Montag, 4. September 1972
Zum Jour fixe kommt Mussil fast immer zu spät, weil er angeblich
Telefonanrufe, wahrscheinlich aber noch Besprechungen hat, die
er auch nicht sofort abbricht. Ich frage deshalb Sallinger, warum
er nach China, wo Raikich jetzt nach Tel Aviv übersiedelt, nicht
den immerhin Chinasprechenden aus Pakistan. MR Meisl hat mich
darauf aufmerksam gemacht und erwartet, daß ich für Jehly inter-
veniere. Sallinger erklärt, daß noch nicht endgültig entschieden
ist, daß aber die meisten eigentlich für Dr. Küng aus Südamerika
plädieren, da er der bessere Wirtschaftler ist und Jehly sich doch
mehr kultureller betätigt hat. Als Mussil dann später kommt ist
interessant, daß Sallinger sofort auch dann dieses Problem neuer-
dings zur Sprache bringt. Ich behaupte, daß es dringend notwendig
ist, daß der Außenhandelsstellenleiter womöglich die Sprache des
Landes spricht wo er tätig ist, auch dann, wenn Sallinger erklärt,
daß in China alles in englisch auch mit den Stellen gehandelt, die
für Wirtschaftsfragen zuständig sind.
Sallinger hat eine unverständliche und mir unerklärliche Nachricht,
daß sich angeblich eine Verbindungsstelle im Handelsministerium
für Brüssel errichten möchte, die als ständige Kontaktstelle tätig
sein soll. Da ich im Handelsministerium sicherlich keine ständige
Kontaktstelle errichte, da ja letzten Endes die Abteilung 3 eine
solche ist, erkläre ich rund heraus, daß dies eine falsche Infor-
mation sei und daß die 5. Kolonne von Mussil in dem Falle besser
funktioniert.
Mussil kündigt an, daß bei der Aussprache mit der Bundesregierung
über die Begleitmaßnahmen auch das Industrieförderungsgesetz für
die Papierindustrie wie es zwischen der Gewerkschaft und der Papier-
industrie vereinbart wurde, zur Sprache kommen wird. Ich erzeuge
kein besonderes Interesse, da man wie man ausführe, seinerzeit
ja verabsäumt hat, mich weiterhin zu informieren, obwohl ich eigent-
lich durch die Untersuchung der Papierindustrie auf Grund der Wirt-
schaftskommission wesentlich als Initiator beteiligt gewesen zu sein.
Mussil erklärt neuerdings, daß die Verarbeitungsindustrie gegen den
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5 %-igen Zuschlag stellt und deshalb er als Handelskammer mehr oder
minder gebremst hat, daß dieses Papier jetzt bereits im Handels-
ministerium vorliegt.
Mussil möchte den Antwortbrief bezüglich der Auseinandersetzungen
in Brüssel zwischen den Handelskammervertreter und meinen Beamten.
sich ersparen und schlägt vor, eine Aussprache der Beteiligten bei
mir zu machen, wie ich in Aussicht genommen habe. Da müßte mir die
Handelskammer aber in einem Schreiben ausdrücklich erklären, daß
sie die Angelegenheit als erledigt betrachtet. Mehr oder minder
akzeptiert, daß unsere Beamten vollkommen richtig gehandelt haben.
Wenn sich Reiterer mit einem solchen Antwortbrief und in welchem
Umfang dieser die Entschuldigung beinhalten muß, werden die Handels-
kammerleute mit Reiterer besprechen. Ich habe hier nicht um mein
Prestige, sondern um das Ansehen meiner Beamten bekämpft . Die Handels-
kammer hat sich durch diese glaube ich unqualifizierten Angriffe die
Chance genommen, im Parlament jetzt dieses Problem, nämlich die un-
gleichmäßigen Zollabbau der bei den sensiblen Produkten als materielle
Sache im Prinzip vorzutragen, weil sie eben den formellen Fehler be-
gangen hat und behaupten sie war ausgeschaltet und jetzt entsprechend
zurückziehen muß. Die übertriebene Behauptung, daß man 18 Ursprungs-
zeugnisse zu dem neuen Vertrag brauchen wird, führt jetzt dazu, als
ich Mussil erkläre, daß dies nicht der Fall ist und ihm die Formulare
vorlegen kann, er mir mitteilt, daß Sallinger der nächste Sprecher
der Handelskammer beim Interimsabkommen dies lobend herausstreichen
wird. Allerdings mit der Behauptung, daß es nur ihrem Hinweis und
Intervention zu danken ist, daß wir zu einer vernünftigen Regelung
gekommen sind, daß natürlich ein ausgesprochener Unsinn ist.
preise verlängert werden sollen. Aber durch das Preisbestimmungs-
gesetz sehr wohl Bruttopreise für den Konsumenten, damit die Ent-
lastung richtig durchgeführt wird brauchen, wir wahrscheinlich
die Bruttopreisverordnungen über den 31. Dezember 1972 hinaus ver-
längern. Er versichere der Handelskammer daß die Grundsatzgruppe
sich mit diesem Problem noch eingehend beschäftigen wird.
Mussil ist sich nicht klar, ob er den Vorsitz im Unterausschuß des
Handelsausschusses, der sich mit der Gewerbeordnung befassen soll,
übernehmen soll. Er wird heftig angegriffen, daß er zu wenig Zeit für
die Handelskammer aufwendet. Mit dem Vorsitz in diesem Unterausschuß
wäre er monatelange blockiert. Ich greife sofort an und erkläre, daß
Mussil so heftig kritisiert wird, weil er zuviel Zeit in seinem Wahl-
kreis verwendet. Die ÖVP hätte ihn längst einen Wiener Wahlkreis
zuteilen anstelle ihn immer wieder ins Waldviertel fahren zu
lassen. Wenn er dagegen die so wichtige Funktion eines Vorsitzenden
im Unterausschuß für die Gewerbeordnung die Magna Carta , wie er sich
ausdrückt, des Gewerbes aufwendet, wird ihm niemand Vorwürfe machen.
Sallinger stimmte mir vollinhaltlich zu meinen Ausführungen zu. Ich
bin neugierig wie sich die ÖVP entscheiden wird. Da sie den Obmann
des Handelsausschusses stellt, steht er auch der Obmann des Unteraus-
schusses auf alle Fälle zu. Sicherlich möchte der Obmann des Handels-
ausschußes Staudinger auch gleich den Vorsitz im Unterausschuß über-
nehmen. Mussil müßte doch auf alle Fälle in dem Ausschuß vertreten
sein und ich rede ihm ein, daß er dann genau dieselbe Zeit aufwenden
müßte, vielleicht sogar noch mehr, wenn nicht ein zügig und straff
die Verhandlung führender Obmann im Unterausschuß gewählt wird.
Das Frühstücksgespräch mit den Journalisten war diesmal überraschend
gut besucht. Einzelt haben Heindl und ich gehört, daß einige Jour-
nalisten meinen, man sollte nicht alle Woche eine solche Besprechung
abführen. Koppe hat aber vollkommen recht, wenn wir diesen Termin
einmal lockern oder aufgeben, setzt sich bestimmt ein anderer darauf.
Die einzelnen Journalisten glauben, daß wir nichts mehr zu sagen
haben, dann sollen sie eben wegbleiben. Da wir es letztens schon an-
gekündigt haben, wir werden uns über den Fremdenverkehr unterhalten
und ganz besonders die Aussagen der Bundeshandelskammer mehr oder
minder kritisieren müssen, waren fast alle mit dem Fremdenverkehr be-
fassenden Journalisten erschienen. Die Bundeskammer hat errechnet,
daß der Inlandsfremdenverkehr ein wenig heuer zurückgeht, weil sie
in ihrer Statistik die Campingplätze, Jugendherbergen, Sanatorien,
Kurhäuser nicht berücksichtigt, sondern nur die Betten in den gewerbl.
Betrieben und von den Privatzimmervermietern. Im 1. Halbjahr 1972
gegenüber dem Vorjahr sind deshalb auch die Inlandsübernachtungen
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um 2,8 % gestiegen und nicht um −0,4 % durchgefallen. Bei der
positiven Tätigkeit konnte aber insbesondere durch den so günstig
laufenden OECD-Bericht auf dem Fremdenverkehrssektor herausgestrichen
werden. Für das nächstwöchige Gespräch haben wir Preisproblematik
aus dem Preisbestimmungsgesetz und Entlastungsausschüsse, usw. ange-
kündigt. Die Ankündigungen zeigen ungefähr die Entwicklung in der
sich unser nächsten Gespräch bewegen wird und sollen den Journalisten
den Aufhänger und vor allem die Veranlassung geben wieder zu kommen
und vor allem den richtigen Sachbearbeiter zu schicken. Was ich zu-
tiefst bedauere ist, daß sich immer weniger eine Diskussion an die
Erklärungen im Pressegespräch anschließt. Vor allem wird kaum ein
anderes Thema als das wir anschneiden zur Debatte gestellt. Die
Journalisten sind entweder zu faul oder sie haben wirklich keine
Kritik vorzubringen oder zusätzliche Fragen zu stellen. Sie müssen
deshalb jede dieser Pressebesprechungen mit Unterlagenmaterial
reichlichst ausstatten, so wie dies auch bis jetzt von einzelnen
Abteilungen oder Themen sehr gut durchgeführt wurde.
Anmerkung für KOPPE:
Bitte das Material immer schon Anfangs der Woche zu verlangen.
damit wir bis zum nächsten Montag dann tatsächlich ein so gut
vorbereitetes Material wieder haben wie dies diesmal der Fall
gewesen ist.
Direktor Kraus von der Rella, Bauunternehmen, welches in nächster
Zeit mit dem Staatswappen ausgezeichnet wird, sagt, wie so viele
andere Bauunternehmungen, daß in der Bauwirtschaft nicht koordinierend
vorgegangen wird. Ich weiße darauf hin, daß jede größere Baufirma
Universale, Porr, und die Gemeinde ein eigenes Fertigbauwerk errichtet
haben und jetzt natürlich keine Kapazitätsauslastung damit erzielen
können. Die Baufachleute, aber auch die im Bauzentrum vereinigten
Unternehmungen haben mir versprochen, daß sie Rationalisierungsvor-
schläge oder Normungswünsche und andere wesentliche Änderungen vor-
schlagen und bis heute habe ich überhaupt noch nichts bekommen.
Sein Vorstandkollege von Rella, Nemetschke, hat in der VIBÖ, das
ist die Vereinigung der Bauindustrie Österreichs, die sich um eine
Anerkennung als Fachverband bemühen, mir erklärt, auch er wird dem
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Handelsministerium Vorschläge unterbreiten. Den Wunsch der großen
Baufirmen einen eigenen Dachverband der Bauindustrie zu gründen,
habe ich bereits positiv entschieden und erklärt, daß 1973 alle
Vorarbeiten abgeschlossen sein müssen. Sallinger hat dies schweren
Herzens zur Kenntnis genommen und im Zuge der neuen Gewerbeordnung
wird ein Fachverband der Bauindustrie errichtet werden. Ich bin
sehr gespannt ob wir durch dieses ununterbrochene Drängen, Urgieren
und neuerlich in Erinnerung rufen die versprochenen Unterlagen doch
einmal von irgendeiner Stelle brauchbare Vorschläge bekommen. Das
Branchenreferat Bau müßte sich dann sehr eingehend mit diesen Vor-
schlägen beschäftigen. Vielleicht könnten wir so ähnlich wie bei
der Papierindustrie dann doch einen Kristallisationspunkt herausar-
beiten. Für die Bauwirtschaft ist natürlich primär das Bautenministe-
rium zuständig. Kreisky selbst aber hat mich vor Monaten schon ersucht
mit den Bauindustriellen gemeinsam irgendwelche Besserungsvorschläge
zu erarbeiten. wen in Zuge der Baustoppdiskussion jetzt dieses Pro-
blem zur Sprache gebracht wird, kann ich wenigstens darauf hinweisen,
daß das Handelsministerium und ich persönlich ununterbrochen auf die
Bauindustrie eingewirkt haben, entsprechende Vorschläge zu erstatten,
die bis jetzt nicht erfolgt sind. Alle Bauunternehmen, auch Kraus von
Rella, sieht ein, daß dies aber dringendst notwendig wäre.
Beim Mittagessen des Aussenministers Kirchschläger für die Rechnungs-
hofpräsidenten, welche angeblich Ministerrat überall besitzen, habe
ich ja wenigstens Gelegenheit mit Kirchschläger das DDR-Problem zu
besprechen. Kirchschläger wird in der Regierungsvorbesprechung dafür
eintreten, daß sowie die Schweiz der DDR einen ähnlichen Status
jetzt geben. Ich soll einstweilen von uns noch streng vertraulich
behandelt werden und keinesfalls schon dem Geschäftsträger mitgeteilt,
nämlich wenn ich gefragt werde, soll ich zwar nicht ableugnen, daß
wir jetzt einen Schritt weitermachen, sondern hauptsächlich fest-
stellen, daß wir mit großem Interesse die Schweizer Verhandlungen
und deren Ergebnis verfolgt haben. Auf Beamtenebene wird dann bei
der ersten sich bietenden Gelegenheit noch heuer ein diesbezüglicher
Vertrag ausgearbeitet werden. Das Außenministerium möchte hier
zuerst einen Regierungsbeschluß herbeiführen. Bevor wir im Handels-
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ministerium die Verhandlungen beginnen. Zu meiner größten Verwunderung
nur der spanische und der venezolanische Rechnungshofpräsident
anwesend. Alle anderen sind von Villach scheinbar sofort nach Hause
gefahren. Kandutsch hat durchgesetzt, daß diese beiden auch vom
Bundespräsidenten empfangen wurden. Wenn mich nicht Kirchschläger
ersucht hätte, daß ich an dem Essen teilnehme und ich ihm diesen
Gefallen natürlich machen wollte, hätte ich mich sehr geärgert, daß
ich dieser Einladung gefolgt wäre. Ich glaube aber auch Kirchschläger
war bass erstaunt, daß nur diese beiden übriggeblieben sind. Kandutsch
war vor einiger Zeit in Spanien eingeladen, um dort den nächsten
Kongreß zu besprechen und berichtete ganz begeistert nicht nur
von der Gastfreundschaft, sondern auch von der Ordnung, die jetzt
in Spanien herrscht. Die faschistoiden Züge dieses Regimes sind
ihm scheinbar gar nicht aufgefallen, oder er hat durch die Taktik
der überwältigenden Gastfreundschaft jeder Diktatur jedwediges Maß
oder Kritik verloren.
Ich benützte die Gelegenheit, um Kandutsch neuerdings darauf aufmerk-
sam zu machen, daß wenn er eine Verwaltungsreform wünscht, die Vor-
aussetzung dafür ist, daß eine Stabsstelle bei jedem Minister zu be-
sitzen, wie wir sie eingerichtet haben und er für gut befunden hat.
Ich lege ihn deshalb bei jeder Gelegenheit neuerdings fest, weil ich
fürchte, daß natürlich im Laufe der nächsten Jahre noch harte An-
griffe von seiten der Opposition wegen dieser organisatorischen
Umstellungen in meinem Ministerium kommen werden. Kandutsch selbst
muß aber zugeben, daß jedwedige Verwaltungsreform, die bis jetzt
in Angriff genommen wurde, gescheitert ist. Ein entweder von aussen
oder von innen durch Ersparungskommissäre unzulängliche Versuche
gemacht wurden. Mir erscheint wesentlich wichtiger über dieses Pro-
blem mit dem Rechnungshof oder gar innerhalb der Regierung einen
Akkord herzustellen. Die Verwaltungsreformsbestrebungen dadurch
zu untermauern, daß man eben ein modernes Management auch in einem
Ministerium versucht aufzubauen. Überdies könnte meiner Meinung nach
der Ansatz für eine Verwaltungsreform sein. Ich selbst gebe ihr aber
kaum eine Chance, weil keine wie immer geartete Möglichkeit besteht,
die Beamten die mitwirken und vor allem die auf Grund der Verwaltungs-
reform aktiver tätig sein sollen, auch besser zu bezahlen oder
leistungsgemäß zu entlohnen. Die Aufwendungen für die Beamten nicht
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mehr erhöht werden, andererseits natürlich die große Anzahl der
Beamten die kaum oder nur sehr wenig arbeiten, ebenfalls in Rechnung
gestellt werden müssen, ergibt sich fast keine Möglichkeit der Um-
schichtung von Beamtengehältern auf die aktiveren und leistungsfähi-
geren und vor allem aber leistungswilligeren. Die Forderungen der
Beamtenschaft aber auch der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes
werden deshalb immer nach heftigen und langwierigen Verhandlungen
doch erfüllt, ohne eine entsprechende Gegenforderung von seiten der
Verwaltung an die Beamten zu stellen und bei dieser Gelegenheit zu
kompensieren.
Tagesprogramm, 4.9.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Aktenvermerk f.d. Hrn. BM betr. Besetzung Handelsdelegation Peking, 4.9.1972