Montag, 22. November 1971
Gen.Sekr. Mussil und Dr. Farnleitner suchten um sämtliche
Unterlagen für die Benzinpreisberechnung. Sie haben große
Schwierigkeiten wegen Aufteilung der 20 Groschen zwischen
Tankstellen und der Ölfirmen. Die Ölfirmen sind bereit,
3,75 Groschen pro Liter zur Verfügung zustellen. 0,5 Groschen
macht die Umsatzsteuer und die Kapitalkosten aus. Er hätte
eine Aufteilung bereits vorige Woche beschließen können,
hat aber Angst gehabt, daß ich als Handelsminister den Tank-
stellen nachher erkläre, daß sie mehr hätten kriegen können.
Ich versicherte ihm sofort, daß ich dies niemals tun würde,
denn ich werde nicht eine Einigung, die zustandegekommen ist,
dazu benützen, um ihn als Handelskammer auszuspielen.
Da die 3,75 Groschen nicht linear gegeben werden, sondern die
reichen großen Tankstellen fast nichts bekommen werden, dafür
aber die große Masse der schlecht dotierten bis zu 8
Groschen bekommen können, müßte ein Akkord möglich sein. Interes-
sant für mich war, daß er die Unterlagen über die Benzinpreis-
errechnung nicht schon längst gehabt hat. Ich habe deshalb
Schleifer ersucht, Farnleitner sämtliche Unterlagen zu geben,
d.h. Einblick nehmen zu lassen.
Mussil, Dr. Nussbaum, MR Metzner und ich verhandelten dann
über das Güterbeförderungs- resp. Gelegenheitsverkehrsgesetz.
Die neue Idee der Handelskammer ist der § 36 Kartellgesetz
dazu zu benützen, um eine Empfehlung für die Branche zu er-
stellen. Der Handelsminister sollte dann diese Empfehlung durch
Verordnung verbindlich erklären. Ich lehnte diese Vorgangsweise
auf das Entschiedenste ab. Bevor ich überhaupt eine Empfehlung
herausgebe, würde ich ja ähnlich, wie ich das bereits jetzt
bei der Güterbeförderung gemacht habe, eine Garantie verlangen,
diese Kontrolle die Handelskammer bereit ist anzubieten, daß
überhaupt die empfohlenen Tarife eingehalten werden. Nussbaum
erklärte, daß sie derzeit als Fachverband alle Möglichkeiten
bereits ausnützen. Sie bekommen ein Frachtbriefdoppel und
kontrollieren, ob dies auch tatsächlich eingehalten wird.
Eine weitere Kontrolle käme für sie nicht mehr in Frage,
denn schon jetzt würden, wenn allerdings die Kontrollen
durchgeführt werden, der Verkehr wesentlich durch die ver-
schiedensten Sicherheits- und sonstigen Prüfungen auf Grund
des Kraftfahrgesetzes die Unternehmungen sehr behindern.
Mussil hat zugegeben, daß es mir wirklich unzumutbar ist,
daß ich seine Empfehlung auf Grund des Kartellgesetzes nach-
her als Verordnung erlassen müßte. Da er andererseits aber
keinen anderen Vorschlag machen konnte, einigten wir uns, daß
das ganze Problem der gemeinsamen Verkehrskommission des
Verkehrsministeriums und des Handelsministeriums unter Zu-
ziehung der Interessensvertretungen Nussbaum von der Handels-
kanmer und wie sich Nussbaum ausdrückte, zu seinem Leidwesen
auch Formanek von der Industriellenvereinigung hinzugezogen
werden soll, übertragen. Mussil erklärte mir bei dieser Ge-
legenheit, daß er sich schön langsam auch damit abfindet, daß
die ganze Verkehrsfrage, d.h. der Straßenverkehr vom Handels-
ministerium ins Verkehrsministerium überführt wird, die das
große Kompetenzgesetz vorsieht. Er hat nur eine große Angst,
daß nämlich der Werksverkehr ebenfalls konzessioniert wird
und dadurch die Industrie schwer geschädigt würde. Auf der
anderen Seite erklärte Metzner, daß es doch sinnlos ist,
wenn man der Handelskammer vorschlägt, daß Fiaker wieder
konzessioniert werden sollen. Ich meinte, daß wenn das große
Kompetenzgesetz im Parlament verhandelt wird, es ja Möglich-
keiten gäbe, für die Bundeshandelskammer sich in den einen
oder anderen Punkt abzusichern, daß sie eben z.B. erklärt
wird, daß eine Werksverkehrskonzessionierung von Seiten des
Verkehrsministeriums nicht angestrebt wird.
In den EWG-Fragen-Verhandlungen zeigte sich Mussil sehr
interessiert betreffend den kumulativen Ursprung. Er meinte,
daß wenn der kumulative Ursprung von der EWG anerkannt wird,
dann wird es zwischen Schweiz und Österreich zu sehr starken
Kooperationen der Firmen kommen. Ich verwies darauf, daß dies
der schwächste Punkt unserer Forderungen sei, denn ich kann
mir nicht vorstellen, daß die EWG ihr Ursprungssystem wirklich
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grundsätzlich ändert. Da aber Gleissner als Experte des
Handelsministeriums bei allen Verhandlungen anwesend sein
wird, was selbstverständlich auch für die Arbeiterkammer gilt,
wird er über alles informiert sein. Dies hat Mussil sehr be-
friedigt. Zöllner, mit dem ich mittags ebenfalls über dieses
Problem sprach, war schon weniger begeistert, weil er genau
weiß, daß damit auch die Verantwortung von den Interessen-
vertretungen weitestgehend übernommen werden muß.
Beim Gespräch zwischen Mussil und mir unter vier Augen er-
klärte mir Mussil, daß er jetzt die Funktion des Schattenhan-
delsministers zurückgelegt hatte, weil keine Aussicht mehr be-
steht, wie in der vorhergehenden Legislaturperiode, daß die
FPÖ und die ÖVP gemeinsam irgendwelche Gesetzesbeschlüsse
fassen. Er hat deshalb, wie er sich ausdrückte, gerne die Funktion
an Mitterer abgegeben, weil jetzt nur mehr Blabla auf diesem
Sektor zu erreichen ist. Wo wirklich konkrete Arbeit geleistet
wird, nämlich z.B. einen Unterausschuß des Handelsausschusses
für die Gewerbeordnung, wird er wie vereinbart, den Vorsitz über-
nehmen. Damit meinte er, wird er allerdings monatelang blockiert
sein. Er war sehr erstaunt von mir zu hören, daß auch ich mich
in diese Arbeit voll einschalten werde und keinesfalls nur er
blockiert ist und auch ich entsprechend blockiert sein werde.
Wir vereinbarten für die Handelskammer einen Jour fixe von Montag
9.00 Uhr.
Botschafter Lemberger wollte mich zumindestens, nachdem er nur
einen Tag in Wien war, telefonisch sprechen. Da heikle Punkte
zur Diskussion standen, ersuchte ich ihn sofort zu kommen und er
hat gefragt, ob mich Gehart schon informiert hat. Ich zog des-
halb Gehart und Wanke sowie Heindl, die ich alle kannten, dieser
Besprechung bei. Dr. Edelmann, der für uns jetzt in der Autobahn
Fremdenverkehrsgutachten für den Bodenseeraum tätig wurde, erzählte
in Paris, daß er jetzt ein Vertrauensmann ist und für das Handels-
ministerium in Hinkunft Arbeiten zu leisten hat. Letzteres stimmt,
ermächtigt ihn allerdings nicht z.B. bei der österreichischen
Fremdenverkehrswerbung, Frau Dr. Schmid, als Kontrollor aufzutreten.
Ich erklärte Lemberger, wie wir zu Edelmann gekommen sind
und daß er tatsächlich für uns d.h. insbesondere für Würzl
entsprechende Arbeiten oder Vorarbeiten zu leisten hat. Lem-
berger bestätigte, daß er von der OECD tatsächlich unterlassen
wurde, weil er Rumänen für 20.000 Schilling, also eine wirklich
unbedeutend kleine Summe Unterlagen verkauft hat. Eine Anzeige
ist nur deshalb unterblieben, weil Franzosen keine Schädigung
hatten und deshalb der franz. Staatsanwalt auch keinen Auftrag
einzuschreiten hatte. Ich versicherte Lemberger, daß Edelmann
nicht die Vertrauensperson des Handelsministeriums oder gar
von mir selbst wäre. Vor allem keinerlei Kontroll- oder sonst.
Funktionen in Paris gegenüber österr. Stellen auszustellen hätte.
Betreffend sensitive Produkte meinte Lemberger, daß insbesondere
franz. Patronat Kubelin diese verlangt hätte. In der Nähe von
Court de See hätte ein Regime spezial für Papier und Edelstahl
deshalb verlangt. Sein Vorschlag, daß die Industriellenvereinigung
Mayer-Gunthof hier aktiv werden könnte, habe ich bereits ja ver-
anlaßt und Lemberger mitgeteilt, daß Mayer-Gunthof zu unserem
größten Bedauern und auch zu seinem, nicht aktiv werden konnte,
weil er keine Ermächtigung seiner Berufskollegen insbesondere
Poppovic von der Papierindustrie, bekommen hat. Damit wir
nicht entsprechend angegriffen werden können, habe ich einen
diesbezüglichen Briefwechsel mit der Industriellenvereinigung
geführt und natürlich jetzt sehr gut aufbewahrt. Lemberger war
mit dieser Vorgangsweise, glaube ich, sehr zufrieden.
Besprechung mit Dr. Wessely und Dr. Dolinay vom Fachverband
der Elektroindustrie sowie Welser, Koppe und mir über die Waren-
deklaration war erfolgreich. Doch wenn er will, und dafür habe
ich Verständnis, dies weitestgehend in seinem Fachverband be-
handeln. Da Dolinay aktiver Fachverbandssekretär ist, aber andere
Fachverbände dann nur wenn wir tatsächlich diese Arbeiten den
Fachverbänden übertragen agieren würden, kamen wir überein,
daß das Handelsministerium doch stärker eingeschaltet wird.
Der Deklarationsausschuß des Konsumentenbeirates wird hier eine
entscheidende Rolle spielen, denn der Fachverband wird nur zur
Durchführung herangezogen. Die Warendeklaration soll jetzt noch
von einem Marketing und insbesondere Meinungsforschermann über-
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prüft werden, damit man das Segnee und die Unterlagen so ge-
staltet, daß auch tatsächlich die breite Masse der Konsumenten
davon etwas profitiert und vor allem etwas mit der Warendeklaration
anfangen kann. Die Arbeit wird beschleunigt fortgesetzt, damit
zum Frühjahr tatsächlich auf Dem Fernsehsektor und Radiosektor
Deklarationen erfolgen können.
Ich hatte gleich zwei Interviews mit Vorarlberger Zeitungen.
Red. Scharsach von den Vorarlberger Nachrichten und Wiese sowie
Köhlmaier von der Österr. Textilmitteilung, die ebenfalls in
Vorarlberg beheimatet sind, und mich von den Vorarlberger Be-
suchen sehr genau kennen. Wiese versicherte, der ein Tonband-
gerät zur Aufzeichnung benützte, daß er den Artikel vorher Dr.
Koppe schicken wird.
Dr. Zedek legte den Entwurf über ein Kuratorium der Arbeits-
gemeinschaft Fremdenverkehr vor. Danach soll die drei Gruppen
je zwei oder drei Vertreter bekommen. Erstens das Bundes-
ministerium, 2. die Bundesländer, 3. die Handelskammer in der
Arbeitsgemeinschaft für die Fremdenverkehrsprobleme. Der Städte-
bund und der Gemeindebund jeweils einen Vertreter. Die Geschäfts-
führer für diese Fremdenverkehrswerbung soll die keinen Betrag
einhebt und deshalb auch keinerlei Ausgaben tätigen kann, der
Gemeindebundvertreter Swoboda werden. Ich habe Zedek sofort er-
klärt, daß ich größte Bedenken habe, daß der Gemeindebund die
Geschäftsführung übernimmt. Wie sich später herausstellte, hat
Zedek großes Interesse daran, selbst Geschäftsführer zu werden
obwohl er dafür keinerlei finanzielle Entschädigungen erhält.
Da meiner Meinung nach der stärkste Mann dieses Kuratorium
überhaupt nur koordinieren kann, bin ich sehr dafür, daß Zedek
die Geschäftsführung übernimmt. Manzano hat große Schwierigkeiten
gemacht und der Vorschlag war deshalb, ihn in der ersten Phase
den Vorsitz, der ja jährlich wechseln soll, anzubieten. Ich kann
mir ja nicht vorstellen daß es gelingen wird, die Fremdenverkehrs-
werbung auch im Inland zu koordinieren, daß Aufgabe dieser In-
stitution werden sollte. Ich habe eigentlich angenommen, daß
dieses Kuratorium eine Fehlgeburt sein wird. Ich habe auch nicht
angenommen, daß Zedek überhaupt die Fremdenverkehrsdirektoren
in den Bundesländern auf eine einheitliche Linie bezüglich Be-
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schaffung eines solchen Kuratoriums bringen kann. Da so eine
Koordination dringendst notwendig ist, ist allerdings von allen
Stellen unbestritten. Da keinerlei finanzielle Mittel zur Ver-
fügung stehen, ersuchten wir die Geschäftsstelle selbst, in der
Österr. Fremdenverkehrswerbung in die Hohenstaufengasse zu ziehen.
Zedek hat dem zugestimmt.
Anmerkung für HEINDL
Wir haben leider vergessen, auch Du hast mich nicht daran
erinnert, es soll kein Vorwurf, sondern nur eine Mahnung für
die Zukunft sein, daß wir unseren fraktionellen FVerkehrskreis damit beschäftigt hätten. Bitte dies unverzüglich nachzuholen,
damit wir nicht Schwierigkeiten bekommen von unseren Genossen
in den Bundesländern. Auf jeden Fall haben wir vergessen, daß
wir auch die AK oder den Gewerkschaftsbund in diesem Kuratorium,
wenn er sich dafür interessiert, verankern müßten. Allerdings
wird dann auch die Landwirtschaftskammer in irgend einer Weise
mitwirken wollen. Da wir nicht wissen, was aus diesem Ku-
ratorium wird, müssen wir vorsichtig vorgehen.
Der Abteilungsleiter van Rhijn vom ndl. strukturellen Industrie-
referat nach Wien zu einem Vortrag von uns eingeladen worden.
Bei einer Diskussion mit Haus- und Interessenvertretungen im
kleinen Kreis äußerte sich Rhijn sehr offen über die Absichten
der Niederländischen Regierung, aber auch über die Schwierig-
keiten die sie haben. Sie unterscheiden sich nicht im wesentlichen
von den unsrigen. Wie van Rhijn zugibt, sind die OECD-Berichte
wesentlich optimistischer als die tatsächliche Arbeit auf diesem
Gebiet in den Niederlanden. Auch sie haben keine Möglichkeit
selektiver vorzugehen, weil sie viel zuwenig Projekte haben
und wie ich glaube heraushörte, auch gar nicht ein Instrumentarium
dafür. Der restlichen Welt bleibt den privaten Unternehmungen nur
die Initiative vorbehalten und die Ministerien überall können
sich höchstens, wenn ein Projekt wirklich gegen ihr Konzept ver-
stößt, durch administrative Maßnahmen ein bisschen hinauszögern.
Wenn Unternehmer darauf bestehen, kann es sich auf alle Fälle
durchsetzen. Dennoch glaube ich war die Einladung sehr gut, denn
es bewißt den Interessensvertretungen, daß wir für die Industrie-
politik wirklich neue Wege gehen wollen und uns auf die Erfahrung
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von anderen Ländern stützen wollen.
In der Ministerratsvorbesprechung teilte Kreisky mit, daß
am 10. Dezember um 10.00 Uhr eine Jugenddiskussion im Parlament
stattfinden wird, und daß die Minister zeitweise anwesend sein
sollten. ÖVP-Abgeordneter König hätte für die ÖVP-Jugend vorerst
diese Jugenddiskussionen abgelehnt, da er darin eine Plattform
für die Bundesregierung sieht. Da die anderen aber daran teilnehmen
hat sich sehr bald auch wieder dazu entschließen müssen und die
Bundesregierung sollte daher diese Gelegenheit nützen, um ihr
Programm und ihre Wünsche mit den Jugendlichen zu diskutieren.
Das Handelsressort wird wieder nur nebenbei, höchstens in der
Frage der Gewerbeordnung berührt sein. Das letzte Mal allerdings
wurde das Problem der Beate Uhse behandelt und ich bin sehr froh,
daß wir hier uns insoferne mit diesem Problem auseinandergesetzt
haben, als wir im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten der Firma
keine Schwierigkeiten machen wollen.
Kreisky berichtete über die Aussprache mit den Propagandisten,
wo 16 Genossen von Sonntag 6 – 11.00 Uhr bei ihm waren. Die
Öffentlichkeitsarbeit für 1972 zu besprechen. Nach dem Budget-
beschluß sollen sofort entsprechende Annoncen, Fernsehmitteilungen
und vor allem die Zeitung in der Zeitung erscheinen. Per 1.1.
wird mit 7,4 % die Renten erhöht und damit eine weitere Propaganda-
welle ausgelöst. Kreisky vertritt nach wie vor die Auffassung,
daß entscheidend ist, wie im 1. Jahr die Bundesregierung abschnei-
det, damit wird der Wähler sich entweder bestätigt fühlen, oder
er wird sich enttäuscht fühlen und damit auch weitere noch so
gute Maßnahmen in den nächsten Jahren seine negative Einstellung
zur Partei und zur soz. Regierung nicht mehr gutgemacht werden.
Arbeitshypothese muß für uns daher sein: Es wird nächstes Jahr
im Sommer gewählt, dann werden wir entsprechende Maßnahmen auch
setzen. In der Werbung, sagte er, müßte man die Minister unter-
stützen wie z.B. Frühbauer nur Tariferhöhungen oder sonst.
negative Maßnahmen bringen, wie z.B. Tariferhöhungen. Darüber
hinaus wird aber, wenn Züge zu spät kommen, er verantwortlich ge-
macht. Durch entsprechende Unterstützung der Anderen und insbe-
sondere der Minister, die keine eigenen Genossen als Pressere-
ferenten haben, müßte das Team Regierung noch stärker zusammen-
arbeiten. Kreisky beschwor überhaupt den Teamgeist der vergangenen
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18 Monate herauf, indem er darauf hinwies, daß die Deutschen
hier uns ein schlechtes Vorbild geben. Ich machte sofort
den Zwischenruf, sie sind auch mir ihrer rechtschafferischen
Politik blöd und werden deshalb bei den nächsten Wahlen runterscheiben . Kreisky meinte mit Recht, wir müßten aus den Erfahrungen
von der BRD, aber auch von GB und Schweden lernen und die Auf-
klärung unangenehmer Dinge zeitgerecht in Angriff nehmen. Häuser
wies darauf hin, daß er z.B. am vergangenen Freitag für die
Bauernkammerwahlen eine Presseaussendung der ÖVP zustande kam,
die erklärte, er hätte den Krankenkassenbeitragserhöhung für
die Bauern um 20 % zugestimmt, damit also 16 Mio. S sich der
Finanzminister erspart. Er hätte als einzige Reaktion erklärt,
dann würde er diesen Gesetzentwurf nicht im Parlament einbringen,
welche bekanntlicherweise die Bauernvertreter in den Krankenkassen
verlangen. Dies ging natürlich vollkommen unter, da nicht einmal
die Arbeiterzeitung seine Aussendungen brachte. Kreisky wies da-
rauf hin, daß Vorsorge getroffen werden muß, für solche Notstands-
fälle vorzukehren. Ein gut funktionierender Bundespressedienst
müßte in so einem Fall reagieren. Kreisky wird auf alle
Fälle jetzt in seinem Haus einen Notdienst für diese Fälle ein-
richten.
Anmerkung für KOPPE
Sollten wir nicht unsere Bereitschaft gegenüber den im Haus
befindlichen Ministerien dokumentieren, daß wir in so einem
Fall jederzeit mit unseren Verbindungen zu den Zeitungen zur
Verfügung ständen.
Kreisky schlug auch dann vor, daß die Regierungsmitglieder
mindestens 10 Betriebsbesuche im Jahr machen sollten. Die
Parteiarbeit war in den vergangenen Jahrzehnten ausschließlich
auf die Sektionen beschränkt. In Hinkunft wird die Sektion
einen immer unbedeutenderen Einfluß, dafür aber der Betrieb
und die Betriebsarbeiter einen wesentlich größere Bedeutung
erlangen. Gratz meinte, bei den Betriebsbesuchen sollte man
unbedingt die öffentl. zuständigen Abgeordneten mitnehmen.
Diese hätten damit die Möglichkeit, erstmals vielleicht in einen
Betrieb zu kommen. Rösch regte an, daß die Telefongespräche,
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und die Passagendiskussionen sowie die Forumgespräche fortge-
setzt werden sollten. Kreisky meinte, dies müsse jeder Minister
nach seinen Bedürfnissen gestalten. Sie hätte keine einheitliche
Auffassung unter den Propagandisten erzielt.
Berichte über die Tarifverhandlungen mit der Gemeinde Wien und
trug insbesondere das Problem der Schülerfreifahrten vor. Die
Gemeinde Wien erklärte ich hätte anstelle der S 2,–– Kinderfahr-
scheine S 1.50 als Vorverkaufstarif ihrer Schülerfreifahrten-
preiserhöhung zur Grundlage gemacht. Damit würden allerdings
noch um 50 % die Belastungen steigen. Frühbauer hängte sich jetzt
sofort mit der ÖBB an. Androsch meinte, daß es sich doch nur um
verhältnismäßig unbedeutende Beträge handeln kann. Richtig ist,
daß bei der Straßenbahn 7 Mio. und bei der Mio . 15 Mio. für die Er-
höhung der Schülerkarten zu erwarten sind. Es geht aber hier
glaube ich um eine prinzipielle Frage. Wenn nämlich die Schüler-
karten erstarren, dann wird auf längere Zeit gesehen, diese wirk-
lich ein großes Problem. Ich habe deshalb in einer Nachbesprechung
zwischen der Staatssekretär Karl und Rösch, Sinowatz, Frühbauer
und mir erklärt, mir erschiene ein Kompromiß in der Richtung, daß
die durchschnittliche Erhöhung auch für die Sozialtarife, d.h.
in dem Fall Schülerfreikarten gelten sollen. Der Bundesbahn be-
deutet dies nicht eine 64 % Erhöhung, sondern nur eben eine max.
20 %-ige Erhöhung, wie sie derzeit von der Bahn vorgesehen ist,
die aber auch noch nicht endgültig genehmigt ist. Androsch und
Kreisky haben sich in der Öffentlichkeit sehr dagegen ausgesprochen,
müßten aber allerdings, wie ich sie aufmerksam machte, unverzüglich
jetzt mit der Gemeinde Wien weitere Behandlungen führen, da die
Gemeinde Wien am Freitag einen solchen Beschluß fassen wird. Da
weder Kreisky noch Kreisky sich dazu äußerten, nehme ich an, daß
sie sich damit abgefunden haben. Karl erklärte allerdings, daß
im familienpolitischen Beirat Kreisky sich wahrscheinlich
den Wünschen des Beirates anschließen wird, der auf alle Fälle
gegen eine jedwede Erhöhung protestiert, weil der Familienlasten-
ausgleichsfonds nicht ausgeräumt werden soll. In Wirklichkeit
handelt es sich hier ebenfalls nicht um die paar Millionen, sondern
da es sich um einen Milliardenfonds handelt, um eine prinzipielle
Entscheidung.
Gratz schlug vor, daß wir das eine Kompetenzgesetz nicht im
Dezember noch mit einfacher Mehrheit im Nationalrat beschließen
sollten, sondern doch der ÖVP und FPÖ die Möglichkeit zu geben,
es eingehend zu diskutieren und deshalb erst im Jänner beschlossen
werden soll. Die Freiheitlichen neigen eher dazu diesem Gesetz
ihre Zustimmung zu geben. Wenn dies auch nicht der Fall ist, so
sollen sie zumindestens nicht die Ausrede haben, daß über dieses
Gesetz, welches wie Kreisky meinte, auf alle Fälle gewisse Schwie-
rigkeiten in Hinkunft dem Ministerium auferlegen wird, ohne Dis-
kussionen oder sehr langer Aussprache beschlossen werden soll.
Betreffend des Preisregelungsgesetzes wurde vereinbart, daß im
Haus ebenfalls eine Ablehnung durch die ÖVP erfolgen sollte.
Selbst auf das Risiko, daß dann keine Preisregelung mehr dann
existiert. Ich selbst sprach mich dagegen aus und meinte, es wäre
sinnvoll, zumindestens das jetzige Preisregelungsgesetz solange
wir kein besseres habe, zu bekommen. Kreisky meinte, daß wenn dann
im Plenum das Preisregelungsgesetz von der ÖVP abgelehnt wird und
wir dann auch erklären, daß dann auch nicht mehr die Marktord-
nungsgesetze verlängert werden können, dann wird die ÖVP sicher-
lich nachgeben. Die Überlegungen Röschs, daß die Handelskammer
gegebenenfalls bereit ist der ÖVP grünes Licht zu geben, daß
seine Wünsche nämlich Marktbeherrschend und ganze Branchen ge-
strichen werden sollen im § 3 a, halte ich für eine Illusion.
Frühbauer, Rösch und ich kamen überein, daß wir in der Strom-
preisfrage immer 10 % mit 1.7. nächsten Jahres anbieten und
die 2. Etappe weder im Ausmaß noch im Zeitpunkt, der festgelegt
wird. Rösch möchte, wenn sie auf die 2. Etappe verzichten, ihnen
10 % ev. mit 1. Mai geben können. Da in diesem Monat aber gerade
der Vorjahresindex gleichgeblieben ist, würde das eine sehr
starke Steigerung bedeuten. Da Frühbauer die Angst hat, daß sie
zum Verwaltungsgerichtshof gehen, wenn die 6 Monate abgelaufen
sind, ist es für die NEWAG am 15.1. der Fall, erklärte ich,
daß bis zu diesem Zeitpunkt eben eine 10 % Erhöhung allen gegeben
haben müssen.
Tagesprogramm, 22.11.1971
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)