Dienstag, 26. September 1972
Die Reorganisation der Berghauptmannschaft stößt auf unüberwindliche
Schwierigkeiten. Frau MR. Wildauer und MR. Gasser drängen auf die Auf-
nahme des Salzburger Dipl.Ing. für die dortige Berghauptmannschaft.
Sie verweisen neuerdings auf den Bericht des Rechnungshofes, daß die
Amtsstelle unterbesetzt sei. Nun ist eine neuerliche Anfrage vom
Rechnungshof gekommen, ob dieser Zustand schon behoben ist. Der Berg-
hauptmann von Tirol, Merlin, ist nur bereit nach Klagenfurt zu gehen,
wenn man ihm nach seiner Pensionierung, nach 1978, die Wohnung beläßt.
Eine solche Zusage will ich über meine Amtszeit, die bis jetzt fest-
steht, hinausgehen und nachdem wir damit auch kaum die Klagenfurter
Amtsstelle bald auflösen können, erkläre ich, daß es mir egal ist,
ob Merlin nach Klagenfurt geht oder nicht. So weitreichende Zusagen,
wie Merlin sie derzeit wünscht, werde ich nicht geben. Andererseits
möchte ich auch keine Weisung Merlin mehr erteilen, daß er unbedingt
nach Klagenfurt gehen muß. Zum Schluß fällt es noch jemanden ein zu
erklären, daß ich gegen den § 67 der Dienstpragmatik verstoßen habe.
Auch bei weiteren Aufnahmen müssen wir in Hinkunft vorsichtiger sein
als bisher. Ich befürchte, daß, wenn wir z. B. den Salzburger jetzt auf-
nehmen, dann sehr unbeweglich sein werden, ihm gegebenenfalls zu einer
anderen Dienststelle zu versetzen. Außerdem rechnet sich schon jeder
Dipl.Ing. den wir aufnehmen auf, wann und wo er gegebenenfalls Berg-
hauptmann werden kann. Dies führt zu der grotesken Situation,
daß einzelne Leute z.B. der Stellvertreter vom Berghauptmann von
Klagenfurt ein tüchtiger junger Mann, nebenbei bemerkt ein Tiroler,
der viel lieber in Innsbruck arbeiten würde, weil er dort größere
Verwendungsmöglichkeiten hat, in Klagenfurt sitzenbleibt, ohne ent-
sprechendes Tätigkeitsgebiet. Gasser gibt zu, daß nur mehr die Liqui-
dation von Wakog größere Schwierigkeiten bereitet. Die Bleiberger Berg-
werksunion und die Magnesitwerke sind die einzigen zwei Betriebe, die
ihm zur Betreuung überblieben. Beide sind gut geführt und der Berghaupt-
mann hat kaum eine Funktion außer die Instandhaltung der Grubenmaße
und ich weiß nicht, was sonst noch für uninteressante bürokratische
Arbeit anfällt, die er sich wahrscheinlich hauptsächlich selbst macht
und überhaupt seine Schreibkraft zu beschäftigen. Um in Hinkunft be-
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weglicher zu sein, wäre es zu überlegen, ob man nicht bei der Aufnahme
von A-Beamten darauf hinweist. daß er 1. keine Aussicht hat Berghaupt-
mann zu werden und 2. damit rechnen muß, daß er in eine andere Dienst-
stelle versetzt wird.
Anmerkung für HEINDL
Bitte wenn diese Bedingungen aktenmäßig festgehalten werden können,
dann einer Aufnahme zustimmen. Wenn der Bewerber dann überhaupt noch
Interesse hat, an eine Anstellung bei der Bergbehörde.
Im Ministerrat stellte Kreisky einleitend fest, daß viele Kollegen durch
andere vertreten werden. Kreisky möchte, um sich dutzende von Akten zu
ersparen, überprüfen lassen, eine generelle Vertretung durch den Herrn
Bundespräsidenten zu veranlassen. Dann wäre die Abwesenheit nur mehr
von den zuständigen Ministern dem Herrn Bundespräsidenten vorzulegen
und die Wiener Zeitung und den Nationalrat zu verständigen. Nur wenn die
Vertretung auch nicht anwesend ist, dann müßte dieses umständliche Ver-
fahren, wie es jetzt gehandhabt wird, Platz greifen.
Vor der Ministerratssitzung hat Kreisky bereits erklärt, daß er doch
nicht daran denkt, einen gespaltenen Preis für die Milch und Molkerei-
produkte und Brot einzuführen. Er möchte die Belastung, die die Rentner
durch die Preiserhöhung erfahren, durch eine entsprechende Erhöhung
der Pensionen abgeben. Zu diesem Zweck sollen die Bauern über den Milch-
wirtschaftsfonds den Gesamtbetrag, der die Belastung ausmacht, den Bund
refundieren, der damit zumindestens einen Teil der Pensionserhöhung her-
einbringt. Kreisky meinte, man sollte den Bauern eben nur –,15 fürs
erste Phase bei den Verhandlungen als Preiserhöhung anbieten. Ich er-
klärte Kreisky sofort auf, daß Weihs nur beabsichtigt im Durchschnitt
überhaupt nur –,15 den Bauern zuzugestehen, sodaß eine weitere Erhöhung,
die Kreisky scheinbar in Aussicht genommen hat, dann erst für eine
solche Aktion verwendet werden könnte. Kreisky meinte nämlich –,20
oder mehr würden die Bauern erhalten, wovon ein Teil dann einbehalten
werden soll. Da ich derzeit den Landwirtschaftsminister vertrete, habe
ich MR. Kurzel von der Preisbehörde des Landwirtschaftsministeriums und
Dr. Lechner, den Leiter des Milchwirtschaftsfonds gebeten mir ent-
sprechende Berechnungen zu liefern. Zu meiner größten Verwunderung
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mußte ich feststellen, daß beiden außerstande waren, Primitivberechnungen
anzustellen. Sie können wirklich nur, wie Weihs sich bei der Tagung in
Draßburg ausgedrückt haben, über den Computer alles sofort auf 1/1000
Groschen genau ausrechnen lassen, sind aber nicht im Stande einfache
Frage globalberechnet zu beantworten. Z.B. wollte ich nichts anderes
wissen, als was annähernd die Belastung für die Rentner ausmachen kann.
Hier glaube ich bewährt sich der Vorteil des Finanzministeriums, der
einen einzigen Beamten für diese Agrarfragen beschäftigt, der aber
jederzeit solche Globalberechnungen schon immer angestellt hat.
Bei der Sektionsleiterbesprechung konnte ich ebenfalls wieder bestätigt
finden, wie die Beamten nur auf ihr Spezialgebiet ausgerichtet sind.
Wenn ein Sektionsleiter oder dessen Stellvertreter von einem anderen
Beamten vertreten wird, so kann er kaum etwas anderes als aufgesetzte
Episteln verlesen. Er ist nur ganz bescheiden informiert, was überhaupt
in der Sektion vergeht. Ich habe größtes Verständnis dafür, daß ein
Beamter in seinem Gebiet bis in das letzte Detail informiert sein muß
und vielleicht auch tatsächlich ist und von den anderem Gebiet nichts
versteht. Daß er aber so gar nichts weiß, was sonst um ihn vorgeht,
ist eigentlich erschütternd. In diesem Fall hilft er sich dadurch, daß
er eben sofort bei einer Berichterstattung auf sein Spezialgebiet zu
sprechen kommt und dort dann irgendwie die Zeit zu füllen. Typisch war
dies für unseren technischen Fahrzeugmann Storek, für die 2. Sektion und
MR. Wagner für die S. III.
Beim Mittagessen am Kahlenberg traf ich Botschafter Marquet, der mich
fragte, wer den eigentlich Leitner ablösen soll. Ich erklärte, daß ich
einem Druck im Hause nachgebe und keinesfalls Wanke für diesen Posten
ausersehen habe. Marquet meinte, daß Reiterer als Spezialist insbesondere
für die Detailfragen gilt. Marquet meinte sogar, er bewundere Reiterer
die diffizile Industriekenntnis. Ich glaube, was Reiterer wirklich nur
kann und entsprechend immer herausstreicht, ist, daß er Einzelheiten,
die er von der Industrie erfährt, dann immer bei jeder passenden und
unpassenden Gelegenheit zur Kenntnis der anderen ausbreitet. Marquet
dagegen ist genau der gegenteilige Typ, der die Zusammenhänge analysiert
und dann entsprechendes Allgemeinwissen und doch Spezialinformation
so anwendet, daß man genau eine Zielrichtung seiner Politik erkennen
kann. Marquet meinte, daß er es öfter schon bereut hat, den Fehler ge-
macht zu haben vom Handelsministerium weggegangen zu sein. Ich habe
an diesem Fehler, glaube ich, am meisten zu leiden, denn Marquet wäre
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eine ungeheure Bereicherung des Handelsministeriums. Interessant
ist, daß man Marquet aich niemals im Außenministerium, mit
einer einzigen Ausnahme in Schweden, ins Ausland geschickt hat.
Ihm ist es hier so ergangen, wie Aussenminister Kirchschläger,
der auch ein einziges Mal in Prag gewesen ist. Marquet erklärte mir,
daß man dann im Außenministerium einen Beamten ganz einfach ein-
redet er will ja gar nicht ins Ausland gehen und diese Legende
dann dazu dient, ihm tatsächlich niemals wegzuschicken, weil man
ihn eben dringend am Ballhausplatz braucht. Marquet hat mit
Recht wenigstens Kirchschläger sagen können, daß er immerhin durch
seinen Fleiß und Spezialkenntnis Außenminister wurde, was ihm doch
eine gewisse Befriedigung bringen muß. Dafür ist Marquet jetzt Bot-
schafter geworden, d.h. er hat die 9. endlich erreicht, die ihm schon
längst gebührt hätte im Vergleich zu anderen Sektionschefs. Marquet
selbst ist der Meinung, daß natürlich Leitner bei dem gemischten Aus-
schuß den Vorsitz zu führen hat und keinesfalls der Minister. Ich
werde deshalb, wenn überhaupt, ich glaube zu diesem Zeitpunkt bin
ich sowieso bei einer anderen Veranstaltung, nämlich Genossenschafts-
feier gebunden, zum Mittagessen eine Begrüßungsansprache halten. Die
Forderung von Reiterer soll aber im Protokoll der Sektionsleiterbespre-
chung verankert werden. Leitner wird sich darüber hinaus sicherlich noch
von anderer Stelle erfahren und damit dokumentieren, daß Reiterer wahr-
scheinlich weil er nicht der Vorsitzende dieses gemischten Ausschusses
ist, eben mich jetzt zu den Vorsitzenden katapultieren wollte.
Anmerkung für WANKE
Ich glaube man sollte unbedingt dafür sorgen, daß Leitner erfährt, daß
ich mich sehr eingesetzt habe, daß er den Vorsitz beim gemischten Aus-
schuß erhält.
Beim Mittagessen, gegeben vom Herrn Bundespräsidenten für den malays.
Ministerpräsident, war überhaupt kein anderer Minister anwesend als ich.
Jonas soll angeblich die Bemerkung gemacht haben, wenn ich auch nicht
gekommen wäre, hätte er den Laden zugesperrt. Das Bundeskanzleramt hätte
sich mehr darum kümmern müssen, daß zumindestens noch ein zweiter oder
dritter Minister den Bundespräsidenten assistiert hätte, Firnberg
hat sich aber bei mir nachher bitter beschwert, daß sie sich bereit-
erklärt hat den malays. Ministerpräsidenten in die Oper zu begleiten
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und darauf überhaupt keine Antwort bekommen hat. Jiresch hat im Gegen-
teil bekanntlicherweise mich ersucht, weil niemand anderer zur Verfügung
steht. Erst als ich erklärte ich müßte eine Parteiveranstaltung ab-
solvieren, hat er dann Frau Minister Firnberg vorgesehen. Im BKA dürften
die Protokoll- und Sektionsleitungen gegeneinander arbeiten.
Die Arbeitsbesprechung zwischen Kreisky und dem Ministerpräsidenten
war nicht sehr ergiebig. Kreisky deponierte nur, daß er hofft, daß
auch Malaysia uns im Sicherheitsratskandidatur unterstützt und daß
dieser sofort zusagte und erklärte, er hätte mit Indonesien und Thailand
gute Beziehungen und würde auch bestrebt sein, daß diese unseren An-
trag bei der UNO unterstützen. Wien als Sitz des Sekretariates für
Umweltschutz wird auch von ihm akzeptiert, da er bereits die Atomenergie
die UNIDO, OPEC, das Internationale Patentdokumentationszentrum hier
in Wien Sitz hat, wie Kreisky voll Stolz berichtet. Die Seerechts-
konferenz, von der Kreisky ebenfalls ihm Mitteilung machte, wurde Vor-
mittag gerade im Ministerrat beschlossen in Wien abzuhalten. Im Minister-
rat machte Kreisky noch mit Recht die treffende Bemerkung, daß Öster-
reich wahrlich nicht der Ort ist, wo man eine Seerechtskonferenz ab-
halten sollte, da wir doch maximal Landkrabben sind. Nachmittag dagegen
verkaufte er bereits diese Tatsache den malays. Ministerpräsidenten
als ein großangelegtes Konzept der Bundesregierung. Hier wurde
jetzt aus der Not eine Tugend gemacht. Die Not bestand nämlich darin,
daß uns wahrscheinlich irgendwelche Beamte in der UNO diese Seerechts-
konferenz eingebrockt haben, um den Ausländern die Gelegenheit zu geben,
nach Wien zu kommen und andererseits einige Wiener Beamte wieder in ihr
Prestige zu heben.
Dr. Waas hat mir dann, als Ergänzung zu einem nichtssagenden malays.
Bericht doch zwei wichtige Punkte mitgeteilt. Reiterer hat sie mir
im letzten Moment vor der Sitzung erst gegeben, Darin wurde uns von
seiten der Importeure wahrscheinlich die Mitteilung zugesteckt, daß
Malaysia nicht die notwendigen Ursprungszertifikate für die 30%ige
Präferenz für die Entwicklungsländer ausstellt. Angeblich hat die Be-
hörde in Malaysia unsere Gesetze nicht notifiziert bekommen
und ist daher beleidigt . Die Notifizierung ist aber aber UNCTAD und
beim GATT erfolgt und damit vollkommen dem Gesetz entsprechend
und den Vereinbarungen, wie sie im GATT üblich sind. Der Minister-
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präsident und seine Leute erklärten sofort, daß sie auf eine solche
Notifizierung keinen Wert gelegt hätten oder haben und deshalb alles
veranlassen werden, daß diese Zertifikate ausgestellt werden. Ebenso
habe ich darauf hingewiesen, daß wenn sie die Zollfreiheit oder Zoll-
ermäßigung für die handwerklich erzeugten Produkte haben wollen uns
eine diesbezügliche Liste übermitteln müssen. Dies waren die einzigen
konkreten Ergebnisse der Besprechung, die wahrscheinlich jetzt in den
Akten und in der Öffentlichkeit wesentlich mehr auftragend dargestellt
werden.
Lachs berichtet mir von der Präsidentenbesprechung der Interessensver-
tretungen für die nächste Paritätische Kommission. Das WIFI hat einen
Brief an alle vier Präsidenten gerichtet, wo es mitteilt, daß seine
Berechnung über die Umsatzsteuervorbelastungen grobe Schätzungen sind,
die als Grundlagen für den Entlastungskatalog nur mit entsprechender
Vorsitz heranzuziehen sind. Auf Grund dieses Schreibens, von dem Lachs
vermutet, daß sich die Handelskammer estellt hat, erklärte nun Sallinger
sich außerstande die bisherigen vereinbarten Sätze anerkennen zu können.
Wenn Sallinger tatsächlich auf diesem Standpunkt weiter beharrt und ich
die Entlastungssätze anders festsetzen müßte als die entsprechenden
einvernehmlichen Beschlüsse der Interessensvertretungen, die derzeit
vorliegen, dann werde ich morgen drohen, die Vorratssätze anzuwenden,
wie sie Androsch seinerzeit im Gesetz verankert hat. In diesem Falle
hat Androsch sogar bei der Tagung in Draßburg mir mitgeteilt, daß er
bereit wäre, wenn die Handelskammer tiefere Sätze durchsetzt, dann
gegebenenfalls die Vorratsentlastung diesen Sätzen anzupassen. In diesem
Falle würde die Handelskammer zwar einen tieferen Entlastungssatz
und damit einen höheren Preis durchgesetzt haben, dafür aber dem Finanz-
minister eine größere Abgabe leisten müssen. Ich hoffe noch immer, daß
es gelingt, einvernehmliche Lösungen für den Entlastungskatalog zu fin-
den. Wenn dies nämlich nicht der Fall sein sollte, komme ich in eine
verdammt verteufelte Situation. Die Handelskammer wird mir dann ent-
sprechende tausende Ansuchen um Einzelgenehmigungen schicken, die AK
und der ÖGB werden wegen der trotzdem zu erwartenden Preissteigerungen
ebenfalls auf mich böse sein. Der Finanzminister hingegen wird, wie
Koppe die ganze Zeit befürchtet, dann noch erklären, daß die Preiser-
höhungen in dem Umfang nicht notwendig sind. Ich werde daher so wie in
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der Vergangenheit alles darin setzten, um zu einer einvernehmlichen
Lösung zu gelangen.
Bei einer Klubsitzung im 3. habe ich folgendes neues Phänomen in
der Diskussion festgestellt. Unsere Funktionäre glauben, und sie sind
größtenteils in Betrieben tatsächlich noch verankert, daß sie als
Betriebsräte oder als Sektionsleiter, die viel Kontakt mit Arbeitern
oder unseren Wählern haben, annehmen, daß die ÖVP sich mit der Preis-
hysteriepropaganda überschlägt. Sie glauben, daß wir so lange eine gute
Beschäftigung haben und die Leute Geld mit vollen Händen ausgeben, die
Preiserhöhungen zwar sehr unangenehm sind, von den Leuten registriert
werden, auch auf die Regierung geschimpft wird, aber doch mehr oder
minder zur Kenntnis genommen werden. Man nimmt an, daß dies daher
kaum auf die Wahlen einen Einfluß nehmen würde. Ich teile diese
Meinung keinesfalls. Die blgd. Wahlen werden ja doch auch für dieses
Problem eine gewisse Erklärung geben.
Tagesprogramm, 26.9.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 41. Ministerratssitzung, 26.9.1972
12_1162_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)