Sonntag, der 17. September 1972

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Sonntag, 17. September 1972

Die Wahlversammlungen im Burgenland haben mich angenehm über-
rascht. Landesrat Dr. Vogl, mein Begleiter, meinte, bei Beginn
unserer Reise, daß nach seiner Auffassung zu viele Versammlungen
insbesondere jetzt in der letzten Phase des Wahlkampfes, die
eigentlich die erste Phase ist, veranstaltet wurden. Nach seiner
Auffassung war die Absicht, den bgld. Wahlkampf so spät wie
möglich zu beginnen und vor allem so wenig wie möglich in Er-
scheinung zu treten, um nicht die ÖVP zu veranlassen, ebenfalls
stark aktiv zu werden. Die bgld. ÖVP ist in sich noch sehr zer-
stritten, Soronics keinesfalls also der anerkannte Führer dieser
Partei im Burgenland und deshalb meinte Vogl, wäre es zweckmäßig,
sie erst gar nicht zu einer Gegenaktion zu veranlassen. Vogl
meinte auch, daß wir insbesondere im südlichen Burgenland die
Versammlungswelle, die für mich und ihm vorgesehen war, ruhig
hätten unterbleiben sollen. Ich hatte allerdings keinerlei Detail-
informationen über die Stärke unserer Partei in diesem Landesteil.
Umso mehr war ich überrascht, als auch dort nicht nur volle Ver-
sammlungslokale, sondern eine sehr gute Stimmung festzustellen war.
Auch Vogl war, glaube ich angenehm überrascht und letzten Endes
dann auch derselben Meinung wie ich. Vogl hatte nämlich einige
Tage vorher Versammlungen in Großgemeinden und war dort auf eine
gewisse Lethargie oder besser gesagt auf Versagen der Funktionäre
nach seiner Auffassung gestoßen. In diesen Großgemeinden werden
seiner Meinung nach wesentlich besser besuchte Versammlungen not-
wendig gewesen und hatte er auch erwartet. Heute in den Kleinge-
meinden, wo wir nur eine schwache Organisation haben, wie
er sich ausdrückte, dwar eine richtige große Versammlung geworden.
Sicherlich ist es für diese Gemeinden eine ungeheure Auszeichnung,
wenn ein Bundesminister zu Besuch kommt. In einer konnte ich sogar
feststellen, daß der ÖVP-Bürgermeister nicht nur mich beim Eintref-
fen begrüßte, sondern sogar dann in der Versammlung anwesend war.
Das einzige, was mich bei dieser Art der Organisation stört, ist
daß wir überhaupt keine Diskussion mit den Leuten führen.
Vogl meinte, da wird alles zerredet und deshalb gibt es nur eine


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Art Befehlsaufgabe, d.h. es wird eben den Funktionären und
Zuhörer mitgeteilt was man zu sagen hat und die akzeptieren
dies ohne Diskussion. Ansonsten ist Vogl sehr optimistisch.
Er nimmt nicht nur an, daß Stimmen gewonnen werden, sondern ist
fest davon überzeugt, auch ein Mandat dazuzugewinnen. Natürlich
sagen mir die Funktionäre in den einzelnen Gemeinden, daß sie
schon mit einem Stimmenzuwachs rechnen, daß aber die Auffassung
von Vogl nicht ganz ihre Zustimmung findet. Vogl selbst ist in
der Beziehung glaube ich sehr geschickt. Er legt jeder Gemeinde
fast schon seinen Stimmenzuwachs, der notwendig ist, vor. Dies
bedeutet allerdings, daß dann der Funktionär mit nachher gesteht,
er hält z.B., wenn schon 2/3 SPÖ wählen, kaum möglich, noch 40
Stimmen dazuzugewinnen. Vogl ist natürlich dann auch zufrieden,
sicherlich wenn er 20 Stimmen, die z.B. in diesem konkreten Fall
für möglich gehalten wurden, erreicht. Der Draßburger Lokalobmann
z.B. hat mir in diesem Fall deutlich zu verstehen gegeben, mit
20 wäre er mehr als zufrieden.

Anmerkung für HEINDL
Bitte Draßburger Verhältnisse mir dann vorlegen.

Während der ganzen Wahlreise, wir waren immerhin in 12 Ortschaften
hat ein einziger Unternehmer mich wegen eines Bürges-Kredites um
Unterstützung gebeten. Ich habe dem Genossen natürlich zugesagt,
daß ich mich auf alle Fälle um sein Ansuchen kümmern werde. Ein
zweiter Unternehmer, Schneeberger, der ein bedeutendes Beton-
werk knapp an der ungarischen Grenze errichtet hat, hoffte, daß
ich doch zum Mittagessen seinen Betrieb besichtigen würde. Die
Genossen hatten ihm erklärt, dafür würde keine Zeit sein, denn
ich müßte die Mittagspause geschont werde. Ich habe dann nicht
nur selbstverständlich den Betrieb besichtigt, sondern bin dann
sogar noch ein 2. Mal hingefahren, weil kein Pressefotograph
vorerst zur Verfügung stand und er so gerne Aufnahmen vom
Besuch des Handelsministers hätte. Auch der bgld. Innungsmeister
der Müller, ein Schwarzer, wie mir natürlich sofort unsere Ge-
nossen bestätigten, war zu einer Versammlung gekommen, um von mir
nachher zu erfahren, ob das Mühlengesetz kommen wird und wann es
im Parlament verabschiedet werden kann. Zu diesen drei sicherlich


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verhältnismäßig unbedeutenden Wünschen von Unternehmern konnte
ich feststellen, daß sie sehr wohl mit dem Fachminister in einen
anderen Kontakt kommen möchten, als wie allein die Vorträge, die
im bgld. Wahlkampf so wie auch in vielen anderen Wahlkämpfen
vorgesehen sind. Anzuhören und letzten Endes dann wieder nach Hause
zu gehen. Ich will und werde mich sicherlich nicht einmischen,
sondern den Vorschlag jeder Landesorganisation akzeptieren, den
man mir zuweist. Trotzdem glaube ich, daß eine andere Art der
Kontaktmöglichkeit auch für die Wahlveranstaltung besser wäre.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß es nicht effektvoller für das
Wahlergebnis auch ist, wenn man mit gewissen Kreisen in einen
engeren Kontakt kommt, Detailprobleme mit ihnen bespricht und
vielleicht dann sogar in einen oder anderen Fall erfährt, wo der
Schuh wirklich drückt. Natürlich bedeutet dies eine wesentlich
längere Diskussionszeit mit Unternehmervertretern. Dann ist man
sicherlich außerstande, 12 Versammlungen in einem Tag abzuhalten.
Das jetzige System ist für mich angenehmer als die Arbeit, die
ich mir wieder aufhalsen würde.

Bei der Heimfahrt mußte ich feststellen, daß die Auffahrt von
der Aspanger Bundesstraße auf die Autobahn bei Bitten von der
Gendarmerie gesperrt war. Entweder war die Autobahn so überfüllt,
daß man niemanden drauffahren ließ, oder es waren auf den Zu-
bringerstraßen ein Verkehrsunfall entstanden, der eben die Auf-
fahrt unmöglich machte. Dadurch bildete sich eine riesige Kolonne
vor der Einfahrt vor Wr. Neustadt. Interessanterweise kam aber
von der Bundesstraße 17 kein einziges Fahrzeug, d.h. die Auffahrt
zur Autobahn von der Neunkirchner Allee mußte frei sein. Als wir
dann in Wr. Neustadt bei der erstbesten Gelegenheit abbogen, um
von dort auf die Autobahn zu gelangen, mußte ich auch feststellen,
daß diese keinesfalls überfüllt war. Warum ich dies aber aufzeichne
ist, daß ich obwohl wir versuchten alle Sendungen von Ö3, d.h.
die Durchsage für die Autofahrer zu hören, keinerlei Mitteilung
über diese Tatsache im Radio vom ORF gesendet wurde. Mit anderen
Worten der ÖAMTC oder die Gendarmerie hat diese Tatsache nicht
dem Rundfunk mitgeteilt und deshalb wurden die Autofahrer über
diese Verkehrslage nicht aufgeklärt. In den nächsten Monaten wird
es eine harte Auseinandersetzung zwischen ÖAMTC, ORF und dem
Innenministerium geben, wenn das Innenministerium tatsächlich,


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was ich schon vor Jahren vorgeschlagen habe, nun diese Infor-
mation für den Kraftfahrer übernimmt. Um die Unzulänglichkeit
der ÖAMTC-Mitteilungen an die zentrale ORF -Stelle zu beweisen
wäre es deshalb meiner Meinung nach sehr zielführend, wenn das
Innenministerium alle diese für den Kraftfahrern teilweise fest-
gestellten unzulänglichen Informationen sammeln würde. Natürlich
hat dieser Stau vor Wr. Neustadt keine entscheidende Aussage für
die Gesamtverkehrslage, doch die davon betroffenen PKW-Fahrer
würden sich wohl vielleicht nach einiger Zeit daran erinnern,
daß sie tatsächlich damals warten mußten, ohne zu erfahren, was
eigentlich los war. Nur wenn man nachweist, daß das jetzige
System unzulänglich ist und konkrete Beispiele besitzt, kann
man dann die politischen Angriffe des Gegners entkräften. In
einem Art Weißbuch müßte Rösch heute bereits die Aufzeichnungen
vornehmen lassen, um dann in der Öffentlichkeit diese Angriff
mit Fakten parieren zu können.

Anmerkung für KOPPE und HEINDL
Vielleicht sollten wir ein solches Weißbuch, als Oberste Straßen-
behörde für den Verkehr zuständig, aufnehmen.

Wenn das Innenministerium in Hinkunft keine Schützenhilfe von
uns bekommen kann, dann wird es auch für Rösch leichter sein,
seinen Plan durchzusetzen. Wenn er ein solches Weißbuch heraus-
gibt, kann man ihm vielleicht vorwerfen, daß er doch eigentlich
durch Mitteilungen an den ORF ergänzend hätte die Wünsche, jederzeit
dort vortragen können. Wenn ich die Unzulänglichkeiten sammle,
kann Rösch vielleicht eine gewisse Unterstützung von mir bekommen
und vor allem wird er dann nicht diesen Angriffen ausgesetzt sein.
Natürlich müßte da jetzt von Metzner oder sonst jemanden im Hause,
der intelligent genug ist, Recherchen werden, wie das System
funktioniert und wo es Schwächestellen hat. Andererseits wieder
muß man bei uns im Hause sehr vorsichtig in dieser Frage vorgehen,
damit nicht die Bürokraten im Innenministerium darüber verärgert
sind, daß man ihre Arbeit eigentlich übernimmt, oder sie sogar
glauben, von uns kontrolliert werden. Eine verzwickte Angelegenheit.
die sich vielleicht aber bei der künftigen politischen Auseinander-
setzung bezahlt machen würde.

Tätigkeit: bgld. Finanzlandesrat


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
      GND ID: 102318379X


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: VM (Ministerienneuorganisation 1974)


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: LH-Stv. Burgenland, ÖVP


            Einträge mit Erwähnung: