Freitag, 2. April 1971
Dr. Stephani, der Vertreter von Mandl, wollte – wie mir Meisl
mitteilte, bei einer zweiten Aussprache heute ein konkretes Ange-
bot machen, um den Verkauf der Hirtenberger Patronenfabrik weiter
vorwärts zu treiben. Da ich aber keinerlei Antwort auf ein solches
Anbot geben konnte, hatte ich ihm vorgeschlagen, er sollte sich an
die ÖIAG wenden, ich würde auch mit Dr. Geist, dem neuen General-
direktor sprechen. Die Unterlagen, die er vorgelegt und wo die Treuhand
Südost 100 Mill. S Wert konstruiert hat, ist meiner Meinung nach
nicht zu gebrauchen. Ich verständigte ihn gleich von unserer Aussprache und
übersandte ihm auch sämtliche Unterlagen. Er selbst wird nun ver-
suchen, ob es zielführend ist – wie Kreisky meint, verstaatlichte
Betriebe, die entweder Hirtenberg beliefern oder dort eine Produktions-
stätte ausser Patronenproduktion aufzunehmen, mit den Banken gemeinsam
zu einer Kaufgesellschaft zu vereinen.
Das zweite Konsumentenforum zeigte ich wesentlich höheres Diskussions-
niveau als der erste. Die Arbeitsgruppenleiter, welche referierten,
waren von ihrer Aufgabe wirklich begeistert und hatten auch entsprechende
aktive Teilnahme in ihren Arbeitsgruppen. Die im ersten Forum festge-
stellte so harte Diskussion, nämlich die krassen Gegensätze zwischen
den Konsumentenvertretern und den Vertretern der gewerblichen Wirtschaft
waren diesmal wesentlich bemilderter. Nur über die Werbung erhitzten
sich wieder die Gemüter sehr. Ich glaube, es wird sehr zielführend
sein, wenn die Enquete, welcher der Werbeausschuss, Prof. Mittag, voge-
schlagen hat, vielleicht auf diesem Sektor einige Klarheit und Klärung
bringen wird.
Die anschliessende Pressekonferenz im Intercontinental war von den
Tageszeitungen eigentlich sehr schwach besucht. Hauptsächlich kamen –
wie Frau Lercher von unserem Pressereferat sich ausdrückte – Zeitungen,
die abstauben kommen.
Die BAWAG-Generalversammlung war der übliche Auftrieb von allen Gewerk-
schaftern, Genossenschaftern und auch BAWAG-Funktionäre. Diesmal frugen
sogar zwei Vertreter von der Solidarität, ein Novum. Ich weiss nicht, ob
Hans Fellinger, dazu beauftragt wurde oder aus Eigenem diese Anfragen,
die allerdings auch nicht wesentliche Erkenntnisse brachten, an den
05-0428
Vorstand richtete. So wie bei allen anderen Banken und Aktien-
gesellschaften sind die Generalversammlungen nur die im Gesetz
und in den Statuten verankerte notwendigen Übel, in Wirklichkeit
erfährt man doch gar nichts. Eine einzige Ausnahme, ist, wenn
ein Unternehmer schon sehr schlecht dasteht, dann wird die
Generalversammlung zum Leichenbegräbnis erster Klasse. Dann er-
fährt auch der Aktionär und die Öffentlichkeit etwas, allerdings
ist es dann schon zu spät.
Tagesprogramm, 2.4.1971