Mittwoch, der 7. Juli 1971

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Mittwoch, 7. Juli 1971

Bei der letzten Aussprache mit Min.Rat Buchta war nicht mehr Sekt.
Chef Schipper, sondern auch Sekt.Chef Reiterer anwesend. Buchta erklärte
sich sofort bereit, für Min.Rat Meisl als den Stellvertreter von Sekt.
Chef Reiterer zuzustimmen. Er wünscht sich nur, damit dies nicht wie
eine Degradierung ausschaut, einen Orden. Meisl, der über die ganzen
Vorgänge sehr genau informiert ist, hat sich bei mir über den Einsatz
vielmals bedankt.

Im Klub berichtete Kreisky über den Beschluss des Parteipräsidiums,
heute einen Auflösungsantrag einzubringen. Es kam zu keiner Diskussion.
Wenn man in einer aufsteigenden Linie ist, gibt es scheinbar nicht
einmal in der eigenen Partei Schwierigkeiten, oder auch nur angekündig-
te oder ausgesprochene gegenteilige Meinungen.

Eine Diskussion löst nur der Vorschlag der Justizausschuss-Vertreter aus,
die verhältnismässig viele Redner stellten. Es wurde vereinbart, dass
sich die Redner sehr kurz halten. Ich brauche nicht besonders zu erwähnen,
dass dann in der Haussitzung natürlich keine Rede mehr war. Insgesamt
werden an die 14 oder vielleicht sogar 16 Redner zur Justiz sprechen.
Dadurch wird der gesamte Fahrplan über den Haufen geworfen. Weikhart
der Ordner bemühte sich bei jedem einzelnen gegebenen Fall eine Strei-
chung von der Liste zu erreichen. Er hatte damit kein Glück. Angeblich
richtet Broda ganz besonderes Interesse darauf, dass alle Redner zu
Wort kommen. Wenn ich mir vorstelle, dass bei der letzten Sitzung ein
Dutzend Anträge vom Handelsausschuss und auch sehr wichtige Gesetze
wie das Antidumpinggesetz und das Marktstörungsgesetz im Plenum waren
und kein einziger Redner dazu Stellung genommen hat, so kann man schon
daraus auch entnehmen, dass ich glaube doch wirklich kooperierend er mit
den Zeitplänen der Klubs und der Abgeordneten bin als andere Minister.
Zum Ausgleich hat Broda Weikhart versprochen, er wird im Schlusswort
nicht länger als 3 Minuten brauchen. Für jede Minute, die er länger
redet, wird er 1.000 S dem Wahlfonds von Liesing geben. Ich habe mit
Weikhart vereinbart, dass er mir die Hälfte von diesem Geld zur Ver-
fügung stellt. Wir werden ihn nicht aufmerksam machen und ich hoffe,
dass er von mir aus eine halbe Stunde spricht.



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In der Präsidentenkonferenz hat Sallinger und Mussil, wie mir
berichtet wurde, folgende Vorschläge unterbreitet: Es sollen
Gipfelgespräche der Interessensvertretungen stattfinden und sich
mit dem Problem des Einfangens der betrieblichen Lohnbewegungen
Massnahmen gegen die Arbeitskräfteabwanderung, insbesondere von
Vizepräsident Seidl herausgestrichen – Förderung des Werkwohnungs-
baues, Steuerbegünstigung für Betriebe in Grenznähe durch Investitions-
förderung, Reform der Paritätischen Kommission, was den Umfang
und die tiefere Wirkungsweise betrifft, der Lohnunterausschuss soll
Einfluss auf innerbetriebliche Regelungen bekommen. Die öffentlichen
Aufträge seien zu koordinieren, in den westlichen Bundesländern
müssten bei Bauaufträgen derzeit auf Pönale verzichtet werden. Die
Wehrdienstbefreiung ebenfalls von Arbeitern in westlichen Gebieten.
Für 15 % Bindung seien in eine Kürzung zu verwandeln und bei der
Budgeterstellung müsste man vorsichtig vorgehen. Es dürfte keine
Tarif- und Steuererhöhungen geben. Mussil selbst fasste es in
drei Punkte zusammen:
1. Quantifizieren der Ursachen des Preisauftriebes
2. Katalog der denkbaren Massnahmen
3. Verbesserung der Arbeitsweise der Paritätischen Kommission

Nächste Wochen sollen über diese Themen Besprechungen stattfinden.

In der Paritätischen Kommission gab es keine besonderen Probleme.
Vizepräsident Altenburger, der mit den Entscheidungen der Präsiden-
tenvorbesprechung ja nie sehr glücklich war, versucht jetzt in
dem einen oder anderen Fall immer wieder darauf hinzuweisen, dass
sich undisziplinierte Unternehmungen nachher mit Hilfe der Präsiden-
tenbesprechungen reinwaschen können und dass damit eigentlich
nichts gegen den Preisauftrieb geschieht. Ich kann dann immer Mussil
und Sallinger besonders beruhigen, denn die sind auf Altenburger in
einer Art und Weise schlecht zu sprechen, wie ich es mir eigentlich
zwischen Parteifreunden kaum vorstellen kann. Bezüglich der Anwen-
dung des § 3a resp. bei Fleisch- und Wurstwaren in die Aufnahme
wieder in die Preisregelung, hat die Handelskammer sich nicht
positiv ausgesprochen. Das einzige, was Sallinger und Mussil bereit
waren zuzugestehen, war dass sie im Begutachtungsverfahren dazu


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Stellung nehmen werden. Das ist in Wirklichkeit kein Zugeständnis,
sondern eine Selbstverständlichkeit. Betreffend die Erhöhung des
Semmelpreises von 65 auf 70 Groschen in Tirol, wird Sallinger, der
Samstag in diesem Gebiet ist, mit dem dafür zuständigen Bäckervertreter
sprechen. Die grossen Pläne, die Lachs gehabt hat, dass er meinte, es
sollte jetzt die Regierung kraftvoll auf Antrag des ÖGB die Preis-
regelung wieder einführen, sind in sich zusammengebrochen. Hofstetter,
Lachs wussten davon angeblich gar nicht, hat nämlich den Innenminister in
meiner Anwesenheit ersucht, er hat die EDAP sowieso schon die Preise
zurückgenommen und auch über die anderen wird man sich sicherlich noch
einigen können. Eine wirklich durchgreifende Preisregelung war also
von Seiten des Gewerkschaftsbundes kaum erwünscht. Ich glaube auch,
dass es mit der Reorganisation der Paritätischen Kommission und mit dem
sogenannten Stabilisierungsvorschlag Sallinger-Mussils mehr propa-
gandistische Absicht besteht als tatsächliche Massnahmen dabei herauskommen
können. Die Bundeskammer wird sicherlich nur bestrebt sein, auf dem
Lohnsektor die betrieblichen Regelungen, die der ÖGB niemals zugestehen
kann, in den Griff zu bekommen. Zum Glück hat die Arbeiterkammer und ich
glaube auch der Gewerkschaftsbund zu Jahresbeginn Stabilisierungsvor-
schläge gemacht, die von seiten der Bundeshandelskammer damals negiert
wurden, d.h. es würde nicht einmal eine Diskussion darüber aufgenommen.

Im Parlament ist ein grosser Lapsus passiert, wir haben seinerzeit in
der Regierung gesagt, wenn irgendwelche Unklarheiten entstehen, sollte
jedermann sofort eine Unterbrechung der Sitzung verlangen. Als nun Präs.
Waldbrunner über Anträge der ÖVP, die in einigen Ausschüssen Initiativ-
anträge liegen haben, eine Terminisierung bis 12. verlangen, ist Weik-
hart
nach Rücksprache mit Pittermann aufgestanden und hat damit diesen
Terminisierungsanträge zugestimmt. Die FPÖ dagegen ist sitzengeblieben.
Angeblich hat diesbezüglich keine sehr klare Abmachung resp. der In-
formationsfluss ist schlecht gelaufen zwischen FPÖ-Klub und zwischen
SPÖ-Klub. gegeben. Durch die Terminisierung kann materiell kaum
etwas geändert werden, weil nicht einmal ein Arbeitstag für diese wichtiger
Gesetze zur Verfügung stehen. Die ÖVP hat allerdings jetzt die Möglichkeit
nächste Woche im Parlament eine Debatte über diese Frage noch einmal
abzuführen. Pittermann erklärte, dass wir bis jetzt immer Terminisierungs-
wünschen einer anderen Partei zugestimmt haben.



06-0837

Die dringliche Anfrage, aus welchen Gründen sich die Bundesregierung
ausserstande sieht, die verfassungsmässig übertragenen Aufgaben für
die gesamte Legislaturperiode zu erfüllen und zu Budgetverhandlungen
einzuladen, diese unmotiviert nicht fortzusetzen und Neuwahlen zu
provozieren, beantwortete Kreisky sehr formell. Der Beschluss über
die Auflösung sei im Präsidium der Partei gefasst worden und man
hätte fast daraus entnehmen können falle nicht in die Vollziehung
und deshalb könnte er als Bundeskanzler dafür keine Antwort geben.
Gratz musste wieder einmal einspringen und in einer sehr unangenehmen
Situation reden. Das letzte Mal war dies bei unserer dringlichen Anfrage
gegen den damaligen Aussenminister Waldheim der Fall, wo wir vollkommen
falsch gelegen sind. Gratz holte das beste heraus, aber er hat selbst
ein ungutes Gefühl dabei gehabt. Ich bin froh, dass man mir nicht eine
solche Aufgabe überträgt. Ich hörte, wie Kreisky allerdings zu Pit-
termann
sagte, da muss gegebenenfalls halt Staribacher auch einspringen.
Ausserhalb von Wirtschaftsgebieten habe ich mich bis jetzt noch niemals
parlamentarisch betätigt und ich möchte diesen Zustand auch beibe-
halten. Withalm hielt eine blendende, von ihm handschriftlich aufgesetzte
Rede zur Begründung der dringlichen Anfrage, damit war allerdings
auch schon der Höhepunkt überschritten. Weder Kohlmaier, geschweige denn
Schleinzer kamen an diese Rede heran. Koren hat sich interessanterweise
überhaupt nicht gemeldet, vielleicht ist das darauf zurückzuführen,
dass Zeillinger ihn ununterbrochen zitierte, dass er doch vor etlichen
Tagen noch erklärt hätte, wenn Kreisky in das Wasser springen will
und Neuwahlen verursacht, dann sollte man sich darauf vorbereiten
einstellen und dem sogar zustimmen. Mein meinte, man sollte nur recht
viel Wasser aus dem Bassin auslassen, sodass Kreisky hart auffällt.
Zeillinger hat auch die ÖVP zu Paaren getrieben, indem er ihnen die
vorhergehenden Auflösungsbeschlüsse, wo sie den Kanzler gestellt haben,
vorgehalten, wo in einem Fall nicht einmal eine Begründung angegeben
wurde und man ganz einfach erklärte, das ist sowieso bekannt. Diesen
Unterlagen konnte ich entnehmen, dass der FPÖ-Klub seine Leute viel
besser vorbereitete, denn dies hätte natürlich unsere Redner insbesondere
Gratz Poldl dringend benötigt. Gratz selbst wurde um 5 Uhr, als die
Anfrage begann, gesagt, er müsse als erstes dazu sprechen. Planung und
Organisation wird bei uns wirklich gross geschrieben.



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Europa-Direktor Holmes von Ford war von Hinteregger eingeladen werden
und ich bin dann auch noch hingefahren, um mit ihm über etwaige In-
vestitionen von Ford in Österreich zu verhandeln. Ford hätte derzeit
kein Interesse weder eine Fabrik, die vollständige Autos erzeugt,
noch auch eine Motorenfabrik in Österreich zu errichten. Hinteregger
wird nur dem Direktor einige Firmen zeigen, die bereit wären, joint
venture oder sonstige Zusammenarbeitsverträge mit Ford abzuschliessen.

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Tagesprogramm, 7.7.1971




Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Europa-Dir. Ford


    Einträge mit Erwähnung:
      GND ID: 114650888


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., ÖVP-GS


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: GD Lenzing AG, Vizepräs. HK, AR-Präs. OÖ. Ferngas


          Einträge mit Erwähnung:
            GND ID: 118634100


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Präs. Dt. HK in Österr.


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg., Volksanwalt


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Beamter HM


                    Einträge mit Erwähnung:
                      GND ID: 125942052


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: ÖGB-Vizepräs., FCG


                          Einträge mit Erwähnung:
                            GND ID: 118761595


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                                Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                                  Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
                                  GND ID: 136895662


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                                    Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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                                      Tätigkeit: UNO-Generalsekretär


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                                        Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


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                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


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                                              Tätigkeit: Bundeskanzler
                                              GND ID: 118566512


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                                                Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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                                                  Tätigkeit: Justizminister


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