Mittwoch, 1. Dezember 1971
Da ich Rupert Gmoser versprochen hatte in der Möbesschule, so oft ich
in Graz bin zumindestens 2 Stunden zu referieren, hatte ich durch
das Ableben von LH Krainer die Möglichkeit, zum zweitenmal in seinem
Dreimonats-Kurs über Probleme mit den Kolleginnen und Kollegen zu
diskutieren. Sie wünschten vorerst eine Information über die Integrations-
verhandlungen, in der Diskussion aber waren wir sehr bald wieder beim
Preisthema. Gmoser hat viel zu wenig Referenten aus Wien, vor allem
aktive Politiker, sodass ich den Eindruck habe, dass unsere Funktionäre
in den Ländern, insbesondere auch in der Steiermark, mit viel zu wenig
Argumenten ausgestattet werden. In der Diskussion zeigte sich noch
immer oppositionelles Denken, welches dann natürlich bei den Mit-
gliedern oder gar bei den Gegnern als einziges Ergebnis zeigen muss,
dass die Regierung gegen das Preisproblem nichts unternehmen kann
oder will. Ich verstehe jetzt mehr denn je, warum Kreisky auf die for-
melle Ablehnung der Preiswünsche im Parlament so grossen Wert legt.
Durch diese Vorgangsweise geben wir unseren Funktionären ein zwar
billiges aber wahrscheinlich sehr schlagkräftiges Argument in die Hand.
Da bei den Trauerfeierlichkeiten von Seiten der Arrangeure die ÖVP-
Spitze zu den Verwandten eingereiht wurden, ist Koren – durch wahrschein-
lich einen Zufall – nicht mehr hingekommen und ging deshalb am Schluss
der Regierungsdelegation mit mir. Bei dieser Gelegenheit bestätigte
er mir – und mir fiel ein Stein vom Herzen – dass es scheinbar jetzt
zu einer Kampfabstimmung kommen werde. Die ÖVP würde in einem solchen
Fall, wenn es formell nicht anders geht, das gesamte Preisregelungs-
gesetz ablehnen. Wenn die Handelskammer sich nicht in eine solche starre
Stellungnahme hineinmanövriert hätte, könnten sie uns taktisch ungeheure
Schwierigkeiten machen. Für die ÖVP ist es scheinbar unmöglich, in der
Opposition Stellungnahmen der gesamten Partei herauszuarbeiten, die
ihnen propagandistische Vorteile bringt oder die uns gar vielleicht
taktisch in eine Situation zwingt, wo wir bekennen müssten, dass auch
unsere Rezepte nicht gerade die besten sind. Die bündischen Gegensätze
führen dazu, dass die ÖVP eben nicht imstande ist, eine solche tak-
tische Linie zu entwickeln und deshalb in Wirklichkeit für uns noch
auf wirtschaftlichem Gebiet verhältnismässig ungefährlich ist. Wenn
es unserer Propaganda gelingt, noch so in der Bevölkerung darzulegen,
dass die Preise ja von den Unternehmern gemacht werden und dass man
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uns eben keine Möglichkeit gibt, dagegen einzuschreiten, wird zumindest
der Unmut über die Preisentwicklung nicht nur der Regierungspartei aufgelastet , sondern kriegt auch einen ganz schönen Brocken davon die ÖVP zu
spüren. Aus diesem Grund hat ja auch der ÖAAB bereits sich dazu bekannt,
öffentlich zu erklären, dass er für eine Verschärfung der Preisregelung
sei. Wenn er sich nun aber innerhalb der ÖVP nicht durchsetzen kann,
so ist dies für ihn ein weiterer Rückschlag und kein positiver Punkt,
den er beim Start dieser Aktion wahrscheinlich verzeichnen wollte. Bei
seinen Funktionären in dieser Phase auch noch verzeichnen kann.
Vizekanzler Bock hatte seinerzeit vorgeschlagen, dass das Präsidium
der freien Berufe mir einen Antrittsbesuch abstatten will. Ich konterte
in meiner Art und erklärtes sofort, ich würde viel lieber zu einer Vor-
standssitzung zu ihm kommen. Wäre er mit seinen Herren bei mir erschienen,
hätte ich überhaupt keine Möglichkeit gehabt, mit den einzelnen Kammern,
die in dieser Organisation vertreten sind, bekannt zu werden. Bock
nutze nun die Gelegenheit und hat in der Einladung festgehalten, dass der
Minister kommt und natürlich damit alle erscheinen sollten. Es war
auch tatsächlich eine Star-Besetzung, sogar Daume, der einen kleinen
Herzschaden hat und derzeit sich auf Erholung befindet, kam extra nach
Wien zurück. Für mich war bei dieser Aussprache nur überraschend, dass
sofort ausschliesslich auf die Wünsche zum Gewerbeordnungsentwurf
losgesteuert wurde. Bock hatte die Situation erfasst, dass ich in diesem
Fall Farbe bekennen müsste und dass er vor allem einmal durch diese
Aussprache mich und mein Haus durch Zusage zu präjudizieren. Bock wollte
absichtlich oder nicht kann ich nicht feststellen, mir nicht einmal
eine Einleitungsmöglichkeit geben. Präsident der Anwaltskammer, Schuppich,
hatte sogar seinen Spezialreferenten mit, der bis in die Einzelheiten
Wünsche resp. Kritiken an unserem Entwurf vorbrachte. Seine Ausführungen
gipfelten darin, dass man den Berufsethos und die Standesehre der ein-
zelnen freien Berufe in der Gewerbeordnung nicht angreifen dürfe und dass
daher jedwede Liberalisierung, die an und für sich begrüsst wurde bei
Handel und bei Gewerbe, aber keinesfalls bei freien Berufen, Platz grei-
fen sollte. Der stundenlanger Diskussionsrede kurzer Sinn: Alle freien
Berufe – von den Dentisten angefangen, die in einer eigenen Kammer or-
gansiert sind, Notariate, die Ärztekammer, die Tierärztekammer, die
Anwaltskammer, die Wirtschaftstreuhänder und die Zivilarchitektenkammer
und die Ingenieurkammer, alle wollten, dass ihre Tätigkeit in der Ge-
werbeordnung ausgenommen wird. Gewerbebetriebe wie z.B. eben die
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Baumeister, die Zivilingenieur, Zahntechniker, für die Dentisten,
Drogerien für die Apotheker, Betriebsberater für die Wirtschaftstreu-
händer, Tierkörperverwerter für die Tierärzte ein roten Tuch, sollten
verhalten werden, sie nicht in Gebiete der freien Berufe einzubringen.
Die einzige Zusage, die ich in diesem Fall machte, war, dass
jede einzelne Kammer von uns die Chance bekommt, Referenten in unserem
Haus über ihren Probleme zu sprechen. Ich hatte gleich bei der ersten
Diskussionsbeantwortung darauf hingewiesen, dass ich hier über Details
keine Erklärungen abgeben könnte, da hier Waffenungleichheit herrscht.
Wenn der Spezialreferent einer Kammer mich mit Details konfrontiert,
hätte ich unbedingt müssen den zuständigen Sektionschef resp.
Frau Dr. Mache mitbringen, damit dann entsprechende Antworten im Detail
gegeben werden könnten. Die Überrumpelungstaktik, wenn eine solche vor-
gesehen war, ist damit nicht gelungen. Nach stundenlanger Diskussion
fasste Bock zusammen, dass er hoffe, dass in unserem Entwurf bereits die
Anregungen der freien Berufe entsprechend aufgenommen werden. Mein
Hinweis nämlich, dass ja im Parlament jede einzelne Interessensvertre-
tung noch Gelegenheit haben wird, ihre Vorschläge und ihre begründeten
Wünsche darzulegen, ist deshalb nicht sehr befriedigt aufgenommen worden,
weil sie natürlich wissen, dass der Ministerialentwurf die Diskussions-
grundlage im Parlament bilden wird. Sie erklärte unisono, dass es von
der Handelskammer nichts Positives für sie zu erwarten gäbe, dass
auch die ÖVP-Regierung, wie einer erklärte, sie schwer enttäuscht
habe, und deshalb sie damit rechnen, dass ihre Wünsche bereits im
Regierungsentwurf aufgenommen werden. Sie unterstrichen insbesondere
ihre Funktion zum Schutze der Konsumenten und meinten, dass ich mich
hier weniger von der Handelskammer beeinflussen lassen sollte, in
der Vergangenheit hätte ja das Ministerium ausschliesslich nur das
gemacht, was die Handelskammer gewünscht hat. Ich hätte eigentlich
erwartet, dass der Vorsitzende, ehemaliger Vizekanzler und Handels-
minister Bock, sich hier wesentlich stärker gegen eine solche Polemik
wendet. Scheinbar ist ihm aber seine jetzige Funktion so wichtig,
dass er solche schwerwiegenden Vorwürfe ohne weiters auf sich sitzen
lässt. Ich selbst erklärte, dass ich mich immer um die Meinung der
Handelskammer kümmern würde und die Handelskammer einen grossen Ein-
fluss natürlich auch in meinem Ministerium noch hat, dass aber trotz
der guten privaten Beziehungen zu Sallinger ich noch niemals bei der
Vorstandssitzung der Handelskammer gewesen bin. Mein Wunsch, einer
solchen Sitzung beizuwohnen, wurde bis jetzt nicht erfüllt, währenddem
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ich bei den freien Berufen jetzt die Möglichkeit habe, mit Ihnen
ihre Probleme zu diskutieren und natürlich bereit bin, ihre Wünsche
an die zuständigen Referenten im Haus weiterzuleiten. Mit diesen
könnten sie dann durch Detailverhandlungen alle Fragen besprechen und
so weit es in der grossen Linie möglich ist, werden wir auch zweck-
mässige Lösungen anstreben. Eine konkrete Zusage ist von mir nicht
erfolgt. So sehr man auf formelle Gesichtspunkte Wert legt, war, dass
in einer Einführungsbestimmung, wie dies auch bei der alten kaiser-
lichen Gewerbeordnung der Fall war, die Zuständigkeit der gesamten
Regierung für diese Einführungsbestimmung festlegen sollte, damit
nicht irgendwelche, auf die freien Berufe bezugnehmenden Bestimmungen
allein durch das Handelsministerium vollzogen werden würden. Die
Standesehre und der Berufsethos seien die Grundlage dieser Überle-
gungen und keinesfalls materielle Gesichtspunkte. Das letztere fällt
mir sehr schwer zu glauben.
Tagesprogramm, 1.12.1971
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)