Donnerstag, der 27. Mai 1971
Wieder einmal haben sich zwei Termine überschnitten und mir gezeigt,
dass ich so nicht weiterarbeiten kann und soll. Um 9 Uhr eröffnete
ich die Werbeenquete. Es waren 6 Kurzreferate vorgesehen und da ich
um 10 Uhr bereits die Schlussitzung in der österr.-iranischen Gemisch-
ten Kommission führen musste, konnte ich die Werbeenquete nicht
weiterleiten. Die Schlussitzung hätte wesentlich kürzer sein können,
aber Puffler hatte für 11 Uhr erst eine Pressekonferenz eingeladen.
Wir diskutierten deshalb noch einmal die Berichte, da ausschliesslich
Englisch gesprochen wurde, bedeutete dies, dass ich in geringstem
Masse die wirklichen Probleme im Detail erfasste. Vor der Unter-
zeichnung im Marmorsaal hatten wir eine kleine Diskussion, damit die
Zeit vergeht, würde ich fast sagen, ob jede Seite signiert wird,
wie das in Iran der Fall ist, oder ob nur der gebundene Vertrag
letzte Seite unterschrieben wird. Da Ansari grössten Wert darauf legte,
jede Seite zu signieren, entschied ich, dass gegen unsere Gepflogen-
heiten wir ihren Wunsch erfüllen werden. Ich glaube, an solchen For-
malitäten sollte man sich überhaupt nicht stossen. Zum Glück hatte
ich die ganze Zeremonie und die Sitzung so lange hinausgeschoben,
dass es 11 Uhr wurde, dadurch fiel nicht auf, dass die Pressekon-
ferenz in Wirklichkeit eine Pleite war. Es kam einzig und allein
vom Rundfunk der Reporter Gartner und von der APA eine Kollegin,
die ich das erste Mal gesehen habe. Zum Glück standen die anderen
Delegationsmitglieder im Saal herum und der Rundfunkreporter musste
mit Hilfe von Wessely die Übersetzungen ins Mikrofon hineinkriegen,
sodass eine grosse Geschäftigkeit vorgetäuscht wurde und nicht
so auffiel, dass dies in Wirklichkeit eine ausgesprochene Pleite
war. In Hinkunft müssen wir unbedingt ein anderes System einführen.
Wenn nicht sichergestellt ist, dass einige Zeitungen kommen, dann
sollte man meiner Meinung nach keine Pressekonferenz abhalten, sondern
nur ein Pressekommuniqué ausgeben, das man – um den Gast nicht zu
verärgern – vor einer grösseren Gruppe verliest und dann lässt man
von einigen Leuten, wenn es nicht anders geht, von mir aus von Ange-
stellten des Handelsministeriums, einige Fragen stellen. Eine solche
Pleite wie diesmal dürften wir uns bei einem bedeutenderen Mann
wirklich nicht leisten. Das Argument, dass für Presse, Rundfunk und
Fernsehen eigentlich in diesem Fall immer die zuständige Botschaft
verantwortlich sei, lasse ich im Interesse der Gäste nicht gelten.
Entweder wir können so etwas organisieren, selbst wenn es ein
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potemkinsches Dorf ist, oder wir lassen es stehen.
Als ich zur Werbeenquete zurückkehrte, war dort gerade ein ganz
schöner Streit im Gange. Dr. Preiss von der Konsumenteninformation
hatte wahrscheinlich durch ihre sehr unbeschwerte Art die Bundes-
kammer provoziert. Ich selbst mag die Art von Eva Preiss sehr, da
sie frisch weg von der Leber redet, alles sehr drastisch darstellt,
aber über viele Detailinformationen verfügt und ihre Aussagen wirk-
lich Kopf und Fuss haben. Sie bringt sie nur manchmal sehr agressiv
und stösst damit automatisch auf ungeheuren Widerstand. Der Bundes-
handelskammervertreter Dr. Hecke verlangte deshalb eine wortwörtlich
Protokoll-Abschrift. Auch mit Koppe hatte er eine vielleicht gar
nicht beabsichtigte Differenz, denn im weiteren Verlauf der Dis-
kussion konnte doch einiges aufgeklärt werden. Auf alle Fälle,
ich will mir gar nichts einbilden, wäre es aber gut gewesen, wenn
ich den Vorsitz die ganze Zeit führen können, dann hätte man glaube
ich von allem Anfang die Spitzen von einigen Diskussionsredner
nehmen können resp. durch verbindliche Worte diese betrübliche
Stimmung erst gar nicht aufkommen lassen. Wenn ich bedenke, dass
ich ganz sinnlos bei dieser öster.-iranischen Gemischten Kommission
Zeit vergeudete, verschwendete, und hier bei der Enquete nicht nur
einiges erfahren hätte sondern wahrscheinlich auch doch beruhigend
eingewirkt hätte, dann muss ich sagen, dass unser System bezüglich
der Arbeitseinteilung vollkommen falsch ist. Die Enquete endete
dann in glaube ich doch noch brauchbarer Art als ich nämlich in
der Zusammenfassung mitteilte, dass das Ministerium keine Absicht
hat, eine Zensur auszuüben, eine diesbezügliche Bemerkung von mir
während der Diskussionsredner hat allgemeinen Beifall ausgelöst.
Ich unterstrich im Schlusswort dann auch, dass ich hoffe, dass
der österreichische Werberat jetzt unverzüglichst konstituiert
wird und dass das Ministerium bereit sei, einen Staatspreis für
die Werbung, so ähnlich wie für das schönste Buch, zu stiften.
Nach der Enquete sagte ich zu Prof. Dr. Mittag, der mir den zu-
künftigen Sekretär des Österreichischen Werberates vorstellte,
dass ich doch in der Öffentlichkeit mitteilen kann, dass durch
die Enquete ein Anstoss gegeben wurde, um den österr. Werberat
jetzt endlich zu konstituieren. Ich habe sofort mitgeteilt, dass
ich mir dann eine fremde Feder auf meinen Hut stecken würden, doch
wendeten die Herren dagegen nichts ein.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Vielleicht sollten wird doch eine grössere Pro-
paganda für den Werberat entfalten, damit letzten Endes, vielleicht
wenn diese Institution dann steht, man in der Öffentlichkeit wirk-
lich die Meinung vertritt, dass wir ihn nicht nur unterstützen, son-
dern vielleicht sogar auch dazu beigetragen haben, dass er entstan-
den ist. Wenn wir nämlich so ein schlechtes Image in der Werbebran-
che bekommen, dann könnte durch eine Aktivität auf diesem Sektor
dieses vielleicht wieder verbessert werden. Bitte überlege Dir, wel-
che Massnahmen wir ergreifen können, um diese sicherlich notwendige
Organisation mitaufbauen zu helfen.
Beim Mittagessen für Ansari, das die Bundeshandelskammer gab, be-
merkte ich zu Sallinger, dass wir fast jetzt gar keine Zeit mehr
haben, um Probleme zu besprechen. Ich erklärte, dass ich Verständnis
dafür habe, dass jetzt er sehr beschäftigt ist mit den innerpartei-
lichen Problemen der Nachfolge des Parteiobmannes. Andererseits wies
ich aber darauf hin, dass wir dadurch nicht einmal mehr die Möglich-
keit haben, die Regierungsfragen zu besprechen, weder Sallinger
noch Mussil haben Zeit, um über die Regierungsbeschlüsse vor oder
nach dem Dienstag zu beraten. Ich habe diese Bemerkung ganz absicht-
lich gemacht, damit mir nicht einmal der Vorwurf gemacht wird, dass
ich die Handelskammer meinerseits vernachlässigt habe.
In der Gewerkschaftsvorstandssitzung gab ich einen Bericht über die
wirtschaftliche Lage, insbesondere aber über die Preissituation
da in den nächsten Tagen die Lebensmittelpreise angehoben werden,
interessierten sich natürlich die Kolleginnen und Kollegen ganz
besonders für diesen Teil. Ausserdem besprachen wir die Berichte
von anderen Gewerkschaftskongressen wie für Persönliche Dienstlei-
stungen, Graphisches Gewerbe und Metallarbeiter. Da ich die Gewohn-
heit habe, dass ich mich weder zu ausländischen Kongressen noch
zu inländischen Kongressen von der Gewerkschaft delegieren lasse,
werden immer Kollegen geschickt, die sich auch dann die Zeit nehmen
während des ganzen Kongresses anwesend zu sein. Dadurch bekommen
wir einen ziemlich guten Überblick über die Probleme der anderen
Gewerkschaften. Ich habe ja mit Entsetzen festgestellt, dass sich
meistens höchste Funktionäre von Gewerkschaften zu anderen Gewerk-
schaftskongressen delegieren lassen, dann dort gerade bei der
Eröffnung erscheinen, d.h. damit sie die Taschen kriegen, und
dann nie mehr wieder gesehen sind. Ins Ausland wieder fahren
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meistens auch nur wieder die höchsten Spitzenfunktionäre, weil
man auf dem Standpunkt steht, nur sie können die Organisation
entsprechend repräsentativ vertreten. Wenn man in einer Organi-
sation Ruhe haben will, dann muss man bestrebt sein, so wenig
wie möglich, sogenannte Vorteile wie Dienstreisen, Dienstautos
und womöglich eine Bezahlung in Anspruch zu nehmen, dann wird
man wahrscheinlich am ehesten und am leichtesten durchkommen.
Ausserdem ist es ja wirklich so, dass viele andere kaum eine Mög-
lichkeit haben, sei es zu einer Tasche zu kommen, sei es einmal
ins Ausland zu kommen und es daher sehr gut ist, wenn man diese
Leute delegiert.
Die wirtschaftspolitische Kommission der Partei, deren Vorsitzender
ich bin und Veselsky der Geschäftsführer, schleppt sich so müh-
sam wie möglich dahin. Da die Unterausschüsse ja nicht arbeiten,
sondern wie Zöllner erklärte, er z.B. den Agrarunterausschuss
führte, dass er nicht daran denke, solange er nicht Weihs von
ihm verlangt, dass er einen solchen einberufen soll, kommt es eigent-
lich auch im Hauptausschuss, d.h. in der wirtschaftspolitischen
Kommission zu wirklich keinen konkreten Beschlüssen und Diskussionen.
Da Wanke eine Angst hatte, dass jetzt der Strukturpolitische Auf-
trag, den der Bundeskanzler Felix Butschek gegeben hatte, uns
im Ministerium harte Konkurrenz machen könnte, habe ich veran-
lasst, dass Butschek ein Referat über die strukturpolitischen Ab-
sichten hält. Wie ich nicht anders vermutete, war es nichts als
eine Neuauflage unserer seinerzeitigen Diskussion und Programm-
richtlinie wie wir sie auch im Wirtschaftsprogramm gehabt haben.
In Wirklichkeit liegt der grosse Unterschied jetzt darin, dass
die Regierungsmitglieder und die meisten Mitglieder der Kommis-
sion sind ja in irgendeinem Ministerium verankert, konkrete
Detailprobleme jetzt zu lösen haben und dass für die grosse Linie
und für die Diskussion weder Zeit bleibt, noch neue Konzepte ge-
funden werden könnten. Wir ersticken in der Detailarbeit.
Als einzig konkreten Antrag stellte Wanke seinen Entwurf über die
Preisregelung nach § 3a zur Debatte. Wir haben bekanntlicherweise
keinen wirklich brauchbaren guten Vorschlag bis jetzt erarbeiten
können. Alle Vorschläge, die auf eine Indexbindung für die Inkraft-
setzung einer Preisregelung oder die auf eine gewisse Gruppe be-
schränkt vorgesehen waren, sind eigentlich nicht zielführend.
Entweder wir binden uns bei der Indexbindung zu stark an eine
Ziffer, oder wenn wir Gruppen berücksichtigen, bekommen wir natür-
lich den Vorwurf, dass es sich hier nur um eine selektive unzu-
längliche Preisregelung, die nur auf die Letztverbraucher ausgerich-
tet ist, handelt. Deshalb hat Wanke eine Idee gehabt, nämlich den
Hauptausschuss einzuschalten. wenn auf Grund des § 3a irgendeine
Preisregelung für eine gewisse Zeit – er schlägt vor 1 Jahr – einge-
führt werden kann. Da die Definition "wenn volkswirtschaftliche
Gründe dies erfordern" eine formale Delegation vom Verfassungsdienst
darstellen würde, ist es gut, wenn der Hauptausschuss mit eingeschal-
tet wird. Da kann man vielleicht die Argumentation verwenden, dass
die Legislative bei der Exekutive noch mitverankert ist. Der Haupt-
ausschuss als eine Einrichtung des Nationalrates kann dann die not-
wendige gesetzlich nicht genau zu bestimmenden Gründe beschliessen,
die zu einer Preisregelung für gewisse Produkte führen. Auf die
berechtigt skeptische Frage einiger Mitglieder, wie und in welchem
Ausmass und welche Produkte man sich vorstellt der Preisregelung
zu unterwerfen, hatte ich als einzige Beispiel die Autos parat.
Ich glaube, dort wäre es möglich, ohne einen grossen Verwaltungs-
apparat zu besitzen, nach kurzfristiger Erhebung der Preise, die
die Importeure und die Händler ja sehr genau kennen und die auch
in der Öffentlichkeit bekannt sind, ganz einfach mit einem 3 %-igen
Preisabschlag oder z.B. zu erklären, jedes Auto um 1.000 S jetzt
billiger als die vor der Preisregelung geltenden Preise zu bestimmen
möglich wäre. Der grösste Fehler wäre, wenn wir bei diesem Preis-
antrag daran dächten, einen eigenen grossen Verwaltungsapparat
aufzuziehen. Dies wäre aber notwendig, wenn wir eine wirklich umfassen-
de Preisregelung in Angriff nehmen würden. Die Erfahrungen, die an-
dere Staaten, die in den letzten Monaten und Jahren fast in allen
europäischen Staaten, die die Preisregelung eingeführt haben, ge-
macht wurden, sind nämlich äusserst negativ. So haben manche Staa-
ten umfassende Preisregelungen bis zu einem Preisstop, ohne dass
es tatsächlich zu einer Beruhigung auf ihrem Preisniveausektor
gekommen wäre. Ganz im Gegenteil kann man feststellen, dass auch
in diesem Staaten die Lebenshaltungskostenindizes höher sind oft
als bei uns in Österreich. Wir haben sicherlich auch mit diesem Ent-
wurf nicht den Stein der Weisen gefunden, in zweifle, dass es ihn
überhaupt gibt, aber haben doch vielleicht ein brauchbareres System
als die Indexbindung, die ich vorgeschlagen habe. Auf alle Fälle
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haben Koppe und Wanke recht, die mich immer wieder bedrängen und
sagen, was immer wir im Parlament vorschlagen, sei gar nicht so
entscheiden, es müsste nur jetzt endlich initiativ etwas gesche-
hen, um in der Bevölkerung eine gewisse Beruhigung zu erreichen
und uns das Image zu erhalten, dass wir gegen die Preiserhöhungen
etwas unternehmen. Alle hoffen und ich habe dies auch der Kommission
mehr oder minder versteckt gesagt, dass nicht damit zu rechnen ist,
dass die ÖVP einer solchen Änderung zustimmt. Ein bisschen viel
Demagogie ist in unseren Überlegungen schon dabei.
Tagesprogramm, 27.5.1971