Donnerstag, 27. Jänner 1972
Es war vereinbart, dass ich um 8 Uhr im ORF-Studio Küniglberg
ein Statement gegen den Verkehrstod durch Alkoholeinwirkung auf
der Strasse abgebe. Wir fuhren nicht mit dem Wagen vor, sondern
ich ging ein Stück zu Fuss und mir unerklärlich, kam sogar ein Reporter
vom Kurier und schloss sich uns an. Auf dem Bauplatz und vor allem
auf dem grossen Areal konnten wir uns zuerst sehr schlecht zurecht-
finden, doch der Reporter wusste, wo der Aktuelle Dienst sitzt.
Alle Türen waren noch verschlossen, doch bald kam Kreuzer, der
ebenso wie ich seine Kinder in die Schule führt und deshalb
für Küniglberg-Verhältnisse zu mitternächtlicher Stunde bereits er-
schien. Mit der Zeit fanden wir das Produktionsstudio. Die Erklärung,
d.h. mein Statement, war sehr holprig und musste sogar dreimal gemacht
werden. Für mich ist dies ein untrügerisches Zeichen, dass ich mich noch
immer nicht mit dem Medium Fernsehen und besonderes mit den Statements
einigermassen befriedigend zurechtfinde. Ich kann mich zu wenig
konzentrieren.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte, wenn möglich, Statement vermeiden.
Der Vorarlberger Landesrat Müller war zu einer Besprechung beim
Bundeskanzler in Wien und wollte bei mir auf das schärfste gegen
die Vorgangsweise ihrer Flächenzinsberechnung protestieren. Ich
erklärte mich – und er war darüber sehr erstaunt – dass wir eine
Sofort-Sitzung mit der OB machen sollten. Die Referenten waren nicht
anwesend, aber MR Gasser liess sich den Akt ausheben. Gasser kannte
das Problem sehr genau, da er ja seinerzeit mir schon erklärt hat,
wie schwierig es für die OB gewesen ist, dieser Ministerweisung von
Bock anzukommen. Bock hatte seinerzeit einen Flächenzins von 50.000 S
vereinbart und dann sogar auf 20.000 S reduziert. Vorarlberg wollte
damals mit Preussag seit 1956 vertraglich vereinbart, Ölbohrungen in
Vorarlberg vornehmen. Müller behauptet nun, dass sie unter Mitterer
knapp bevor die Regierung abgelöst wurde, hinters Licht geführt wurden,
da man ihnen erklärte, es wird nun die ÖMV in Vorarlberg aktiv werden.
Wenn das Land ihre Interessen aufgibt. Dies wollte Vorarlberg nicht,
da sie noch immer hofften mit einer ausländischen Gesellschaft gege-
benenfalls Bohrungen in Vorarlberg vorzunehmen. Deshalb erklärten sie
sich bereit, bescheidmässig 400.000 S Flächenzins zu bezahlen, um
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ihren Rechtsanspruch aufrechtzuerhalten. Diesem Bescheid von Mitterer
ist Rechtskraft erwachsen. Landesrat Müller hat dann in einer Aussprache
mit der ÖMV Gen.Dir. Bauer, er und die OB und mir im Parlament erfahren,
dass die ÖMV erst 1973 daran denkt, in Vorarlberg aktiv zu werden.
Seit dieser Zeit laufen sie gegen den 400.000-S-Bescheid Sturm.
Die OB hat mit dem Finanzministerium vereinbart, dass dieses bereit
ist, auf 50.000 S zurückzugehen. Müller regt sich nun besonders auf,
dass man den Vorarlbergern zumutet, dass sie aber jetzt bereits erklären,
müssen, 1973 dann ihre Rechte der ÖMV abzutreten. Die Landesregierung hat
sich mit diesem Problem beschäftigt und unisono beschlossen, eine
solche Vorgangsweise auf das schärfste zurückzuweisen. Gasser meinte
nachher, die OB wollte hier nicht Vorschub leisten, dass die ÖMV dieses
Interessensgebiet nachher automatisch bekommt. In dem Brief, den man
mir aber vorgelegt hat und ich an die Vorarlberger hätte schreiben müssen
ist dies doch herauszulesen. Ich habe ja damals abgelehnt, einen solchen
Brief zu schreiben, sondern ersucht, man möge mit Vorarlberg verhandeln
und wenn die Vorarlberger dies akzeptieren, sollten sie uns ein solches
Angebot machen. Wie sich jetzt herausstellt, wäre ein Brief von mir auf
dieser Basis für Vorarlberg eine Beleidigung gewesen, da das Finanzmini-
sterium nur Interesse hat, dass ab 1973 ein höherer Flächenzins kommt,
vereinbaren wird, dass ich versuchen werde, den Finanzminister davon
zu überzeugen, dass bis 1973 50.000 S wie bereits zugestimmt eingehoben
werden sollen und dann 1974 400.000 S ein Verzicht Vorarlbergs auf
die ihnen zustehenden Rechte. Müller war über diese Lösung hoch erfreut.
Im Rechnungshofausschuss stand der Bundesrechnungsabschluss für das Jahr
1970 zur Debatte, zum Glück verlangte ich eine entsprechende Unterlage
und konnte dort gleich bei der ersten Post feststellen, dass es politisch
hochbrisante Probleme beinhaltet. Bei einer Mehrausgabe von 1 Mio. S
für Personalaufwand in der Zentralleitung stand auch das Ministerbüro mit
322.000 S. Niemand hätte mich darauf aufmerksam gemacht und ich hätte
mir wahrscheinlich nicht einmal die Unterlagen mitgenommen. Ich bin
mir nicht ganz klar, ob die Beamten um ihre Wichtigkeit zu unterstreichen
zwar alle Detailinformationen immer mit haben und sie sicherlich auch
wissen, aber mich nicht zeitgerecht darauf aufmerksam machen oder
ob es sich, dabei doch immer wieder um den Versuch handelt, bei
jeder passenden und unpassenden Gelegenheit ihre Bedeutung zu be-
weisen. Dabei muss nicht einmal schlechter Wille oder gar Sabotage da-
hinterstehen. Die Ressortbeamten wurden aus Versehen nicht einmal in
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den Sitzungssaal gelassen und ich musste bereits für unseren
Rechnungsabschluss Rede und Antwort stehen. Staatssekretär Karl
für das Bundeskanzleramt hatte erst im letzten Moment erfahren,
dass sie überhaupt zu der Sitzung gehen muss, hat überhaupt keine
Unterlagen präpariert von den Beamten erhalten und war daher
dann ausschliesslich auf die Auskünfte der Beamten angewiesen. Dr. Neu-
ner, Dr. König, Dr. Fischer von der ÖVP grissen das Ministerbüro
konzentrisch an. Ich erklärte die Tätigkeit und verwies insbesondere
darauf, dass auch Rechnungshofpräsident, der ja anwesend war, Kandutsch
seinerzeit bei uns Besprechungen geführt hat und die Organisation, die
ich aufgebaut habe, als äusserst zweckmässig betrachtete. Neuner
fragte daher sofort Kandutsch, ob er auf dem Hohen Haus seine Auffassung
mitteilen möchte. Kandutsch führte aus, dass auf Grund einer Regie-
rungsbesprechung er mit mir diesbezügliche Verhandlungen geführt hat
da er auf dem Standpunkt steht, es müssten Stabsstellen und Grundsatz-
abteilungen wie auch der Rechnungshof sie selbst geschaffen hat, in
jedem Ministerium errichtet werden. Die Reorganisatoren, die bisher
von den früheren Regierungen angefordert wurden, hatten nur viel Geld
gekostet, Gutachten erstellt, die dann maximal schubladiert wurden.
Die einzige wirksame Lösung sei eben, Leute aufzunehmen, die sich mit
der Computertechnik auskennen, Systemanalytiker usw. wären. Hier hoffte
nun die ÖVP, mich neuerdings zu fangen und erklärte, ob diese Anfor-
derungen, die der Rechnungshof an meine Ministerbürokollegen stellte,
bei ihnen auch tatsächlich zutreffen. Hier konnte ich darauf hinwei-
sen, dass die drei Kollegen, um die es in Wirklichkeit geht, ent-
sprechende verwaltungsmässig geschulte Beamte sind, die also Auf-
gaben übernommen haben, die in einem modernen Organisationsschema
als Stabsführung bezeichnet werden. Im besonderen wies ich darauf
hin, dass in der Anfragebeantwortung von Mitterer alle Details
auch über die Tätigkeit und die Abgrenzung das Präsidium bereits
erfolgt ist. Diese Attacke konnte im Ausschuss abgewehrt werden,
ich befürchte, dass im Plenum diese wiederholt wird, obwohl ich
mich davor nicht fürchte. Im Gegenteil, vielleicht ergibt es eine
gute Diskussionsmöglichkeit.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte auf diesen Tagesordnungspunkt im Plenum
achten, damit ich Material mitnehme und zu dieser Zeit keine Besuche
vorsehen.
Die Sekretärsbesprechung in der Gewerkschaft war während meiner
Anwesenheit ausschliesslich dem Problem Streiks in den Brauereien
ausgefüllt. Hier handelt es sich um eine Aktion, die unseren Landes-
sekretären in Oberösterreich und Salzburg entglitten ist. Auf der
einen Seite hat die Brau AG mit den Betriebsräten vor den Lohnverhand-
lungen beschlossen, dass sie nach den Lohnverhandlungen über die
2.– S, die sie damals bezahlten, reden werden. Bei der ersten Aus-
sprache haben nun die Unternehmervertreter erklärt, sie könnten keinen
Groschen mehr bezahlen. Die Betriebsräte andererseits haben sich
dort ungeschickt verhalten und ebenfalls erklärt, unter die 2.– S
keinesfalls hinuntergehen zu können. Die Verhandlung platzte, man
ging zur Information der Betriebsangehörigen und beschloss dann
gleich, solange die Informationsversammlung zu halten, bis eben die
Unternehmer nachgehen. Die Gewerkschaft, in dem Fall das Verhandlungs-
komitee der Brauer, kam natürlich dadurch in eine furchtbare Situa-
tion. Sie hatte einen Lohnvertrag abgeschlossen, der in der Öffent-
lichkeit schon nicht sehr gut aufgenommen wurde, da er mit 13,9 %
verhältnismässig sehr hoch ist. Die Gewerkschaft der Lebensmittel-
arbeiter hat grösstenteils Kollektivvertragslöhne als Ist-Löhne
und deshalb auch verhältnismässig hohe Prozentziffern bei neuen
Abschlüssen. Dies bringt sie in den Verdacht, dass sie als lohntreibende
Organisation die anderen präjudiziert. In den anderen Gewerkschaften
gibt es meist wesentlich höhere Ist-Löhne, sodass tiefere Prozent-
sätze, die auf Kollektivvertragslöhnen ausgemacht werden, auf die
höheren absoluten Ist-Löhne natürlich wahrscheinlich auch befriedi-
gend für die Gewerkschaft abgeschlossen wird, aber optisch nicht ein
so grosser Nachteil entsteht, wie bei unserem System. Dass wir aber
Kollektivvertragslöhne heute des facto noch in den Betrieben auszahlen,
hat wieder den Vorteil, dass die Belegschaft das Gefühl hat, wenn es
zu Verhandlungen und Abschlüssen kommt, dass sie doch davon wirklich
etwas hat. Wo solche betrieblichen Sonderregelungen wie z.B. im Vor-
jahr bei den Brauereien geleistet werden, ergibt sich jetzt die
Schwierigkeit, wie man das wieder einfängt. Da wir übereinstimmend fest-
stellten, dass wir den Streik nicht anerkennen könne, wir haben ja eben
einen Vertrag mit dem Brauereiverband abgeschlossen, wird das Ver-
handlungskomitee und der Vorstand morgen beschliessen, dass wir
eine Beendigung des Konfliktes unmittelbar erwarten. Wenn es zu
einer solchen Beendigung nicht käme, müsste doch nach unserer der-
zeitigen Vertragsspielregel der Schlichtungsausschuss innerhalb
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von vier Wochen einberufen werden. Das Verhandlungskomitee der Brauer
besteht – so wie alle Verhandlungskomitees bei uns aus grösstenteils
Funktionären, d.g. Betriebsräten der Betriebe in dem Fall der grossen
Brauereien. Im Verhandlungskomitee wurden die Vorgangsweise der rest-
lichen Brauereien insbesondere von unserem Landesobmann Suko, der
gleichzeitig auch Betriebsratsobmann der Kaltenhauser Brauerei ist, heftig
kritisiert. Da die Wiener, nö. und steirischen Brauereien mit Ausnahme
von Göss diese Vorgangsweise auf das heftigste ablehnen, gibt es einen
Zwiespalt innerhalb unserer eigenen Brauereikollegen. Darüber hinaus
besteht ja noch die grosse Gefahr, dass die Unternehmer dann doch nach-
geben und aus diesem wilden Streik ein entsprechender Erfolg der Beleg-
schaft wird, was natürlich für die Gewerkschaft verheerend wäre. Wir
müssen deshalb versuchen, uns in die Verhandlungen einzuschalten und
zu einem erträglichen Kompromiss zu gelangen.
Wenn ich in der "Zukunft" lese, dass Konecny hier schreibt, dass die
Ämterkumulation aufhören müsste und dass nicht gleichzeitig Gewerkschafts-
vertreter Forderungen an die Regierung stellen, die dann leicht als Regie-
rungsmitglieder sich mit diesem Problem auseinandersetzen müssen, so
kann ich nur sagen: Der hat eine Ahnung. Wie glücklich wäre ich, wenn
ich diese Funktionen nicht hätte und mich wirklich nur ausschliesslich
meiner Ministertätigkeit widmen könnte. Wenn das System Konecny hundert-
prozentig durchgezogen wäre, würde zwar die Regierung aus Mitgliedern
bestehen, die keine entsprechenden Verpflichtungen aber auch keine ent-
sprechenden Möglichkeiten hätten, auf Organisationen einzuwirken. Ich
kann mir lebhaft vorstellen, was es bedeuten würde, wenn die Gewerk-
schaftsbewegung heute vollkommen unabhängig von der Regierung agieren
könnte. Vielleicht in der ersten Phase zugunsten der Beschäftigten, weil
sie dann nicht auf die Regierungspolitik Rücksicht nehmen müsste. Auf
lange Sicht gesehen aber müsste es zu Verhältnissen wie in England
unter der Labour-Regierung kommen. Ob dies für die Arbeiterschaft oder
für die Sozialistische Partei wirklich von Vorteil ist, erlaube ich
mir zu bezweifeln.
Im Konsumentenbeirat habe ich anschliessend mit Präs. Dr. Ebert von der
Handelskammer Wien vereinbart, dass wir die Ausverkaufsordnung in seinem
Wettbewerbsausschuss diskutieren sollten. Ebert glaubt, dass er sich
gegen die Industrie in der Kammer bereits durchgesetzt hat und daher
eine für den Handel günstigere Ausverkaufsordnung leicht durchbringen
könnte. In Hinkunft soll nämlich nicht nur die Nachlieferung für Ausver-
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kauf oder für Räumungsverkauf verboten sein, sondern auch die Herstellung
von Waren, die ausschliesslich dem Ausverkauf, Räumungsverkauf oder
Sonderverkauf dient. Ebert meint, dass die gesamten Sonderverkäufe
verboten gehören. Da ich nach wie vor eigentlich immer mehr dazu neige,
diese ganze Materie in die Gewerbeordnung aufzunehmen, glaube ich, dass
es zweckmässig ist, den wirtschaftspolitischen Rahmen im Konsumenten-
beirat abstecken zu lassen. Dort wird sich dann zeigen, ob Ebert mit seiner
Auffassung so leicht durchdringt. In die Gewerbeordnung möchte ich nur
eine Grundsatzregelung aufnehmen und dann eigentlich durch Verordnungs-
ermächtigungen die Detailbestimmung erlassen.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte zwischen Welser und Jagoda die entsprechenden
Besprechungen herbeiführen.
In der Vorbesprechung mit Min.Rat Hauffe, Dr. Benda, Marsch und Wanke
ergab, dass wir die Regelung der landwirtschaftlichen Folgeprodukte
äusserst schwierig sein wird. Formell, und hier glaube ich irrte Wanke,
ist wirklich Hauffe im Recht, der sagt, hier wird das Finanzministerium
seine ausschliesslich Kompetenz geltend machen. Es handelt sich bei
diesem Problem nicht um Integration, sondern es handelt sich um zollähn-
liche Abgaben und die liegen in der ausschliesslichen Kompetenz des Fi-
nanzministers. Hauffe wird versuchen, mit Kretschmer vom Finanzministerium
ein Agreement zu erzielen, dass doch bei uns die Vorarbeiten geleistet
werden. Die Arbeitsgruppe wurde notwendig, weil Pultar und auch die
Sektion I mich im Vorjahr überrascht haben, dass wir im letzten
Moment, wo das Parlament gar nicht mehr arbeitsmässig diesen Initiativ-
antrag hätte verabschieden können, mit einem solchen Wunsch überraschend
konfrontiert wurde. Ich möchte nun gar keinen Initiativantrag mehr ein-
bringen, sondern eine Regierungsvorlage vorbereiten. Zu diesem Zweck
wurde die Arbeitsgruppe unter Hauffes Führung eingesetzt. Einen Initiativ-
antrag lehne ich deshalb ab, weil die ÖVP-Alleinregierung diesen Weg
aus folgenden Gründen immer beschritten hat: Wenn die Regierung aus
internationalen Verpflichtungen Schwierigkeiten aus einer Materie er-
wartet hat, hat sie die ÖVP-Abgeordneten veranlasst, einen Initiativ-
antrag einzubringen. Wäre es oder ist es dann zu einem Angriff von inter-
nationalen Stellen oder anderen Staaten gekommen dann hat sicherlich die
Regierung sich ausgeredet, dass dies ein Wunsch des Parlament gewesen
ist und sie darauf nur ganz bescheidenen Einfluss nehmen könnte. Bei
einem Initiativantrag würde auch Androsch mit Recht dann erklären, dass
er eine Sache einbringen muss, von der er nicht weiss, wie die
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Interessenvertretungen und die anderen Ministerien dazu stehen. Ein Be-
gutachtungsverfahren entfällt ja in einem solchen Falle. Da wir den Termin
Jänner 1972 sowieso versäumt haben, glaube ich, können wird uns jetzt
wirklich die notwendige Zeit nehmen, um eine gut vorbereitete Regierungs-
vorlage dem Parlament zuzuleiten. Hauffe hat diese Problematik auch
erkannt und behauptet mir zumindestens in der Sitzung gegenüber er wird
diese Idee auch bis zur letzten Konsequenz jetzt durchziehen. Schwierig-
keiten wird es insbesondere geben, dass die Interessenvertretungen aber
auch das Finanzministerium sich kaum über die Erstattungen gegenüber der
Landwirtschaft wird einigen können. Die Arbeitnehmer und auch das Finanz-
ministerium lehnen bis jetzt eine solche Erstattungsregelung auf das
entschiedenste ab. Da wir diese aber für die Integrationsverhandlungen nicht
so dringend brauchen, könnte man mit einem Kompromiss eben nur die Ab-
schöpfungsregelung jetzt zu beschliessen, das Auslangen finden.
Bei dem Empfang, den ich dem europäischen Schaustellerkongress auf Wunsch
Kreiskys gegeben habe, konnte ich nützen, um mit den ausländischen Dele-
gierten das Problem unserer Schausteller zu besprechen. Der Schweizer
Präsident erinnerte mich, dass Bundeskanzler Gorbach bei dem letzten
Kongress in Wien ihm versprochen hätte, es würden die österreichischen
Schausteller aber damit natürlich auch die ausländischen die Möglich-
keit bekommen, in Wien Plätze zu erhalten, wo sie ihre Attraktionen
vorführen könnten. Die Wiener Schaustellergruppe aber, die weitgehend vom
Freien Wirtschaftsverband mitbestimmt wird, hat sich bis jetzt ganz ent-
schieden dagegen gewehrt. Sie stehen auf dem Standpunkt, dass unserem Prater
nicht durch herumziehende Autodroms oder sonstige Veranstalter Konkurrenz
gemacht werden soll. Die Wiener werden deshalb – so wie in der Vergangenheit
auch in Hinkunft – niemals Sondergenehmigungen in grösserem Ausmass aus-
sprechen. Dies sind reine Konkurrenzverhältnisse, können aber objektiv
begründet werden, dass man die Ruhe und Ordnung und die Überwachung in
einem ganz bestimmten Gebiet, eben im Prater, im böhmischen Laaer-Berg-Gebiet
oder in der Steinbruchgasse, wo schon seit eh und je Etablissements sind
durchführen kann. Im Prater allerdings kostet – wenn eine Parzelle
frei wird – für die Ablöse des Grundstückes von 25 mal 25 Meter 300 –
400.000 S. Die einzelnen Unternehmungen sind dort Familientradition und
es ist wirklich schwer, einen Neuen dort hineinzubringen. Auf alle Fälle
aber hat Gorbach über seine Grösse gesprochen oder sich im Detail nicht
informiert und daher nicht ausgekannt, denn dies ist eine Landessache und
er hätte kaum eine Chance gehabt, die Wiener von ihrem Standpunkt abzu-
bringen. Dieses Erlebnis zeigte mir, wie vorsichtig man auch gegenüber
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internationalen Organisationen mit Versprechungen sein muss, die man
nicht so leicht erfüllen kann. Ich bin froh, dass ich zwar gut informiert
war über ihre Probleme, diese auch entsprechend bei meiner Ansprache würdigte
aber keine wie immer gearteten Versprechungen gemacht habe. Die Mitglieder
des Freien Wirtschaftsverbandes, die dort in hohen Funktionen sind, haben
sich dann auch bei mir nochmals für meine Äusserungen herzlichst bedankt
und meinten nur, das hätte ihnen einen grossen Auftrieb bei den Teilnehmern
gegeben. Der Präsident Eberhard der Schausteller, der gleichzeitig auch
deutscher Präsident der Organisation ist, ebenfalls ein SPD-Mann, versicherte
mir, dass er die Politik und die Verhaltensweise, wie ich sie dargelegt
habe, für richtig empfindet.
Die derzeitigen Jahresversammlungen der Sektionen sind meistens mit Mit-
gliederehrungen verbunden und es kommen jetzt eine ganze Anzahl von 25-
40- und 50-jährigen zur Auszeichnung. Dadurch werden diese Versammlungen
ausschliesslich von älteren Genossen frequentiert. Das Endergebnis ist,
dass selbst wenn man heisse Eisen anrührt, wie ich dies immer wieder durch
die Preisentwicklung immer wieder mache, dass es keine Diskussion darüber
gibt. Daraus kann man den Schluss schliessen, dass die Leute mit der Ent-
wicklung zufrieden sind. Ich glaube, dies wäre ein grosse Täuschung. Ich
nehme eher an, dass sie – da es sich doch um ältere Genossinnen und Genossen
handelt – aus Parteidisziplin alles, was wir heute machen entschuldigen und
dafür Verständnis haben, dass sie aber andererseits eben zu alt und zu treu
de Partei ergeben sind, um hier durch Kritik aufzutreten. Ich bezweifle,
ob dieser Zustand gut ist. Ich weiss aber keine Abhilfe.
Tagesprogramm, 27.1.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)