Freitag, 3. Dezember 1971
Hrdlitschka hat für 1/2 8 Uhr das Präsidium – Fraktion – einbe-
rufen und mich wegen der Kammeramtsdirektorfrage dazu gebeten.
So wie seinerzeit im Annental sind auch diesmal die Genossen
sehr verspätet erst nach 8 Uhr endlich alle beisammen. Laut meinem
Vertrag, den ich allerdings nicht genau gekannt habe, stünde
mit die Pension zwar zu, aber man hat grösste Bedenken, mir sie
jetzt auszubezahlen, solange ich aktiver Minister bin. Scheer
meint, er hätte vergessen zu überprüfen, ob überhaupt ein Pen-
sionsbezug von mir möglich sei und nun hat sich herausgestellt,
dass dies dem Staat zu bezahlen ist. Niemand kam auf meine Idee,
die ich allerdings auch noch nicht propagiert habe, meinen Rechts-
anspruch zu belassen, dafür aber den Betrag so weit er nicht von der
Steuer dann natürlich weggenommen wird, einem karitativen
Zweck zuzuführen. Ich mache dies z.B. mit meiner Aufwandsentschä-
digung, die ich als Gewerkschaftsobmann der Lebensmittelarbeiter be-
kommen seit Jahrzehnten. Da ich ja seinerzeit, als mich die Arbei-
terkammer bezüglich meiner Krankenversicherung so schlecht be-
raten hat, d.h. mich überlappt nicht verständigt hat und Häuser
sich nachher masslos geärgert hat, habe ich mit Häuser vereinbart,
dass ich nichts mehr unterschreiben werde, bevor er dieses Problem
überdacht und für sich geprüft hat. Ich habe deshalb Scheer
ersucht, er möge sich mit dem Betriebsrat der Regierung, Vize-
kanzler Häuser, wegen meines Falles ins Einvernehmen setzen.
Botschafter Leitner berichtete bevor um 9 Uhr die interministerielle
Sitzung begann von Brüssel. Ich informierte ihn dann unter vier
Augen, dass die Handelskammer und die Industriellenvereinigung
jetzt insbesondere gegen das Interimsabkommen Stellung beziehen.
Da Leitner als sehr aktiver Botschafter bekannt ist, der seinen
Ehrgeiz darin sieht, wo er der Delegationsführer ist, unbedingt ab-
zuschliessen, glaube ich, dass es zweckmässig war, ihn in dieser
Frage bei seinem Ehrgeiz zu packen. Die interministerielle Sitzung
verlief dann auch wie geplant. Wir begannen mit den Globalabkommen
und konnten alle Punkte des Vertrages aber auch der Erklärung wie
sie der Delegationsleiter Marquet abgeben wird einvernehmlich be-
sprechen und auch beschliessen. Bei der Besprechung sind fast
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100 Leute anwesend gewesen. Trotzdem konnte es zügig abgewickelt
werden. Beim Interimsabkommen ergaben sich die erwarteten Schwierig-
keiten mit der Handelskammer, Dr. Gleissner, aber auch mit der
Industriellenvereinigung, Dr. Marquet. Da ich um 1/2 1 Uhr zur
Auszeichnung der Bergleute gehen musste, ersuchte ich die anwesenden
Kammervertreter, wenn die Sitzung früher zu Ende ist, dass sie unbe-
dingt noch in mein Zimmer kommen sollten. Ebenso bat ich Marquet,
Pultar, Leitner und Reiterer sowie Steiger zu mir. Während meiner
kurzfristigen Abwesenheit zur Unterzeichnung des marokkanischen
Vertrages, hatte ich, nachdem ich Marquet vorher davon verständigt
hatte und er spontan sofort sehr begeistert war, dem Reiterer
den Vorsitz übertragen. Ich muss nämlich unbedingt darauf achten,
dass nicht das Haus und insbesondere er dadurch verärgert wird, dass
Marquet und Leitner in Erscheinung treten und währenddem er nur ein
stiller Zuhörer wäre.
Zur Paraphierung des österr.-marokkanischen Vertrages, der ziemlich
nichtssagend ist, wollte zuerst der anwesende Aussenminister von Marokko
kommen. Letzten Endes aber erschien nur der Botschafter, um die Para-
phierung vorzunehmen. Trotzdem bin ich hinübergegangen, um zu dokumen-
tieren, wenn ich schon nicht bei den diversen Festlichkeiten, die
der Aussenminister gab, anwesend bin, so will ich mich doch um die
materielle Seite des Besuches sehr kümmern. Der marokkanische Botschaf-
ter meinte dann auch, es werde damit dokumentiert, wie sehr Österreich
an dem Abkommen resp. an den marokkanisch-österreichischen Beziehungen
interessiert sei. Der Botschafter lud mich auch im Namen der Minister
zu einem Besuch nach Marokko ein. Ich dankte für die Einladung, machte
aber keine konkreten Zusagen.
Bei der Auszeichnung der Bergknappen und der Verleihung des Bergrat-
Titels sowie einiger hoher Orden des Bundespräsidenten an Gen.Direktor
der Rohölgewinnung und seinen kommerziellen Direktor spielte die ÖMV-
Werkskapelle und dies ist natürlich noch feierlicher als jede
andere sonstige Auszeichnung und Ordensverleihung. Da ich für
jeden einzelnen Ausgezeichneten einigen Worte der Anerkennung und
besondere Leistungen herausstrich, zog sich die Auszeichnungsdauer
natürlich länger hin, als sich dies früher wahrscheinlich der Fall
gewesen ist. Bei den Fohnsdorfern erwähnte ich noch nebenbei, dass
die Bundesregierung die schwierige Lage kennt und dass wir Lösungs-
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versuchte unternehmen werden und nicht die dort Beschäftigtem im
Stich lassen. Wie wenn ich es geahnt hätte, hat mir Wanke am Abend
dann berichtet, dass das Projekt Patentverwertungsgesellschaft ziem-
lich geplatzt ist und wie daher die 16 Mill. auf alle Fälle ander-
weitig verwendet müssen. Er selbst schlägt vor, dass wir insbesondere
die Planungsgesellschaft von Aichfeld-Murboden finanziell unterstützen
sollen, da keine andere Projekte mehr vorliegen. In diesem Fall würden
wir allerdings auch für Fulpmes, das eine ähnliche Situation hat,
Mitteln aufwenden. Sicher ist, dass wir auch gar keinen Fall die Be-
träge verfallen lassen wollen.
Die Besprechungen in meinem Zimmer mit den Interessensvertretungen,
es waren alle Delegierten bei der interministeriellen Kommission
dann in mein Zimmer gekommen, Leitner, Marquet, Pultar und Reiterer,
dauerten über die ganze Mittagszeit. Da ich überzeugt war, dass wir
die Beamten kaum überzeugen konnten von den Kammern und von der
Industriellenvereinigung wollte ich damit dokumentieren, dass wir
alles daran setzen, um das Problem gründlich zu erörtern. Insbeson-
dere ging es darum, ob man die Gelegenheit nützen soll, und das Inte-
rimsabkommen jetzt abzuschliessen. Selbst Pultar setzte sich dafür
ein. Da die Kammerleute ja doch nur ihren Präsidien berichten, war
ich sehr froh, als zum Schluss Marquet erklärte, der Aussenminister
bestünde nicht unbedingt auf das Interimsabkommen wenn die Wirtschaft
es wirklich nicht wollte und Leitner selbst erörterte zum Schluss, dass
wir der EWG den grössten Gefallen machen, wenn wir sagen, wir ver-
zichten auf das Interimsabkommen.
Im Direktorium der ÖFVW wurde der Vertreter von Wien durch den
Vertreter der Steiermark, Hofrat Gaisbacher, abgelöst. Komm.Rat Ja-
ger hat dann für meine Dankesworte hier herausgestrichen, dass es
unter meiner Führung möglich war, die ÖFVW erstens einmal finanziell
jetzt besser zu dotieren und vor allem ein guten Einvernehmen mit den
Ländern herzustellen. Die Hauptschwierigkeit war dabei nur Langer-
Hansel, der von den Ländern, und dies meistens sogar mit Recht, ange-
griffen wurde, zu neutralisieren. Langer-Hansel ist sehr aktiv
aber hat eine unglückliche Art. Meine Tätigkeit bestand darin,
die Spannungen, die zwischen ihm und den Ländern immer wieder
auftauchen werden, auf ein Minimum zu reduzieren. Gegebenenfalls
muss man Beschlüsse, die er ohne mit jemandem zu reden, gefasst hat
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dann halt irgendwie ausbügeln. Manchmal ist er ein ungeheurer
Optimist und erklärte irgend etwas ist schon erledigt, was in
Wirklichkeit nicht einmal noch in den Grundzügen beschlossen
ist. So wurde z.B. durch Monate hindurch das Projekt unserer
Zweigstelle in Amerika, d.h. in New York als endgültig abschluss-
reif dargestellt und in Wirklichkeit ist das Ganze jetzt nochmals
geplatzt. Patzak, der Zweigstellenleiter, ist auf seine eigenen
Kosten nach Europa geflogen, um jetzt endgültig zu wissen, ob
er die Räume im Rockefeller-Center jetzt mieten kann. Sowohl Vranitzky
als auch Androsch, die bei der Weltwährungskonferenz drüben waren,
haben sich die Räume angesehen und treten unbedingt für das Rockefeller
Center ein. Androsch hat mir sogar zugesichert, er würde gegebenenfalls
wenn grössere Beträge dafür aufgewendet werden müssten, sich irgend-
wie indirekt beteiligen. Patzak wurde nun ermächtigt, die jetzigen
Räume unterzuvermieten, unser Mietvertrag läuft noch etliche
Jahre, und kann daher nicht gekündigt werden und trotzdem die Räume
des Rockefeller-Centers gemeinsam mit der AUA und der Verkehrsbüro-
Verkaufsgesellschaft zu mieten. Ich sah Patzak das erste Mal und er
machte auf mich eine sehr guten Eindruck.
Das nächstjährige Budget wird statt 72 Mill. 101 Mill. umfas-
sen und hat aber trotzdem keine grundsätzlich neuen Ideen. Koppe
hat vollkommen recht, dass wir in Wirklichkeit nur an einem falschen
Grundkonzept weiterbasteln und dass wir in Wirklichkeit ganz neue
Marketingmethoden auch für die österreichische Fremdenverkehrswerbung
einführen müssten. Jetzt könnten wir nur die technischen Voraussetzung
gen schaffen und hoffen, dass es dann Patzak und den jungen Leuten
nach ein paar Jahren gelingt, ganz neu nach einem moderneren Grundkon-
zept die ÖFVW aufzubauen. Interessant war, dass das Budget zwar vom
Geschäftsführer vorgelegt wurde, dann der Geschäftsführer selbst er-
klärte, man müsste doch etliche Reserven schaffen und einige Budget-
positionen ganz einfach dann wieder kürzte, da man selbstverständ-
lich bei einem 100-Mill.-Budget etliche Millionen als Reserve
dringendst benötigt. Langer-Hansel erklärte sein Verhalten dahingehend,
dass er jetzt seit einigen Tagen erst wieder zurück sei. Eine so
Hü-Hott-Politik ist mir noch nie untergekommen. Wir einigten uns
dahingehend, dass das Budget jetzt so ausgeschickt wird, es wurde
nämlich schon versendet und wir nur nachher in der Hauptversammlung dies-
bezügliche Beschlüsse über eine Reservebildung bei der und der Post
fassen werden. Immer mehr prägt sich bei mir die Meinung, dass in
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der ÖFVW nur mit neuen Leuten neue Ideen kommen werden und
die ganze Organisation dort auf den Kopf stellen. Wir haben
z.B. glaube ich mit Frau Schmid, die jetzt in Paris die
Zweigstellenleiterin ist, einen guten Fang gemacht, denn man
hört überall, dass sie sich wirklich sehr durchsetzt. Ich habe
Bilder gesehen, wo sie wirklich anpackt und das hat mir mächtig
imponiert.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Ich habe seinerzeit angeregt und dich ersucht,
man soll vorsorgen, dass am Jahresende unsere Zweigstellenleiter
ein Schreiben bekommen, wo wir uns für ihre Tätigkeit bedanken und
gleichzeitig auf die Erfolge der einzelnen Länder zur Steigerung
des österr. Fremdenverkehrs hinweisen, bitte die Aktion nicht ein-
schlafen lassen.
Heinz Fischer-Karwin wollte eine Serie von Künstlern und letzten
Endes auch Politikern machen mit dem Thema, wie weit Aberglaube
für den einzelnen eine Rolle spielt. Da ich überhaupt nicht aber-
gläubisch bin, verblieben wir dann so, dass wir eine negative Auf-
nahme machen, d.h. uns unterhielten, warum die österreichischen
Politiker so wenig abergläubisch sind. Vorerst hatten wir noch
ein Interview über die Frau meines Lebens, mindestens so nichts-
sagend wie die Aberglauben-Sendung. Damit will ich nicht sagen,
dass meine Frau nichtssagend ist, ganz im Gegenteil, sondern ich
wundere mich immer nur, wie solche Sendungen zustandekommen und
vor allem, wer sich solche Sendungen anhört. Da ich weiss, dass
diese Sendungen aber sehr beliebt sind und sogar viele Menschen
aus solchen kleinlichen Äusserungen beurteilt werden, füge ich
mich natürlich immer den Wünschen von Koppe und tu dabei mit.
Der ÖAMTC, der Gen.Sekr.-Stv. und der Rechtsreferent Soche, kamen
um über die Beleuchtung auf den Autobahnen mir ein Schreiben resp.
ein Memorandum zu überreichen. Sie waren ganz erstaunt, dass ich
gleich bei ihrem Eintritt sagte, ich hätte mich mit dem Problem,
was ich auch tatsächlich am Vorabend gemacht habe, eingehend be-
schäftigt und könnte ihnen bereits jetzt unsere Stellungnahme
in grossen Zügen mitteilen. Sie wollten zuerst gar nicht glauben,
dass wir dieses Problem schon wissen können, weil sie doch erst
ihr Memorandum jetzt abgeben wollen und ich konnte darauf hinweisen
dass der anwesende Ministerialrat Metzner über alles informiert ist
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und mich auch im Detail informiert hat. Es hat sich wieder einmal
bewahrheitet, dass Detailinformation alles ist.
Der belgische Aussenhandelsminister Fayat kam mit dem belgischen
Botschafter, um mir und Reiterer seine Aufwartung zu machen und wir
besprachen gleich unsere Wünsche bezüglich der Europäischen Wirtschafts-
gemeinschaft. Da in Belgien, so wie in fast allen Staaten der Aussen-
minister für die Integrationsverhandlungen zuständig ist, versprach
er, mit dem belgischen Aussenminister Harmel die Wünsche sofort nach
seiner Rückkehr nach Brüssel zu besprechen. Zum Glück erfragte ich noch,
ohne dass es unser Gast bemerkte, von Reiterer, dass Fayat zur
Sozialistischen Internationale gekommen ist. Ich hatte zwar keine
Ahnung, dass am nächsten Tag Fayat ebenfalls bei dieser Währungs-
konferenz anwesend sein wird, von der ich auch erst in letzter Minute
erfahren habe. Dadurch konnte ich erklären, dass wir als Gastgeber
ja keine Chance haben, mit ihm noch etwas zu vereinbaren. Am Abend sei
er zum Heurigen geladen, morgen mittags sei der Bundeskanzler Gast-
geber von einem Essen und am Abend sei ein Opernbesuch vorgesehen und
anschliessend eine Einladung von Androsch zu einem Essen im Sacher.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte, das nächste Mal zu versuchen, dass ich
zeitgerecht diese Information bekomme, damit ich mich nicht so vor-
tasten muss oder vielleicht sogar eine blödsinnige Einladung oder Be-
merkung mache. Reiterer hat Gott sei Dank gewusst, dass Fayat zur So-
zialistischen Internationale kommt.
Tagesprogramm, 3.12.1971