Donnerstag, 30. September 1971
In der Belangsendung um 6 Uhr früh der Landwirtschaftskammer
wurde eine ausgesprochen gegen die soz. Regierung geführte
Polemik gesendet. Der Bauernbund hat alle Register gezogen
und hat sich nicht geniert, die Belangsendung für eine rein
parteipolitische Sendung zu missbrauchen. Ich selbst habe
dafür noch ein gewisses Verständnis, doch glaube ich, dass
man der Landwirtschaftskammer von seiten der Partei einen
Brief schreiben sollte, wo die Kammer darauf aufmerksam gemacht
wird, dass sie eigentlich eine überparteiliche Organisation
ist. Sicherlich, wir haben auch in der Arbeiterkammer die vor-
hergehende Regierung sachlich vereinzelt angegriffen, aber niemals
Parteipolemik so offen betrieben. Wenn wir jetzt dagegen pro-
testieren, ist anzunehmen, dass die Landwirtschaftskammer zurück-
schreibt, sie hätte nur die Interessen der Bauern wahrgenommen.
Mit diesem Antwortschreiben hat dann die Arbeiterkammer in Hin-
kunft ein gutes Alibi, wenn sie einmal polemisch in einen
Wahlkampf eingreift.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Versuche um ein Schreiben beispielsweise
von Brantl, an die Landeslandwirtschaftskammer NÖ geschrieben wer-
den könnte, damit nicht von höchster Stelle z.B. vom Zentralse-
kretariat Kreisky ein solcher Brief abgesendet wird. Wenn nämlich
die unterste Ebene mit diesem Problem beschäftigt wird, ist anzu-
nehmen, dass die Landeslandwirtschaftskammer sehr aggressiv zu-
rückschreibt. Ein solches Schreiben wäre aber in Hinkunft viel-
leicht für die Arbeiterkammer von allergrösster Bedeutung.
Prof. Heinrich hat von Handelsminister für sein Institut für
Gewerbeforschung immer 500.000 S und manchmal sogar noch mehr
bekommen. Ich hatte ihn bereits wissen lassen, dass ich nur bereit
bin, einen Betrag dem Institut zu überweisen, wenn das Institut
entsprechende Unterlagen für unsere Arbeit liefert. Präs. Walzer,
der Obmann der Sektion Gewerbe, aber auch Präs. Sallinger hatten
bereits bei mir interveniert, dass ich doch die 500.000 S flüssig
machen sollte. Die Vorsprache von Heinrich, der mit Gröger vom
Haus kam, benützte ich, um zwar anzuerkennen, dass das Institut
sicherlich viele Erhebungen und Unterlagen besitzt, aber wir
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verhältnismässig wenig konkretes Material von ihnen bekommen haben.
Heinrich war über das Verlangen, dass er in Hinkunft mit uns besser
kooperieren sollte, entzückt, da er bis jetzt das Gefühl hat,
dass seine Arbeiter überhaupt nicht gewertet wird. Er hat mit seinen
Leuten umfangreiche Untersuchungen angestellt und diese wurden, wie
er sich selbst ausdrückte, schubladiert. Ich verpflichtete mich,
die 200.000 S, die noch ausständig sind, dann zu überweisen, wenn
Gröger mir einen diesbezüglichen Plan vorgelegt hat, wo unsere Wünsche
z.B. für Kennziffern des Gewerbes oder sonstige Untersuchungen von seiten
des Instituts für Gewerbeforschung akzeptiert wurden. In diesem Fall
meinte ich, könnte Heinrich noch hoffen, dass er von der Handels-
kammer ebenfalls weitere Mittel bekommt, er hat heuer bereits 700.000 S
erhalten. Weil nämlich Walzer und Sallinger versichert haben, sie
würden meinen Schlüssel akzeptieren, wenn ich ihm noch Geld gebe, das
sie ebenfalls den selben Betrag dem Institut zuschiessen werden.
Heinrich beklagte sich z.B., dass er jetzt nicht einmal in
Dublin einen Kongress besuchen könnte, nicht er wollte fahren, sondern
von seinem Institut ein Mitarbeiter, der sich mit den Fragen des Mittel-
stands- und Klein- und Mittelbetriebsproblem beschäftigt. Der Kongress
kostet sage und schreibe 8.000.– S.
Die Betriebseröffnung der modernen Kleiderfabrik Licona benützte
ich, um über den passiven Veredlungsverkehr grundsätzliche Erklärungen
abzugeben. Der Fachverband für Bekleidungsindustrie ist der einzige
Fachverband, der einen Beschluss hat, dass der passive Veredlungs-
verkehr unter allen Umständen abgelehnt wird. Ich strich die ansonsten
gute Zusammenarbeit zwischen dem Fachverband und meinem Ministerium z.B.
im Konsumentenbeirat heraus und ersuchte, der Fachverband möge
doch noch einmal seine Ansicht überprüfen. Der passive Veredlungs-
verkehr ermöglicht uns eine gewisse Wertschöpfung im Inland zu er-
reichen, ohne dass wir zusätzliche Arbeitskräfte, die wir aus Jugosla-
wien ja doch gar nicht bekämen, nach Österreich bringen müssen. Gerade
die Schweiz bedauert heute, dass sie in den vergangenen Jahrzehnten
ausschliesslich bestrebt war, Gastarbeiter in die Schweiz zu
bringen und nicht versucht hat, durch Kapitalexport und durch Ver-
lagerung der Arbeit aus der Schweiz in das Ausland diesen Ländern
gewisse Arbeitermöglichkeiten zu schaffen. Ich gebe unumwunden zu
dass die Gefahr einer Verstaatlichung vielleicht die Schweiz davon
abgehalten hat, Kapital in diese Länder zu exportieren, anstelle
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von dort Fremdarbeiter aufzunehmen, die heute bereits für
die Schweizer Entwicklung eine grosse Gefahr – wie sie sich aus-
drücken – darstellen. Beim Rundgang kam sofort der Sekretär der
Industriesektion Dr. Placek von der BHK zu mir und meinte, ob
sich diese Idee auf alle Industriezweige erstreckt. Ich erklärte,
dass man natürlich jeden Fall und jede Branche eigens untersuchen
müsste, dass aber im Prinzip natürlich diese Ausführungen auch für
die gesamte Industrie zu gelten haben. Sekretär Dr. Catharin meinte,
man hätte doch vorher den Fachverband fragen sollen. Ich erwiderte,
dass dies reichlichst geschehen ist, aber ich bin bereits, in
einer Enquete mit den beteiligten Firmen und dem Fachverband
dieses Problem noch einmal besprechen zu lassen. Ich ersuchte
Min.Rat Dinzl, der bei der Eröffnung anwesend war und den ich
in meiner Rede als den Fachmann in der Textilindustrie und Beklei-
dungsindustrie vorstellte, er sollte eine solche Enquete einbe-
rufen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, die Vorgangsweise mit Min.Rat Dinzl
besprechen.
Im Finanzministerium wird jetzt endlich eine Richtlinie über die
Bedarfsdeckung oder nicht Bedarfsdeckung, die zu einer Zollermässi-
gung führen kann, auf Grund des Zolltarifgesetzes ausgearbeitet.
Wir haben seit längerem dieses Problem bei uns im Haus diskutiert
und eine liberalere Haltung von den Beamten erwartet. Leider sind
die Abteilung Peschek und Herger, die diese Bestätigungen auszu-
stellen haben, auf ein Schema seit Jahrzehnten eingestellt, welches
in Wirklichkeit sehr restriktiv gehandhabt wird. Ich konnte an
Hand eines Beispiels erfahren, dass z.B. die grossen Wasch-
maschinenproduzenten wie Miele keine Zollermässigung kriegen
können, weil Eudora eine ganz kleine, in Wels beheimatete Fabrik
einen Waschapparat erzeugt. Die Produktion beläuft sich auf ein
paar hundert Stück. Die Bedarfsdeckung wird nun im Extremfall
so festgestellt, dass, wer einen Bedarf hat, sich an die Firma
Eudora wenden soll, diese wird ihm dann sicherlich 1 oder zwei
Maschinen liefern. Wenn die Waschautomaten also bei der Fa. Eudora
zu haben sind, dann ist keine Bedarfslücke vorhanden. Eine Zoll-
ermässigung kommt deshalb nicht in Frage, auch wenn zehntausende
Waschmaschinen importiert werden. Ein anderes Beispiel war eine
Spritzgussanlage, die die Firma Zumtobel in Vorarlberg vor Jahren
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bestellt hat und ohne weiteres zollermässigt genehmigt bekommen
hat. Jetzt hat sich eine Firma in Österreich bereiterklärt, eine
ähnliche Maschine erzeugen zu können, deshalb wird die Zollermässi-
gung von der Maschinenkommission nicht mehr ausgesprochen. Wie
mir Peschke bestätigte, wurde allerdings dann von irgendjemand
interveniert und dann wurde die Zollermässigung doch gewährt.
Ich glaube, dass es zielführender ist, Richtlinien aufzustellen,
wonach versucht wird, zumindestens für die krassen Fälle bereits
eine Bedarfsdeckung oder Nicht-Bedarfsdeckung zu unterscheiden.
Sekt.Chef Reiterer, d.h. die I. und III. Sektion sollten diesbezüg-
liche Besprechungen führen, um zu einer gemeinsamen Auffassung zu gelang
gen. Das einzige, was bei dieser Besprechung herauskam, war, das
sie sich einigten, dem Finanzministerium vorzuschlagen, dass die
Handelskammer alle Bestätigungen in Hinkunft selbst ausstellen
wird und das Ministerium nicht mehr eingeschaltet ist. Es wäre an
und für sich sinnvoll, der Handelskammer die ganze Arbeit zu über-
tragen, da auch derzeit die Fachverbände die wirkliche Entscheidung
treffen. Im Haus wird nur das Gutachte der Handelskammer wortwörtlich
abgeschrieben und dem Finanzministerium als Stellungnahme des
Hauses mitgeteilt. Trotzdem glaube ich hat Wanke recht, wenn er
meint, dass wir im jetzigen Zeitpunkt eine so weitgehende Entschei-
dung noch nicht treffen sollten. Wir haben die Absicht, für die
Bestandteile an Maschinen die Entscheidung der Handelskammer aus-
schliesslich allein zu überlassen. Für die weitere Feststellung,
ob also ganze Maschinen bedarfsdeckend im Inland erzeugt werden oder
nicht, sollte doch auch das Haus noch etwas mitzureden haben. Ich
glaube aber, dass Sekt.Rat Schwarz einen guten Vermittlungsvor-
schlag in Aussicht stellt. Es sollte nämlich die Handelskammer nur
durch eine Verordnung von mir ermächtigt werden, diese Arbeit zu
übernehmen, wenn dann die Verbände nicht nach unseren Richtlinien
arbeiten, können wir genauso durch Verordnung diese Delegierung
wieder rückgängig machen. Ich gebe allerdings Wanke recht, dass
wenn einmal eine solche Verordnungsermächtigung die Handelskammer
in die Lage, diese hoheitsrechtliche Tätigkeit auszuüben, dann kaum
mehr die Möglichkeit besteht, sie wieder zurückzunehmen. Für den
Einzelfall würde allerdings, auch wenn wir die Arbeit an die HK
delegieren, noch immer die betreffende Firma die Möglichkeit haben,
an uns zu rekurrieren, wenn ihr Ansuchen abgelehnt wird. Die Ent-
scheidung müsste verhältnismässig bald fallen, da diese Verordnung
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ermächtigung in der 7. ZT-Gesetznovelle eingebaut werden müsste.
Gen.Sekr. Mussil feiert seinen 60. Geburtstag. Wir haben uns im
Büro lang und breit unterhalten. ob und wie ich ihm gratulieren
sollte. Im Prinzip lehne ich nämlich jedwede persönliche Gratu-
lation ab. Ich selbst habe auch die Gelegenheit benützt und
bei meinem So. Geburtstag sogar bei einem Vortrag in der Schweiz
zu sein. Sicherlich ist dies eine persönliche Einstellung und man
kann sie nicht auf alle anderen Menschen übertragen. Da ich auf
keinen Fall in die BHK hinübergehen wollte, andererseits aber
ihn sicher nicht zu Hause angetroffen hätte, ein Telegramm aber
andererseits auch nicht schicken wollte, habe ich die Gelegenheit
benützt, bei seiner Frau in der Industriellenvereinigung, wo er
um 3/4 1 Uhr sie zu einem Festessen, das Sallinger gab, abholte,
ihm zu gratulieren. Als Gag wollten wir noch einen kleinen Brief-
öffner in Form eines Säbels ihm überreichen. Leider hatten wir,
weil wir wahrscheinlich so unter Zeitdruck stehen, diese Über-
legungen zu spät angestellt und Heindl konnte zwar ein solches
kleines Säbelchen auftreiben, doch war niemand mehr imstande,
in den Säbel hineinzugravieren: Unsere Methode, Ihr Staribacher!
In letzter Minute fiel es Heindl ein, man könnte auch ein Leder-
etui mit diesem Aufdruck machen lassen. Auch dies kam natürlich zu
spät und wurde ihm nachgereicht. Mussil war aber, wie wir alle
feststellen konnten, sehr gerührt, dass wir ihm persönlich zu
seinem 60. Geburtstag auf diese komplizierte Art und Weise
gratulierten. Mussil ist zweifelsohne der schärfste Gegner auf der
anderen Seite in wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen. Trotz-
dem glaube ich, dass es wirklich zielführend ist, die persönlichen
Beziehungen durch solche kleine Aufmerksamkeiten zu verbessern.
Sallinger behauptet zwar – und dies mit Recht – dass er der treibende
Mann in der ÖVP und insbesondere im Wirtschaftsbund und der Handels-
kammer ist, der auf eine gute Zusammenarbeit und ein freundschaftliches
Verhältnis mit mir den grössten Wert legt. Ich habe gar keinen
Grund, daran zu zweifeln. Mussil ist aber in diesem Fall der Be-
deutendere, weil er durch seine Art imstande wäre und durch seine
Stellung vor allem, das Verhältnis zwischen Handelsministerium
und Handelskammer wesentlich gespannter um nicht zu sagen getrübter
zu gestalten. Sicherlich liegt dies auch nicht im Interesse der HK
aber wahrscheinlich würde im Interesse der ÖVP liegen. Ich habe
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ihm daher dann das Florett nachgeliefert mit einer Visitenkarte
auf die ich schrieb: Wo bleiben meine Grundsätze.
Die Pensionistenversammlung von der Inneren Stadt und Wieden
war bummvoll. An diesem Zustand hat sich in den vergangenen
Jahrzehnten nichts geändert. Die Pensionisten, die Zeit haben
und die es wahrscheinlich auch als ihre Pflicht betrachten, die
Partei durch ihre Anwesenheit zu unterstützen, sind bis jetzt
noch immer bei allen Versammlung die treuesten Zuhörer. Allerdings
habe ich den Eindruck, dass wir kaum eine Stimme dort mehr dazu
gewinnen, denn in die Versammlung kommen wirklich nur unsere
Genossinnen und Genossen. oder zumindestens unsere sicheren Wähler.
Die Diskussion in der Opernpassage, wo ich normalerweise wirklich
nur vor Wahlzeiten diskutiere, gestaltete sich auch sehr sach-
lich. Scheinbar hat die Junge Generation oder die Partei den einen
oder anderen Diskutanten geschickt, die sofort das Wort nehmen
und daher die Diskussion auf einem sehr sachlichen Niveau einleiten.
Da ich dies eigentlich nicht gewohnt bin, sondern meistens hart
attackiert werde, kommt mir die Passagendiskussion, auch wenn sie
2 Stunden dauert, als eine richtige Erholung vor.
Vollkommen sinnlos betrachte ich die Sektionswahlversammlungen
wie ich eine im 22. Bezirk bestritt. Vor der Tür hat Krämer mit
seiner Frau und seinen Kindern Staribacher-Bilder verteilt und
die Genossen sind dann vielleicht vereinzelt gekommen, um
von mir ein Autogramm zu bekommen. Wenn es zur Aufmunterung der
Genossen, damit sie insbesondere am Wahltag aktiv mitarbeiten,
so messe ich der Versammlung noch einen gewissen Wert bei. Ansonsten
sind sie natürlich vollkommen sinnlos.
Ebenso für sinnlos halte ich jetzt schön langsam die Veranstaltungen
der Jungen Generation. In der Arbeiterkammer auf der Dachterrasse
hat die Junge Generation Wieden ihre Mitarbeiter eingeladen.
Wenn dies eine gesellschaftliche Zusammenkunft sein soll, bin
ich sehr einverstanden. Man sollten den jungen Leuten die Möglichkeit
geben, bei ein paar Brötchen und alkoholfreien Getränken über
verschiedene Probleme zu plaudern. Sicher ist es auch zielführend
wenn ein Minister dort erscheint und mit ihnen spricht. Dies
sollte man allerdings nicht gerade vor der Wahl machen, sondern
nach einer Wahl, weil es sich um eine Art Anerkennung für ihre
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Tätigkeit handeln sollte. Neue Mitarbeiter oder gar vielleicht
Wähler, die uns bis jetzt nicht gewählt haben, werden durch
diese Art der Veranstaltung sicherlich nicht gewonnen.
Die VÖEST hat, südamerikanischen Verhältnissen entsprechend,
den brasilianischen Bergbauminister ein Abendessen um 21 Uhr
im Imperial gegeben. Ich benützte diese Gelegenheit, um mich
von ihm zu verabschieden. Das Essen aber lehnte ich, nachdem ich
mittags bereits beim Sacher gegessen hatte, auf das entschiedenste
ab. Ich hatte eine gute Begründung, ich wollte der VÖEST Kosten
sparen helfen.
Tagesprogramm, 30.9.1971