Samstag, der 27. März 1971

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Samstag, 27. März 1971

Besuche der Kolping-Häuser in Bregenz und Dornbirn.
Die mit 6,1 Mio. S präliminierten Baukosten für den
Ausbau des Kolping-Hauses Dornbirn wurden weit über-
zogen. Die Ausgaben erreichen bereits jetzt 12 Mio. S,
der Endausbau wird nach Aussage des Leiters des Heimes
Winlauer 14–16 Mio. S erreichen. In Wahrheit werden
folgende Beträge nach Angabe Winlauers benötigt:
400.000 S für den Außenputz, 300.000 S für den Ausbau
des 1. Stockes und 200.000 S für den Ausbau des Saales,
der als am wenigsten dringend erachtet wird. Durch den
Ausbau des 3. Stockes würden 20 zusätzliche Betten ge-
schaffen und die Kosten dem jugendlichen reduziert.
Bemerkenswert ist, daß die Textilindustrie, der das
Heim Dornbirn zugute kommt, keine unmittelbaren För-
derungsbeiträge zur Verfügung stellt. Durch die hohen
Kosten des Ausbaues des Heimes Dornbirn wird der
weitere Ausbau des Heimes Bregenz in dem 110 Betten
sind, praktisch blockiert. Dr. Staribacher machte in
beiden Fällen keine Zusagen, scheint jedoch gewillt,
sich wirklich für den Ausbau der Heime einzusetzen,
die relativ fortschrittlich geführt werden, praktisch
die einzigen Einrichtungen auf diesem Gebiet in Vor-
arlberg darstellen und in Ermangelung uns nahestehender
Einrichtungen die einzige Form sind, in der den Vorarl-
berger Jugendlichen in rationeller Weise geholfen werden
kann.

Auf der Fahrt nach Bregenz, die wie alle Fahrten an diesem
Tag im Wagen des Vorarlberger SPÖ-Landessekretärs statt-
fand, stoppt ein Dornbirner Sportartikelhändler und Mit-
glied des Freien Wirtschaftsverbandes, Saxenhammer,
den Wagen, um ein Schreiben zu übergeben - geradezu ein
Paradebeispiel für echt alemannische "Petiteure". Das
Schreiben stammt nicht von ihm selbst, sondern vom Vor-


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arlberger Gremialvorsteher des Sportartikelhandels
Herrn Azwang, der mit der ED-Nettopreise für Schi und
Schibindungen einzuführen, unzufrieden ist. Der Mann
ist fassungslos, als er eine Stunde später auf der
Rückfahrt von Bregenz, ihm seine Tochter mitteilt,
im Magazin seiner Großhandlung stehe der Handels-
minister und wünsche mit ihm zu diskutieren. Dieser
Art von Verhandlungstechnik spielte es wenig Rolle,
daß wir ihn in der Sache selbst nicht recht geben konnten.
Er war zu beglückt vom Besuch, daß seine Verbitterung
dahinschmolz, wie Schnee in der Sonne. Leider ist zu be-
fürchten, daß der übrige Sportartikelhandel nicht so
leicht zu beeinflussen sein wird. Kästle und Fischer
scheinen beschlossen zu haben, den Nettopreisen Wider-
stand entgegenzusetzen und viele Anzeichen deuten
darauf hin, daß es demnächst, von diesen Fabriken or-
ganisiert, massiven Widerstand der Sportartikel-
händler geben wird. Vermutlich wird als Auftakt dieses
Widerstandes eine Pressekonferenz stattfinden. Eine
rasche Entscheidung, ob wir auf unserer Haltung beharren,
täte Not. In diesem Falle müßte durch entsprechende
publizistische Aktivitäten, vor allem seitens der Ar-
beiterkammer, die Verordnung besser vorbereitet werden.

Im Parteihaus in Dornbirn fand ein 10 Minuten Interview
des Vorarlberger Rundsfunkes mit dem Minister statt.
In diesem Land ist zu befürchten, daß eine solche Stellung-
nahme zwar korrekt gebracht, anschließend aber in einer
langen Serie von Kommentar und Punkt für Punkt zerpflückt
wird. Trotzdem ist Angriff die beste Verteidigung und
ein solches Interview von Vorteil. Als Draufgabe konnten
wir erreichen, daß Radio Vorarlberg Staribachers Replik
gegen einen Angriff im Falle Hohenems bereits mittags
in Form eines Statements sendete. Staribacher widerlegte
in diesem Statement die Behauptung eines Kommentars dieses
Senders, Staribacher sei in Wien im wahrsten Sinne des
Wortes fern vom Schuß und werde über die Köpfe der Hohen-


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emser entscheiden. Ein junger, aktiver Genosse aus
Hohenems, Fritz Hefele, organisierte den improvisierten
Besuch des Ministers in Hohenems. Nachdem die Idee des
Landessekretärs Winder, die Besichtigung des Steinbruches
still und leise durchzuführen, von uns verworfen worden
war, organisierte der junge Mann in einer Stunde an die
100 Menschen, die den Minister hören wollten. Die Leute
waren sehr zufrieden und applaudierten. Es wird freilich
einige Anstrengungen bedürfen, sie auch in Zukunft zufrieden
zu erhalten. Im Hinblick auf die Wahl war dies jedoch ver-
mutlich die erfolgreichste Aktivität während der gesamten
Reise.

Übrigens stellte sich bei dieser Gelegenheit heraus, wie
gut es war, daß die Vorarlberger Genossen das Zusammen-
treffen mit GenDir Berchtold von den Ill-Werken nicht
organisiert haben. Dieser Mann ist nämlich Mitbesitzer
des Steinbruches und ein Zusammentreffen an diesem Tage
mit ihm hätte zweifellos bei der Bevölkerung den Eindruck
erweckt, er wollen den Minister "einkochen". Ein Besuch
bei der Firma Zumtobel brachte einen anschaulichen Ein-
druck, was modernes Management – in diesem Fall reprä-
sentiert durch die verschiedenen Angehörigen der Familie –
vermag. Das erst in den letzten Jahren aufgebaute Unter-
nehmen expandiert im erstaunlichen Ausmaß, betreibt offen-
bar recht erfolgreiche Forschung und scheut auch vor
kostspieligen Großinvestitionen in neu entwickelte Pro-
duktionsanlagen nicht zurück. Echtes Hinderns einer
Weiterentwicklung ist in diesem Fall der Arbeitskräfte-
mangel. Ich habe das Gefühl, daß es in manchen Fällen
vernünftiger wäre, die Übersiedlung der Arbeitskräfte
pleite gegangener Unternehmen zu solchen Betriebsstätten
zu finanzieren, als kaum lebensfähige Ersatzbetriebe auf-
zubauen. Auch die langsam arbeitende österreichische Büro-
kratie macht mitunter Schwierigkeiten. Ich habe die Junior-
chefs eingeladen, in solchen Fällen einfach bei uns anzu-
rufen. Ein bemerkenswertes Detail: Die Firma verarbeitet
VÖEST-Bleche, bezog diese jedoch bisher über die Schweiz,
weil sie auf diesem Umwege billiger zu erhalten waren als


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von der VÖEST direkt. Dies wurde nun von der VÖEST ver-
hindert, wobei der Betrieb zwar gewisse Preisnachlässe
erzielen konnte, jetzt jedoch teurer kauft als bisher
über die Schweiz.

Der Freie Wirtschaftsverband organisierte eine Diskussion
mit Wirtschaftstreibenden in der Schattenburg in Feldkirch.
Frostig wie die Temperatur im Raum war die Atmosphäre der
schlecht besuchten Veranstaltung. Umso härter war die Dis-
kussion. Veranstaltungen dieser Art bringen so gut wie
nichts, denn es war kaum jemand anwesend, den man hätte
gewinnen können, bedeuten aber ein erhebliches Risiko.
Die harte bohrende Diskussion zwingt zu grundsätzlichen
Stellungnahmen, die sich jedoch durch die Anwesenheit von
Journalisten über den begrenzten Teil der Teilnehmer
hinaus in der Öffentlichkeit auswirken. Besonders unange-
nehm ist in diesem Fall die Berichterstattung der lokalen
APA-Leute, die in einer derart unsachlichen Form die Aus-
sage verzerren, wie es in der Regel nicht einmal der ÖVP-
Pressedienst wagt.

Ein Beispiel: Dr. Staribacher erklärte, man sagt in Österreich
der Dumme hat's Glück. Doch so dumm kann diese Regierung gar
nicht sein und so viel Glück kann sie gar nicht haben, daß
alle diese Erfolge, über die er berichtete, erzielt wurden.
Da muß offenbar doch mehr als nur Glück dahinterstecken.
Aus dieser rhetorisch blendenden Feststellung wurde eine APA-
Aussendung mit dem Titel "Der Dumme hat das Glück" in der
nichts als dieses Sprichwort zitiert wurde. Dafür wurde
in der gleichen Aussendung behauptet, Staribacher habe
Preiserhöhungen u.a. bei Zucker als "unausweichlich" be-
zeichnet, während er in Wahrheit lediglich ausführlich
über die bestehende Problematik und die bevorstehenden
Verhandlungen berichtet hatte.



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Erfreulicher die anschließende Veranstaltung in Bludenz,
zu der Bürgermeister, LAbg. Stecher, eingeladen hatte. Hier
war die Prominenz und zwar ohne Journalisten versammelt und
das Ergebnis war eine hochstehende Diskussion über Landes-
probleme die sicher geeignet ist, das beim Dornbirner Ge-
spräch mit Textil-Industriellen begründete gute Image Dr.
Staribachers in Vorarlberger Wirtschaftskreisen zu festigen.

Der Abend brachte eine Diskussionsveranstaltung in Götzis,
die recht gut verlief, aber doch als markantestes Ergebnis
eine geknickte Autoantenne und aufgeschlitzte Reifen am
Ministerwagen brachte.

Tätigkeit: Sportartikelhändler, Dornbirn [Mitglied FWV; übergibt 1971 eine Petition des Gremialvorstehers Azwang, indem er den Wagen mit JS anhält; in Dornbirn der Name Saxenhammer öfter zu finden, also vmtl. so geschrieben?]


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Leiter Kolpinghaus Dornbirn [so nicht zu finden; 1971 Thema Baukosten]


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Landesparteisekr. SPÖ Vorarlberg, LT-Abg., Landesrat


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: [organisiert 1971 einen Besuch von JS in Hohenems; junger, aktiver Genosse genannt; evtl. "Häfele"]


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: GD Illwerke


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Saxenhammer eine Petition an JS übergeben, der ihn darauf besucht]


            Einträge mit Erwähnung:
              GND ID: 125942052


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: SPÖ-LT-Abg. Vorarlberg, Bgm. von Bludenz


                Einträge mit Erwähnung: