Donnerstag, der 8. Juni 1972

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Donnerstag, 8. Juni 1972

Im Gewerkschaftsbund wollte ich mit Präs. Benya den neuen Vorschlag
für den zu gründenden Verein Arbeitstitel "Konsumentenliga" besprechen.
Lachs hatte Hofstetter bereits berichtet, dass mit 2 Mill. S auf keinen
Fall das Auslangen gefunden werden könnte, wenn überhaupt der ÖGB
sich daran beteiligen würde. Benya war aber bereits nach Villach zum
Städtetag abgereist. Lachs teilte mir bei dieser Gelegenheit gleich
mit, das Arbeitskomitee Vorsteuerabzug für die Mehrwertsteuer sei an
einem toten Punkt angelangt. Bei der Besprechung über die Verkehrs-
leistungen wurde die Bundesbahn gefragt, wie ihr Vorsteuerabzug aus-
sehen würde. Der Vertreter der Bundesbahn erklärte, dass bezüglich der
Investitionsanteils sie keinerlei Entlastungen vornehmen könnten. Da
auch im Gesetz keinerlei Investitionsentlastung vorgesehen sei, die BB
stellt sich also genauso auf den Standpunkt wie die Handelskammer, dass
eben nur die Vorratsentlastung vorzunehmen ist, dies bedeutet einen
weiteren bedeutenden Erhöhungsfaktor bei den Preisen. Der ÖGB könnte
einer solchen Regelung unter gar keinen Umständen zustimmen, weder
bei den öffentlichen Tarifen, noch bei den vom Staat beeinfluss-
baren Industriebetriebe, geschweige denn bei der Privatindustrie, wie
es die Handelskammer vertritt, akzeptieren. In einem solchen Fall
meint der ÖGB wäre es zweckmässig, die ganze Arbeitsgruppe platzen
zu lassen. Das FM äusserst sich zu diesem Problem bis jetzt überhaupt
nicht, der Finanzminister hat angeblich seien Beamten angeordnet,
dass sie an den Besprechungen nicht teilnehmen sollen, da die Feststel-
lung der Preis ausschliesslich dem Handelsministerium übertragen ist.
Der Finanzminister und die ÖMV-Vertretung insbesondere die soz. Vor-
standsmitglieder, Mezsaros, sind übereingekommen, den Wirtschafts-
prüfer Janos, der in der Kanzlei Androsch mitarbeitet, zu beauftragen,
an Hand des Benzinpreises zu prüfen, wie weit eben dieses Problem
im Rahmen des Vorsteuerabzuges zu berücksichtigen ist. Wenn das Gut-
achten vorliegt, wird sich dann ergeben, ob die 30 Groschen oder
50 Groschen Preiserhöhungen zu erwarten sind. Die ziffernmässige
Überprüfung bei der ÖMV hat natürlich oder würde ergeben, dass die
50 Groschen gerechtfertigt sind.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte von Meszaros fraktionell und vertraulich
Unterlagen verlangen.



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Bei den Verhandlungen mit der EG und damit im Zusammenhang ins-
besondere bei den innerösterreichischen Problemen ergibt sich eine
ganz neue Situation. Die Bauernvertreter haben nun endgültig be-
schlossen, an den Verhandlungen nicht mehr teilzunehmen, solange
der Bundeskanzler von seinem Standpunkt, den er der Kleinen Zeitung
gegenüber geäussert hat, er lässt sich nicht erpressen, nicht abrückt.
Dem Finanzministerium gegenüber – Mauhart hat ihn diesbezüglich ver-
traulich gefragt – hat er erklärt, der Finanzminister könnte der
Bauernschaft bestätigen, dass das Schreiben, welches seinerzeit
der Landwirtschaftskammer geschickt wurde und die Zusicherung enthält,
dass man auch über die Erstattung reden kann, aufrechtbleibt. Da dies
aber die Bauern scheinbar noch nicht wissen und vor allem vielleicht
sich aber auch heute gar nicht mehr mit dieser Erklärung zufrieden
geben, haben sie eben jetzt schärfste Waffe, nämlich die Boykott
beschlossen. Die Industrie – Obmann der Sektion Industrie in der Han-
delskammer – hat auch eine sehr scharfe Erklärung abgegeben und verlangt,
dass die Wünsche der Industrie und insbesondere auch die Erstattungsre-
gelung und die Marktordnung unverzüglichst bercksichtigt werden
müssten. Es wird nun eine wesentlich härtere Gangart auch in den Ver-
handlungen auf diesem Sektor beginnen.Wenn Kreisky und Androsch diese
Politik durchstehen, dann könnte ich noch ihre jetzige Haltung ver-
stehen. Sollte aber letzten Endes dann doch den Bauern in dieser Frage
entgegengekommen werden, dann hätte man jetzt hinhaltend ihre Wünsche
zumindestens zu verhandeln beginnen sollen, Da mir aber die Einheitlich-
keit der Regierung als das Wichtigste erscheint, werde ich der Bauern-
schaft nicht die Spur einer Unterstützung – nicht einmal in einer
Verwendungszusage – geben. Ich habe ja auch in einem Radio-Interview,
welches Nussbaum von mir natürlich jetzt von mir sofort wollte,
klar und deutlich dies zum Ausdruck gebracht. Mein Standpunkt, dass
es sich um eine innerösterreichische Problematik handelt, die uns
bei den Verhandlungen in Brüssel überhaupt nicht tangieren sollte,
habe ich damit neuerdings bestätigt.

Der norwegische Handelsminister Kleppe hat mir versichert, dass Notwegen
die Interessen der europäischen Kleinstaaten und insbesondere
der sozialdemokratischen Parteien vertreten möchte. Allerdings hat
er dann in einem Vortrag vor der aussenpolitischen Gesellschaft ausge-
führt, dass die Auseinandersetzung in Norwegen über den Beitritt
sehr hart geführt werden. Seine Frau und auch die Botschafterin er-
klärten mir, dass in Norwegen eine ganz ganz harte Diskussion bevor-


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steht und eigentlich niemand weiss, wie das Referendum im September
ausgeht. Das Storting hat im Jänner einstimmig beschlossen, dass
dieses Referendum durchgeführt werden soll. Im Storting selbst sind
nämlich dann eine 3/4-Mehrheit notwendig, die nur bei einem positiven
Ergebnis des Referendums erzielt werden kann. Derzeit hat sich nur die
Sozialdemokratische Partei und die konservative positive für den
Beitritt ausgesprochen. Die Liberalen und die Christlichen sind gespalten
und die Zentrumspartei, eine Agrarpartei, ist dagegen. Norwegen wird nach
wie vor diskutiert, ob es nicht zweckmässiger ist, ein Handelsabkommen
ähnlich dem Freihandelszonenabkommen von Schweden ebenfalls zu beschliessen
und nicht beizutreten. Die norwegische Regierung möchte doch ein stärkeres
Mitspracherecht innerhalb der Europäischen Gemeinschaften und vor allem
auch eine gewisse Kontrolle der internationalen und multinationalen Kon-
zerne. Die Gegner dagegen möchten die – wie er sich ausdrückt – doch
eine formale Wertung ihrer Nationalität und deshalb selbständig bleiben.
Andererseits aber möchte Norwegen sehr gerne in den Europäischen Gemein-
schaften die demokratische Kontrolle verstärkt wissen. Dies gilt sowohl
für den Ministerrat als auch für das stärkere Einschalten des europäi-
schen Parlamentes. Es wäre ja wirklich ein Wunder gewesen, wenn wir
in Österreich ohne eine Diskussion, ob ein Beitritt zweckmässig ist
oder nicht, über die Hürden gekommen wären. Ich glaube aber, dass wenn
sich die innerpolitische Situation nicht verschärft hätte, dieses
Wunder eingetreten wäre. Die Interessensvertretungen waren sehr eng
in die Verhandlungen eingeschaltet und damit auch die Oppositions-
partei und es hätte möglich sein müssen, diesen Beitritt weitest-
gehend aus dem innerpolitischen und damit auch dem Streit im National-
rat herauszuhalten. Natürlich hätte es eine Kritik über den einen oder
anderen Punkt gegeben, aber im Prinzip wären wir wahrscheinlich ohne
eine grössere innenpolitische Diskussion zu einem Beschluss im National-
rat gekommen.

Durch das Mittagessen kam ich zu spät zu unserem Vorstand bei unseren
Lebensmittelarbeitern. Fünf Minuten später wäre es allerdings passiert
gewesen. Der Vorstand wollte gerade nach einem Referat unseres ober-
österreichischen Sekretärs beschliessen, dass die Salinenarbeiter in
Kampfmassnahmen eintreten, um ihre berechtigten Forderungen – Angleichung
der Prämie der Arbeiter an die der Angestellten – durchzusetzen. Über
dieses Problem kann man sich angeblich nicht einigen, da die Betriebs-
direktion, d.h. die Salinenverwaltung den Auftrag des Finanzminister,
sie mögen die Ziffern errechnen und dann entsprechende Lösungen vorschla-


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gen, nicht wahrheitsgetreu nachkommen. Vorschläge und Berechnungen
der Arbeiterschaft und die der Gewerkschaft werden von der Salinen-
verwaltung, ohne Gegenziffern, tatsächlich zur Verfügung zustellen,
angezweifelt. Man hat nun allen Ernstes im Vorstand geglaubt, man
könnte dann gegen die Salinenverwaltung einen Streik oder Kampf-
massnahme führen und in der Öffentlichkeit erklären, dass sich
dies nicht auch gegen den Finanzminister richtet. Diese Naivität ist
direkt einmalig. Ich konnte dann unsere Kollegen davon überzeugen,
dass die nächsten Verhandlungen unter Führung des Zentralsekretärs
stattfinden sollten, um genaues Bild zu bekommen, bevor wir zu
Kampfmassnahmen schreiten.

Die Brauereiarbeitervertreter hatten die Frage des Preises für
den Austrunk noch immer nicht geregelt. Bei dieser Gelegenheit kam
in der Diskussion auch gleich die Meinung einiger Brauereibetriebs-
räte zur Sprache, dass man gegen die Einführung der 10 %-igen Getränke-
steuer auf das Bier ebenfalls auftreten sollte. Hier erklärte ich
aber auch klar und deutlich, dass wir uns über die Interessen der
Brauereien nicht den Kopf primär zerbrechen sollen, sondern dass
wir dafür sorgen sollen, dass eben unsere Brauereiarbeiter ihre
berechtigten Forderungen durchsetzen. Viele kleinen Sektoren und
Gebieten sehe ich in Hinkunft, dass zwischen den Gewerkschaften und
insbesondere natürlich auch natürlich zwischen der Lebensmittelar-
beitergewerkschaft und Regierungsmassnahmen Diskrepanzen entstehen
werden und vor allem, dass es gar nicht so leicht sein wird, die
Interessen der Arbeiterschaft auf der einen oder anderen Fall
auch hundertprozentig zu vertreten, ohne mit den Regierungsmassnahmen
in Konflikt zu kommen. Ich kann mir vorstellen wie schwer es Benya
auch in dieser Beziehung hat. Doch ich glaube, dass die Gewerkschaften
bis zum letzten Moment hier versuchen müssen, auf Seite der Regierung
zu stehen, auch dann wenn einige Massnahmen nicht ganz den Intentionen
ihrer Politik entsprechen.

Die KFZ-Durchführungsverordnung ist nun endlich fertig. Loyaler-
weise hat mich Metzner darauf aufmerksam gemacht, dass auch eine
Verdoppelung der Gebührensätze für die Prüfer vorgesehen ist.
Seit 1955 hat er gemeint, seien diese unverändert gewesen und damit
die Verdoppelung begründet. Ich habe sofort dagegen Bedenken ange-
meldet und wir einigten uns dann, sie auf 50 % Erhöhung zu beschränken
und diese in den Entwurf aufzunehmen und in die Begutachtung auszuschik-
ken. Ich bin neugierig, wie die Kraftfahrverbände darauf reagieren.



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wenn wir mit der Verordnung nicht so unter Zeitdruck wären, hätte
ich diesen Punkt nicht aufgenommen, bevor wir nicht mit den Kraft-
fahrverbänden und den Interessenvertretungen eine Lösung auch über
diese Gebührenerhöhung erzielt hätten.

ANMERKUNG AN ALLE: Bitte dafür zu sorgen, dass in Hinkunft bei Ver-
ordnungsentwürfen bereits bei der Konzeption, wenn Gebührenerhöhung
oder sonst gravierende Änderungen vorgenommen werden, dies mir gesagt
wird, damit ich die entsprechenden Vorverhandlungen zeitgerecht führen
kann.

Beim Abendessen in der norwegischen Botschaft traf ich Dr. Fürstenberg
von der Neusiedler AG. Dieser teilte mir mit, dass Turnauer die Absicht
habe, so schnell als möglich Schlöglmühl zu sperren. Wenn das Han-
delsministerium nicht die Zusicherung gibt, dass 6 Mill. S als Sub-
vention gewährt werden, wird er dies zum Anlass nehmen, um eben den
Betrieb unverzüglich zu schliessen. Ich erklärte ihm, dass Landesrat
Schneider von NÖ diese Frage vor etlichen Tagen mit mir besprochen
hat. Die NÖ Landesregierung war angeblich bereit, einen grösseren
Investitionskredit zu gewähren, macht diesen aber ebenfalls von einer
Zusage des Bundes auf die 6 Mill. S Stützung abhängig. Um diese
Entscheidung nicht sofort herbeizuführen, haben Schneider und ich be-
schlossen, das Gutachten über die Sanierung der Papierindustrie abzu-
warten. Fürstenberg versicherte mir, dass dieses Elaborat noch nicht
endgültig fertig ist und vor allem nicht mit der Gewerkschaft abge-
sprochen wurde. Seiner Meinung nach und er sitzt im Exekutiv-Komitee
hat die Gewerkschaft auch kein Exemplar bekommen. Da mir Teschl aber
eine solche Andeutung bereits gemacht hat, glaube ich, dass Fürsten-
berg
nicht genau informiert ist, sondern dass doch entweder mit
Steyrer oder mit einem anderen Herrn von der ÖPA Verhandlungen mit der
Gewerkschaft über dieses Elaborat bereits stattgefunden haben. Solange
die ÖPA mich aber nicht einschaltet, habe ich keinen Grund, mich zu
diesen Problemen konkret zu äussern. Im Gegenteil, ich werde, wenn ich
dann diese Unterlage bekomme, die sicher darauf hinauslaufen, dass
wir eine entsprechende Unterstützung den Unternehmungen gewähren
sollen, darauf hinweisen, dass man mir erstens zu einem viel zu
späten Zeitpunkt und eigentlich brüskierend dieses Material vorent-
halten hat. Ich erwarte nämlich auch, dass auf diesem Sektor von
Seiten des Finanzministeriums kaum eine Unterstützung zu erwarten ist.
Für die Bundeshaftung ist auch aber in diesem Fall wirklich das FM
zuständig.

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Tagesprogramm, 8.6.1972

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: SChef HM
GND ID: 12195126X


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: AR-Vors. Austria Tabak


    Einträge mit Erwähnung:


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Industrieller


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: nö. LR f. Wirtschaft u. Fremdenverkehr, ÖVP


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: VM (Ministerienneuorganisation 1974)


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: norweg. Minister, EFTA-Gen.Sekr.


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Bundeskanzler
                GND ID: 118566512


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Obmann Chemiearbeitergewerkschaft


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
                    GND ID: 136895662


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                      Tätigkeit: Finanzminister
                      GND ID: 118503049


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                          Tätigkeit: ORF


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                            Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                            GND ID: 119083906


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