6.6.1971
RUSSLAND-VERHANDLUNGEN
Die österreichische Delegation war bei der 4. österr.-sowjetischen
Gemischten Kommission durch hohe Funktionäre der Wirtschaftsverbände
vertreten. Es ist mir gelungen, sowohl den Präsidenten der Handels-
kammer Sallinger als auch Gen.Sekr. Mussil sowie den Präsidenten der
Industriellenvereinigung Mayer-Gunthof als Teilnehmer der Delegation
zu gewinnen. Auch von Arbeitnehmerseite hat Hrdlitschka, der allerdings
anschliessend eine Rundfahrt durch die Sowjetunion mit seiner Frau beab-
sichtigt hat, auch an der Delegation teilgenommen. Mayer-Gunthof ist
im letzten Moment erkrankt und hat mir einen Brief geschrieben, wo er
sich entschuldigt, dass er nicht kommen kann und ganz betrübt ist, dass
dies das erste Mal ist, dass er an einer österr.-sowjetischen Verhand-
lung in Russland nicht teilnimmt. Zu meiner grössten Verwunderung
rief mich auch Pisec an und fragte, ob er als Zaungast sich in ein
Winkerl, wie er sich ausdrückte, drücken dürfte. Ich erklärte, dass
ihm dies vollkommen überlassen bleibt, war aber eigentlich sehr er-
staunt, dass er diese Frechheit hatte, sich selbst in die Kommission
einzuschmuggeln. Bei der Vorstellung erwähnte ich ihn aber überhaupt
nicht, da er kein offizielles Delegationsmitglied war. Darüber regte
er sich nachher bei Min.Rat Fälbl und Dr. Heindl sehr auf, er erklärte,
er sei keine Unperson und er wünsche unbedingt ins Protokoll aufgenommen
zu werden. Dies lehnte Fälbl wieder ab, da er erklärte, er hätte keine
offizielle Mitteilung von einer Stelle erhalten, dass er ein Delegier-
ter dieser zu delegierenden Stelle sei. Er behauptete mir gegenüber
später, dass die Handelskammer ihn delegiert hat, doch konnte ich nach
einer Rücksprache mit Sallinger feststellen, dass dieser Pisec nicht
delegiert hat. Ich glaube, dass sich Pisec mit diesem Verhalten mehr
geschädigt hat als er bei den Russen gewonnen hat. Er ist zwar überall
immer aufgeschienen, doch wurde er nirgends offiziell genannt und ist
nicht einmal im Protokoll verankert. Ich bin überzeugt davon, dass
die Russen jetzt – die ja so etwas sehr genau registrieren – studieren,
feststellen werden, dass sich gegenüber Pisec jetzt eine ganz neue
Politik durchgesetzt hat.
Bevor ich die Delegation in mein Arbeitszimmer gebeten habe, habe ich
persönlich die Präsidenten und Mussil angerufen und gebeten, sie mögen
doch zu einer Besprechung kommen. Da es üblich ist, dass die Delega-
tionsleiter sich vorher treffen, habe ich bei dieser Besprechung den
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Anwesenden vorgeschlagen, dass ich sie ausser dem Botschafter
und Min.Rat Fälbl bitten würde, diese Vorbesprechung mit mir
durchzuführen. Ich glaube, alle drei waren sehr beeindruckt,
von meiner Loyalität ihnen gegenüber und vor allem, dass ich
gleich von vornherein herausstrich, welche Bedeutung sie in der
Delegation haben. Bei der grossen Vorbesprechung erklärte die
Handelskammer, dass sie einige Abänderungswünsche zum Protokoll-
Entwurf hat. Insbesondere wollte sie einige Firmennamen noch
aufgenommen haben, resp. eigentlich keine Firmennamen, sondern
Branchenbezeichnungen sowie eine andere Formulierung über die
zukünftige langfristige Politik unserer Verträge. Sie fürchtete,
dass die Sowjetunion, die durch 5-Jahrespläne an diesen Problem
planwirtschaftlich herangeht, auch in Österreich eine so starke
planwirtschaftliche Bindung dadurch zum Ausdruck kommen könnte.
Fälbl war über diese Abänderung nicht sehr glücklich, da er
in Wirklichkeit wahrscheinlich bis jetzt immer gewohnt war,
dass vorbereitete Protokolle tel quel übernommen wurden.
Fälbl hatte überhaupt mit der Abfassung der Protokolle diesmal
einen sehr grossen Krampf. Erstens waren einige Änderungen notwendig
und zweitens hatte er in der Aussenhandelsstelle, resp. in der
Botschaft nicht die entsprechenden Schreibkräfte zur Verfügung.
Drittens hatte ihm sowohl Stipkovich als auch andere Handelskammer-
vertreter im Stiche gelassen, da sie nicht bereit waren, mit ihm
– wie er sich nachher ausdrückte – die Arbeit zu teilen oder ihn
auch nur zu unterstützen. Er beschwerte sich deshalb sehr bitter,
dass er mit seinen mangelnden Russisch-Kenntnissen mit den
sowjetischen Delegationsmitgliedern, die die Arbeit machen, sehr
langwierige und schwierige Verhandlungen führen musste. Nur Sekt.Rat
Öhmer von der Landwirschaft unterstütze ihn dabei. Peschke erklärte
mir allerdings, dass er ihn gefragt hatte, ob er seine Unterstützung
bräuchte und Fälbl hat dies abgelehnt. Ich muss allerdings zuge-
stehen, dass wahrscheinlich jeder ihm so andeutungsweise gesagt hat,
naja brauchen sie mich und wenn er dann gesagt hat NEIN, dann war
jeder froh, dass er mehr Zeit für Sightseeing hat. Auf alle Fälle
kam ich dazu, wie er in der Aussenhandelsstelle einen Mordswirbel
schlug, weil die Schreibkraft auch dort erst viel zu spät gekommen
ist obwohl er sie ersucht hat, sie möge unbedingt bleiben. Eine
zweite Schreibkraft, die ihn sehr unterstütze, hat er sehr lobend
wieder hervorgehoben und ich habe einer gesagt, er soll dieser ein
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kleines Geschenk geben. Fälbl ist zweifelsohne ein sehr
tüchtiger Mann, der seine Arbeit auch sehr ernst nimmt,
andererseits aber – wie manche sich ausdrücken – ein ausge-
sprochener Rüpel. Mir persönlich liegt ein Mensch mit einer
solchen Zusammensetzung aber lieber als wie wenn er ein verbind-
licher dafür aber nichtssagender Beamter ist, der halt auch
so so la la seine Arbeit erledigt. Um ihn zu trösten, habe ich
als er mich fragte, ob ich das abgeänderte Protokoll neuerdings
lesen wollte, den Protokollentwurf habe ich zwar sehr spät
erhalten, aber doch noch Gelegenheit gehabt, ihn zu studieren,
meinte ich: nein, nein ich hätte grosses und volles Vertrauen
zu ihm und ich sei überzeugt, dass dies sowieso alles in Ordnung
sei. Ich unterschrieb also das erste Mal ein Protokoll, das
ich eigentlich in der Endfassung gar nicht gelesen hatte.
Botschafter Haymerle erklärte bei unseren Besprechungen in der
Botschaft, aber auch in jedem anderen Raum würden die Gespräche
wie er glaubt, abgehört werden. Ich bin nicht ganz überzeugt,
aber ich habe als Vorsichtsmassnahme deshalb eigentlich die ganzen
Russland-Aufzeichnungen erst in Wien abdiktiert. Bei der Vorbe-
sprechung mit Patolitschew kam dieser insbesondere auf die
Zweckmässigkeit längerfristiger Verträge wie z.B. bei der
Gaslieferungen der Sowjetunion gegen Rohre zu sprechen. Er
erwähnte allerdings und strich das immer wieder heraus, dass
er jetzt mit Finnland einen Vertrag abgeschlossen hat und gerade
dieser finnische Vertrag sei sehr günstig für Finnland aber auch
für die Sowjetunion. Die SU wird mit Hilfe der Unterstützung,
die sie der finnischen Wirtschaft teilhaben lässt, auch entsprech-
ende Vorteile daraus ziehen. Finnland wird an der Grenze in der
SU ein Kraftwerk errichten. Ausserdem wird Finnland die Möglich-
keit haben, von der SU bedeutende Lieferungen für Eisen- und
Stahlerzeugung zu bekommen. Bei der ganzen Einleitung, die ver-
hältnismässig sehr lange dauerte, wurde immer nur von Patolitschew
herausgestrichen, wie sehr jetzt zwischen Finnland und der SU
ihre neue Handelspolitik betrieben wird und wie diese dem neutralen
Staat Finnland guttut. Ich replizierte sofort darauf, dass ich
grössten Wert darauf lege, dass wir selbstverständlich unsere
guten Beziehungen mit der SU in wirtschaftlicher und politischer
Weise ausbauen sollte, dass wir aber unter allen Umständen
einen selbständigen Weg gehen wollen. Ich habe zwar nicht sehr
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deutlich doch für alle verständlich ausgedrückt, dass Österreich
nicht beabsichtigt, den finnischen Weg zu gehen, sondern eine
eigene Politik machen wird, der bis jetzt von der SU immer aner-
kannt wurde und ich hoffe, dass wir auch in Hinkunft diesen eigen-
ständigen selbständigen österreichisch-sowjetischen Weg beschreiten
werden. Mussil und Sallinger bestätigten mir anschliessend, dass
sie es sehr begrüsst haben, dass ich sofort zu geschickt und vor
allem so energisch darauf hingewiesen habe, dass Österreich einen
selbständigen Weg gehen wird. Mussil insbesondere befürchtet, dass
uns die Russen auf das finnische Neutralitätsniveau herunterdrücken
wollen. Da wir einige Mal auch im Rahmen der EFTA feststellen konnten
dass Finnland mit einer solchen Lösung sehr einverstanden war, habe
ich mich nicht nur dort, sondern selbstverständlich auch sofort
bei den Russen gegen eine solche Vorgangsweise ausgesprochen, für
uns kann und muss die schweizerische Neutralität als Vorbild gelten
und wir müssen unter allen Umständen immer diesen Status versuchen
zu erreichen. Ich meldete bei der Vorbesprechung auch unsere zu-
sätzlichen Punkte an, nämlich erstens die Errichtung von Vertretungen
österreichischer Firmen in der UdSSR, zweitens die Möglichkeiten einer
Schilling-Fakturierung im österr.-sowj. Aussenhandel und drittens
die Vornahme sowjetischer Investitionen in Österreich, soweit
solche gewünscht würden. Die anderen Wünsche nämlich Besprechung
österreichischer Firmen vor allem die Anregung, dass die österr.-
sowjetische Gesellschaft ein Wirtschaftsseminar im Herbst abhielt
habe ich nicht als so entscheidend empfunden, dass wir darüber in
der Vorbesprechung konkrete einzelne Debatten führen sollten. Der
Wunsch des Donaueuropäischen Instituts, ein Ost-West-Gespräch
mit Mitwirkung des Stanford-Instituts in Wien im Herbst zu machen,
beabsichtigte ich überhaupt nicht, persönlich vorzutragen. Da der
Botschafter Haymerle von dieser Gesellschaft, nämlich von Bock glaube
ich sogar unterfertigt, ein Schreiben bekommen hat, wo er ebenfalls
ersucht wurde, Patolitschew oder zumindestens einen Stellvertreter
von ihm für dieses Seminar zu gewinnen, erklärte ich Haymerle er
möge dies einmal bei einem inoffiziellen Essen vorbringen und ich
würde dann, wenn ich dabei stünde, mein Einverständnis dokumentieren,
dass ich davon sozusagen informiert wurde. Wanke hat nämlich mit
Recht festgestellt, dass Patolitschew sicherlich überhaupt gar nicht
kommen würde und es fraglich erscheint, ob er einen bedeutenden
Vertreter entsenden wird, denn Stanford-Institut gilt für die
SU noch immer als eine CIA, d.h. eine Geheimdienstorganisation der
Amerikaner. Ich bin ausserdem gar nicht sicher, ob die österr.
Seite, d.h. das Donaueuropäische Institut, die SU überhaupt
aufmerksam gemacht hat, dass sie dieses Seminar mit dem Stanford-
Institut gemeinsam durchführen wird. Patolitschew nahm die drei
Ergänzungsvorschläge mehr oder minder zur Kenntnis, er hat
scheinbar den Brief, den wir Podzerob in Wien vor einiger Zeit
gegeben hatten, noch nicht gesehen gehabt und meinte nur, er
würde im Laufe der Tagung ja sicherlich auf diese Probleme noch
zu sprechen kommen. Meinen Wunsch, die Erdgaslieferungen mit einem
zweiten Abkommen zu vergrössern wie das erste Abkommen sollte auch
eine Kreditfinanzierung vorgesehen sein, begrüsste er als lang-
fristiges Abkommen sehr. Mein Wunsch, eine Ölleitung von Bratis-
lava nach Schwechat zu legen, wenn wir entsprechende Ölmengen von
der SU durch die Leitung bis Pressburg zugesichert erhalten, wird
er – wie er sich ausdrückte – überprüfen lassen. Ich hatte in
den vorhergehenden Tagen Gelegenheit, mit dem Vizeminister Ossipow
der für die Gas- und Ölverkäufe zuständig ist, zu reden, und
habe den Eindruck, dass wir wirklich den richtigen Zeitpunkt
für dieses Verlangen getroffen haben. Die SU überlegt gerade, ob
sie für die sogenannte Freundschaftsleitung , es ist dies die
russische Bezeichnung für die Ölleitung bis Bratislava, noch eine
zweite Leitung errichten sollen. Die derzeitige Leitung bringt
Öl nur für die sozialistischen Staaten Ungarn und CSSR und die
DDR und ist vollkommen ausgelastet. Im Laufe der Verhandlungen
ist es mir geglückt, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die unver-
züglich überprüfen soll, ob und welche Möglichkeiten bestehen,
eine Ölleitung nach Schwechat und darüber hinaus wie ich mich
ausdrückte, gegebenenfalls Transit in andere Länder zu legen.
Die ÖMV-Vertreter, Dkfm. Kreutler aber auch Gen.Dir. Bauer und
Feichtinger waren sehr erfreut über diesen Erfolg. Wenn ich ihnen
bei den tagelangen Verhandlungen, die ich auch mit ihnen führte,
schon nicht die Benzinpreiserhöhung zusichern konnte, die sie un-
bedingt noch vor dem Herbst haben wollen, habe ich ihnen doch
dokumentiert, dass ich ihre Ölpolitik in jeder Phase unterstütze.
Da die ÖMV derzeit der TAL über die zukünftigen Kosten weiterer
Öllieferungen durch die Erdleitung von Triest bis Würmlach hat,
kann sie jetzt wenn die SU sich bereiterklärt, eine Ölleitung bis
Bratislava auch für einen Anschluss Österreichs zu errichten, einen
gewissen Druck auf die TAL ausüben, da Österreich dann nicht mehr
nur von der einen Pipeline abhängig ist. Ich glaube, dass ich damit
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der ÖMV wirklich einen grossen Dienst erwiesen habe, was auch an-
erkannt wurde, und deshalb bei der Benzinfrage ein bisschen härter
sein kann. Ich habe bei Besprechungen mit den dreien immer wieder
erklärt, dass ich so lange nicht daran denke, den Benzinpreis zu
korrigieren, solange nicht ein bleiärmeres Benzin in Österreich von
ihnen erzeugt wird. Ursprünglich war ja vorgesehen, dass der Plat-
former bereits im Sommer in Betrieb gehen wird und nun erklärt mir
Feichtinger, dass sie maximal im September damit beginnen können.
Die SGP lässt sie mit all ihren Lieferungen sehr hängen.
Bei der ersten offiziellen Sitzung hat Semjonow zum ersten Tages-
ordnungspunkt gegenseitig eine Information über den Stand der Zusammen-
arbeit auf dem Gebiet des Handels und der Wirtschaft sowie der Wissen-
schaft und Technik referiert. Er bemerkte, dass seit 1965 bis 1970
der Handel um 51 % sich ausgeweitet hat. Bei der dritten Tagung aber
seit er bereits um 10 % gestiegen. Allerdings seien von den 155 Mio.
Rubel beträgt der Anteil für Maschinen und Ausrüstungen nur 31 Mio.
Rubel. Die SU möchte gerne mehr Maschinen und Ausrüstungen nach Öster-
reich exportieren. Derzeit betragen diese nur 1 Mio. Rubel. Das Referat
ging auch auf die Probleme des Autoverkehrs, wie er sich ausdrückte,
ein, d.h. die Frage der Strassenverkehrsabkommen, wobei Semjonow
feststellte, dass jetzt die Antwort Österreichs ausständig sei.
Da mir ja Metzner mitteilte, dass in den Vorbesprechungen keine Über-
einstimmung zwischen dem Vertreter des Verkehrsministeriums und den
anderen Stellen herbeigeführt werden konnte, die BHK wünscht ein
gewerberechtliches Abkommen, ein sogenanntes Ausweis-Kontingent, welche
vom BM f. Verkehr abgelehnt wird, habe ich auf diesen Punkt überhaupt
nicht reagiert. Die SU wartet auf unsere Antwort, d.h. wir sollen ihr
entsprechende Vorschläge vorlegen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte Metzner verständigen, dass er eine Über-
einstimmung zwischen den Auffassungen der österr. Stellen erreichen
soll, und dann die sowj. Stellen von diesem koordinierten Vorschlag
verständigen.
Sallinger erwiderte, dass eine Zusammenarbeit begrüsst wird, wies
insbesondere darauf hin, dass die Handelskammer mit der sowj. Allunion
Handelskammer Kontakte aufgenommen hat und ein Kontaktabkommen schlies-
sen wird. In einem vorbereiteten Kommuniqué hat Sallinger dann seine
Stellungnahme heruntergelesen, die darin gipfelte, dass man
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doch auch den Exporten Österreichs nach der SU grösseres
Augenmerk zuwenden müsste. Seit der Multilateralisierung hat
nämlich der Import aus der SU um 55 % zugenommen, der Export
aber um 23 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum abgenommen. Diese
Ziffern geben allerdings ein falsches Bild, sie wurden ziffern-
mässig von Sallinger ja nicht erwähnt, sondern nur in der Tendenz
verbal festgestellt. Das falsche Bild entsteht dadurch, dass
bei der Einfuhr aus der SU Schiffe, die zur Reparatur kommen,
mit 132 Mio. abgerechnet werden müssen, währenddem bei der Ausfuhr
deshalb gegenüber das erste Quartal 1970 ein Minus aufscheint,
weil damals über 100 Mill. S gerade die beiden Schiffe Wolga
und Dnepr im ersten Quartal 1970 geliefert wurden und deshalb
eine überdurchschnittliche Höhe im ersten Quartal 1970 aufweist.
Laut Mitteilung von Moskovics, bevor ich wegfuhr hatte ich
noch eine Aussprache mit ihm, sind die Salden ziemlich ausge-
glichen und die sowjetischen Stellen, von denen Moskovics
dies erfuhr, sagt er selbst, haben bessere Ziffern als wir sie
über die ÖNB bekommen können. Der Hinweis Sallingers war
deshalb nicht sehr zutreffend, die sowjetischen Stellen haben
aber auch gar nicht darauf reagiert.
Anschliessend berichtete Bronsky über die wissenschaftlich-tech-
nische Zusammenarbeit. Er erwähnte ziemlich viele Einzelfirmen
und Einzelgeschäfte, sodass eigentlich alle Geschäftsverbindun-
gen zur Sprache kamen. Trotzdem habe ich dann nicht Peschke
das Wort gegeben, der sich mit den Einzelfirmen-Wünschen be-
schäftigen sollte, sondern Hrdlitschka, um herauszustreichen,
dass die Präsidenten bei uns in der Delegation mehr zu reden
haben. Er unterstrich, dass er die Meinung Sallingers ebenfalls
teilt, und schlug konkret nur vor, dass die Gemischte sowj.-österr.
Kommission die Partnerschaft über das Seminar der Österr.-sowj.
Gesellschaft übernehmen sollte. Ich war von diesem Vorschlag
genauso überrascht wie Mussil, der mir eine Andeutung mit dem
Kopf machte, was diese Vorschlag eigentlich solle. Inter-
essant war für mich, dass Patolitschew und auch die anderen
sowjetischen Delegationsmitglieder ebenfalls auf diese Äusse-
rungen im Konkreten gar nicht eingingen.
In weiterer Folge berichtete dann Maxarew über die Entdeckungen
und Erfindungen und stellte mit Befriedigung fest, dass der Handels-
minister diese Arbeitsgruppe bei uns in Wien zweimal empfangen hatte.
Slaworenkow berichtete dann über die Akademie der wissenschaftlichen
Abkommen, wo im Feber Hunger und Rektor Biebl ein solches Abkommen
geschlossen haben. Ich selbst hatte mich bis jetzt noch nicht zum
Wort gemeldet, obwohl Fälbl zuerst gemeint hat, ich sollte als erster
sofort Stellung nehmen. Ich glaube, dass es aber richtig war, zuzu-
warten, denn als ich einmal nur eine Bemerkung machte, glaubte Patoli-
tschew, dass ich jetzt das Wort ergreifen würde und bat mich, bitte
dies nicht zu tun. Es war deutlich sichtbar, dass er zuerst die an
deren alle reden lassen wollte, um dann zum Schluss selbst eine Er-
klärung abzugeben, auf die ich dann replizieren sollte.
Patolitschew ergriff dann tatsächlich nach Ende der Berichte und
der Diskussionen das Wort und bedankte sich erstens für die ent-
sprechende Arbeit, meinte aber, dass es doch notwendig sei, mehr
als bisher über konkrete Geschäfte auch in den Unterkommissionen
zu reden. Seiner Meinung nach müsste aus all diesen Unterkommissionen
wir haben ja jetzt 5 – am Ende, wie er sich ausdrückte, ein fertiger
Kontrakt zwischen einzelnen Firmen herauskommen. Er selbst ist gegen
sogenannte "Bankett-Delegationen". Ich glaube, Patolitschew hat keine
Ahnung gehabt, wie er mir aus dem Herzen gesprochen hat. Patolitschew
meinte, dass der Ausdruck guter Verhandlungen eben in konkreten Ge-
schäften münden müsste und er meinte, dass dies nicht der ausschliess-
liche Grund, aber doch der wichtigste Grund sei, um unsere Besprechun-
gen in der Gemischten österreichisch-sowjetischen Kommission fortzu-
führen. Kossygin hätte auch am 24. Parteitag besonders herausgestri-
chen, dass Finnland, Japan und die BRD langfristige Abkommen jetzt
haben und wie er sich ausdrückte, sei auch Österreich sowie Frankreich
und Italien dabei erwähnt worden. Die SU hätte nun einen neuen gross-
artigen 5-Jahresplan und er selbst sei gerade in Frankreich gewesen
und hätte dort mit d'Estaing gesprochen und in der Schweiz sei er
ebenfalls gewesen, wo er mit dem entsprechenden Regierungsstellen,
aber insbesondere mit den Firmen verhandelt habe. Er hätte deshalb
jetzt Erfahrungen mit mehreren Ländern gemacht und insbesondere
mit der finnischen Delegation, wo er ebenfalls der Vorsitzende
der finnisch-sowjetischen Gemischten Kommission ist, hätte er fest-
stellen können, dass da ein Handel betrieben wird, der breiter sei
als der mit Österreich. Die Finnen würden ein Wasserkraftwerk an
der russischen Grenze errichten und Baufirmen seien derzeit daran,
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eine Zellulose- und ein Papierkombinat gemeinsam zu errichten,
resp. ein solches neben einem Hotel in Finnland zu erbauen.
Bezahlt wird dies durch Lieferungen von Erdöl und Kohle an
die finnische Wirtschaft. Die SU hätte auch ein Atomkraftwerk
errichtet und ein zweites sei jetzt vereinbart und die Kern-
brennstoffe würden von der SU geliefert. Im Norden Finnlands
sei ein Hüttenwerk im Entstehen, die Ortschaft heisst glaube
ich Rach , ein Hochofen sei bereits geliefert und die Ausrüstung
für eine Giesserei käme ebenfalls aus der SU. Ein Walzwerk wird
von den Finnen wo anders eingekauft. Es liegen nun eine zweite
Aufbereitungsstufe im Plan vor, d.h. es wird ein zweiter Hochofen
errichtet werden und die notwendigen maschinellen und Ausrüstungs-
gegenstände werden von der SU weitestgehend zur Verfügung gestellt.
Andererseits beteiligt sich Finnland an einem Erzabbau in der SU.
Finnland hat derzeit einen Blechüberschuss-Kapazität und ebenfalls
sei die Walzwerksausrüstung nicht ganz ausgelastet. Deshalb sei
eine so gute Kooperation mit der SU von Vorteil. Gleichzeitig be-
steht auch ein Erdgasabkommen zwischen Finnland und der SU und es
wird eine Leitung gelegt, resp. ist schon errichtet. Patolitschew
regte, an, man sollte – wie man seinerzeit eine Unterkommission
für das Handelsabkommen gebildet hat – jetzt eine Arbeitsgruppe
schaffen, die das perspektivische Planen der Grundrichtungen der
Wirtschafts- und Handelsbeziehungen in concreto ausarbeiten soll.
Auf wissenschaftlich-technischem Gebiet wurde der finnische Ver-
trag nun durch die Industriezusammenarbeit ergänzt und diese ver-
traglichen Beziehungen wurden bei einem Treffen zwischen Kossygin
und Karjalainen unterzeichnet. Patolitschew schränkte zum Abschluss
aber seien Wunsch, Finnland besondere herauszustreichen, dahinge-
hend ein, dass er meinte, nur im gegenseitigen Interesse und wenn
andere Seite auch zufriedengestellt wird, sollte eine solche Ent-
wicklung ins Auge gefasst werden. Ich erwiderte nun neuerdings,
dass Österreich einen spezifischen sowjetisch-österreichischen Weg
gehen will, der Errichtung einer Arbeitsgruppe stimmte ich selbst.
verständlich zu.
Zweiter Punkt der Tagesordnung: Bericht der Arbeitsgruppe für Fragen
der Ausweitung österreichischer Käufe von sowjetischen Maschinen
und Ausrüstungen sowie für Fragen der Erweiterung österr. Anlagen-
lieferungen und -zulieferungen in die UdSSR. Hier berichtete Rodnow
über die bisherigen Firmenergebnisse und Peschke ergänzte alle
unsere Firmenwünsche. Patolitschew stellte fest, dass in künftigen
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Arbeiten die Arbeitsgruppe auch über die Abschlüsse der von
gegenseitigen Firmenverträgen konkret eben mitteilten müsste,
welche Ergebnisse erzielt wurden.
Dritter Tagesordnungspunkt über die Arbeitsgruppe zur Prüfung
der Möglichkeit weiterer Entwicklung für Lieferung von Erdgas gegen
Rohre, berichtete Lewitt. Ich erwiderte, dass wir grösstes Interesse
daran hätten, die derzeit 1,5 Milliarden m³ betragende Lieferung
auf 3 Milliarden m³ gegen 350.000 t Stahlrohre, die wie die sowj.
Seite zu erkennen gab, auch durch Erdölrohre ergänzt werden könnten,
neuerdings abzuschliessen. Pat . wies darauf hin, dass Österreich
das erste Land war, das hier einen solchen Vertrag mit der SU abge-
schlossen hat und er es sehr zu schätzen wüsste. Auch die Rohre werden
derzeit bereits verlegt und haben sich sehr gut bewährt. Eine Auswei-
tung sei allerdings nur nach genauer Prüfung möglich. Italien hat jetzt
6 Mia. m³ und möchte bereits auf 10 Mia. m³ abschliessen. Ossipow wird
mit der ENI diesbezügliche Verhandlungen jetzt gerade führen. Es ist
richtig, ich hatte Dr. Ratti von der ENI im Foyer des Aussenhandels-
ministeriums getroffen und er teilte mir mit, dass doch vielleicht eine
Chance besteht, sich mit der ÖMV jetzt zu einigen. Ich selbst erwiderte
es könnte sich doch nur mehr um das Tüpferl auf dem I handeln, obwohl
ich nicht überzeugt bin, dass es wirklich bereits so weit ist, wie
Bauer immer wieder Optimistisch darstellt. Die BRD wird 7 Mia. m³
erhalten. Frankreich hat sich vor allem noch nicht festgelegt, aber
jetzt will es scheinbar ebenfalls 2 Mia. m³. Die DDR hat derzeit 3,5 Mia.
und die CSSR 4 Mia. Die Gasleitung, die jetzt neuerdings gelegt
werden soll, wird einen Durchmesser von 1,220 mm haben und ermöglichen,
20 Mia. m³ zu transportieren. Ursprünglich war für Österreich und Italien
nur eine durchschnittliche 1000-mm-Leitung geplant und hätte nur
13 Mia. transportieren können. Derzeit liegt ja eine 700-mm-Leitung, die
2,5 Mia. in die CSSR transportiert und 1,5 Mia. nach Österreich.
Patolitschew meinte nun, dass 18,5 Mia. jetzt bereit in Summa schon
sind und 30 Mia. m³ künftig über Bratislava nach dem Westen
und in die soz. Länder DDR, CCSR, geliefert werden. Er sieht momentan
keine sofortige Möglichkeit, die Erdgaslieferungen zu erhöhen, glaubt
aber und wird prüfen, ob eine solche Möglichkeit besteht. Ich erwiderte
sofort, dass wir nicht daran denken, im nächsten Monat bereits weitere
1,5 Mia. m³ zu beziehen, aber dass wir doch auch längere Sicht gesehen,
es sehr wünschen würden, wenn wir eine diesbezügliche Mehrlieferung
erreichen könnten. Auch für die Ölleitung drängte ich, sollte die
SU Überlegungen anstellen. Wenn die derzeitige Leitung, genannt Druscha ,
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Freundschaft, überlastet ist, würde doch sicherlich bei der
neu zu bauenden Leitung sich sicherlich eine Möglichkeit des
österreichischen Anschlusses gegeben sein. Patolitschew sicherte
mir zu, er würde das genau prüfen und stimmte letzten Endes sogar
zu, dass eine Arbeitsgruppe dieses Problem prüfen soll.
Der Bericht über die Arbeitsgruppe für Patente und Lizenzen er-
stattete Maxarew. Pat . meinte, es sei üblich, dass die Bericht-
erstattung von dem Land erfolgt, wo die Sitzung stattgefunden hat.
Die zweite Sitzung war nun in Wien und Peschke meinte, er könnte
schon darüber berichten. Ich habe mich aber sofort entschieden,
dass Maskerew berichten sollte, denn erstens hat er einen bedeuten-
den Einfluss in der Sowjetunion und wir wollen ja mit unseren
internationalen Beziehungen auch mit der SU weiterkommen und zwei-
tens habe ich auch bemerkt, dass er sich ein ganzes Referat vorbe-
reitet hatte. In der Diskussion konnte wir feststellen, dass die
Sowjetunion drei EDV-Anlagen arbeiten hat und eine vierte 1971
errichten wird. Trotzdem wird die SU – wie man sich ausdrückte –
genau prüfen und hat sich auch bereits in Genf getan, ob Österreich
nicht im Rahmen des BZD als Recherchenbüro eingeschaltet werden
kann. Allerdings weiss die SU es sehr zu schätzen, dass das
Österr. Patentamt über so gute Unterlagen verfügt, aber sie selbst
wird sich auch als Recherchenbüro bemühen, da sie ja eben jetzt
die technischen Voraussetzungen geschaffen hat. Betrüblich war
die Feststellung, dass von insgesamt österr. Anmeldungen an Patenten
von 12.150, wovon 9.571 Patente erteilt wurde, die SU Patente
in Österreich nur 157 hat. In der SU wurden ungefähr 118.000 Patente
angemeldet, 26.000 davon haben Patente dann auch zugesprochen er-
halten, davon hat aber Österreich in der SU nur 18 Patente. Ich
wies insbesondere darauf hin, dass auch hier Österreich dokumen-
tieren will, dass es sowohl gegenüber dem Osten als auch dem Westen
gleichmässig offen ist und deshalb auch von der SU nicht nur Unter-
stützung erwartet, sondern auch.bereit ist, jedwede Unterstützung
der SU zu geben.
Bericht für die Arbeitsgruppe Forstwirtschaft gab Kulakow, der
aber in Wirklichkeit nur herausstrich die Notwendigkeit weiterer
Kontakte und die Reisepläne und Studienpläne darlegte.
Als letzter Bericht kam von Grill über die Standardisierung und
Normen in der Metallurgie und Qualitätskontrollen und es wurde
diesem einzigen österreichischen Referenten beschlossen, diese
Kommission offiziell einzusetzen.
Zu meiner grössten Überraschung wurde uns mitgeteilt, dass Min.Präsident
Kossygin uns ebenfalls empfangen wird. Alle vorhergehenden Handels-
minister hatten bei den Ministerpräsidenten um eine Aussprache er-
sucht. Dass ein solchem Wunsch selbstverständlich entsprochen wird,
ergibt sich ja aus dem Protokoll. Ich hatte aber ganz bewusst eine
solche Aufforderung nicht gestellt, da ich auf dem Standpunkt stehe,
ich hätte Funktion mit dem Aussenhandelsminister Patolitschew meine
Verhandlungen zu führen. So überrascht war ich und wahrscheinlich
auch die anderen Delegationsmitglieder, dass Kossygin uns trotzdem
empfangen möchte. Der Botschafter Haymerle meinte, dass dies eine
ganz hohe Auszeichnung sei. Patolitschew hatte die Mitteilung
in Russisch auf einem kleinen Zettel bekommen und diesen Haymerle
gegeben. Haymerle kann aber scheinbar nicht so viel lesen und musste
einen Übersetzer bei uns fragen. So erfuhr ich erst verhältnismässig
spät, dass Kossygin uns empfangen wird. Haymerle machte dann noch
den grossen Fehler, dass er Patolitschew fragte, wer an der Dele-
gation teilnehmen sollte. Pat . deutete auf Haymerle, mich, den Präs.
Sallinger, Mussil und Hrdlitschka. Dann fiel ihm auf, dass das doch
nicht er bestimmen könnte und meinte, dies liege selbstverständlich
beim österreichischen Delegationsleiter. Ich selbst replizierte
sofort, Patolitschew kennt die österreichischen Verhältnisse so
genau, dass er ganz richtig bestimmt hatte, wer bei unserer Dele-
gation an dieser Aussprache teilnehmen würde. Dieses Zwischenspiel
war deshalb von grosser Bedeutung für mich, da Mussil und Sallinger
beabsichtigten, frühzeitig die Verhandlungen zu verlassen. Ich
wollte aber andererseits noch unbedingt einen der beiden auf alle
Fälle zu Kossygin mitnehmen und konnte nun immer argumentieren,
dass ja nicht ich bestimme, wer zu Kossygin gehen sollte, sondern
dass ja Patolitschew zu erkennen gegeben hat, wen Kossygin er-
wartet. Patolitschew hat dann auch noch die Teilnehmer bereits
Kossygin mitgeteilt und Sallinger hat dann ununterbrochen Sitzungen
von Moskau aus abgesagt resp. Mussil mit der Vertretung beauftragt,
damit er dann doch am Empfang mit Kossygin teilnehmen konnte.
Bei dem Empfang hat Haymerle einen Bericht gemacht, die Aussprache
dauerte 35 Minuten und Kossygin begann: Wie arbeitet die Gemischten
Kommission? Dann erkundigte er sich über die wirtschaftlichen Be-
ziehungen und meinte, es seien langfristige Lösungen, ähnlich der
Gaslösung erwünscht. Als ich ihm mitteilte, dass wir gerade daran
sind, die derzeitigen Lieferungen zu verdoppeln, meinte er nur, dies
sei im Prinzip sehr gut und richtig, doch müsste die Sowjetunion
jetzt bereits Erdgas aus dem Ural bringen, d.h. 3.000 km lange Leitungen
legen, da sie im Nordkaukasus und in der Ukraine kaum mehr verfügbare
Mengen haben. Das Gas aus dem Ural enthält sehr viel Schwefelwasserstoff
und zwar 2,5 % Schwefel und muss erst entschwefelt werden. Über die Erd-
öllieferungen zeigte sich Kossygin auch sehr erfreut, meinte nur, warum
wir in Österreich nur 2,2 Mill. t, wie ich ihm mitteilte ausbeuten,
nachdem seine Geologen ihm gesagt hätten, 5–7 Mill. t wären in Öster-
reich leicht zu gewinnen. Er fragte dann auch, ob
die landwirtschaftlichen Produkte exportiert werden und ich erwiderte
nur, Vieh und Molkereiprodukte sowie Wein. Auf unsere Konjunkturlage
anspielend meinte ich, dass wir mit 7,1 % im Vorjahr neben Japan das
grösste Wachstum im Rahmen der OECD haben. Bei dieser Gelegenheit konnte
ich feststellen, dass eigentlich über diese Organisation die SU fast
nicht informiert ist. Auf die Anfrage, wie weit wir hier besser seien
als die Europäische Gemeinschaft, konnte ich sagen, dass wir diese im
Vorjahr überrundet haben.Da nun meinte Kossygin es würde in Hinkunft
für Österreich schlecht sein, wenn wir uns mit der EWG verbünden,
denn dann würden sie uns diktieren und ihre Pläne befehlen und ich
glaube sogar herausgehört zu haben, dass er zwar nicht in einem gehässigen
aber doch sehr bestimmten Ton meinte, wir würden dadurch aufgefressen werden.
Dies benützte ich, um ihm zu versichern, dass Österreich niemals der Euro-
päischen Gemeinschaft beitreten wird, Sallinger flüsterte mir dann: nicht
als Vollmitglied!, beitreten wird, ich erwiderte aber immer und sprach nur
von Mitglieder oder Vollmitglied gemischt. Und dass ich insbesondere ver-
sichern könnte, dass die entsprechenden Verträge Österreichs unbedingt
eingehalten werden. Ich trug unsere Stellungnahme und unsere Information
über die letzte Verhandlungsrunde mit Brüssel sowie mit den Mitteilungen
aus der Kommission über die zukünftige Regelung mit den neutralen Staaten
mit einer derartigen Vehemenz vor, dass Kossygin zum Schluss meinte, er
verlange nicht, dass Österreich der EWG beitrete. Dies meinte er aller-
dings nur spasseshalber. Erst ganz am Ende der Aussprache kam ich dazu,
die Grüsse an Kossygin von Herrn Bundespräsidenten und von Herrn Bundeskanz-
ler zu übermitteln. Ich hatte zwar schon vorher, bevor ich wusste, dass
wir zu ihm kommen, Min. Patolitschew gebeten, diese zu überbringen,
06-0698
aber nun könnte ich sie ja persönlich ausrichten. Ich bemerkte
auch bei dieser Gelegenheit, dass Kreisky mich ersucht hatte
ihm mitzuteilen, dass für die Sicherheitskonferenz die soziali-
stische Internationale auf Intentionen der österr. Sozialisten
jetzt einstimmig eintreten wird. Kossygin erwiderte sofort, ihm
sei dies bekannt und er wisse es zu schätzen. Österreich würde, wie
er sich ausdrückte, niemals von der Neutralität abweichen und die
SU wird sie unterstützen.
Bei dieser Aussprache kam natürlich gar niemand anderer zu Wort
als Kossygin und ich, doch ist dies scheinbar bei solchen wichtigen
Besprechungen üblich. Trotzdem bestätigte mir Sallinger nachher,
dass er sehr froh war, dass er doch noch die Flugzeuge verschoben
hatte, um an dieser Aussprache teilzunehmen, er wusste gar nicht,
welchen Gefallen er mir getan hat, denn ich kann nun darauf hinweisen
dass überall die einvernehmliche Haltung der Wirtschaft und der
Bundesregierung die Stellungnahme auch zur EWG den Russen gegenüber
klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist.
Kirchschläger hatte mich ersucht, ich sollte mir Semjonow ein Ge-
spräch verlangen, um ihm auch die Ergebnisse von Helsinki der soz.
Internationale mitzuteilen. Am Samstag vormittags kam dann eine
sehr lange Aussprache, die 1,5 Stunden dauerte mit Semjonow und sei-
nen Herren zustande. Ein diesbezüglicher Aktenverkehr wurde von
Leg.Rat Dr. Binder gemacht, der an dieser Aussprache teilgenommen
hat. Der Botschafter nämlich hatte mich ersucht, ob er zu seiner
Frau in die Schweiz fahren könne, da sie ein Kind erwartet. Ich
war selbstverständlich mit dieser Lösung einverstanden, da Binder
zwar zuerst auch beabsichtigte, Freitag bereits abzureisen und
dann über mein Ersuchen gerne dieser Aussprache beiwohnte. Da Sallinger
und Mussil bereits abgereist waren, blieb nur mehr Hrdlitschka.
Wir haben uns sowohl zur Aussprache mit Kossygin als auch Semjonow
entschlossen, keinen Dolmetsch mehr mitzunehmen, denn erstens ver-
stehen Hrdlitschka und Binder genug Russisch, zweitens aber sind
die sowjetischen Übersetzer wesentlich besser als der österreichische
Übersetzer es ist. Endergebnis ist, wenn man einen Übersetzer mitnimmt,
hat man den Nachteil, dass der die Antworten, die ich gebe, übersetzt
und die kommen dann immer viel schlechter heraus, als wenn sie der
gute sowjetische Übersetzer ebenfalls mit übersetzt. Semjonow kann
zwar perfekt Deutsch, er lässt sich aber, vielleicht auch um Zeit
zum Überlegen zu gewinnen, alles ins Russische übersetzen. Ich
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eröffnete die Gespräche, indem ich darauf hinwies, dass Bundes-
kanzler Dr. Kreisky in Helsinki sich sehr dafür eingesetzt hat,
die notwendigen Beschlüsse der Internationale herbeizuführen, damit
die Sicherheitskonferenz unterstützt wurde. Zu meiner grössten Verwunderung
antwortete Semjonow nicht mehr so positiv wie Kossygin, sondern meinte
nur, die Rede Kreiskys sei bekannt. Er meinte dann sofort, die SU lebt
jetzt vom 24. Parteitag und alle Pläne, die erstellt werden vom Mini-
sterium, Firmen und Instituten, sei ausgerichtet, um die grossen Perspek-
tiven des 24. Parteitages durchzuführen. Der Österreich-Handel wurde
in diesem Fall auch erwähnt. Breschnew hätte am Donnerstag bei einer Wahl-
kundgebung über die Abrüstung, über die SALT, und über die Truppenredu-
zierung sich bezogen und die Entwicklungen für die Beziehungen zu Öster-
reich seien von dieser Rede ebenfalls irgendwie betroffen. Er meinte dann
auch, er hätte mit Wodak ein veripertetisches Gespräch in Baden geführt
und der hätte ihm gesagt, Staribacher sei der Fachmann, mit dem er sich
über dieses Problem unterhalten sollte. Und er kam jetzt sofort auf die
EWG-Verhandlungen zu sprechen. In der SU ist es so, dass die EWG-Fragen
in der internationalen Abteilung des Aussenministeriums behandelt werden
und er hat deshalb zwei Leute mit gehabt, ausser Karmasin, die ganz
genau über die Detailfragen Auskunft von mir wünschten. Ich habe immer
darauf hingewiesen, dass wir im Rahmen der EWG-Lösung als neutrale
Staaten und ganz besonders Österreich nichts anderes wünschen als einen
Zollabbau, die Wirtschaftsbeziehungen nicht gegenüber dem jetzigen Status
bei den beitrittswilligen Staaten zu verschlechtern und habe dann aauser-
dem immer darauf hingewiesen, dass Österreich alle Verträge einhalten
wird. Ich war darauf vorbereitet und es schoss dann auch tatsächlich
Karmasin, aber auch die anderen Herren sofort mit der Frage: Was es mit
der Meistbegünstigung dann für eine Bewandtnis hätte, hervor. Ich erwiderte,
dass wir diese in demselben Umfang handhaben Würden, wie dies derzeit
bei dem EFTA-Vertrag gehandhabt wird. d.h. dass sie eigentlich natürlich
diese Meistbegünstigungsklausel auf eine Zollunion oder Freihandelszone
nicht angewendet werden kann. Die sowjetische Seite, insbesondere Karmasin
gab zu, dass bei den Verhandlungen über den Staatsvertrag und damit im
Zusammenhang mit den ersten Handelsabkommen mit der SU von einer Zollunion-
Ausnahme die Rede war, aber dass nicht die Freihandelszone genannt wurde.
Ich versuchte deshalb den sowjetischen Delegierten zu erklären, dass
die Freihandelszone eine tieferes Gebilde ist, ein Modell auf einer
unteren Stufe und dass deshalb, wenn die Zollunion als Ausnahme akzeptiert
wurde, dann ist ja automatisch auch das untere Gebilde oder das tiefere
Modell, die Freihandelszone, automatisch als ausgenommen gelten muss.
Die Absicht von Karmasin, d.h. von der sowjetischen Seite war es
zu dokumentieren, dass Österreich die Möglichkeit hätte, nachdem
ja die Freihandelszone keinen einheitlichen Aussentarif verlangt,
der SU ebenfalls in der Meistbegünstigung alle Zollvorteile zu geben.
Hier konnte ich natürlich erwidern, dass eine solche Möglichkeit
nicht besteht, da unmöglich von Seiten eines Organes, wie der Frei-
handelszone zugestimmt werden kann, dass ein Drittstaat dieselben
Begünstigungen automatisch bekommt. Die sowjetischen Vertreter nahmen
dies zur Kenntnis und Semjonow erklärte zum Schluss, dass es ganz inter-
essante Orientierungsgespräche gewesen sind, aber die Haltung der
SU zur EWG hätte bereits Podgorny, der sowj. Vorsitzende am 29.1.
dokumentiert, wo er erklärt hätte, man suche breite Beziehungen zu
allen Staaten und es sollte nicht ein bestimmter geschlossener Markt
gefunden werden, wo man sich fester bindet. Die österr. Seite würde sich
wahrscheinlich aufmerksam überlegen, im Zusammenhang mit dem Staats-
vertrag und den Beziehungen mit der SU zu Österreich, wenn es jetzt
irgendwelche Verhandlungen mit Brüssel führt. Ich wies neuerdings
darauf hin, dass Österreich den Staatsvertrag sehr wohl berücksichtigt
und bei seinen Verhandlungen darauf Wert legt, dass alle vertraglichen
Verpflichtungen die Österreich eingegangen ist, auch tatsächlich
in Hinkunft einhalten wird.
Mit Gwischiani hatte ich noch Gelegenheit über die Wünsche der österr.
Firmen zu reden, da um Niederlassungen, Agenturen zu errichten.
Patolitschew hatte mir erklärt, dass nur Firmen in Frage kommen, die
einen grösseren Umsatz in der SU haben. Gwischiani ergänzte nun, dass
auch die Möglichkeit besteht, dass man Firmenniederlassungen errichten
kann, wenn es ein wissenschaftliche-wirtschaftliches Komitee vorschlägt.
Er hat mit Moskowitsch in Wien Besprechungen geführt, wie man Finanzie-
rungsinstrumente in Österreich schaffen könnte, und er könnte sich
sehr gut vorstellen, dass auch andere als grosse Umsatzfirmen Nieder-
lassungsrecht, insbesondere die solche Finanzierungen durchführen,
errichten könnten. Dies würde für die Firma Moskowitsch genau zu-
treffen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, Moskovics zu einer Aussprache einladen.
Bezüglich des Wunsches der Schillingfakturierung erklärte mir Patolitschew
zum Abschied, dass die einzelnen sowjetischen Aussenhandelsstellen ihre
eigene Politik machen und auch die Firmen von ihm nicht beeinflusst
werden können. Der Handelsdelegierte, Dr. Stipkovich, bestätigte mir
dies und sagte, es sei kaum anzunehmen, dass Schillingfakturierung
wirklich möglich sei. Bezüglich die Vornahme sowjetischer Investitionen
06-0701
in Österreich wurde darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit überprüft
wird, eine Bank in Österreich zu errichten. Mussil selbst hatte bereits
bei den Vorbesprechungen grösste Bedenken, wenn sowjetische
Firmen bei uns tatsächlich einen Betrieb errichten würden. Ich glaube
aber dass diese Bedenken hinfällig sind, ausserdem würde ich
trotzdem plädieren, wenn sich die Sowjetunion entschliesst,
einen Betrieb bei uns zu errichten. Ich glaube, aber dass es richtig
ist, dass die SU eine solche Absicht nicht hat, dagegen – so wie
sie die Versicherungsgesellschaft Garant errichtet hat, auf die ich
einige Mal hinwies – könnte auch eine Bank in Österreich errichten.
Abschliessend möchte ich festhalten, dass ich glaube, dass die Gemischte
Kommission nicht ein solcher Leerlauf war, wie dies bis jetzt bei den
anderen Kommissionen der Fall war, zumindestens hat Karall unseren
Leuten gegenüber bestätigt, der alle diese Kommissionssitzungen
mitgemacht hat, dass noch nie so konkret, so zielstrebig und mit
doch einem solchen Ergebnis abgeschlossen werden konnte.
Tagesprogramm, 6.6.1971