Montag, 22. März 1971
Den Wirtschaftsjournalisten versuchten wir beim Arbeits–-
essen unsere industriepolitische Aktivität näher zu bringen.
Koppe hat versucht aus dem Regierungsprogramm die industrie-
politischen Stellen so zusammenzustellen, daß an der Erfüllung
des Regierungsprogrammes erkennen könnte. Aber selbst dieses
Amalgam befriedigte uns nicht, so daß wir uns entschlossen,
noch rechtzeitig diesen Teil der Presseunterlagen herauszu-
nehmen. Nach einem Referat von Wanke über den organisatorischen
Aufbau unserer sektoralen Industriepolitik Gehart der Grund-
satzgruppe über die Durchführung der Studie des Beirates der
Industriepolitik in unserem Haus und von Amtsrat Marsch über
die Schwierigkeiten der statistischen Abgrenzung von Industrie
referierte Zeller vom Statistischen Zentralamt, über deren
neue Erhebungsmethoden. In der Diskussion wollten die Jour-
nalisten insbesondere Vorhofer von der Kleinen Zeitung Graz
wissen, ob wir die konkreten Probleme mit Gewalt lösen wollten.
Insbesondere wurde das Problem vom Kohlenbergbau und die Er-
richtung der großen Zellstoffirma Landegger und damit im
Zusammenhang zur erwartenden Stillegung von Zellstoffen dis-
kutiert. Sicherlich ist schon einiges bei uns im Ministerium
geschehen, um die personellen Voraussetzungen zu schaffen.
damit einmal vielleicht in der nächsten Generation endlich
Industriepolitik gemacht wird. Derzeit kochen wir aber mit
Wasser und in der Diskussion stellte sich heraus, daß wir
ganz gut bestehen können, aber uns doch über die Probleme
hinwegschwindeln. Wenn die Journalisten das gewußt hätten
und uns um eine konkrete Stellungnahme des Ministeriums
betreffend der Auseinandersetzung Strompreise, Aluminium,
Erdgas, demnach hätten wir Farbe bekennen müssen, dann wäre
wahrscheinlich unser schön aufgebautes Kartenhaus zusammen-
gebrochen. Bei uns selbst ist die Meinung sehr geteilt und
zum Beispiel die Managementausbildung die jetzt die 20
Branchenreferenten und jüngere Leute am Semmering mitge-
macht haben, tatsächlich einen positiven Einfluß auf die
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Arbeit der Betriebe und insbesondere des ganzen Hauses
haben wir lange geglaubt, daß allein die Diskussion am
Semmering schon gezeigt hat, daß die jüngeren Leute jetzt
mit anderen Elan an die Arbeit gehen und über den hierarchischen
Aufbau des Ministeriums hinaus, endlich initiative Arbeit
leisten. Heindl und Koppe bezweifeln dies ganz entschieden.
Sekt.Chef Pultar wurde von Weihs geschickt, damit er mit
unseren Beamten die neue Abgrenzung für das Kompetenz-
gesetz finden soll. Da Reiterer und Marquet zur Bericht-
erstattung über die Verhandlungsquote in Brüssel anwesend
war, erledigten wir dieses Problem vorerst. Im Prinzip
einigten wir uns auf die Formulierung, Regelung der Ein-
und Ausfuhr von Urprodukten der heimischen Landwirtschaft
sowie der nachstehend angeführten Waren. Reis, Mehl und
Grieß, Milchpulver, Butter und Käse, Weine, Futtermittel-
zubereitung. Der Ministerratsvorbesprechung wollte Weihs
noch, daß ich ihm Fruchtsäfte, nicht gegoren, aus Äpfel,
Birnen und Weintrauben zugestehen, dann wäre er mit der
Lösung einverstanden.
Scheer, der Besitzer der Galerie 10, hat eine Ausstellung
von Lotte Profohs organisiert. Heindl verlangte, daß ich
unbedingt zumindest auf ganz kurze Zeit einen Sprung hin-
mache. Zum Glück verspätete ich mich, denn Scheer hatte
den ÖVP-Präsidentschaftskandidat Waldheim für die Eröffnung
gewonnen. Nicht, daß es mich stört mit Waldheim zusammen-
zutreffen, glaube ich aber doch, daß es nicht sehr ziel-
führend ist, wenn angeblich unsere Genossen, und Scheer
glaube ich bezeichnet sich immer als Sympathisant zumindestens,
Waldheim in seiner Kampagne die Möglichkeit zu geben, noch
als künstlerischer Mäzen aufzutreten. In der ersten Reaktion,
als mir Lotte Scheer, die in der Arbeiterbank beschäftigt
ist und eine rechte Hand Kienzl war, wollte ich am liebsten
weg. Zum Glück habe ich dies dann doch nicht gemacht, sonst
hieße es womöglich, daß der Minister deshalb Frau Profohs
nicht gratuliert hat, weil der Waldheim anwesend war.
Heindl wird aber in Hinkunft doch sich besser informieren
müssen, was einem bei den Künstlern noch alles bevorsteht,
wenn man zu Veranstaltungen geht.
In der Ministerratsvorbesprechung berichtete Kreisky, daß
eine Einigung mit den öffentl. Bediensteten erzielt wurde.
Ich und, wie sich nachher herausstellte, viele andere glaubten,
daß es sich um die so wichtige Frage der Besoldung handelt.
In Wirklichkeit hat er sich nur über die Personalvertretungs-
Aufsichtskommission geeinigt. Es ist zwar eine harte Forderung
der sozialistischen Fraktion der Gewerkschaft, daß nämlich
nicht der Minister gleichzeitig auch Aufsichtsbehörde für
die Personalvertretung ist. In Hinkunft wird eine Kommission
aus drei Richtern einen Bundesbediensteten für die Dienst-
nehmer der von der Gewerkschaft der öffentl. Bediensteten
vorgeschlagen wird, gebildet. Über die Verhandlungen Androsch
mit den öffentlichen Dienst betreffend die Gehaltsregulierung
für das Jahr 1971 und das Folgende, die letzte Etappe des
Schmitz-Übereinkommens läuft mit 30. Juni an, wird wahr-
scheinlich in den nächsten Tagen endgültig verhandelt und
abgeschlossen. Die Bediensteten verlangen 12 % für
einen Zeitraum von 3 Jahren, wahrscheinlich wird man sich
bei 8 % zusätzlich einer Wertsicherung, die ebenfalls ge-
fordert wird, einigen. Da jedes % 400.00 Mio. S dem Staat
kostet, kann man sich ausrechnen, wie die zukünftigen Budgets
durch die Personalerhöhungen vorbelastet sein werden.
Betreffend die Wehrdienstverweigerer, die maximal bei
41.000 jährlich gemustert werden, 800 betragen, sollten
nach Auffassung Kreiskys eine Kommission sehr streng
prüfen, aber dann die Betreffenden wirklich freistellen
vom Wehrdienst. Lütgendorf wies darauf hin, daß in der
Bundesrepublik Deutschland 32.000 Ansuchen jährlich vor-
liegen, von denen von der Kommission ca. 16.000 Anträge
positiv bestätigt werden. In der Bundesrepublik Deutschland
ist es allerdings deshalb leichter, weil sie nur 60 % der
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wehrfähigen Männer einziehen. Diese Ziffer soll auf 75 %
erhöht werden.
Betreffend die Arbeitszeitregelung am Karfreitag kamen
wir überein, daß wir an der bisherigen Regelung alle fest-
halten werden. D.h. es wird wahrscheinlich frei sein
und nur ein Journaldienst wird vormittags in den Ministerien
tätig sein. Häuser fragte an, wie das mit den nachgeord-
neten Dienststellen geregelt wird. Kreisky meinte sehr
großzügig, daß wir uns ja alle auf Osterurlaub befinden werden,
wäre es unsozial von den Beamten eine Beschäftigung zu ver-
langen. Ich glaube, daß eine solche Einstellung von ihm
aus seiner Tätigkeit als Außenminister noch herrührt. Denn
organisatorisch wenn man davon ausgeht, daß man selbst so-
wieso mehr arbeitet und deshalb das Recht hat auch zu Ostern
Urlaub zu machen, da kann man dies doch keinesfalls auto-
matisch auf die Beschäftigten eines Ministeriums oder nach-
geordneten Dienststellen übertragen. Natürlich wird man
mit einer solchen Einstellung als Feschak bezeichnet, doch
muß dies früher oder später zu einer Arbeitszeit- oder
Feiertagsregelung kommen, die sich die Arbeiter in der
Privatwirtschaft nicht einmal mit Gewalt derzeit erkämpfen
können. Ich bin der letzte, der von den Beamten das stempeln
verlangt. Wenn man berücksichtigt wie die Arbeitszeit bei
uns im Ministerium eingehalten wird, dann wundert man sich
nur, daß die Arbeiter nicht schon längst diesbezüglich auch
solche Forderungen gestellt haben, resp. ihre Arbeitsmoral
entsprechend leidet. Der größte Teil der Ministerratsvorbe-
sprechung, die Erfahrungen insbesondere Kreisky, aber auch
Weihs bei den Bauerndemonstrationen in den Ländern erlebten,
ausmachte, wies Rösch darauf hin, daß die Bauernbündler vom
17. Mai 1969 dieser über die Bauerndemonstration sehr ab-
fällig geschrieben haben. Trotz meines heftigsten Bemühens
war es weder möglich im Bundeskanzleramt, oder Wanke bei
einer anderen Dienststelle diesen Artikel zu finden. Da
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bereits um 17.00 Uhr bereits natürlich alle geschlossen
hatten. In der Arbeiterkammer hätten wir über die Bibliothek
doch noch diesen Artikel haben müssen, darüberhinaus wäre
mit einem Generalschlüssel ich sicher in der Dokumentation
auf dieses Material gestoßen. Es ist mir allerdings zu spät
eingefallen und Wanke hat auch nur versucht im Stubenring-
Gebäude diesen Artikel aufzutreiben. Natürlich vergeblich.
Mussil rief mich während der Vorbesprechung um 18.30 Uhr
an und erklärte mir, daß nun die Fox-Leute bei ihm sitzen,
um die Preisregelung zu besprechen. Sie wollten unbedingt
am nächsten Tag eine Diskussion darüber führen. Ich fuhr
sofort zu ihm hin und traf dort KommRat Bauer für die Importeure
KommRat Sulke und Altmutter für den Rutschen- u. Strecken-
und Kleinhandel sowie den Sekretär des Gremiums Dr. Widhalm
und Zajicek. Nach einem langen Palaver, wie schlecht es
dem Handel geht und wie sehr er nicht darauf verzichten kann,
eine Handelsspannen zu erhöhen, versuchte mich Mussil da-
hingehend festzulegen, daß Schleifer ein höheres Limit braucht,
um abschließen zu können. Ich erwiderte, daß wie er dem Handel
versprochen hat, mit 1.4. seine Handelsspannen um die 35 S
pro Tonne zu erhöhen und daß wir dieses Versprechen auch
für Kohle einhalten werden. Bei Keks bin ich überzeugt, daß wir
unter einem Preis von S 2,–– kommen müssen und ich sagte
deshalb nur, daß Schleifer das Recht hat, einen Abschluß
herbeizuführen. Bei dieser Regelung könnte dann die Handels-
spanne ja wieder von der Preisbehörde festgesetzt werden.
Bauer, der den Donetz-Koks neben der wesentlich größeren
Firma Briko vertritt, meinte, daß die Importeure nicht im
Stande wären, ihre Reviere unter die 43,88 Dollar je Tonne
zu drücken. Ich bin davon aber überzeugt, daß durch die
anfallenden großen Koksmengen im Sommer es möglich sein
müßte, noch tiefere Preise aus den Ostrevieren, aber auch
aus der Bundesrepublik Deutschland herauszuschlagen. Mein
Hinweis, daß sie auf die Sommerrabatte verzichten könnten
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erwiderten sie, daß dies nicht möglich ist, da sie im
Sommer immer Sommerrabatte gegeben haben und die Konsumenten
dies von ihnen verlangen. Ich frage mich allerdings, wo
sie im Vorjahr anstelle der Sommerrabatte wesentliche Er-
höhung der Verbraucherpreise herbeigeführt haben, diese
Theorie ihre Begründung findet. Auf dem Hinweis, daß ich
den Handel ruinieren würde erwiderte ich nur, daß dies
nicht meine Absicht sei, sondern ganz im Gegenteil, daß
ich eine Preispolitik machen müßte, die wohl dem Konsumenten
dient, aber auf der anderen Seite gerade die Funktionen
des Handels sicherstellt. Wenn ich nämlich den Handel
tatsächlich ruinieren wollte, dann würde ich die gesamte
Preisregelung für alle Koks- und Kohlenprodukte sistieren.
Ich bin allerdings, daß habe ich den Händler nicht gesagt,
nicht ganz überzeugt, daß wenn wir tatsächlich die gesamte
Preisregelung aufheben würden, dann nicht doch zu Ent-
wicklungen auf diesem Sektor kämen, die uns noch große
Überraschung bereiten würde. Wenn man aber berücksichtigt,
daß wir im Vorjahr trotz der Preisregelung außerstande
waren, die Verteuerung des Koks ist exorbitant gewesen ist,
zu verhindern, dann frage ich mich ob eine Preisregelung
auf diesem Sektor überhaupt zielführend gewesen ist.
Die Besprechung mit den sozialistischen Fraktionspräsidiums
des Gewerkschaftsbundes und Regierungsmitglieder, die
normalerweise immer um 10.00 Uhr zu Ende ging, dauerte bis
nach 11.00 Uhr, weil wir die Probleme der Milchpreisre-
gelung diskutierten. Sicher ist, daß die Bauern im Zuge
des Milchpreisregelungsverfahrens einen höheren Erzeuger-
preis bekommen werden. Der Gewerkschaftsbund, eine maximale
Erhöhung des Verbraucherpreises von 40 Groschen, d.h. auf
durchschnittlich 5 S für 1 l Milch zugestehen wird, ergäbe
dies ca. eine Erhöhung des Erzeugerpreises von max. 20 Groschen.
Darin muß aber noch die Lohnbewegung der Molkereiarbeiter
untergebracht werden. Ich selbst habe zuletzt vorgeschlagen,
daß es zielführend wäre, wenn man den Verbraucherpreis für
Milch mit S 5,–– pro Liter Flaschenmilch fixieren wird und
dann alle anderen Produkte von der Preisregelung sistieren
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würde. Nur so könnte man den Bauern sagen, daß sie so
viel Erlös aus dieser Preisfreigabe respekt. Preis-
festsetzung erzielen könnten, als der Markt ihnen be-
reit ist zu bezahlen und soweit eben die Spannen ent-
sprechend gedrückt werden können. Weihs verlangt aller-
dings, daß Butter auf alle Fälle und Käse doch einzelne
Sorten, doch weiterhin preisgeregelt bleiben.müssen. Um
die Auswirkungen wurden heftige Diskussionen betreffend
Zweckmäßigkeit unseres derzeitigen Lebenshaltungskosten-
indexes geführt. Auf der einen Seite wehrt sich Benya
mit Recht und ich unterstützte ihn in dieser Beziehung
gegen dieses Indexdenken, das er insbesondere auch bei
seinem volkswirtschaftlichen Referenten Tommy Lachs fest-
stellen kann. Die Bundesregierung, besonders aber Kreisky,
hat nun fast dieselbe Einstellung die schon Klaus immer
in den vergangenen Jahre gehabt hat. Dabei betrachtet
jede Bundesregierung dieses Preisproblem nur vom Stand-
punkt des Lebenshaltungskostenindexes. Benya allerdings
wehrte sich dann gegen meinen Vorschlag. Er meinte, daß
die Bundesregierung sich ihrer Verantwortung durch die
Preissistierung entledigt und die Paritätische Kommission
dann diese Produkte ja preisfixieren muß. Die Meinung
Kreiskys, daß mit den Lebenshaltungskostenindex ja die
gesamte Erhöhung zum Ausdruck kommt und letzten Endes
dann den Pensionisten und den Arbeitern bei der nächsten
Lohnerhöhung abgegolten wird, damit eine Erhöhung der
Kinderbeihilfen nicht möglich ist, widersprach Benya auf
das Entschiedenste. Er hat mit Recht darauf hingewiesen,
daß bei jeder Milchpreisregulierung immer die Kinderbei-
hilfen erhöht wurden. Wenn man nun für diese Belastung
S 10,–– pro Kind vorsieht, ergibt sich, daß der Über-
schuß von 600 Mio., wovon 350 Mio. durch die Schulfahrten
und die restlichen 250 Mio. durch die S 10,–– Kinderbei-
hilfe das Jahr 1971, verbraucht sind.
Androsch berichtete, daß die Haftpflichtversicherung
so konstruiert werden soll, daß für den VW-Käfer, der
im Index drinnen ist, keinerlei Erhöhung Platz greift.
Ab 1.6.1971 will er dann die Prämien um 20 % bei
Selbstbehalt erhöhen, wenn man diesen Selbstbehalt
wegversichern will, dann müßten 35 % höhere Prämien
bezahlen. Verwaltungskosten werden von 28 auf 23 %
gesenkt und der Gewinn mit maximal 3 % festgelegt.
Man wird mir diesen Vorschlag schicken, damit ich ihn
im Kraftfahrbeirat zur Diskussion stellen kann.
Tagesprogramm, 22.3.1971