Mittwoch, 12. Jänner 1972
Komm.Rat Steidl, Komm.Rat Altmutter, Funktionäre des Kohlenhandels
und Dr. Widhalm als Sekretär von ihnen, sowie der Vorsitzende des
Preisunterausschusses wollten mich vor der Paritätischen Kommission
noch sprechen. Der Kohlenhandel hatte am 1.4.1971 die letzte Spannen-
erhöhung bekommen. Seit 1. Jänner 1972 zahlen sie nun die höheren
Löhne und wollten daher unverzüglich um den Lohnanteil ihre Spannen
erhöht haben. Noch lebe ich von meinem Ruf, in meiner vorhergehenden
Funktion, denn sie nehmen an, dass ich einen wesentlichen Anteil in
der Paritätischen Kommission habe. Ich setzte ihnen auseinander, dass
die Bundesregierung und die Regierungsmitglieder in der Paritätischen
Kommission ja eigentlich nur geduldete Zuhörer sind und dass die Ent-
scheidung in Wirklichkeit bei den Präsidenten bereits fällt und in der
Paritätischen Kommission nur mehr eigentlich bestätigt wird. Ich weiss
nicht. ob dieser Zustand gut ist, aber de facto ist er so. In der PK
selbst kann ich eigentlich überhaupt keinerlei Initiativen und Aktivi-
täten entwickeln. Die Hauptschwierigkeit sah ich darin, dass nicht
einmal noch ein Jahr seit der letzten Preiserhöhung vergangen ist.
Dr. Farnleitner von der Handelskammer musste mir bestätigen, dass
eigentlich in der Präsidentenbesprechung die Entscheidung fallen wird.
Die Delegation war trotzdem sehr zufrieden, weil sie nämlich überhaupt
so schnell einen Termin bekommen hat und weil ich sie angehört habe.
In der Wirtschaftspolitischen Aussprache der PK berichtet seit eh und
je Nemschak über die wirtschaftliche Lage und Präs. Schmitz von der
HK sowie der Finanzminister ergänzen von ihrem Standpunkt. Androsch
nützte die Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass er beabsichtige,
die Mehrwertsteuer im Parlament zuzuleiten. Im Rahmen der Verbändebe-
sprechung möchte er dann in seinem Ministerium die flankierenden Mass-
nahmen dazu besprechen. Unter anderem deutete er an, dass er sich vor-
stellt, dass man einen vorübergehenden Preisstopp, ohne dass er das
Wort nannte, als dringend bezeichnen müsste. Ich besitze noch nicht
die Preiskompetenz und kann mich natürlich daher schwer gegen ein solches
Vorgehen von ihm wehren. Ausserdem widerspricht es meinem Prinzip, dass
wenn jemand unbedingt glaubt, er muss eine Arbeit machen, ihn davon
abzuhalten. Ich bin nur sehr gespannt, wie die Handelskammer jetzt auf
dieses Verlangen von Androsch reagieren wird. Ich glaube nur, dass
Androsch sich jetzt in einer Phase befindet, wo er glaubt, dass er
wirklich alles machen muss.
In der Präsidentenkonferenz zur Besprechung der Paritätischen Kommis-
sion hat es einen riesigen Krach gegeben. Die Landwirtschaft wollte der
Erhöhung des Düngerpreises von den Stickstoffwerken nur dann zustimmen
wenn gleichzeitig ihr Getreidepreis erhöht wird. Präs. Lehner von der
Präsidentenkonferenz hat in diesen Fragen ganz besonders Schwierigkeiten,
da er als Aufsichtsratsmitglied der Stickstoffwerke dafür ist, aber
von Bierbaum und den radikalen Bauernführern auf alle Fälle eine negative
Stellungnahme zu diesem Antrag vertreten musste. Ich war daher sehr ge-
spannt, wie er in der Paritätischen Kommission dieses Problem erledigt
wird. Zu meiner und zu aller Überraschung stimmte dann Lehner dem Preis-
antrag zu, erklärte aber, dass er dies deshalb machen könne, weil eine
Aussprache zwischen ihm und Landwirtschaftsminister Weihs hätte ergeben,
dass mit 1.7. der Getreidepreis erhöht werden sollte. Sowohl Häuser
als auch Rösch kamen nachher zu mir und fragten, ob ich von dieser Ent-
scheidung etwas gewusst hätte. Beide waren nämlich deshalb so erstaunt,
und ich muss gestehen, auch ich konnte mir diesen Wandel von Weihs
nicht erklären, am Vortag hat er noch im Fernsehen öffentlich erklärt,
dass eine Getreidepreiserhöhung überhaupt nicht in Frage kommt, da
damit auch die Futtermittelpreise und die Fleischpreise entsprechend
steigen würden. Rösch meinte, dazu benötige er eine zweite Unterschrift,
nämlich die von ihm als oberste Preisbehörde und er könnte daher nicht
verstehen, dass er eine solche Erklärung oder Vereinbarung, ohne dass man
ihn zumindestens verständigte, abgegeben wird. Rösch meinte nur, es
wird höchste Zeit, dass er dieses ganze Geschäft los wird und dass
ich dann als oberster Preisrichter nach dem grossen Kompetenzgesetz mich
mit diesem Problem herumschlagen müsste. Für mich war dies eine heilsame
Lehre, dass man auch dann, wenn Rösch als gutmütiger Minister in
dieser Kompetenz keine besondere Initiative entwickelt, man doch mit
ihm über solche Probleme zumindestens sprechen muss. Ich habe dies immer
so gehandhabt und ich glaube, das ist mit einer der Gründe, dass wir uns
so gut verstehen. Aus Bemerkungen, die Benya, aber auch Kreisky machten,
entnehme, ich, dass die zumindestens davon gewusst haben. Bei dieser
Gelegenheit konnte ich den Schluss ziehen, dass es doch sinnvoll ist,
wenn wirklich nur eine eindeutig alleinige Kompetenz eines Ministers
gegeben ist. Wenn nämlich mehrere Kompetenzen in einem Fall vorliegen,
dann ist es notwendig, unbedingt ein Einvernehmen vorher herzustellen,
weil der betreffende Minister ansonsten sich natürlich übergangen fühlt.
Ich fürchte ich wünsche aber andererseits Androsch viel Glück, wenn er
glaubt, dass er jetzt in der Verbändebesprechung dieses diffizile
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Problem der Preise auch im Rahmen des Mehrwertsteuerproblem lösen
kann. Die einzige Entschuldigung, die ich in diesem Fall mir gegen-
über habe, ist, dass ich sage, dass Zöllner mit Recht sagt, es müsste
unverzüglich und auch Tommy Lachs teilt diese Meinung, mit der
Handelskammer über dieses Problem verhandelt werden. Da ich ja noch da-
für keine wie immer geartete Kompetenz habe, ist es ganz gut, wenn
irgendjemand, der ebenfalls keine Kompetenz hat, versucht, mit der
Handelskammer zu einem Akkord zu kommen. Da ich überzeugt bin, dass
es nur äusserst schwer möglich ist – ich nehme eher an, dass es auf
alle Fälle negativ verläuft – so werde ich mich in die spezifische
Frage jetzt nicht einmischen.
Der Nachteil der Verbändebesprechung beim Finanzminister ist auch noch
der, dass dort kein Präsident sitzt, sondern nur Beamte. Im Falle der
Handelskammer kommt zwar gelegentlich auch der Gen.Sekr. Mussil
aber die anderen Beamten sind meistens kaum entscheidungsberechtigt.
Ich bin wirklich gespannt, welche Vorschläge von Seiten der Interesen-
vertretungen bei der nächsten Aussprache gemacht werden.
Gratz hat vom Parlament aus die Idee gehabt, damit die einzelnen
Nationalratsmitglieder mehr von der Regierungstätigkeit erfahren und
die Probleme mit den zuständigen Ministern besprechen, nicht in
einer Klausurtagung den Klub über alle Probleme gleichzeitig zu in-
formieren, sondern die einzelnen Ausschüsse, wenn notwendig ganztägig
arbeiten zu lassen. Im Handelsausschuss hatte ich deshalb Gelegenheit,
vor allem über unsere nächste legistische Tätigkeit, nämlich die Ge-
werbeordnung zu erörtern. Da um 1/2 2 Uhr aber bereits die ÖGB-Bun-
desfraktion angesetzt war, und auch das Lokal um 1 Uhr geräumt werden
musste, standen uns nur 2 Stunden zur Verfügung. Trotzdem konnte ich
über die wichtigsten Probleme so wie am Vortag in Vöslau ganz
kurz referieren und es hat dann eine lebhafte Debatte mit anspre-
chenden Anfragen der einzelnen Abgeordneten sich angeschlossen. An
dem Zustand, dass zwar die Abgeordneten alles wissen wollen, aber in
Wirklichkeit natürlich nicht allzuviel Zeit aufwenden, um sich über
Detailinformationen zu verschaffen, hat sich nichts geändert. Als
nämlich der Klub fragte, wer eigentlich alle Stellungnahmen haben
will, haben sich eigentlich nur einige junge Abgeordnete jetzt noch
dafür gemeldet. Ich bin überzeugt davon, wenn sie dann den Wust von
Stellungnahmen bekommen werden, so werden sie wahrscheinlich gerne
darauf in Hinkunft verzichten, sich in eine Spezialdebatte oder Spezial-
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information einzulassen. Ich weiss heute noch nicht, wer in dem
Unterausschuss über die Gewerbeordnung gehen sollte. Abschliessend
meinte Hobl, ich möge mir überlegen, ob es nicht eine Möglichkeit
Gäbe, die soz. Abgeordneten initiativ auftreten zu lassen. Er
stellt sich z.B. vor, dass wenn wir – wie jetzt – eine entsprechende
Ausfinanzierung der ERP-Fremdenverkehrsmittel mit Androsch verein-
bart haben, dass dann die soz. Abgeordneten initiativ im Parlament
auftreten könnten. Ich erwiderte sofort, dass ich dagegen gar nichts
einzuwenden hätte, sondern ganz im Gengenteil vollstes Verständnis
für ein solches Verlangen habe. Ich selbst lege nämlich wirklich
keinen Wert darauf, dass es unbedingt heisst, dass der Handels-
minister diese Initiative ergriffen hat. Ich habe ihn nur
gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass in Wirklichkeit in
dem Fall Androsch seine Zustimmung geben müsste. Androsch selbst
muss nämlich die finanziellen Mittel dafür bereitstellen und ich
weiss nicht, ob er wirklich bereit ist, hier eine Initiative der
Abgeordneten entwickeln zu lassen. Hobl wird dies mit Androsch be-
sprechen und mir dann Bescheid sagen.
In der Bundesfraktion des ÖGB wurde ich überrascht, dass ich
auch über die Tätigkeit der Regierung referieren sollte. Häuser
berichtete über den sozialpolitischen Teil. Ich selbst habe
natürlich nicht nur vom Handelsministerium referiert, sondern habe
mir – da ich die Genossen umgehend trotz der kurzen Zeit, die ich
dafür in Anspruch nahm – informieren wollte über alle wirtschafts-
politischen Probleme kurz die wichtigsten Gesichtspunkte mitgeteilt.
Auch über die Lohn- und Einkommensteuersenkung referierte ich,
allerdings ohne die Detailinformation und vor allem die gegensätzliche
Auffassung zwischen Häuser und mir auf der einen Seite und Androsch
und teilweise Kreisky auf der anderen Seite zu erklären resp. mit-
zuteilen. Hätte ich nämlich in diesem Forum auf die Ideen von Androsch
verwiesen, dann hätte dies eine entsprechend negative Stellungnahme
ich glaube der gesamten Fraktion gegen die Absicht von Androsch auslö-
sen müssen. Ich erklärte deshalb nur, ich bin überzeugt davon,
nachdem es ja am Donnerstag zu einer Aussprache zwischen Androsch
und Benya kommen wird, dass damit der Weg frei ist, um eine
befriedigende Lösung zu finden, die sei es in einer Akkontierung
sei es in einer Zwischenlösung mit 1. Juli gefunden werden kann.
Benya berichtete anschliessend dann ebenfalls und bemerkte zu diesem
Problem, dass er überzeugt ist, dass man zu einer Lösung kommen
muss und er nicht bereit ist, von seiner Forderung abzugeben.
Er möchte überhaupt nichts mehr über Radio und Zeitungen mit diesem
Problem in der Stellungnahme von Androsch konfrontiert werden, wird
deshalb auch keine wie immer geartete Auskunft mehr geben, hat aber
mit einer Deutlichkeit erklärt, dass eine Lösung gefunden werden
muss. Er hat sogar angedroht, dass wenn die ÖVP das nächste Mal
einen entsprechenden Antrag im Parlament einbringen würde, dann würden
entsprechend viele Sozialisten – Gewerkschafter - nicht im Saal sein
und damit diesem Antrag zum Durchbruch verhelfen. Aus dieser Äusserung
kann man schon entnehmen, dass es Benya in dieser Frage sehr ernst
ist. Ich selbst bin sehr froh, dass ich einerseits in der Regierungs-
klausur und andererseits aber bei dem Referat und Bericht in der
Bundesfraktion so kalmierend gewirkt habe.
Nach der Fraktion kam Ing. Hedrich von den Privatangestellten und
beschwerte sich bei mir, dass in meinem Haus über z.B. die Zellu-
lose- und Papierindustrie verhandelt wird, ohne dass die Privatange-
stelltengewerkschaft beigezogen wird. Ich erklärte ihm sofort und habe
dazu auch dann Hofstetter aber auch Hrdlitschka und Teschl von den
Chemiearbeitern dazu gebeten, dass an unserer Vorgangsweise sich
nichts ändern kann. Ich werde in Hinkunft so wie bisher nur den ÖGB
immer zu solchen Besprechungen laden lassen. Unter gar keinen Umständen
werde ich es meinen Beamten überlassen, einzelne Leute von Fachgewerk-
schaften zu Besprechungen einzuladen. Da bei der Grundsatzgruppe –
wie ich nachher Hofstetter erklärte – Lachs als Vertreter des Gewerk-
schaftsbundes immer anwesend ist, so obliegt es dann dem, wem
er zu Spezialbesprechungen von den Fachgewerkschaften heranzieht.
Natürlich können es dann nicht ein halbes Dutzend von Vertretern
sein. Hofstetter teilt diese Meinung 100 %-ig und wird in Hinkunft
dafür sorgen, dass innerhalb des Gewerkschaftsbundes mit den Fach-
gewerkschaften ein entsprechender Ausgleich erreicht wird.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, Vorsorge treffen, dass tatsächlich nicht
einzelne Fachgewerkschaften, sondern wirklich nur der Gewerkschafts-
bund immer eingeladen wird. Wir kommen sonst in des Teufels Küche.
Präsident Thaler, Dr. Jakadofsky und Koppe und Welser sprachen mit
mir die Verordnung über die Warendeklaration. Thaler hat hier zweifels-
ohne recht, dass es grosse rechtliche Probleme dabei gibt und er
mit einer gründlichen Vorbereitung eine solche Verordnung nur heraus-
geben möchte. Er befürchtet – und dies glaube ich entgegen der Mei-
nung von Koppe – zurecht, dass er ansonsten mit Vorwürfen dann über-
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häuft wird, wenn diese Verordnung hinten und vorne nicht halten
wird. Trotzdem ist natürlich – und da stimme ich Koppe wieder zu –
das Patentamt in dieser Frage bis jetzt noch nie initiativ geworden
und möchte daher auch in Hinkunft mit diesen Problemen nicht allzu sehr
belastet werden. Koppe hat sich deshalb mit Schwarz ins Einvernehmen
gesetzt und Schwarz war natürlich bereit, hier helfend einzuspringen.
Da wir nämlich ausser der Fernsehverordnung, über die Warendekla-
ration noch mindestens noch eine solche über Bodenbeläge bis
1. März bräuchten, so habe ich dann entschieden, dass Dr. Jakadofsky
und Schwarz gemeinsam versuchen sollten, die Arbeit zu leisten. Ich
glaube, dass es auf der einen Seite ein guter Anreiz ist, wenn man
im Haus einen zweiten Mann von einer anderen Abteilung findet, der
diese Arbeit bereit ist, ebenfalls zu machen. Andererseits wieder
muss man glaube ich sehr vorsichtig sein, denn sonst kann man er-
reichen, dass die dafür zuständige Abteilung dann sagt, dann mache
ich überhaupt nichts und dann werden die paar Kollegen, die mit
uns positiv kooperieren und bereit sind, Arbeit zu übernehmen, sehr
bald so überlastet sein, dass sie auch bald zusammenbrechen. Das
Ergebnis einer solchen Tätigkeit würde dann genau negativ sein
und überhaupt nichts mehr erledigt werden können. Wir müssen
deshalb immer wieder versuchen, die Leute, die bereit sind, mit-
zuarbeiten, nicht allzu sehr zu belasten und die anderen, die halt
in Wirklichkeit diese Arbeit machen müssten, durch Anreize und
durch die Drohung gegebenenfalls einen anderen einzuschalten mitzu-
reissen und nicht dort zu erreichen, dass die dann überhaupt nicht
mehr bereit sind, mitzuarbeiten.
Anschliessend kam dann sogar spät abends noch Dr. Lorenz, um
über die Arbeiten des Dokumentationszentrums mir zu berichten. Er sagte,
er möchte unmittelbar mir immer über den Fortgang der Arbeiten
Bericht erstatten, denn er würde sonst befürchten, dass die Arbeit
nicht entsprechend gewertet wird. Ich beruhigte ihn und erklärte,
dass ganz im Gegenteil ich vollstes Vertrauen zu seiner Arbeit
habe und er sicher sein könnte, dass wenn er auch mit jemandem vom
Büro von uns spricht, ich damit vollkommen einverstanden und zufrie-
den bin, weil ich ja seine Initiative kenne und er nur entsprechend
weiterarbeiten soll. In Wirklichkeit wollte er diese Aussprache,
da er eine zusätzliche Schreibkraft allein und insbesondere einen
Computermann, nämlich Ing. Pilch für seine Tätigkeit vom Thaler
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zugeteilt erhalten möchte. Die Errichtung des Weltdokumentations-
zentrums könnte man nur in Verbindung mit dem Europa-Patent sehen
und er meint, dass hier so viel Arbeit anwachsen wird, dass er
dies unmöglich allein leisten könnte. Insbesondere auch wollte
er wissen, ob die von dem Gen.Direktor Bodenhausen aus Genf vorge-
sehene Reiseprogramm machen könnte und wer dies im einzelnen bezahlen
wird, da Thaler natürlich erklärt, dafür keine Deckung in seinem
Budget des Patentamtes zu haben. Ich erklärte Lorenz, dass doch
Thale sich seinerzeit sehr dafür eingesetzt hat, dass er diese Arbeit
macht und er müsste sich jetzt halt mit Thaler über die einzelnen
Probleme auseinandersetzen und zu Lösungen kommen. Ich sei ausserstande,
jede einzelne Entscheidung dann immer bei mir heroben zu treffen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Vielleicht findest Du einen Weg, wie man in Hin-
kunft zwar dem Lorenz auf der einen Seite hilft, auf de anderen Seite
aber natürlich keinesfalls immer von uns jede Einzelentscheidung ge-
troffen werden muss und kann.
Beim Empfang für den schwedischen Aussenminister traf ich auch
Koren und konnte mit Befriedigung feststellen, dass er an seiner
sarkastischen und zynischen Art noch nicht ein Jota geändert sich
hat. Aus Bemerkungen über Schleinzer konnte ich entnehmen, dass
noch immer innerhalb der ÖVP ein ganz schönes Spannungsfeld zwischen
den Führungsspitzenmännern besteht. Ich bin davon fest überzeugt,
dass solange sie sich nicht besser verstehen werden, wird es inner-
halb der ÖVP kaum aufwärts gehen. Anderseits aber soll dies für uns als
Warnung dienen. wenn nämlich innerhalb einer Parteiführung und
ich habe das ja selbst in den letzten Jahrzehnten miterlebt, eine
sehr grosse Spannnung herrscht und wenn die Spitzenleute sich unter-
einander nicht verstehen, sondern gegenseitig bekämpfen, auch wenn
dies nicht offiziell und nach aussen sichtbar ist, dann geht es
mit einer Partei unweigerlich bergab. Meine Funktion war in den
vergangenen Jahrzehnten immer schlichtend einzugreifen und kalmierend
zu wirken und ich werde selbst dann, wenn es manchmal um Probleme
geht, wo ich nicht die Meinung habe, die her von Spitzenkräften vertreten
wird, versuchen, wenn einmal ein solcher Beschluss gefasst ist,
dann nicht dagegen zu polemisieren, sondern alles daran zu setzen,
um nach aussen hin als geschlossene Einheit aufzutreten. Ich bin
nämlich fest davon überzeugt, dass selbst der grösste materielle
Fehler nicht so sehr wirkt und leicht überwunden werden kann,
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wenn nicht nach aussen einzelne Spitzenfunktionäre dann wegen
dieses materiellen Fehlers und dem Zwiespalt, der sich daraus
ergeben kann, gegenseitig polemisieren. Das einheitliche Auf-
treten einer Partei ist wesentlich wichtiger als durch eine öffent-
liche Polemik den richtigen Weg zu finden und damit als zerstrit-
tene Partei zu erscheinen. Ich weiss, dass dies an die einzelnen
Spitzenfunktionäre hohe Anforderungen und volles Verständnis für
manchmal oft unverständliche Situationen erfordert. Insbesondere
muss dass sehr oft ein persönliches Prestige zurückgestellt
werden. Hoffentlich haben alle unsere Spitzenfunktionäre incl.
auch meiner Person das notwendige Verständnis für eine solche
Vorgangsweise.
Tagesprogramm, 12.1.1972