Mittwoch, 17. Mai 1972
Beim Beirat für Gewerbestrukturverbesserung in der Bürges erklärte
Korinek, dass er nach reiflicher Überlegung und Prüfung der eingereich-
ten Anträge keine Notwendigkeit sehe, eine Verschärfung der Richtlinien
vorzuschlagen. Nach seiner Auffassung ist die Tatsache, dass insbesondere
die Kreditanträge exorbitant steigen deshalb nicht beunruhigend, weil
niemand erwarten kann, wenn kein Geld zur Verfügung stehe, die Aktion fortge-
setzt werden muss. Schon bei der Gründung dieser Aktion in der ÖVP-
Alleinregierungszeit waren sich alle auch die Interessensvertretungen be-
wusst, dass es gegebenenfalls zur Sperrung gegen Jahresmitte oder gegen
Jahresende kommen könnte. Bei der letzten Beiratssitzung von zwei Mona-
ten hatte ich verlangt, dass unverzüglich der Beirat mir einen ent-
sprechenden Vorschlag über Verschärfung der Richtlinien vorlegen
sollte, damit wir nicht in die Situation der Sperre kämen. Damals er-
klärte bereits Korinek, dass er dies für unmöglich halte, dass er materiell
infolge von Beschäftigung von nur 14 Leute gar nicht diese Arbeit leisten
könnte. Ich hörte mir diese Äusserung an, ohne eine Antwort zu geben.
Auch der Handelskammervertreter, Komm.Rat Kulhanek, meinte, die Richt-
linien sollten unter gar keinen Umständen geändert werden. Sollte es
zu einer Sperre der Aktion kommen, dann kann ich zumindestens ver-
suchen, die Schuld auf die Bürges, den Geschäftsführer, und den Beirat
abschieben. Während ich bei der letzten Sitzung vor zwei Monaten
noch ausschliesslich diesen Gedanken hatte, ergibt sich jetzt noch zu-
sätzlich die Tatsache, dass der Finanzminister angeblich anstelle der
3 % einen 5 %-igen Gewerbesteueranteil der Bürges zur Verfügung stellen
will. Ein diesbezüglicher Brief resp. Gesetzentwurf soll bereits im
Finanzministerium ausgearbeitet sein. Sollte dies nicht zutreffen, dann
müssten wir doch so schnell wie möglich die Aktion sperren oder zu-
mindestens wesentlich reduzieren. Wir könnten z.B. die Höchstgrenze der
Zuschüsse entsprechend herabsetzen. Gegebenenfalls vielleicht sogar den
Prozentsatz des Zinszuschusses von 3 % auf 2 % reduzieren. Ein Herüber-
ziehen oder vorbelasteten der nächsten Jahre halte ich deshalb für
nicht zielführend, weil wir um so mehr dem Wahltermin näher kommen und
dann in Wirklichkeit bald mit der Vorbelastung im Wahljahr womöglich
die Aktion noch einstellen müssen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte Variationen von unseren Genossen prüfen
lassen.
Korinek wollte dann von mir auch eine Stellungnahme zur allgemeinen Bürges-
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Aktion, die eigentlich nicht in den Beirat fällt, erreichen. Da ich
dazu nicht breit war, begann er dann dieses Problem zu erörtern.
Seiner Meinung nach sollen die Richtlinien, die den Zinsenzuschuss und
Sicherheit nur vorsehen und keine bankmässige Sicherheit gegeben ist,
abgeändert werden, damit die ca. 800 Fälle, die jetzt nicht zum Zuge
kommen, ebenfalls einen Kreditzuschuss bekommen können. Er hält die
Abgelehnten in Evidenz, damit man gegebenenfalls nachträglich ihnen
noch den Zinsenzuschuss geben könnte. Die Handelskammer wird angeblich
mit einer Forderung an mich herantreten. Ich denke momentan gar nicht
daran, einem solchen Wunsch nachzugeben, da ja der Vertreter des Finanz-
ministeriums, der Staatskommissär Wanke, bei der Aufsichtsratssitzung
gerade darauf gedrängt hat, dass die Geschäftsordnung den Richtlinien,
die 15 Jahre alt sind, angepasst werden. Diese Einschränkung trage ich
keine Verantwortung und werde sie daher auch nicht ändern, wenn ich
nicht vorher bereits die Garantie habe, dass die entsprechenden Mehr-
mittel dann auch tatsächlich zur Verfügung stellen werden.
Die Bestellung der Gesellschaft zur Durchführung des Dokumen-
tationszentrums für Patente nimmt immer groteskere Formen an. Im Finanz-
ministerium hat Lorenz, wie wir einem Akt entnehmen können, angedeutet,
dass das Handelsministerium beabsichtigt, ihm nebenberuflich die Ge-
sellschaft zu übertragen und mindestens 40 Mill. S dafür erforderlich
wären. Mir hat er dagegen einen Aktenvermerk zukommen lassen, wo er
um die Entscheidung bittet, wie überhaupt eine solche Gesellschaft aufge-
baut werden soll und dass in Wirklichkeit der Vizepräsident des Patent-
amtes gleichzeitig auch der Leiter der Gesellschaft sein sollte. Schein-
bar schwebt Lorenz vor, dass er sowohl zum Vizepräsidenten bestellt wird,
als auch zum Geschäftsführer der Gesellschaft. Beides möchte er dann
nebenberuflich womöglich machen. In Wirklichkeit steht und fällt
diese Gesellschaft mit einem hauptberuflichen Geschäftsführer, der
sicherlich Lorenz als Mitarbeiter gewinnen wird müssen. Präs. Thaler
vom Patentamt ist der Meinung, dass er wahrscheinlich nicht einmal
nebenberuflich jemanden von seinen Mitarbeitern zur Verfügung stellen
kann. Seinerzeit hat er mir ausdrücklich in einer Aktennotiz mitgeteilt,
dass ein Abstellen von einem Mitarbeiter von ihm nicht in Frage kommt.
Ich habe deshalb mit Vranitzky gesprochen und vereinbart, dass das
Finanzministerium unabhängig von den Wünschen des Dr. Lorenz nach seinen
Intentionen unverzüglich eine Gesellschaft jetzt gründen soll.
Der Geschäftsführer müsste hauptamtlich ausschliesslich nur für diese
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Arbeit tätig sein.
Gen.Direktor Mayerhofer und Dr. Farnleitner von der Handelskammer
erkundigten sich, wie die Verhandlungen über den Ofenölpreis
weitergeführt werden sollen. Vom Haus ist Schleifer mit dem
Preisreferenten Dr. Neuhold erschienen und hat vor allem meine
Frage, warum er Amtsrat Elsinger nicht mitbringt, erklärt, dass
dieser dabei nichts zu suchen hätte. Er versucht ihn deutlich sicht-
bar zu schneiden, was mich veranlasst hat, sofort darauf zu be-
stehen, dass Elsinger der Besprechung zugezogen wird.
ANMERKUNG FÜR HEINDL, WANKE: Vielleicht könnten wir überhaupt eine
Lösung finden, wo wir Elsinger besonders herausstreichen, der auch
wesentlich tüchtiger als Schleifer ist.
Zum Glück hatte ich damals bei den Benzinpreisverhandlungen nur eine
Verwendungszusage gegeben, dass nach Ende der Heizperiode auch der
Ofenheizölpreis verändert werden könnte. Damals waren 10 Groschen in
Aussicht genommen. Ich habe erklärt, dass diese Verwendungszusage
von mir nach wie vor aufrecht ist, dass ich aber mit grösster
Wahrscheinlichkeit innerhalb der Bundesregierung infolge der
Attacke von Schleinzer und Koren bei einer Preisdiskussionsendung
im Fernsehen kaum Chancen habe, es jetzt durchzubringen. Ich
hätte erwartet, dass der Mineralölhandel und die gesamte Mineralöl-
industrie doch zumindestens bei der ÖVP, wenn schon keine Zustimmung
für ihre Politik, so doch wenigstens ein neutrales Verhalten
erreicht hätte. Genau das Gegenteil ist aber scheinbar der Fall.
Mayerhofer hat dies sofort eingesehen, Farnleitner war überhaupt sehr
betroppezt und meinte, man würde halt in den nächsten Monaten sehen,
wie sich die ganze Situation weiter entwickelte. Ich wies darauf hin,
dass im Zuge der Mehrwertsteuerregelung und -diskussion man doch,
zumindestens werde ich mich bemühen, wieder einen Akkord zwischen
allen Beteiligten herzustellen. In diesem Fall könnten doch nur
runde Preise festgesetzt werden, und bei dieser Gelegenheit würde
ich dann versuchen, eine Regelung für das ganze Problem Benzin-
Diesel-Heizöl usw. zu erreichen. Damit war klargestellt, dass
erst mit 1.1.1973 eine Preisregelung zu erwarten sei. Der Vorteil
ergibt sich für die Unternehmungen, dass sie in Hinkunft im
Herbst und insbesondere Frühwinter nicht mit grösseren Lager werden
rechnen müssen, weil sicherlich die Konsumenten, soweit sie nur
können, sich mit verbilligtem Brennstoff noch eindecken werden.
Mayerhofer sicherte mir zu, dass er auf alle Fälle eine kooperative
Haltung auch für dieses Problem der Mehrwertsteuer an den Tag legen
wird und wir alle gemeinsam versuchen sollten, einen gemeinsamen
Akkord zu erreichen.
Bei der 75-Jahr-Feier des Vereines Österr. Chemiker, wo ich ver-
zweifelt mich bemühte, einige gescheite Gedanken für eine Begrüssungs-
ansprache zu behalten, habe ich dann doch meine gute alte Walze wieder
eingelegt. Sicherlich könnte man bei solchen Anlässen einige grundsätz-
liche neue gescheite Ideen über die chemische Industrie oder über son-
stige Probleme, die halt irgendwie mit der Feier zusammenhängen anbrin-
gen. Ich selbst habe aber solche Ideen nicht und komischerweise in
meinem Ministerium kann mir auch niemand solche liefern. Zum Trost
muss ich sagen, dass die Frau Wissenschaftsminister Firnberg zwar
eine sehr gut aufgesetzte Rede vorgelesen hat, aber auch keinerlei
neue Erkenntnisse darin enthalten waren. Meine Begrüssungsmethode
hat den Vorteil, dass das Auditorium einige Male nicht nur herzlich
gelacht sondern mir auch sogar Zwischenapplaus gegeben hat. Unwahrschein-
lich, dass es gut ankommt, wenn man erklärt, dass die chemische
Produktion in Österreich, und das sagt etwas, wie ich mich ausdrückte,
die Nahrungsmittelproduktion überrundet hat, wo doch das Essen und
Trinken für die Wiener – und ich bin ein solcher – von grösster Be-
deutung ist. Ein guter Gag war, dass ich erklärte, wie schwer
das Chemiestudiums ist und ich es bald nach meiner Kriegsverletzung
begonnen hätte, ich war tatsächlich in der Technik, mich zu erkundi-
gen, ob ich nicht Ingenieur werden sollte, und jetzt bei Besichtigung
von Forschungsstätten in Österreich feststellen, musste, wie umfangreich
und schwierig dieses Studium ist. Bitte, nicht zu glauben, dass ich
deshalb dann Politiker wurde, hat sofort einen Lacherfolg und ent-
sprechenden Applaus ausgelöst. Der Hinweis des Präsidenten Hayek,
dass er in den vergangenen Jahrzehnten immer den Ministerien zur
Verfügung gestanden ist mit Expertisen und Gutachten und bei Gesetz-
entwürfen mitgewirkt hat, benützt ich, um diese Einladung auch für
das jetzige Ministerium gelten zu lassen und zu erklären, dass ich
ihn deshalb schon heranziehen werde, weil eine solche Stellungnahme
vom Verein uns nichts kostet, während ein Gutachten wesentlich teurer
käme. Auch hier sofort Applaus und die Zusicherung, man steht weiter
zur Verfügung.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Man sollte wirklich für unsere Branchenorgani-
sation diese Fachleute stärker heranziehen.
Die AEZ-Diskussionen werden sichtbar härter. Nicht, dass es mich
stört, sondern ganz im Gegenteil, ich glaube, man muss eben in unan-
genehmen Situationen sich auch in der Öffentlichkeit stellen, aber
ich habe den Eindruck, dass jetzt immer mehr organisiert, ich bemerke
einige Herren schon das zweite Mal oder dritte Mal, die sich sehr
aktiv gegen die Regierung in Anfragen und Diskussionsbeiträgen stel-
len. Dadurch erreicht die Diskussion ungeheure Aktualität und Leb-
haftigkeit. Leider sind immer wieder einige Betrunkene dabei, die
dann wie z.B. in der Frage der Gastarbeiter gar nicht mehr sachlich
diskutieren wollen oder können, sondern eben sich nur in wüste Be-
schimpfungen auf die Tschuschen Luft machen. In diesem Fall kann
ich nur hoffen, dass die Zuhörer meine Partei einnehmen, auch dann
wenn sie sich in Wirklichkeit kaum dazu positiv äussern und die
negativen Momenten von einigen Umstehenden dann mit Applaus, nur
weil es gegen die Fremdarbeiter geht, unterstützt werden. Natürlich
kommt immer wieder die Politikerbesteuerung zur Diskussion und ich
ärgere mich dann immer, dass ich wieder keinen Lohnstreifen habe.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte alle Monate den Lohnstreifen vom ZBA
verlangen.
Tagesprogramm, 17.5.1972