Freitag, 18. Juni 1971
In der Fraktion des Handelsausschusses im Klub hatte Kostroun als
Vorsitzender eigentlich nur die Absicht, die Berichterstatter und
eventuell die Redner zu bestimmen. Inhaltlich hat sich mit den
einzelnen Gesetzen überhaupt niemand beschäftigt. Ausserdem waren
überhaupt nur die Vertreter im Handelsausschuss anwesend, die sich
als disziplinierte Abgeordnete erwiesen, dafür aber umso weniger
mit Sachkenntnissen ausgestattet sind. Vielleicht verlassen sich
aber auch die Genossinnen und Genossen auf meine Arbeit. Zu meiner
grössten Verwunderung hatte das Klubsekretariat überhaupt keine
Experten von der Arbeiterkammer, dem Gewerkschaftsbund oder sonstigen
Institutionen geladen. Die Tagesordnung bestand aus GATT- und EFTA-
Gesetzen, die international ausgehandelt waren und vor allem aus
dem Antidumping- und Marktstörungsgesetz. Ich hatte alles im vorpar-
lamentarischen Raum, d.h. mit den Interessensvertretungen abgesprochen,
sodass ein einstimmiger Beschluss gesichert war. Im Ausschuss meinte
nur Lanc und auch Skritek, dass sie sich eigentlich nur mit schweren
Herzen für diese Gesetze aussprechen können. Allerdings haben sie das
nur mir in einer Unterbrechungspause gesagt. Sämtliche Beamte waren
eigentlich überflüssig, da ja überhaupt keine Debatte über die Ge-
setze erfolgte. Ausserdem glaube ich, hätte ich eventuelle Anfragen
wirklich selbst beantworten können. Trotzdem war es richtig,
dass die Beamten geladen wurden, wobei ich allerdings feststellen
musste, dass Reiterer mit seinen zu spät gekommen ist. Meine
Bemerkungen zu den ganzen Gesetzen und insbesondere auch mein Verhalten
charakterisiert am besten folgende Episode. Neben mir waren noch
einige Plätze frei, doch setzte sich Reiterer rückwärts auf eine
Bank, wo auch andere Beamten des Aussenministeriums und des Innen-
ministeriums sassen. Schwarz und andere mussten deshalb stehen bleiben.
Ich lud diese natürlich dann ein, sich neben mich an den Tisch zu
setzen. Reiterer kam dann und meinte, es müsste die Tagesordnung um-
gestellt werden. Der Punkt 2 umfasste nämlich den Codex, im GATT-
Punkt 3 erst das Antidumpinggesetz. Entweder wollte er sich nur in
Erinnerung rufen oder er war so wenig informiert, dass beide Ge-
setze sowieso beschlossen werden. Ich erklärte ihm deshalb, es ist
ganz egal, welche Tagesordnungsreihenfolge existiert, weil sowieso
alle Gesetze einstimmig beschlossen werden.
Eine Auseinandersetzung gab es nur über das Gelegenheitsver-
kehrsgesetz. Mussil hatte im Feber einen Initiativantrag ins
Parlament gebracht, welcher die überaus komplizierte Materie
des Gelegenheitsverkehrs regeln sollte. Er hatte diesen Gesetz-
entwurf dann überhaupt nicht mehr urgiert, d.h. weitergetrieben
und sollte jetzt in der vorletzten Handelsausschussitzung, dass
unverzüglich das Gesetz womöglich im Ausschuss beraten und beschliessen
oder, wenn ein Unterausschuss eingesetzt wird, dann mit Termin fest-
gelegt wird, dass er in Kürze seine Arbeit abschliessen müsste.
Da die Präsidialkonferenz schon beschlossen hat, dass ein Unteraus-
schuss eingesetzt werden soll, hat er zuerst dagegen polemisiert
und meinte, das Parlament müsste seine Eigenheit und seine Selb-
ständigkeit bewahren und der Entschluss liege nur beim Ausschuss
selbst und das Präsidium müsste sich nicht in jede Sache rein-
mischen. Bezüglich der Terminisierung waren unsere Genossen nicht
einverstanden und ich selbst habe ihm auch klar und deutlich ge-
sagt, dass wir monatelange Zeit gehabt haben und nichts geschehen
ist und er nicht einmal es für notwendig empfunden hat, mich zu in-
formieren, dass er auf diesen Gesetzentwurf besonderen Wert legt.
Nach einer Unterbrechung der Sitzung hat die ÖVP dann beschlossen,
auf alle Fälle auf einer Terminisierung zu beharren und den näch-
sten Handelsausschuss mit 2. Juli einzuberufen. Ich wies darauf hin,
dass bis jetzt nur einstimmig Beschlüsse im Handelsausschuss gefasst
wurden und bedauerte, dass von dieser Praxis jetzt abgegangen wird.
Die FPÖ, NR Meißl, schlug sich auf die Seite der ÖVP. An und für
sich ist das Verhalten von Mussil vollkommen sinnlos, wenn es ihm
materiell wirklich um das Zustandekommen des Gesetzes geht, denn
die soz. Fraktion könnte im Bundesrat selbstverständlich dieses
Gesetz ablehnen und damit wäre es auch nicht mehr möglich, in der
Frühjahrssession beschlossen zu werden. Die Frage, die sich für mich
aber auch für den Klub stellt, ist, ob wir Mussil eine solche Vor-
gangsweise durchgehen lassen sollen. Bei der Festsetzung der Ver-
handlungstermine hat er sich ausschliesslich natürlich nach seinem
Kalender gerichtet und letzten Endes aber durchgesetzt, dass immer-
hin zwei Sitzungen bereits fixiert wurden.
Bei der Eröffnung der Garage im Kaufhaus Herzmansky hatte ich Gelegen-
heit über das Verhalten der Kraftfahrer zu Preissteigerungen zu reden
und doch anzudeuten, dass die Bundesregierung alles unternimmt, um
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den Kraftfahrer so wenig wie möglich mit Preissteigerungen zu be-
lasten. Ich konnte, da die Fa. Porsche daran beteiligt ist, auf die
Autopreise eingehen und ankündigen, dass nun doch einige Preissenkungen
weitergegeben werden sollen, die durch den Aufwertungsgewinn von
Schillingaufwertung, die ansonsten die Importeure resp. die Liefer-
werke geschluckt hätten. Darüber hinaus hatte ich die Möglichkeit,
nachdem die BP auch daran beteiligt ist, dem Generaldirektor dieser
Benzin- und Ölgesellschaft zu sagen, dass sobald nicht mit einer Preis-
erhöhung und vor allem nicht in dem gewünschten Ausmass bei Benzin ge-
rechnet werden kann. Weiters nützte ich die Gelegenheit, um darauf hin-
zuweisen, dass der Kraftfahrbeirat nachmittags eine einstimmige
Lösung wird wahrscheinlich finden, die auch die Zustimmung aller
Interessensvertretungen und der Kraftfahrverbände gefunden hat. Da
ich vollkommen frei sprach, ich hatte mir nicht einmal Stichworte
aufgezeichnet, konnte ich natürlich auch entsprechend bezugnehmen
auf meine Vorredner und dann natürlich in launiger Weise die Probleme
zu charakterisieren. Insbesondere glaube ich kam sehr gut an, als
ich darauf hinwies, dass der Brot- und Milchpreis weniger Aufsehen
erregt hat als die jetzt genannten Erhöhung für den Autofahrer. Die
Erklärung war für mich ja seit eh und je dass Lebensmittelpreis-
erhöhungen, die Hausfrauen betreffen und deshalb den Mann weniger
aufregen, dagegen die Auto- oder Bierpreiserhöhungen natürlich den
Mann betreffen und er sich darüber wesentlich mehr echauffiert.
Ausser dass er diese von seiner eigenen Tasche zahlen muss und
die erstgenannten Hausfrauen aus dem Wirtschaftsgeld, muss man
natürlich auch erkennen, dass z.B. die KFZ-Versicherung ein einmaliger
Betrag ist und der natürlich stärker ins Gewicht fällt, als alle
Tage Groschenbeträge, die zusätzlich ausgegeben werden müssen.
Im Kraftfahrbeirat konnte ich über den einstimmigen Beschluss der
sieben Weisen referieren, und es ergab sich daraus eine allgemeine
Diskussion. Ich hatte aber erwartet, dass nur ganz kurz der KF-Beirat
dauern würde und meine Erwartung wurde auch nicht enttäuscht. In
der anschliessenden Pressekonferenz, die sich dadurch ergab, dass
die Redakteure vor dem Sitzungssaal standen und die Gefahr bestand,
dass jeder etwas anderes sagt, weshalb ich alle in mein Zimmer ein-
lud, konnte die Übereinstimmung neuerlich besonders herausgestrichen
werden. Sowohl der ÖAMTC als auch der ARBÖ unterstrichen meine ver-
dienstvolle Tätigkeit. Der ÖAMTC hatte sogar ausgerechnet, dass
500 Mill. S den Kraftfahrern jetzt erspart werden. Als ein
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Redakteur, nachdem er die Prozentsätze für die einzelnen Wagen-
typen gehört hatte und für die VW-Typen wird der Prämiensatz nur um
12,5 % erhöht, meinte er sofort, dass es sich hier um eine Index-
manipulation handelt. Hier stürzte sich der Vertreter des ÖAMTC
Soche sofort in die Schlacht und wies darauf hin, dass dies eine
vollkommen falsche Unterstellung sei. Die Berechnungen wären auf
Grund des Schadensverlaufes erfolgt und hätten mit einer Index-
Manipulation überhaupt nichts zu tun. Ich glaube überhaupt, dass die
Taktik, mit dem ÖAMTC in Einzelverhandlungen einzugehen, ihm
andererseits aber immer wieder vorzuwerfen, wenn er sich ein bisschen
illoyal mir gegenüber benommen hat, dazu geführt hat, dass jetzt
Dr. Veith, den ich ja schon seit Jahrzehnten kenne, als Generalsekre-
tär sich sehr bemüht, mir gegenüber sich loyaler zu verhalten.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er deshalb innerhalb der ÖVP
grosse Schwierigkeiten haben wird. Ich bin überhaupt neugierig,
wie die Volkspartei-Leitung jetzt darauf reagieren wird, nachdem
ein einstimmiger Beschluss der KFZ-Beirates vorliegt, d.h. wo
auch sehr viele ÖVP-Vertreter und Institutionen letzten Endes
dieser Erhöhung zugestimmt haben.
Im Parteivorstand berichtete Kreisky über die politische Situation
und liess sich zum Schluss eine Ermächtigung geben, dass das Prä-
sidium Massnahmen setzen kann, die eigentlich sonst dem Parteivor-
stand vorbehalten wären. Er umschrieb dies, indem er den Parteivor-
stand ersuchte, das Präsidium zu ermächtigen, gegebenenfalls Schritte
zu unternehmen, um die erfolgreiche Politik vom April vorigen Jahres
fortsetzen zu können.
Bei den Delegierungen wurde mitgeteilt, dass der Finanzminister
Androsch für die Tabakregie als 4. Vorstandsdirektor Dkfm. Leidinger
und als Aufsichtsrats-Stv. an Stelle von Eduard Stark Kurt Blümel
von der Gewerkschaft der Lebensmittelarbeiter berufen werden soll.
Anstelle von Blümel kommt Eder, der Finanzberater, wie ihn Marsch be-
zeichnet hat, der Partei in den Aufsichtsrat. Eder selbst spricht
mich überall, wo er mich trifft, per Du an, macht also so, als wenn er
ein alter Genosse wäre. Robert Bauer, von der Lebensmittelgewerkschaft
hat mir vor längerer Zeit aber schon gesagt, dass Eder sich auch bei
ihnen angeboten hat und sogar glaube ich Mitglied einer ihrer Organi-
sationen einmal gewesen ist. Tatsächlich dürfte Eder, der Steuerberater
von Kreisky ist, sich jetzt auf unsere Seite schlagen. Vielleicht
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tut man ihm unrecht, auf alle Fälle meinten sowohl Pogats und
Klenner zu mir, eine problematische Figur handeln soll. In der
CA werden die Vorstandssitze von 4 auf 6 erhöht und Holzer, der
Generaldirektorstellvertreter anstelle von Schiedl treten und
Uher und Schneider werden neu in den Vorstand berufen. Die ÖIAG-
Aufsichtsräte Baumann, Martinovsky, Hedrich, Walch, Wille und
Schmiedl wurden bestätigt und Kölliker als stv. Vorsitzender ebenfalls.
Kreisky liess sich noch ermächtigen, den Mitgliedern des Aufsichts-
rates mitzuteilen, dass sie im Interesse der Partei und von dieser
Partei in diese Stelle delegiert wurden und nicht, wie manche glaubten,
auf Grund ihrer Qualifikation. Ausgelöst wurde dieser Beschluss
durch eine Kampfabstimmung, wo zwei Vertreter mit der VP gestimmt
haben und einer sich der Stimme enthalten hat. Wir erfuhren dann,
dass in der letzten Aufsichtsratssitzung es darum ging, eine Kapital-
erhöhung für Böhler, Düsseldorf, durchzusetzen. Scheibengraf berichtete
dass die Böhler-Leute, soweit es sich um Sozialisten handelt,
er selbst ist ja auch ein Böhler-Mann, gar nicht damit gerechnet haben,
dass dies durchgeht. Nun hat bei einer Kampfabstimmung sowohl Marti-
novsky, der ebenfalls bei Böhler beschäftigt ist und in der Ange-
stelltengewerkschaft eine bedeutende Funktion hat, als auch Hedrich,
der Industriesekretär.der Angestelltengewerkschaft, für die Erhöhung
um 185 Mio. gestimmt und Schmidl hat sich der Stimme enthalten.
Dadurch wurde entgegen einem Fraktionsbeschluss, der früher gefasst
wurde, die Kapitalaufstockung durchgeführt. Ich selbst habe mich
auch immer gegen eine solche ausgesprochen, da die ÖIAG ihr Geld für
die inländischen österreichischen Unternehmungen benötigt und nicht
Böhler hier eine entsprechende Kapitalzuschuss geben soll. Ich glaube
dass es überhaupt zielführender ist, das Werk in Deutschland jetzt
noch solange man dafür etwas bekommt, gut zu verkaufen, um die not-
wendigen Mitteln für Investitionen der Firmen in Österreich zu gewinnen
Gratz berichtete, dass nun ein Privatschulgesetz geschaffen werden
sollte, um die leidige Frage der Personalaufwendungen für konfessio-
nelle Schulen endgültig zu bereinigen. 1962, als das Konkordat mit
der Kirche in Rom geschlossen wurde, war vorgesehen, dass 60 % des
Verwaltungsaufwandes für die Personalaufwendungen für Privatschulen
vom Staat gezahlt werden sollen. Es wurde aber nicht der effektive
Personalstand genommen, sondern die Dienstposten, die zur Erfüllung
des Lehrplanes notwendig sind. Ausserdem wurde als Automatik eine
Klausel eingebaut, dass sich die Anzahl der Dienstposten in genau
demselben Ausmass erhöhen sollten wie die Lehrer an öffentlichen
Schulen mehr werden. Dadurch hat sich bis jetzt der effektive Personal-
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aufwand auf 82 % erhöht. Nun hat Kirchschläger im Einvernehmen
mit der Bundesregierung mit Rom vereinbart, dass wir 100 % des
Personalaufwandes übernehmen. Dies war meiner Meinung nach eine
sehr gute Geste gegenüber den katholischen Kreisen Österreichs.
Da die ÖVP seit dem Jahre 1966 in dieser Frage überhaupt nichts
unternommen hat, hat dies zweifelsohne dazu beigetragen, unser
Image bei diesen Kreisen wesentlich zu verbessern. Nun kommen
aber die Gemeindevertreter und wollen auch selbst für ihre Privat-
schulen eine ähnliche Regelung haben. Dies lehnt Gratz ab und
vor allem Finanzminister Androsch möchte, dass dieses Problem erst
im Rahmen des Finanzausgleiches gelöst werden soll. Die Gemeinden
und einige Städte haben aber Handelsschulen errichtet, die heute
zu 100 % von diesen Gebietskörperschaften getragen werden müssen.
Gratz will diese Handelsschulen aber im 5. Schulorganisationsgesetz
überhaupt verbieten, denn er sagt, dass an Stelle des polytechnischen
Jahren jetzt eingerissen ist, einen einjährigen Kurs in den einzelnen
Gemeinden zu führen. Dadurch wird nicht die Fortbildung der Schüler
gewährleistet sondern nur die Ausbildung zu Stenotypistinnen oder zu
Hausfrauen in den einjährigen Handelsschulkursen erreicht. Eine Ge-
fahr, dass jetzt die privaten Schulen wesentlich stärker werden, weil
die Personalaufwendungen 100 %-ige gezahlt werden, sieht Gratz nicht
Gegenüber 1962 haben sich die öffentlichen Pflichtschulen um 24 %
die konfessionellen um 2,6 % die Schülerzahl erhöht. In den Mittel-
schulen waren es sogar 54 % bei den öffentlichen und 4,2 % bei den
konfessionellen Schulen. Gratz wies auch besonders darauf hin, dass
es notwendig sein wird, dass der Staat Internatsschulen mehr errichtet
da derzeit fast nur konfessionelle existieren. Ich glaube, dass die
Widerstände innerhalb des Präsidiums und dann letzten Endes auch
innerhalb des Parteivorstandes dann weniger auf ideeller Basis be-
ruhen, sondern nur die Gemeinden und Städte veranlasst zu versuchen,
bei dieser Regelung eben gleich auch ihre Schulen dem Bunde anzudrehen.
Verständlich, dass sich Androsch dagegen ganz entschieden ausspricht.
Rösch erkundigte sich bei mir, ob unser Beschluss noch gilt, dass wir
für die Elektrizitätswirtschaft derzeit keine Preiserhöhung in
Aussicht nehmen. Frühbauer hat ihm einen diesbezüglichen Preis-
antrag 10 % Erhöhung für die Grazer Stadtwerke geschickt und Rösch
meint, wenn er dies genehmigt, dann würden die gesamten Elektrizi-
tätspreise in kürzester Zeit erhöht werden müssen. Da Frühbauer nicht
anwesend war, er befindet sich zur Verkehrsminister-Tagung in Madrid
haben wir die Frage zurückgestellt, aber beschlossen, an unserem
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Beschluss festzuhalten und keinesfalls die Elektrizitätspreise
jetzt zu erhöhen.
Tagesprogramm, 18.6.1971