Sonntag, 5. September 1971
9.15 war mit der Messeleitung vereinbart, daß die Regierungs-
mitglieder bei dem Südtor-Eingang einfinden. Ich wollte deshalb
noch einen Sprung in den 3. Bezirk machen, wo das Reklamations-
verfahren angelaufen ist, und Heindl meinte, ich sollte doch die
Sekretariatsarbeiter besuchen. Ich war bereits vorm Eröffnen
dort und mußte eine gewisse Zeit warten, dann kam vor 9 Uhr
Bissmann, sperrte auf und meinte, er sei heute ja der einzige
der das Sekretariat besetzt hält. Ich finde das dies vollkommen
genügt, denn ich bin überzeugt davon, allzu viele Leute werden
nicht um eine Auskunft oder Reklamation gekommen sein. Ich glaube
daß Heindl von seiner niederösterreichischen Erfahrung hier
doch zuviel auch in der Wiener Organisation erwartet. Als ich
um 9.15 beim Südportal eintraf, war Kreisky ausnahmsweise schon
früher gekommen und in den Arbeiterkammerpavillon bereits ge-
gangen. Androsch, der noch nach mir kam, meinte dann, man könnte
sich heute auf gar nichts mehr verlassen. Normalerweise käme
Kreisky doch überall zu spät. Bei der Eröffnung der Aus-
stellung 25 Jahre verstaatlichte Industrie war von der Handelskammer
überhaupt niemand anwesend, nur die ÖIAG war vertreten und damit
natürlich auch der Präsident Taus. Auch die Direktoren der ver-
staatlichten Industrie waren ziemlich in großer Anzahl erschienen.
Gen.Dir. der ÖIAG hat nach einer Begrüßung von Hrdlitschka eine
freie Rede gehalten. Ich muß sagen, daß mir dies von Dipl.Ing. Geist
sehr imponiert hat. Kreisky selbst hat dann in seiner Eröffnungs-
ansprache insbesondere auf die Unterstützung der verstaatlichten
Industrie durch den Marshallplan hingewiesen, hat auch noch be-
sonders herausgestrichen, daß Kamitz als Finanzminister ebenfalls
die verstaatlichte Industrie sehr gefördert hat. Daß man
das amerik. Dollarproblem jetzt auch unter diesem Gesichts-
punkt sehen muß, daß einmal Amerika auch Österreich und der ganzen
Welt sehr geholfen hat und daß es jetzt nur recht und billig ist,
wenn auch Amerika jetzt auf unsere Unterstützung rechnen kann.
Er hat eine solche Erklärung bereits bei der a.o. Ministerrats-
sitzung und bei der Interessenvertretungsbesprechung abgegeben,
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wurde aber damals in der Öffentlichkeit nicht entsprechend her-
ausgebracht. Jetzt hoffte er, daß bei diesem Anlaß ein diesbe-
zügliche Notiz in den Zeitungen zu finden sein wird. Dies war
allerdings nicht der Fall. Amerikanern wird es aber deshalb zur
Kenntnis gebracht werden, weil der amerikanische Handelsrat Geber
anwesend war, er stand neben mir in der ersten Reihe und war über
die Ausführungen, wie man deutlich bemerken konnte, sehr erfreut.
Nächsten Tag hat der Pressereferent Mussil in einer auch mir unver-
ständlichen Klosse über Kreisky mit der Redaktion telefoniert.
Ich weiß nicht was herausgekommen ist. Wahrscheinlich aber müßte
man, wenn Kreisky wie überhaupt bei jedem Politiker, ein gewisses
Interesse hat, ein Problem in der Presse deutlich dargestellt zu
bekommen, vorher mit den Redaktionen Kontakt aufnehmen. Koppe hat
dieses System zur Perfektion entwickelt. Allerdings muß ich zu-
geben, daß jetzt im Wahlkampf andere Gesichtspunkte bei der bür-
gerlichen Presse natürlich in dem Vordergrund stehen.
Bei der Eröffnung der Landwirtschaftsmesse hatte der Präsident
der Landwirtschaftskammer LR Bierbaum, zwar eine entsprechend
mit Forderungen angefüllte Rede gehalten, doch Androsch bemerkte
treffend, daß sich sein Ton trotz des Wahlkampfes sehr gemäßigt hat.
Gegenüber der vorjährigen Frühjahrsmesse, wo er noch sehr aggressiv
gewesen ist, hat er jetzt doch eine zwar noch sehr viele Forderungen
der Landwirtschaft umfassenden, aber doch gemäßigte Rede gehalten.
Hier bedauere ich immer zutiefst, daß ich nicht bei meinen Wiener
Messeeröffnungen einen ÖVP-Vorredner habe, wie dies in den anderen
Messen in den Landeshauptstädten der Fall ist, denn dann kann man
gegen die vorhergehenden Behauptungen erfolgreich polemisieren.
Damit wird jede Rede aufgelockert, interessanter und bei den Zu-
schauern, Zuhörern entsteht glaube ich, ein sehr guter Eindruck.
Mindestens sagten mir ausländische Diplomaten, daß sie sich immer
auf das Ping-Pong zwischen Krainer und mir bei der Grazer Eröffnung
freuen. Zum Unterschied vom Arbeiterkammerpavillon, wo diesmal
wieder nur Bilder, Ziffern und Graphiken zu sehen waren, nur glaube
ich ein einziges Modell hat es ein bißchen aufgelockert, hat die
Landwirtschaft in allerdings wesentlich größeren Halle eine sehr
anschauliche Ausstellung über den österreichischen Wein.
Gleichzeitig hat sie eine Weinkost und vor allem auch Fleischbe-
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triebe die Brötchen verkaufen mit Wein und einen Molkereiverband,
der sogar außer Käsebrötchen noch Mehlspeisen offeriert hat, wo
zu man bestimmte Weinsorten trinken sollte. Entweder hat die
Landwirtschaft jetzt ein wirklich moderneres Marketing oder es
haben die Firmen versucht unter allen Umständen nachzuweisen,
daß man auch zur Sachertorte einen Wein trinken kann. Selbst
wenn dies nicht die österreichische Konsumgewohnheit ist, ins-
besondere der Wiener ist bereits zur Mehlspeise einen Kaffee
zu trinken, so kann man doch auf Grund der jetzigen Entwicklung
feststellen, daß die Landwirtschaftskammern doch mehr auf Marketing
geben als noch vor etlichen Jahren.
Anmerkung für KOPPE:
Bitte ergründen wieviel Besucher heuer in den Arbeiterkammerpav.
kommen. Ich fürchte, daß dies ein Rückfall ist in die Zeit,
wo wir nur Schaubilder, Statistiken und einige Bilder ausgestellt
haben und kaum Besucher feststellen konnten. Vielleicht wirkt
sich dies allerdings jetzt noch nicht so stark aus, weil man doch
noch immer in der Arbeiterkammerpav. Sensationen erwartet.
Zur 50 Jahre Anschlußfeier des Burgenlandes an Österreich, hat
sich fast die ganze Bundesregierung in Eisenstadt eingefunden.
Mit Recht kritisierte Landesrat Suchanek, daß wenn Kärnten eine Feier
hat, so viele Regierungsmitglieder kommen, mit der richtigen Be-
gründung, daß man nach Kärnten doch wesentlich länger fährt, als
wie nach Eisenstadt. Man sieht, daß man hier ebenfalls in Wirk-
lichkeit viel vorsichtiger vorgehen müßte. Entweder geht die Re-
gierung wirklich zu allen Feiern, fast geschlossen, oder es werden
eben nur eine gewisse Regierungsdelegation zu einer Feier entsendet.
Der Festzug hat sich sehr in die Länge gezogen und einige Bilder
waren wirklich nicht gerade sehr günstig. Als man Soldaten mit
Freischärlern raufen sah, als man sogar in einem Wagen, wo die
eiserne Grenze dargestellt wurde, einen schon sehr betrunkenen
wirklich richtig betrunkenen russischen Soldaten darstellte, war
glaube ich eigentlich die Grenze des möglichen überschritten.
Ich weiß, da für nicht die Veranstalter verantwortlich sind, aber
ich glaube doch, daß bei einem Festzug auf ein solches Problem ganz
besonderes Augenmerk gewendet werden muß. Der Kameramann vom
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Fernsehen hat sich hier äußerst ungeschickt benommen. Ich konnte
dies beobachten, weil ich genau vis-a-vis gesessen bin, während
die Gruppe ununterbrochen versuchte ins Bild zu kommen, dies
lauthals auch verlangte, hat er sich nicht beirren lassen und
ausdrücklich diese so peinliche Szene ausgesperrt. Ansonsten
war dies ein wirklich großer Festzug und die Zeitungen schrieben
mit Recht, es war noch niemals eine solche Konzentration und ein
solcher festlicher Zug. Ich hatte das Gefühl, daß ganz Burgenland
in Eisenstadt versammelt ist. Kreisky sollte dann am Abend in
Krems sprechen und trotz seines Hubschraubereinsatzes ist er
natürlich zu spät gekommen. Die Veranstaltung war dort bereits
zu Ende. Die Lehre die ich aus dieser Situation ziehen will ist,
daß man wahrscheinlich nicht allzu viel an einem Tag sich auf-
lasten soll und daß man aber, wenn man feste Termine eingeht,
die auch tatsächlich so abstimmen muß, daß man sie einhalten kann
und daß man in der Öffentlichkeitsarbeit dann sei es durch das
Fernsehen, Rundfunk oder noch vielmehr durch die Presse ent-
sprechende Vorbereitungen treffen muß, damit die entscheidenden
Punkte, w. z.B. die Eröffnung der Arbeiterkammer mit der Er-
klärung zur US–Politik wirklich dann in den Zeitungen heraus-
gestrichen wird. Wenn man nämlich zuviel auf einmal macht, insbe-
sondere als Spitzenpolitiker, dann hat die Zeitung
die Möglichkeit entweder gar nichts zu bringen, oder dies zu bringen,
was sie für richtig empfindet und wichtig empfindet und bei der
gegnerischen Presse wird es sich natürlich nur um eine negative
Stellungnahme handeln und daß man bei einem Nichterscheinen dann
in Wirklichkeit vielmehr verärgert, als man durch die vielen Zusagen
vorher glaubt die Leute befriedigen zu können.