Montag, 20. Dezember 1971
Der Gasminister Kortunow hat bei der Vorsprache beim Bundespräsidenten
wie er selbst sagte, zum ersten Mal klar und deutlich ausgedrückt,
dass die SU grossen Wert darauf legt, die Lagermöglichkeiten Österreichs
es sind ungefähr 6 Mia. m³ möglich, für ein europäisches Gasverbund
zu nützen. Das Problem wird nur sein, wer die Kosten für eine solche
Lagerung übernimmt. Im Prinzip dürfte aber die SU in den nächsten Jahren,
zumindestens, was den Gasminster betrifft, sehr expansiv auf diesem Ge-
biet sein.
Der Bundeskanzler hatte die Sozialpartner zu einer Aussprache über
das Preisregelungsgesetz eingeladen. Da dann von Seiten des Zehnerklubs
eine Einigung über die zukünftige Währungspolitik erzielt wurde, hat
der Bundeskanzler dann auch die Parteien eingeladen und die Nationalbank
um über dieses Problem zu sprechen. Sallinger hat nur die erste Ein-
ladung erhalten und fragte deshalb an, ob und zu welchem Zweck sie jetzt
eingeladen wurden. Schleinzer schloss sich sofort an und wollte die
Grundeinstellung, die Gesinnung wissen, die jetzt hier bei diesen Bespre-
chungen gelten sollte. Er sei zu Kooperationen jederzeit bereit, doch
müsste er doch fragen, ob Interviews in den letzten Tagen dazu beitragen.
Kreisky erklärte, dass durch eine Erkrankung der Sekretärin eine ent-
sprechende Einladung unterblieb und dass über die Währungssituation
sowie bisher eine informative Besprechung erfolge. Was den Geist be-
trifft, könnte er keine Zwang ausüben, aber ein Maximum der Zusammen-
arbeit versuchen zu erreichen. Die Preisfrage, da seien es die Sozialpart-
ner, die vorher zu einer Einigung kommen müsste, denn Kreisky sei ja
nur in der Paritätischen Kommission der fünfte Mann.
Die schildere ich deshalb so genau, weil wirklich eine sehr gespannte
Stimmung herrschte und ich eigentlich befürchtete, dass jeden Moment
irgendwie das ganze noch einmal auseinandergehen könnte. Letzten Endes
aber – und es wäre nicht Österreich – hat sich alles wieder in Wohlge-
fallen aufgelöst. Androsch berichtete über die Währungssituation. Er
will abwarten, wie sich die Kursentwicklung bei den anderen Nationen
ergibt und dann erst eine endgültige Paritätsfestsetzung vornehmen.
Vorher schon hat Benya mir gesagt, dass wenn der Finanzminister die
Absicht hat, über 2 % die Aufwertung zurückzuführen, er sich dagegen
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aussprechen wird. Auch Korp war auf dieser Linie. Kienzl hat
also hier bei Benya entsprechende Vorarbeiten geleistet gehabt. Da-
durch, dass das Floaten bei Aufwertung gegenüber dem Dollar 9,98 % be-
trug, die DM aber mit 11,5 und der Schweizer Franken mit 10,8 derzeit
notiert, hat eine Decalage gegenüber den Hauptexportländern, die 50 %
unseres Handelsvolumens ausmachten, bestanden und Androsch erklärte,
dies wird auch weiter bestehen. Hrdlitschka, Peter und Benya wiesen
auf die Preiserhöhungsgefahr hin, wenn es zu einer teilweisen Rücknahme
dieser Aufwertung kommt. Andererseits verwies Sallinger und Mayer-Gunt-
hof besonders auf die Notwendigkeit der Exportindustrie hin, die eine
Abwertung verlangten. Peter schloss sich dann natürlich auch gleich
wieder diesen Exportindustriewünschen auch an. Wichtig für uns als
Fremdenverkehrsland war, dass Banken sich bereit erklärten, auf ihr
Risiko, das letzte Mal nämlich war es auf Risiko der OeNB für die
Fremden die Umtauschmöglichkeiten vollinhaltlich aufrechtzuerhalten.
Da man keine endgültigen Beschlüsse fassen konnte und wollte, einigten
man sich darauf, die Entwicklung abzuwarten und sich dann wieder zu
treffen.
Nun wurde bis knapp vor die Parlamentssitzung mit den Sozialpartnern –
die anderen verabschiedeten sich – verhandelt. Kreisky erklärte, das
ein hinüberschieben dieses Problem auf die reine politische Seite nicht
in Frage kommt, da der § 3a die Interessensvertretungen nennt und
daher die Interessensvertretungen sich einigen müssten. Er stelle sich
vor, dass im Gesetz vorgesehen wird, dass ein Wirtschaftspartner den
§ 3a auslösen kann, dass aber ein Gentlemen's Agreement abgeschlossen
wird, dass wenn die betreffende Firma sich dann bereiterklärt, zur
Paritätischen Kommission zu gehen, die anderen sofort zustimmen, dass
dann der § 3a nicht wirksam wird. Seine Juristen haben ihm sogar,
er fürchtet den Verfassungsdienst, gefragt mit dem Vorschlag erklärt,
dass dies eine tragbare Vereinbarung sein würde. Sallinger meinte,
für die politischen Parteien gäbe es keine Gesetzesänderung und er
selbst könnte auch einer Gesetzesänderung unter gar keinen Umständen
zustimmen. Er hätte aber neuerdings in der BHK den seinerzeitigen Be-
schluss bekräftigen lassen und würde in Hinkunft tatsächlich einer
Anwendung des § 3a zustimmen. Benya war sehr verärgert, dass alle
anderen ihre Generalsekretäre zumindestens, Hrdlitschka war sogar
mit Scheer und Zöllner gekommen, er aber, da er nicht wusste, um was
es sich handelt, nur allein anwesend war. Er suchte deshalb auch
Kollegen Häuser als Vizepräsident des Gewerkschaftsbundes von der
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Regierungsseite zu ihm zu kommen. Häuser machte nun sofort den Vorschlag
dass es doch nicht zu erwarten sei, dass eine gesetzliche Änderung jetzt
noch möglich sei, da diese lange Verhandlungen voraussetzen würden
Andererseits müsste aber wirklich eine wirksame Regelung jetzt zwischen
den Sozialpartnern vereinbart werden. Mussil ging sofort darauf ein
und meinte, sie könnten sich sehr vorstellen, dass eine Frist festgelegt
wird, nach der die Unternehmer zur Paritätischen Kommission gehen müs-
sen und im weiteren Verlauf der Verhandlungen werden auch bereit, dass
der § 3a angewendet wird, wenn er nicht Preiserhöhung innerhalb einer
kurzen Frist zurückführt. Es entwickelte sich dann eine lange Diskussion,
was geschehen soll, wenn es sich um keine marktbeherrschende Unternehmung
handelt. Die Argumentation von Mussil, dass die Streichung nicht einmal
in der Regierungsvorlage zur Begutachtung ausgesendet wurde, war, konnte
Rösch jetzt endlich durch eine ganz gute Erklärung entgegentreten.
Als er nämlich seinerzeit den Entwurf ausgesendet hat und eine entspreche
de Änderung des § 3a vorschlug, hat man ihn in der Begutachtung mit-
geteilt, dass die Sozialpartner auf der Freiwilligkeit und Ein-
stimmigkeit aufgebaut sind und deshalb es diesen überlassen bleiben müsse,
ob sie eine Änderung anstreben. Er hätte deshalb diese Argumentation
bei der letzten Begutachtung aufgenommen und hätte eben dann gewartet,
ob ihm ein Vorschlag von den Sozialpartnern kommt und den hätte er
dann in die Regierungsvorlage, die dem Parlament zugeleitet wurde,
aufgenommen. Hrdlitschka und Zöllner beharrten in dieser Phase der
Verhandlung noch immer sehr stark auf unbedingt eine entsprechend
wirksame Änderung des Gesetzes und waren Falken. während der Falke
Benya, wie er bezeichnet wurde, jetzt endgültig zu einer Lösung
kommen wollte und ein sehr taubenhaftes Verhalten an den Tag legte.
Wenn man nicht Verhandlungsführer ist, glaube ich, kann man bei diesen
ganzen Verhandlungen kaum einen Einfluss nehmen. Ich war deshalb sehr
froh, als Benya vorschlug, die Sitzung zu unterbrechen. Die Sozialisten
zogen sich zum Bundeskanzler zurück und dort erklärte Benya rundheraus,
ob man eine entsprechende Novelle wünsche, resp. ob man aus der
starren Haltung herauskommen wolle. Alle waren froh, ich selbst war
ja immer für die weiche Tour, als man nun eine Weg suchte, die Frage
war nur, wieweit würde die Handelskammer gehen, einer gesetzlichen
Änderung zuzustimmen. Benya meinte, dass jede Novelle des § 3a kaum eine
sachlich bessere Möglichkeit für die Beeinflussung der Preise bieten
würde. Optisch aber müsste nun eine Novelle doch in Angriff genommen
werden, um das Gesicht zu wahren, aber andererseits auch müsste man
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erkennen, dass die Handelskammer nicht bereit wäre, die marktbe-
herrschenden Unternehmungen von dem derzeitigen § 3a zu streichen,
d.h. in Hinkunft alle Unternehmungen, wenn sie nicht zur Paritätischen
Kommission gehen, automatisch dem Preisverfahren zu unterwerfen. Selbst
wenn die Einstimmigkeit aufrechterhalten bleibt. Kreisky wieder be-
stand darauf, dass unter allen Umständen eine zielführende Novelle
des § 3a von der Regierung verlangt werden muss. Zum Schluss
einigten sich die Sozialisten, dass aus der in § 3a gesehenen
Preisregelungsmöglichkeit, die auch weiterhin einstimmig er-
folgen sollte, nicht nur ganze Wirtschaftszweige oder marktbeherr-
schende Unternehmungen sondern auch, wenn die Interessensvertretungen
übereinstimmend feststellen, andere Unternehmungen dieser Prozedur unter-
worfen werden können, wenn es gemeinsam als notwendig erachtet wird.
Es solcher Vorschlag wurde Sallinger, Mussil, Lehner, Brandstätter
überreicht und gleichzeitig wurde festgehalten, dass man im Parlament
weiter verhandeln wird. Da man um 2 Uhr im Parlament sein musste,
der Finanzminister gab eine Erklärung zur Währungssituation ab.
Die Erklärung des Finanzministeriums im Parlament lag auf derselben
Linie wie die Besprechung, die vorher gerade geführt wurde.
Insbesondere wies er auch drauf hin, dass der Importpreisindex
im Jahre 1969 92,2 und bis Juni 1971 auf 105,5 gestiegen wäre, während
der Exportindex von 91,8 nur auf 97,8 sich erhöht hat. Bei der Dis-
kussion über diese Erklärung wird nach Ende der Debatte über das Kapitel
Handel erfolgen, so war der Antrag von Koren. Vorher war interessanter-
weise eine Besprechung zwischen Gratz und Koren gewesen, die haupt-
sächlich über die Frage ging, ob eine Debatte und wann diese Debatte
über die Erklärung des Finanzministers erfolgt. Ich hatte seinerzeit,
als ich beabsichtigte, über die Interimsverhandlungen eine Erklärung
abzugeben, gar nicht daran gedacht, dass die Klubs ja vorher wirklich
vereinbaren müssen, ob daraus eine Debatte sein wird oder nicht.
Koren sagte nämlich bei diesem Gespräch mit Gratz, ich war zu-
fällig anwesend, dass bei jeder Erklärung eines Ministers selbst-
verständlich daran sich eine Debatte anknüpfen muss und ich in Hin-
kunft wird. Ich hatte hier die Spielregeln des Parlaments hier wirklich
damals fast missachtet, zumindestens habe ich nicht daran gedacht.
Zuerst bestand der Glaube oder die Hoffnung, dass die Debatte über
das Kapitel Handel nicht allzu lange dauern wird und deshalb noch
die Möglichkeit besteht, heute das Kapitel abzuschliessen und sofort
daran die Debatte über diese Erklärung aufzunehmen. Im Laufe des
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des Nachmittags, nach stundenlangen Debattenbeiträgen der Opposition
aber auch der SPÖ, kannte ich schon, dass niemand daran denken wird,
wirklich diese Debatte heute noch zu führen, sondern jeder auf den
anderen Tag hinüberkommen wollte. Für mich bedeutete dies, dass ich
auch erst am Schluss der Debattenredner mich zu Wort melden wolle.
Die Opposition, so hatte ich zumindestens den Eindruck, war diesmal
gegenüber dem Handelsressort wesentlich härter als das letzte Mal.
Ich glaube, dass die Hauptschwierigkeit darin besteht, dass man auf
konkrete Angriffe ja unmittelbar nach jedem Redner antworten müsste
Dies geht aber nicht, wohl könnte man nach der Geschäftsordnung so vor-
gehen, da der Minister jederzeit das Wort gekommen muss, aber dies
würde sicherlich einen Aufstand des Hauses auslösen. Gegen Ende der
Diskussion um ca. 8 Uhr wurde mir dann mitgeteilt, dass sich die Sozial-
partner auf die von uns am Vormittag besprochene Formel geeinigt hatten
und dass deshalb entsprechend der Antrag jetzt als Initiativantrag
ins Plenum kommen wird. zu diesem Zweck wurde nun Hobl ans Rednerpult
geschickt, um durch einen Debattenbeitrag über die Strassenverkehrs-
ordnung und über die Schulwegsicherung zu überbrücken. Hätte man mir
diese Taktik gesagt, dann hätte ich erklärt, ich könnte auch jetzt
bereits die Beantwortung beginnen und hätte dann reichlich Zeit gehabt,
über die einzelnen Anfragen und Kritiken zu antworten. So stellte sich
dann heraus, dass als die Anträge im Hause waren, Gratz kam und erklärte,
ich sollte mich bitte kurz fassen, denn man möchte unbedingt heute noch
das Kapitel Handel zur Abstimmung bringen. Auch der ÖVP-Ordner König
kam und ersuchte um knappste Beantwortung, denn nach mir würde Staudinger
noch reden und um 10 Uhr war ja vereinbart werden, dass die Sitzung unter-
brochen wird. Ich stand jetzt vor der Frage, so wie schon oft, mich
der Disziplin und den Plan des Klub, resp. in diesem Fall der beiden
Klubs zu unterordnen oder eine ausführliche Beantwortung all der
Angriffe vorzunehmen. Ich entschied mich – so wie ich es bisher
immer getan habe – für die Disziplin. Sprach dafür aber umso schneller.
Eine unbefriedigende Lösung. aber was soll's. Gehart sagte dann
beim Nachhausefahren, dass es eigentlich erschütternd ist, ein ganzes
Jahr wird in einem Ministerium gearbeitet, dann gibt es eine Budget-
debatte und man erwartet, dass man bei dieser Debatte nicht nur kriti-
siert wird, sondern vielleicht sich auch Leitlinien herauskristallisieren,
wie und was das Ministerium in der nächsten Zeit in Angriff nehmen soll.
Gehart hat scheinbar noch die Idealvorstellung, dass bei einer solchen
Debatte jemals irgendwelche positiven Seiten herauskommen. Ich glaube
überhaupt, dass hier eine dringendste Reform notwendig ist, denn dies
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ist nicht nur für die Minister unangenehm, manche haben ja sogar stunden-
lang geantwortet, ohne dass natürlich auch in diesem Fall irgendein
Effekt erzielt worden wäre, noch natürlich für die Debattenredner,
die ihr Konzept haben und dies ganz einfach vortragen, manche sogar vor-
lesen, ohne dass sie selbst das Gefühl haben, hier irgendetwas Posi-
tives geleistet zu haben.
Das Negativste war, dass – als ich in der Nacht schlafen ging, das
Telefon läutete und meine Frau dann natürlich bereits schlief von
Erna Kienzl angerufen wurde und mitgeteilt, wieso sie schlafen
könne, wenn ihr Mann im Fernsehen so phantastisch – wie sie sich
ausdrückte – gegen die Angriffe repliziert. Vielleicht stellt sich
in den Massenmedien die unglückliche Art der Debatte wesentlich
besser dar als ich sie empfinde.
Tagesprogramm, 20.12.1971
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)