Donnerstag, 20. Jänner 1972
Der Zweigstellenleiter Burda von der österreichischen Fremdenverkehrs-
werbung in London hat mit Chefredakteur Annetts von Travel Trade
ein Interview mit mir vereinbart. Bei dieser Gelegenheit wollte die
Redaktion wissen, wie in Hinkunft die Charterflüge in Österreich be-
handelt werden. Im Vorjahr hat die AUA Einspruch gegen die Charter-
flüge gemacht und das Verkehrsministerium hat solchen ein Landeverbot
in Wien gegeben. Nur durch Intervention konnte dies dann aufgehoben
werden. Ich habe den Engländern erklärt, dass wenn es sich nicht um
linienähnliche Transporte handelt, sondern dass tatsächlich nicht ein
Zeitplan vorliegt, der also einen Linienverkehr darstellt, sondern
dass es sich hier wirklich um einzelne, aber unregelmässige Flüge han-
delt, dann wird es keine Schwierigkeiten geben. Sollten welche auftreten,
werde ich wieder beim Verkehrsminister intervenieren. Gleichzeitig mit
dem Chefredakteur ist auch der Marketing Manager gekommen und er war sehr
erfreut, dass wir den ABTA-Kongress nach Wien geladen haben, denn er
wüsste, welche Schwierigkeiten wir durch die nichtfinanzielle Deckung
der Ausgaben insbesondere beim Verkehrsminister wahrscheinlich noch
haben werden. Burda erzählt uns, dass jetzt in London ein ungeheurer
Andrang und Interesse für Österreich als Reiseland besteht. Die meisten
Engländer kommen insbesondere für die Sommersaison als Einzelreisende.
Nur im Winter wird die Package-Tour gerne von den Engländern durch die
Reisebüros gekauft.
Vor der Klubtagung hat mich Kirchschläger informiert, dass er von Paris
von Wodak angerufen wurde, um zu entscheiden, ob die Kommission den
Wunsch Wallnöfers vortragen soll. Wallnöfer hat Polatschek ersucht, man
sollte die Franzosen bitten, dass sie einen Experten für Uran so schnell
wie möglich nach Fieberbrunn schicken, um Untersuchungen anzustellen, wie
weit dort tatsächlich Uran fündig werden könnte. Kirchschläger wollte
nun von mir wissen, ob die Delegation einen solchen Wunsch tatsächlich
in der offiziellen Sitzung den Franzosen mitteilen soll. Ich bejahte
sofort, schlug aber vor, dass wir noch LH-Stv. Salcher von Tirol fragen.
Salcher meinte, dass nichts dagegen einzuwenden wäre, sondern ganz im
Gegenteil vielleicht es zielführend ist, wenn wirklich jetzt festgestellt
wird, ob die 530.000 S, die das Land und die Tiwag zur Hälfte für diese
Freischürfe ausgegeben haben, nicht wirklich sinnlos hinausgeschmissen
wurden.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Ich glaube, dass es zielführend ist, wenn man die
OB wissen lässt, dass die Tiroler sich auf die österreichischen Fachleute
nicht verlassen, sondern ausländische heranziehen. Dies wird den Ehrgeiz
unserer Leute ein bisschen treffen.
Mit Kirchschläger vereinbarte ich, dass es zielführend ist, wenn wir
die EWG-Kommission ersuchen, entsprechende PR-Leute nach Österreich zu
schicken, damit sie hier ihre Aufklärungskampagne beginnen. Kirchschläger
hat einem solchen Vorschlag sofort zugestimmt. Ich habe nicht zuletzt
auch deshalb keine Bedenken, Brüsseler Leute kommen zu lassen, da z.B.
die Schweiz, um ihre Leute aufzuklären, einen Mann in die Bürokratie
von Amerika aufgenommen hat. Dieser Mann kostet aber so viel, dass er
im Schema der Schweizer Beamten gar nicht einzufügen ist. Bis jetzt weiss
ich allerdings nicht, ob sich dieser PR-Mann überhaupt in der Schweiz be-
währt hat. Ich glaube, dass es zielführender ist, wenn man eine Propaganda,
die nicht übertrieben sein darf, von den Brüsseler Leuten machen lässt,
weil die zumindestens Österreich nichts kosten.
Die Klubtagung hat zwei Referat gehabt, eines von Kreisky und das zweite
von Klubobmann Gratz. Da die einzelnen Ausschüsse, auch der Handelsausschuss
hatte eine solche Tagung abgehalten, bereits Detailinformationen über die
Ressorts gehabt haben, waren die Referate mehr allgemein gehalten. Kreisky
meinte nur, dass die Preiserhöhungen am wichtigsten in der nächsten Zeit von
der Regierung beachtet und womöglich Massnahmen dagegen unternommen werden
müssten. Er meint, es sei eine Preishysterie und die monatelange Dis-
kussion über Preiserhöhungen ist daran schuld. Er erwähnte auch
in dieser Hinsicht den Benzinpreis und kritisierte, dass es eben so lange
gedauert hat, bis wir zu einem Entschluss gekommen sind. Andererseits be-
ginnen die Zeitungen und die Massenmedien jetzt schon die zu erwartende
Bier- und Zuckerpreiserhöhung durch monatelange Diskussion sehr hochzuspielen.
Es wird notwendig sein, eine Arbeitsgruppe der Regierung ein zusetzen.
Er meint auch weiters, dass kein Minister Produzenten Hoffnungen machen dürf-
te. Die Minister müssten wie Sphinx sich verhalten und dürften keinerlei
Zusagen machen. Derzeit seien einige solche Zusagen erfolgt und man
würde dann die Minister gegebenenfalls gegenseitig ausspielen.
Die ÖVP-Politik bezeichnete er als reine Demagogie insbesondere die des
ÖAAB. Diese Gruppe hält er für die gefährlichste innerhalb der ÖVP und
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Kohlmaier selbst wird als Demagoge immer wieder zusätzliche unerfüllbare
Forderungen stellen. Die einzige Massnahme sei Gegenforderungen zu stellen,
wie das im Vorjahr bei den Überstunden geschehen ist. Hier meint er, hätte
die ÖVP die Überstundenregelung auf dem steuerlichen Gebiet durchgesetzt
und als Reaktion hätte dann der Gewerkschaftsbund die Forderung nach einer
50 %-igen gesetzlichen Überstundenregelung durchgesetzt. Dadurch würde die
Wirtschaft erkennen, dass demagogische Forderungen sofort von der Partei oder
von Institutionen auf die die Partei einen Einfluss hat, beantwortet werden
und damit die Zeche die Wirtschaft zu zahlen hätte. Bezüglich der Steuerrege-
lung meint auch er, dass Androsch das Dickicht roden müsste, damit dann
eine kräftige Senkung erfolgen könnte. Ich habe bereits bei der Klubtagung
auf die Gefährlichkeit dieses Vorhabens hingewiesen. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass die österreichische Gewerkschaftsbewegung bereit ist,
ein Verschwinden ihrer mühselig erkämpften Vorteile zu akzeptieren, um
dann eine kräftige Lohn- und Einkommensteuersenkung zu ermöglichen. Soweit
es sich um Vereinfachungen der Lohnverrechnungen handelt, haben wir ja
bereits in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder versucht, hier Vor-
schläge durchzusetzen und die einzelnen Fachgewerkschaften haben sich, soweit
sie eben davon betroffen wurden, entschieden zur Wehr gesetzt.
Hofstetter ersuchte mich, dass ich am Samstag zu einer Besprechung der
Gewerkschaftsspitze hinzukommen sollte, um das Verhalten des Gewerk-
schaftsbundes bei den Verhandlungen über Steuersenkungen festzulegen.
Wie mir Lachs beim Mittagessen erklärte, hätte eine Diskussion im Gewerk-
schaftsbund ergeben, dass Benya auf dem Standpunkt steht, dass keine
wie immer gearteten Zusagen seinerseits vorliegen, wie in und welchen
Umfang und zu welchem Zeitpunkt die Steuern im heurigen Jahr gesenkt
werden sollen. Androsch dagegen hat das Gefühl, dass eine fast fixe Vereiba-
rung vorliegt, dass erst mit 1.1.1973 die Steuern gesenkt werden und es
sich maximal darum handelt, eine Vorsteuerleistung in irgendeinem Masse
zu Weihnachten zu erbringen. Lachs selbst möchte nun mit den Spitzenfunktio-
näre des Gewerkschaftsbundes klären, welche Steuerpolitik der Gewerk-
schaftsbund tatsächlich machen will. Da Androsch eine andere Besprechung
am Samstag hat, kann er zu dieser Aussprache leider nicht kommen. Ich fürch-
te, dass sich die Fronten hier noch weiter verhärten werden. In der Klub-
sitzung hat sowohl Kreisky als auch Benya versichert, dass er sich hier
nicht um einen Streit, sondern nur um differente Auffassungen eines Problems
handelt und dass es zielführend ist, dass man darüber diskutiert, denn
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letzten Endes können nicht alle die gleiche Meinung haben. Sicherlich
ist eine Diskussion in einer so grossen Partei, wo die verschiedensten
befreundeten Organisationen vertreten sind, in manchen Punkten unerläss-
lich. Trotzdem glaube ich dürfte aber, bevor eine solche Diskussion wirklich
beginnt, es notwendig sein, dass man weiss, wo das Ziel der Einigung oder
zumindestens die Richtung der Einigung gelegen ist.
Bei der Diskussion mit den Akademikern, d.h. mit den opinion leaders,
des 3. Bezirkes oder wie ich sie immer benenne, die Intelligenzbestien
der Landstrasse, hat mich Herr Landesmann um eine Intervention ersucht.
Landesmann ist eine eingesessene altjährige Viehhandelsfirma in St. Marx.
Der junge Landesmann, der jetzt die Geschäfte nach dem Tod seines Vaters
führt, meint nun, dass eine schwierige Situation in der Fleischpolitik
zu verzeichnen ist. Früher war das Landwirtschaftsministerium und der
Viehverkehrsfonds von Agrarvertretern geführt und es war deshalb
eine Ausgleich leicht möglich. Müller, der ehemalige Landwirtschafts-
kammerdirektor, hat insbesondere die Import- und die Exportpolitik abgestimmt.
Jetzt ist es so, dass für den Export das Landwirtschaftsministerium, für den
Import aber mehr oder minder als Sperre der Viehverkehrsfonds tätig ist.
Der Landwirtschaftsvertreter im Viehverkehrsfonds ist nun nicht bereit,
grössere Importe hereinzulassen. Für Kalbfleisch z.B. ergibt sich dadurch
eine gewisse Verknappung am Wiener Markt. Gleichzeitig aber ist Weihs
als Landwirtschaftsminister nicht bereit, grössere Exporte hinauszulassen,
weil er nämlich befürchtet, dass dadurch eine weitere Preissteigerung zu
verzeichnen ist. Nach der Meinung Landesmanns müsste deshalb eine bessere
Abstimmung der Absichten und ein gegenseitige Vertrauen Platz greifen. Er
meint, dass durch das Ost-West-Gefälle ohne weiteres Kälber exportiert wer-
den könnten, wenn sichergestellt ist, dass aus dem Osten grössere Importe
getätigt werden dürfen. Ich glaube, dass er hier zwar die Problematik
zu sehr überschätzt, denn Weihs könnte durch seine ...?
Tagesprogramm, 20.1.1972