Dienstag, 1. Juni 1971
Zur Eröffnung der tschechisch-technischen Tage in Österreich wollten
die Tschechen mehrere Minister laden. Wanke hat dann vereinbart,
dass ich als Handelsminister daran teilnehmen würde. Ebenso ist
der Präsident Sallinger von der BHK erschienen. Sonst war der
Besuch sehr mässig, die Firmen hatten scheinbar nur sehr geringes
Interesse. Die Eröffnungsansprache hielt nach der Begrüssung
durch den Gesandten Komárek, der csl. Vizeminister für die Schwer-
industrie Stur. Er wies auf die guten Beziehungen von einzelnen
Firmen und Kooperationsabkommen zwischen einzelnen Firmen hin.
Er bemerkte aber, dass es notwendig sei, dass endlich ein Koopera-
tionsabkommen zwischen der CSSR und Österreich geschlossen wird.
Anschliessend beim Empfang teilte mir Direktor Rohner von der VÖEST
mit, dass sie am nächsten Tag in Linz Gespräche mit den Tschechen
führen würden, und er hoffe, dass es doch zu einer engeren Koope-
ration kommen könne. Die VÖEST sei an den Verhandlungen und an den
guten Beziehungen mit der CSSR brennend interessiert, denn jetzt
z.B. hätten sie wieder für sich selbst Kohleabschlüsse mit 400.000
und Koksabschlüsse für die Alpine mit 350.000 im laufenden Fünf-
jahresplan bis 1975 abgeschlossen. Die Preise seien freibleibend,
doch müssten sie mengenmässig sich absichern und in den Fünfjahresplan
eingebaut werden. Sekt.Chef Dipl.Ing. Franc von der ÖIAG wollte bei
dieser Gelegenheit gleich wissen, wie weit unsere Verhandlungen im
Handelsministerium gediehen sind, um die Alpine-Fohnsdorf–Proble-
matik zu lösen. Er erklärte, dass nur eine Schliessung so bald wie
möglich spätestens bis 1974/75 in Frage käme. Ich wies darauf hin,
dass im Handelsministerium noch nicht endgültige Ergebnisse von dem
Komitee bei der Obersten Bergbehörde errechnet wurden. Bei der
Ministerratsvorbesprechung hat Häuser auf die Aichfeld-Murboden-
Sitzung am 17. anspielend verlangt, dass alle Minister dazu ihren
Bericht geben sollten. Androsch soll über die Steuerermässigung in
diesem Gebiet reden, Moser über die beabsichtigen Bauten, Häuser
über die Möglichkeiten auf Grund des Arbeitsmarktförderungsgesetzes
und ich soll über die Investitionsförderung und über das Energie-
konzept referieren.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, Sekt.Rat Sterk über die Mitteilung der
VÖEST zu verständigen, gleichzeitig von ihm und von Sekt.Rat Gröger
Unterlagen für das Referat verlangen.
Bei dem von mir gegebenen Mittagessen für die tschechische Han-
delsdelegation, die ebenfalls an der Eröffnung teilgenommen hat,
konnte ich unter 6 Augen dem Vizeminister Peter und dem Gesandten
Komárek mitteilen, dass wenn ich die Ostliberalisierung weitertrei-
ben soll, sie Verständnis haben müssen, dass ich ganz besonders
vorsichtig vorgehen muss. Die Bundeshandelskammer beobachtet mit
grösstem Interesse, wie sich ein Gewerkschafter als Handelsminister
gegen die Schutzinteressen der österreichischen Industrie stellt,
ich sagte ihnen, ich hätte deshalb bereits den polnischen Vize-
minister darauf aufmerksam gemacht, dass in den Vertrag entspre-
chende Schutzklauseln eingebaut werden müssten. Auch dann, wie
er zur Ansicht gekommen ist, dass wir solche Schutzklauseln nie
bräuchten. Ich muss zwar englisch sprechen, hoffe aber, dass ich
mich deutlich genug ausgedrückt habe. Sie erklärten mir, dass
sie meine Lage vollkommen verstehen und dies auch berücksichtigen
werden. Bei der Tischrede wies ich darauf hin, dass ich die Ein-
ladung nach Brünn deshalb annehme, um dort – wie vorgesehen – den
Kooperationsvertrag zu unterzeichnen. Ich verwies darauf, dass
man von Patolitschew sagt, dass er nur dann wohin fährt, wenn er
auch irgendwelche Abschlüsse tätigen kann. Ich verglich mich zwar
nicht mit Patolitschew, machte aber klar und deutlich, dass
ich gerne eine solche Reise mit einem positiven Ergebnis abschlies-
sen möchte.
Reiterer hat mir unter vier Augen mitgeteilt, dass er auch mit den
Ungarn ein ähnliches Arrangement glaubt vorbereiten zu können. Wie
er sich ausdrückt, hätte er das Eis gebrochen. Ich verstehe nur
nicht, wieso Reiterer hier eine solche Verhandlung so konkret
führt, ohne dass sich Min.Rat Hillebrandt, der Referent für
Ungarn, darüber aufregt. Sachlich glaube ich, werden wir mit den
Oststaaten doch dazu kommen, dass sie gewisse Schutzklauseln in
die Verträge einbauen, obwohl diese wie Willenpart ganz richtig
gesagt hat, gar keinen längerfristigen Wert haben.
Bei der Ministerratsvorbesprechung teilte Häuser anstelle des
erkrankten Kreisky mit, dass dieser bis mindestens Ende der Woche
im Spital bleiben wird und dann einen Erholungsurlaub von minde-
stens 8 Tagen antritt. Ich stellte das Ergebnis unserer wirtschafts-
politischen Kommission zur Debatte. Ausser der Regelung des § 3a,
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des Preisregelungsgesetzes, wo in Hinkunft auch der Haupt-
ausschuss eingeschaltet werden soll, schlug ich vor, auch das
Aussenhandelsgesetz, welches Weihs und mich betrifft, aber auch
die Zollgesetze und die Umsatzausgleichsgesetzes durch Einschaltung
des Hauptausschusses erneut ins Gespräch zu bringen und hier Stabili-
sierungsmöglichkeiten zu schaffen. Androsch lehnte für die Zoll-
senkung eine solche Aktion ab, da er befürchtet, dass die Öffent-
lichkeit und insbesondere die ÖVP ihn angreifen wird, warum er
bis jetzt nicht schon entsprechende Zollsenkungen durchgeführt hatte,
er bräuchte doch dazu nicht die Zustimmung des Hauptausschusses.
Pittermann wieder argumentierte gegen die Initiativanträge und
schlug vor, da die Regierung angegriffen wird, die Regierung ent-
sprechende Vorlagen dem Parlament zuleiten sollte. Gratz wies
darauf hin, dass dies ohne weiteres möglich ist, da eben die
Gesetze über die Preisregelung schon einmal in Begutachtung waren
und dass der Innenminister jetzt kleine Abänderungen wie z.B.
Einschaltung des Hauptausschusses in einen Gesetzentwurf auf nehmen
könnte, ohne eine neuerliche Begutachtung durchführen zu müssen.
Rösch wird für nächsten Dienstag einen entsprechenden Ministerrats-
antrag fertig machen und die Regierung ihn beschliessen. Sehr glück-
lich bin ich über diese Lösung nicht, ich hätte eher erwartet,
dass man in einem Initiativantrag mehrere Gesetze gleichzeitig
vorschlägt, um hier Optisch bessere Möglichkeiten zu erzielen.
Pittermann allerdings meint, dass die Regierungsmassnahmen wesent-
lich stärkeren Öffentlichkeitswiderhall hat, als dies die Fraktion
oder der Klub jemals erreichen kann.
Die anschliessende Besprechung mit Kirchschläger hat dazu geführt,
dass ich die Handelsdelegation aus Taiwan empfangen soll. Kirchschläger
meint, wir haben zwar keine Beziehungen zu Formosa, doch hätten sich
die Vertreter dieses Staates schon längst bei ihm einmal melden kön-
nen. Erst jetzt nachdem der Vertrag mit VR China fertig ist, begin-
nen sie sich zu rühren. Da wir mit Taiwan in Hinkunft maximal Han-
delsbeziehungen unterhalten werden, so meint er, wäre ich dazu
prädestiniert, mit ihnen in Zukunft die Verhandlungen zu führen.
Ich glaube, ihn hat sehr beeindruckt, dass ich erklärt habe, dass
ich jederzeit bereit bin, alles zu tun, was er vom aussenhandelspoliti-
schen Gesichtspunkt für sinn- und zweckmässig hält. Er versicherte
06-0664
mir allerdings, dass er nicht die Absicht habe, mir die unange-
nehmen Angelegenheiten zuzubeuteln.
Den Vorschlag von Antel, der die Wien-Film-Gesellschaft mit seiner
Produktion kooperieren möchte – wofür er auch die Unterstützung von
Jungbluth hat und von Slavik erhofft, scheitert an der Tatsache,
dass Androsch – mit dem ich darüber sprach – die Wien-Film nur ver-
kaufen will. Eine andere Lösung, erklärt Androsch, kommt nicht in
Frage, der Gegenspieler von Antel, nämlich Dürer, der 2. Geschäftsfüh-
rer der Wien-Film, möge vielleicht eine Niete sein, auf alle Fälle ist
er Konkurrent von Antel und eine Kooperation oder eine Verpachtung
der Wien-Film an diesen neuen Pool sei nicht möglich.
Im Bezirksausschuss auf der Landstrasse hat die Preisentwicklung und
unsere Preispolitik bei meinem Bericht über die politische Lage
auch den grössten Zeitraum eingenommen. Ich habe Koppe, der schein-
bar vergessen hat, dass Dienstag ist und Ausschuss-Sitzung ist und er
als unser Redakteur von Extra 3 automatisch dabei sein sollte, auf
diese Sitzung vergessen hat. Er hätte sich mit seiner Prognose voll
bestätigt gefunden.
Tagesprogramm, 1.6.1971
Tagesordnung 55. Ministerratssitzung, 1.6.1971
06_0664_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)