Montag, 21. August 1972
Die Industriellenvereinigung hat in ihrer Zeitung "Preisdirigismus
auf Samtpfotchen" einen Leitartikel gewarnt, dass man wieder admini-
strative Preispolitik in Österreich einführen möchte. Ich habe deshalb
mit Gen.Sekr. Kottulinsky eine Aussprache, Wanke ist anwesend. Ich erkläre
Kottulinsky, dass wenn ich die Preiskompetenz im Herbst bekommen sollte,
ich nicht beabsichtigte, die administrative Preispolitik auszubauen,
sondern ganz im Gegenteil mit der Handelskammer und der Industriellen-
vereinigung gemeinsam einen neuen Weg zu suchen, um moderne Preispolitik
zu machen. Administrative Preispolitik sollte sogar abgebaut werden
und durch eine "Rute im Fenster"-Gesetzgebung ersetzt werden. Kottulinsky
gibt zu, dass wir maximalst mit der administrativen Preispolitik den
Index mit 1 %-Punkt beeinflussen könnten. Die Industriellenvereinigung
ist sich nicht ganz klar, wie sie sich in Hinkunft verhalten soll. Die
Schwesterorganisationen in den anderen Staaten haben sich mit den
Preissteigerungsraten bereits abgefunden und setzen ihre ganze Politik
jetzt darein, die Folgen einer Preispolitik der Regierung auf ein Minimum
für sie zu beschränken. Kottulinsky meint, die österreichische Industriel-
lenvereinigung wünscht aber noch, dass die Preiserhöhungen bekämpft werden
und nicht die Folgen einer administrativen oder sonstigen Preispolitik
der Regierung auf die Unternehmer auf ein erträgliches Mass reduziert
werden. Es beabsichtigt die Industriellenvereinigung den Vorstand dafür
zu gewinnen, dass eine Studie über die Tatsache von einem wissenschaftli-
chen Institut erarbeitet wird, dass sich die Bevölkerung und damit auch
die Unternehmer auf immer grössere Inflationsraten gewöhnen. Es soll
unbedingt untersucht werden, wohin ein solcher Weg führen kann und
welche Folgen es in der Industriepolitik sich daraus ergeben. Vor
Jahren hat man noch gesagt, 3 % sei das Maximum jetzt ist man bereits
bei 6 % angelangt. Ich erkläre sofort, dass wir an einer solchen Studie
sehr interessiert wären. Ausser dieser Landzeitpolitik aber eine Lösung
für die dringliche Arbeit in den nächsten Monaten brauchen werden. Ich
ersuche Kottulinsky, sich zu überlegen, wieweit die Industriellenverei-
nigung mit mir gemeinsam und der Handelskammer und den anderen Interessen-
vertretungen, ähnlich wie das auch beim Preisbestimmungsgesetz geschehen
ist, dann in Hinkunft eine gemeinsame Lösung suchen und finden könnte.
Kottulinsky verteidigt – und ich habe keine Absicht das zu
ändern – die Paritätische Kommission und die Freiwilligkeit der Preis-
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politik auf einem grossen Sektor. Wenn das grosse Kompetenzgesetz
im Parlament zur Diskussion steht und schön langsam zur Beschluss-
fassung heranreift, muss ich bei dieser Gelegenheit bereits in Form
von Aussprachen mit der Handelskammer, Industriellenvereinigung und
sonstigen Interessenvertretungen eine deutlich sichtbare neue
Preispolitik beginnen. Ich hoffe, dass es gelingt, die Handelskammer
und die Industriellenvereinigung zur Mitarbeit heranzuziehen. Da
jede gesetzliche Regelung mit 2/3-Mehrheit beschlossen werden muss,
brauche ich eben einen einstimmigen Beschluss der Interessenvertre-
tungen zu dieser neuen Politik.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Wie bereits im Institut beim Mittagessen besprochen
bitte die entsprechenden Vorarbeiten jetzt einmal fraktionell in der
wirtschaftspolitischen Kommission zur Debatte stellen.
Beim Pressefrühstück berichtet Mock über das neue Berggesetz und da
kommt mir erst richtig zu Bewusstsein, welch umständlicher, zwar gründ-
licher aber für einen Journalisten fast unerträglicher Mann Mock ist.
Er verliert sich immer wieder in Details und kann deshalb auch so schwer
zu einem endgültigen Ergebnis kommen. Die Journalisten wollen natürlich
insbesondere wissen, was die Verordnungsermächtigung des Handelsmini-
steriums bedeutet, weitere Produkte ins Bergrecht einzubeziehen. Hier
gibt Mock dann eine so detaillierte aber aggressive Erklärung, dass
ich sicher bin, die gesamte Journalistik der Unternehmerseite wird
sich in Hinkunft gegen eine solche Verordnungsermächtigung wenden.
Mock meint nämlich nach umständlichsten Erklärungen, dass der Sinn
darin besteht, wenn ein Produkt heute noch nicht knapp ist aber dies
durch irgendeine technische Entwicklung werden sollte, dann durch das
Berggesetz entsprechende administrative Lenkung mit der Verwendung
dieser Produktes eingesetzt werden sollte. Ich versuche zwar dann
noch ein bisschen abzuschwächen und erkläre insbesondere, dass der
Wunsch des Professorenkollegiums in Leoben diese Bestimmung veranlasst
hat ins Berggesetz aufzunehmen, dass ich aber keinesfalls um eine
solche Verordnungsermächtigung kämpfen werde. Wenn in der Begut-
achtung gewünscht wird, dann werde ich selbstverständlich darauf
verzichten. Anerkennen muss man aber, dass Mock die schriftlichen
Unterlagen, die er für mich vorbereitet hat, ganz hervorragend zusammen-
stellt und ich deshalb ohne dass er es vielleicht wollte durch Foto-
kopie auch den Journalisten gutes Material in die Hände geben konnte.
Zum Abschluss erkläre ich den Journalisten, dass ich jetzt im Urlaub
längere Zeit die Zeitungen genau studieren konnte. Was mir dabei auf-
gefallen ist – und das sollte keine Kritik sein – ist, dass in ungeheuren
negativen oder pessimistischen Einstellungen über die wirtschaftliche
Entwicklung Österreichs immer wieder von einzelnen Redaktionen in
ihren Zeitungen geschrieben werden. Da ich gerne wissen möchte, welche
Gründe die Redaktionen veranlassen, zu solchen Auffassungen zu kommen,
ersuche ich, ohne dass ich natürlich ihre Politik kritisieren möchte,
dass in ihren Reaktionsbesprechungen dies diskutieren und mir dann
mitteilen, wo sie eine negative Entwicklung ausser auf dem Preissektor
sehen. Die Investitionen werden mit 22 Mia. wesentlich höher sein als
1967 mit 10,5 Mia., der Private Konsum muss durch die höhere Einkommens-
steigerungen natürlich auch entsprechend steigen und dadurch natürlich
auch die Importe wesentlich zunehmen. Das Handelsbilanzdefizit ist daher
leicht zu erklären und in Wirklichkeit gar nicht etwas negatives sondern
trägt nur dazu bei, um unsere Deviseneinnahmen aus dem Fremdenverkehr
zweckmässig wieder abzudecken. Die Spareinlagen nehmen zwar relativ nicht
mehr so stark zu wie vor etlichen Jahren, doch ist dies durch dein priva-
ten Konsum bedingt und nur positiv zu betrachten, da ja doch die Banken
und Kreditinstitute imstande sind, die notwendigen Gelder für die
Investitionen aufzubringen. In Wirklichkeit ist die Kreditzunahme
mit 20 % für unsere Preisverhältnisse als überhöht zu betrachten, bedingt
aber damit natürlich eine Vollbeschäftigung auch der Mittel-
industrie. Während der Sitzung argumentiert kein einziger Vertreter der
bürgerlichen Presse dagegen. Wohl kann ich aber dann nach Schluss der
Sitzung mit einzelnen Redakteuren von der anderen Seite dieses Problem
neuerdings anschneiden und man sagt mir: ja alles geht auf die Preisent-
wicklung die beängstigend sei zurück. In Wirklichkeit glaube ich müssen
sie indirekt einsehen und zugeben, dass das der einzig schwache Punkt
unserer gesamten Wirtschaftspolitik und der wirtschaftlichen Entwicklung
ist. Ich hoffe, dass dieses Problem vielleicht wirklich bei ihren
Reaktionsbesprechungen angeschnitten wird und man mir noch entsprechende
Überlegungen von seiten der Redaktionen zur Verfügung stellt.
Bei einer Besprechung mit Marsch, Anzenberger, Zöllner, Wehsely
und Schmidt vom ÖGB beschliessen wir, dass im Institut täglich im
Institut die Fragen, die das Preisbestimmungsgesetz betreffen, besprochen
werden sollen. In den letzten Wochen ist es vorgekommen, dass die
Arbeiterkammer und der ÖGB eine konträre Meinung in Fragen des Ent-
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lastungskatalogs z.B. für die Handelsspannen in Sitzungen ver-
treten haben. Als mich Marsch davon im Urlaub verständigte, habe
ich ihm sofort erklärt, hier müsste durch bessere Koordinierung
dieser Zustand schon im Keime erstickt werden. Wenn es mir nämlich
nicht gelänge, diese beiden Institutionen, die heute nicht mehr so
gut kooperieren, wie dies zu Zeiten von Kienzls und mir der Fall ge-
wesen ist, dann sehe ich für die weitere Entwicklung äusserst un-
günstig. Bei noch so grosser Aversion von einzelnen Genossen in der
Arbeiterkammer gegenüber dem ÖGB oder umgekehrt, muss es unbedingt
gelingen eine gemeinsame Linie in den Sachfragen zu finden. Meiner
Auffassung nach ist es vollkommen gleichgültig, ob dabei die eine oder
andere Meinung unterdrückt wird oder zurückgestellt werden muss,
entscheidend ist, dass eine gemeinsame Meinung gefunden wird, was für
die Regierung gilt, gilt in noch viel stärkerem Ausmass für die
einzelnen Interessenvertretungen der soz. geführten Institutionen.
Nach aussen auftretende Einigkeit macht stark.
Anzenberger hat eine Liste von Waren festgestellt, die man jetzt in
den Preiserhebungen und EDV-mässigen Verarbeitung in ganz Österreich
durchführen wird, dadurch können wir, nachdem das Innenministerium
sich auch bereiterklärt hat, mehrere Beamten in allen Bundesländern
einzusetzen, mit dem Marktamt in Wien gemeinsam fast 300.000
Preiserhebungen bekommen, die wir natürlich dann EDV-mässig verar-
beiten müssen. Obwohl dies fast eine Million Schilling kosten wird,
entschliesse ich mich letzten Endes, doch die Zustimmung zu geben.
Nicht zuletzt auch deshalb, weil die EDV-Anlage des Gewerkschafts-
bundes mit 1 Mill. S Offert gegenüber den anderen Offerten, die fast
oder mehr als das Doppelte kosten, den Zuschlag bekommt. Zum ersten-
mal wird eine Preiserhebung und eine Preiskontrolle auf moderner
Basis durchgeführt und das wird uns hoffe ich in der Öffentlichkeit,
so hoffe ich, das Image von seröser Arbeit geben. Da in Wien allein
1.500 Geschäfte erfasst werden, wird es auch eine gewisse Breitenwir-
kung bei den Unternehmern auslösen. Niemand wird mir vorwerfen können,
dass wir hier auf Einzelerhebungen irgendwelche Aussagen aufbauen.
Die Abteilung 25 a unter Marsch bekommt gleich einen guten Start
und ich hoffe einen guten Kontakt auch mit nachgeordneten Behörden,
die allerdings nicht nachgeordnete Dienststellen vom Handelsministe-
rium sind. Da ich in Hinkunft ja nicht einmal wie das Innenministerium
Polizei- und Gendarmerieorgane zur Verfügung habe, muss ich immer
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mit solchen Sonderarrangements unter Mitwirkung von freiwilligen
Helfern oder von Dienststellen, die mir andere Ministerien zur Ver-
fügung stellen, arbeiten. Das müssen wir in unseren Überlegungen
in der künftigen Preispolitik ganz besonders berücksichtigen.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte vergiss bei allen propagandistischen Wünschen
die Du hast, diesen Gesichtspunkt nie.
Gen.Direktor Reisinger mit Stadtrat Nekula und dem soz. Mitglied der
Austria-Ferngas Schmidt berichten mir über den bis jetzt eigentlich noch
nicht positiven Verhandlungsverlauf mit Algerien (Flüssiggas). Die
Fünfergruppe, wo sich Österreich anschliessen will, hat sich noch
nicht endgültig entschieden, ob sie die österreichische Ferngas mit-
nehmen. Da in 10 Mia. Verflüssigungsanlagen gebaut werden, die ca.
350 Mill. $ kosten, diese Fünfergruppe aber bereits 10 Mia. ausgebucht
hat, müsste entweder für die Optionsmenge von weiteren 3 Mia. + österr.
Wünsche von 1,5 bis 2 Mia. eine weitere Gruppe gefunden werden, die
eine weiteren Block dann errichtet. Angeblich will Amerika die
Iscogruppe ebenfalls 3 Mia. von Algerien haben, sodass mit der Optionsmenge
und Österreich 1,5 bis 2 ca. schon 8 Mia. zusammengekommen sind. Da die
süddeutsche Maingruppe ebenfalls sich mit Algeriengas eindecken und
wahrscheinlich mindestens 2 Mia. braucht, wäre eine solche Zehnergruppe
dann neuerdings zusammen. Es wird sich in den nächsten Wochen heraus-
stellen, ob ein solcher Vertrag zustande kommen kann. Tatsache ist,
dass die beabsichtigte Abgabe eines letter of intent für Juli heute
nicht mehr spruchreif ist und zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht
abgeschlossen werden konnte. Die Verhandlungen, die die Austro-
Ferngas mit Algerien direkt geführt hat, haben andeutungsweise von
den Algerien dazu geführt, dass Algerien ebenfalls gerne einen allei-
nigen österreichischen Vertrag abschliessen möchte, wenn dafür aber nicht
10 Mia. abgenommen werden würde sich natürlich das Gas wesentlich
teurer stellen. Ich ersuchte die Austria-Ferngas-Genossen, ganz
besonders aber jetzt endlich die ÖMV wie man versprochen hatte, bei
den Verhandlungen einzuschalten. Dies wurde mir neuerdings bestätigt
und bis jetzt nur deshalb darauf verzichtet, weil eben noch keine
konkreten Verhandlungen geführt werden konnten.
Der burmesische Industrieminister ist in Österreich bei Polzer vom
Hanuschkrankenhaus im Behandlung. Er wollte, um einige Zeit in
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Österreich totzuschlagen, auch mit mir Besprechungen führen, was ich
ihm natürlich sofort gewährte und besichtigte auch einige Betriebe.
Bei dieser Gelegenheit kam ich darauf, dass der Industrieminister in
Burma so wie ich Gewerkschaftsobmann ist. Würde ich einmal wegen dieser
Tatsache angegriffen werden, kann ich erklären, dass auch andere Staaten
Gewerkschaftsobleute zu Industrieminister berufen, natürlich ohne
Burma zu nehmen, denn da würde jeder sagen, ja in Asien herrschen eben
besondere Zustände.
Bei der Verabschiedung der österr. olymp. Mannschaft und Weiterleitung
des olymp. Feuers erklärt mir der derzeitige Präsident des österr. Olymp.
Komitees Stadtrat Heller, dass dies in Wirklichkeit ein full-time-job
wäre. So wie Unterrichtsminister Sinowatz mir vor längerer Zeit schon
auseinandergesetzt hat und bei dieser Aussprache auch neuerdings be-
stätigt, ist es ganz unmöglich, dass man diese Millionen Projekt-Arbeiten
einem Komitee überlässt, das ausserstande ist, dieses kommerzielle
Problem jetzt zu bewältigen. In Wirklichkeit ist dies eine grosse Show
geworden und es ist dringend notwendig, eine entsprechende kommer-
zielle Organisationsform auch dafür zu finden. Wenn der Präsident des
Olymp. Komitees Brundage dagegen bis jetzt immer Stellung genommen hat,
dann wird er wahrscheinlich nach seinem Abgang erleben, wie diese
Milliarden-Veranstaltungen in Hinkunft noch mehr kommerzialisiert werden
und wahrscheinlich auch tatsächlich werden müssen.
Bei der Dornbirner Messe hat mir der Bürgermeister mitgeteilt, dass er
den Herrn Bundespräsidenten ersucht hat, ob er nicht im nächsten Jahr,
wo die 25. Dornbirner Messe stattfindet, die Eröffnung vornehmen möchte.
Der Präsident der Messe, Rhomberg, war scheinbar darüber ein bisschen
verschnupft und hat deshalb mir gegenüber erklärt, dass eine solche Ein-
ladung an den Bundespräsidenten nur dann von ihm mit ruhigem Gewissen
ausgesprochen werden kann, wenn ich mich dadurch nicht zurückgesetzt fühle
und ich ganz besonders aber natürlich auch an dieser Messe teilnehmen
würde. Ich versicherte Rhomberg, dass ich dagegen nicht nur nichts einzu-
wenden habe, sondern dass ich mich bei der erstbesten Gelegenheit dafür
einsetzen werde, den Bundespräsidenten dazu zu gewinnen. Ich nütze daher
diese Gelegenheit und stelle mit Freude fest, dass sowohl für die nächstjäh-
rige Grazer Messe, die bereits ein Jubiläumsmesse sein wird, als auch
für Dornbirn der Bundespräsident sich bereiterklärt, die Eröffnung durch-
zuführen. Auch ich bestätige nochmals Jonas, dass ich mit den Herren immer
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dahingehend verhandelt habe, dass es für mich eine grosse Ehre ist,
wenn der Bundespräsident die Eröffnung vornimmt und ich mich
dadurch in keiner Weise zurückgesetzt fühle. Ich glaube, dass es sinn-
voll ist, den Vorarlbergern, d.h. dem Präsidenten Rhomberg und dem
Bürgermeister von Dornbirn mitzuteilen, dass ich diese Verpflichtung
die ich übernommen habe, positiv erledigen konnte und bei dieser Gelegen-
heit gleich unser Anbot betreffend die Unterstützung für eine Studie
über eine Verlegung der Messe ans Dornbirner Autobahnkreuz.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte diesbezügliche Vorarbeiten wie besprochen
beschleunigt zum Abschluss bringen.
Tagesprogramm, 21.8.1972