ÖVP mit dem
Initiativantrag ihm zuvorgekommen ist. Ich setzte mich mit Sallin-
ger und Mussil über dieses Problem auseinander und konnte erfahren,
dass Häuser unverzüglich auch mit den beiden telefoniert hat und
ihnen Vorwürfe gemacht hat. Sallinger und Mussil erklärten, letzte-
rer allerdings sehr zurückhaltend, dass sie an dem Entwurf nicht
mitgewirkt hatten. Heindl konnte allerdings feststellen, dass sie
in dem Fall falsch informierten. Barfuss versicherte ihm, dass
der Anfang dieses Entwurfes auf eine Initiative NR König's zurück-
ging. Dieser meinte, Barfuss sollte nicht nur immer kritisieren,
sondern einen eigenen Entwurf ausarbeiten. Broesigke, den er in
der Anwaltskammer einmal traf, zeigte sich auch daran sehr inter-
essiert. So kam es, dass die FPÖ mit ins Spiel kam. In weiterer
Folge hat sich Kohlmaier eingeschaltet und Scrinzi verlangt, dass
beigezogen wird. Besprochen und abgearbeitet wurde der Entwurf aber
mit Dr. Christian von der Bundeskammer, Herrn Gutwald von der Uni-
lever, Brendl, dem Tierarzt, Frau Cepelak, Dr. Blaschek von der
Industriesektion und Dr. Smolka vom Fachverband der Nahrungs- und
Genussmittelindustrie. Bauer von der Lebens- und Genussmittelarbei-
tergewerkschaft war ebenfalls dabei. Hauffe hat in dem Komitee
nicht mitgewirkt, hat aber – wie Barfuss uns mitteilte, die
Stellungnahme des Handelsministerium ihm übergeben. Häuser schlug
nur in der Regierungsvorbesprechung vor, dass er seine Regierungs-
vorlage bis nächsten Montag fertigmachen wird. Ich verlangte und
er stimmte sofort zu, dass Koppe bei dieser Arbeit zugezogen wird.
Frühbauer teilte mit, dass die Landesgesellschaften auf die Er-
richtung des Atomkraftwerkes bestehen und nun 704 Megawatt gebaut wer-
den soll. Dadurch würde Ranshofen mit 80 Megawatt Grenzleistung
vielleicht einen billigeren Strom bekommen können. Die Beantwortung
der Anfragen an alle Minister, was vom Regierungsprogramm erfüllt
wurde, soll gemeinsam erfolgen, d.h. an einem Tag gleichzeitig
von allen Ministern den Anfragern geantwortet werden. Kreisky
meinte dann noch eine Lösung der Chemiefrage müsste erzielt werden,
die Edelstahlproblematik würde dann Geist in Angriff nehmen, wenn
er in der ÖIAG einzieht. Die Abzweigung von 8 % vom Katastrophenfonds-
gesetz spricht vom Verbauung an Bundesstrassen, das Teilheft des
04-0233
Finanzgesetzes spricht von Verbauung auf Bundesstrassen. Dadurch
ergibt sich Streit zwischen Weihs und Moser. Dieser soll durch
bilaterale Besprechung beigelegt werden.
Tagesprogramm, 22.2.1971
Notiz Gespräch Barfuß betr. Lebensmittelgesetz, 22.2.1971