Freitag, der 10. November 1972

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Freitag, 10. November 1972

Die Haushaltsbevorratungsaktion, welche vom Handelsministerium im Zuge
der wirtschaftlichen Landesverteidigung mit der Handelskammer gemeinsam
gestartet wurde, hat ein Redakteur des Kuriers dahingehend gedeutet
wissen wollen, dass doch vielleicht jetzt die Konsumenten im Zuge
der Geldentwertung auch als eine Flucht in den Sachwert sehen. In
diesem Fall wäre sie zu einem denkbar schlechtesten Zeitpunkt gestartet
worden. Ich glaube aber, dass die ganze Aktion überhaupt nicht grossen
Widerhall finden wird. Die Abgabe des Notpacksäckchens ohne den Inhalt
ist meiner Meinung nach sehr wahrscheinlich. Der Händler wird die 3.– S
die das Säckchen kosten wird, ohne weiters auch für irgendwelche an-
deren Einkäufe zur Verfügung stellen. Der Verbrauch der 260.000 Säck-
chen ist damit kein schlüssiger Beweis.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte Kontrolle versuchen und tatsächlichen
Verbrauch melden lassen.

In der Preiskommission sollte der Entlastungssatz für die preisgeregel-
ten Waren festgesetzt werden, damit sie in den Entlastungskatalog auf-
genommen werden können. Zu meiner grössten Verwunderung haben die Beam-
ten der anderen Ressorts überhaupt keinerlei Weisungen gehabt, den
Beschluss, den in einer Vorbesprechung die Bundesregierung gefasst hat,
dass nämlich unter allen Umständen für die preisgeregelten Waren keiner-
lei Preiserhöhungen aus der Entlastung resultieren dürfen, mit Ausnahme
von Benzin, wo ebenfalls nur 33 Groschen für den Superbenzin herauskom-
men sollen, Rechnung zu tragen. Dr. Zöllner von der Arbeiterkammer hat
ganz verzweifelt angerufen und mir mitgeteilt, allerdings bereits nach-
dem ich meinen Beamten erklärt habe, dass sie einer anderen Regelung
nicht zustimmen können, dass alle anderen umfallen. Die Gefahr lag nur
darin, dass von den einzelnen Beamten in der Kommission womöglich
noch im Protokoll festgehalten diese Absicht mitgeteilt wurde. In
Wirklichkeit dürfte man nämlich keinesfalls von dem Ziel, die Preise
unverändert zu lassen, ausgehen, sondern darf höchstens erklären, dass
auf Grund von Überlegungen womöglich genauen Berechnungen eben ein Ent-
lastungssatz von so und so vielen Prozent herauskommt. Durch reinen
Zufall ergibt sich dann, dass in diesem Fall die Preisgleichheit erreicht
ist. Als die Handelskammer-Vertreter in der Preiskommission diese
Sätze hörten, wollten sie sogar die Sitzung verlassen. Jagoda, der
zufällig bei einer Besprechung ebenfalls wegen der Entlastungssätze


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anwesend war, als ich telefonierte, kam auf seine ursprünglichen Vor-
schlag zurück, nämlich die preisgeregelten Waren überhaupt nicht im
Entlastungskatalog zu behandeln. Diese könnten dann im Zuge des Preis-
regelungsverfahrens entsprechend berücksichtigt werden. Die Beamten
der anderen Ministerien, Kurzel-Runtscheiner vom LWM und Singer vom
Innenministerium, waren todfroh, als ich ihnen diesen Ausweg offerierte.
Da mir Schleifer diesen Weg bereits vor Monaten vorgeschlagen hat-
te, war auch er sofort in der Preiskommission für diese Lösung gewon-
nen.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Ich glaube, dass wir diese Rechtsauffassung, die
Schleifer bereits vor Monaten offiziell bei mir vertreten hat, auch
jetzt öffentlich stärker als seine Idee propagieren sollten. Immerhin
ist er der dafür zuständige Abteilungsleiter.

Gen.Sekr. Mussil ist mit Dr. Rief und einem zweiten Mann erschienen,
um ganz entschieden gegen diese Vorgangsweise in der Preiskommission
zu protestieren. Er erklärte rundweg heraus, dass alle anderen Mini-
sterien bereits der richtigen Entlastung, wie sie die Handelskammer
berechnet hat, zugestimmt hätten und nur die HM-Vertreter sich da-
gegen ausgesprochen haben. Er sieht darin eine Raubzug gegen die Unter-
nehmer, gerade von einem Ministerium, das eigentlich die Interessen
dieser Unternehmer wahrnehmen müsste. Mussil kündigte mir auch an,
dass er eine Pressekonferenz einberufen hat, um sich in aller Öffentlich-
keit gegen diese Vorgangsweise auszusprechen. Er wird auch die Verord-
nung beim Verwaltungsgerichtshof anfechten. Wegen der Unvollständigkeit
dass nämlich die preisgeregelten Waren nicht enthalten sind, wird er
kaum einen Rechtstitel haben. Für die anderen Punkte kann ich aber
immer darauf hinweisen, dass nach reiflicher Überlegung doch ein
Satz genommen wurde, der den aktenmässigen Unterlagen entspricht und
gegebenenfalls für die einzelne Firma, wenn er unzutreffend ist, durch
einen Individualbescheid automatisch abgeändert wird. Wenn kein Form-
fehler beim Zustandekommen dieser Verordnung Platz greift, glaube ich
würden wir auch bei den Höchstgericht recht behalten. Jagoda selbst,
der gerade jetzt durch eine Spitalsaufenthalt, wo ihm der Arzt erklärt
hat, dass er sich mehr schonen muss, nicht ganz einsatzfähig ist,
opfert sich wahrlich auf, um das ganze Problem rechtlich einwandfrei
mit ungeschultem Personal durchziehen zu können. Die ganze Arbeit
verdankte ich eigentlich Gen.Sekr. Mussil, der bei der Gesetzwerdung
des Preisbestimmungsgesetzes darauf gedrängt hat, dass das Handels-


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ministerium diese Aktion durchzuführen hat. Im Grund genommen
hätte dies entweder das Innenministerium oder vielleicht auch
als Folge der Mehrwertsteuer das Finanzministerium machen müssen.
Keiner dieser beiden hat sich aber jemals für diese Arbeit inter-
essiert, ganz im Gegenteil, sie haben sie ganz entschieden abge-
lehnt. Jetzt kann ich erst so richtig ermessen, warum. Wenn wir
nicht Frau Ing. Zotter hätten, die jetzt anstelle des erkrankten
Abteilungsleiters Marsch die Drucklegung durchführt und überwacht,
weiss ich nicht wie wir überhaupt diese Entlastungskatalog zusammen-
gebracht hätten.

In der allgemeinen Sparkasse in Linz habe ich über Probleme der
Stabilitätspolitik in Österreich ein Forumsgespräch gehalten. Die
Diskussion war sehr interessant und auch auf hohem Niveau. Auch
der Vertreter des ÖVP-Organs, Linzer Volksblatt, Peter Klar, war
anwesend. Als ich in der Diskussion erklärte, dass jedwede Dynami-
sierung vom ökonomischen Standpunkt äusserst problematisch ist,
von mir persönlich sogar abgelehnt wird, meinten anschliessend einige
Genossen, sie hätten durch ihre Verbindung verhindert, dass dies in
den Zeitungen ausgeschlachtet wird. Ich habe zwar ausdrücklich
bei der Anfragebeantwortung über diesen Punkt festgestellt, dass
es sich hier um die ökonomische Seite und nicht um die sozialpoli-
tische handeln kann, die eine Dynamisierung nicht nur begrüsst sondern
auch verlangt hat, doch besteht sicherlich eine gewisse Gefahr, dass
man dies im politischen Wahlkampf anders darstellen könnte. In einem
solchen Fall, habe ich gelernt, muss man wirklich auch noch vorsich-
tiger bei solchen Diskussionen sein. Ich frage mich dann allerdings,
was es für einen Sinn hat, irgendwelche Diskussionen dann noch auf hö-
herer Ebene zu führen, wenn jedes Wort demagogisch anders dargestellt
werden kann. Im Volksblatt bin ich überzeugt, wird Peter Klar, der
mich interessanterweise sehr gut leiden kann, solche Angriffe, glaube
ich, nicht starten.

In der Arbeiterkammer in Linz gab es zwei Veranstaltungen, Bundes-
kanzler Kreisky hatte glaube ich eine Vertrauenspersoneninformation
und ich hatte beim BSA mit dem Präsidenten Lehner von der Landwirt-
schaftskammer eine allgemeines Forumsgespräch. Ich weiss nicht, wie die
Kreisky-Versammlung besucht war, bei uns war der Saal nicht nur


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bummvoll sondern einige mussten sogar stehen. Diskutiert sollte über
die Auswirkungen des EWG-Vertrages werden und hier kam mir die
alten Lanwirtschaftstaktik sehr zugute. Die Bauernvertreter incl. Präs.
Lehner nützen ja jede Gelegenheit, um ihre Wünsche in der Öffentlich-
keit immer wieder zu präsentieren. Es war mir deshalb verhältnismässig
sehr leicht in Ergänzung der Ausführung von Lehner darauf hinzu-
weisen, welche Leistungen de Bundesregierung für die Bauern erbracht
hat. Dabei konnte ich herausstreichen, dass noch keine Regierung vor
uns die 1 Milliarde Schilling Grünen Plan überschritten hatte, noch
keine Regierung für die Bergbauern 300 Mill. pro Jahr durch 5 Jahre
konzipiert und durchgeführt hat und vor allem auch keine Regierung bei
Preiserhöhungen doch auch den Bauern entsprechende Erzeugerpreiserhö-
hungen durchgeführt hat. Mit dem alten rhetorischen Schmäh konnte
ich jetzt darauf hinweisen, dass der seinerzeitige Landwirtschafts-
minister Schleinzer die Getreidepreise gesenkt hat. Oder ich möchte
nicht darauf verweisen, dass die und die politische positive Massnahme
von dieser Regierung getroffen wurde und ich natürlich dann die Sache
dargestellt und natürlich die Massnahme erörtert habe, habe ich das
Auditorium immer sofort auf meiner Seite gehabt. Insbesondere konnte
ich auch darauf verweisen, dass die Landwirtschaft neuerliche Preis-
forderungen stellt und andererseits die Opposition die Regierung wegen
der Preiserhöhungen angreift. Zu all diesen Punkten hat Lehner nur sehr
schwer Stellung nehmen können, ohne seine ÖVP-Freunde zu desavouieren.
Ich halte von solchen Diskussion mit dem Gegner wesentlich mehr als
von allen Informations- oder gar Parteiversammlungen, wo immer nur unsere
eigenen Genossen hinkommen.

In Linz, dem Sitz der Brau AG ist auch Gen.Direktor Beurle zu mir gekommen,
um über die Entlastung des Bierpreises mit mir zu sprechen. Die Brau-
industrie glaubt, dass die Vereinbarung 13,8 %, d.h. Gleichpreisigkeit
bereits in der Erzeugerstufe, während die Interessenvertretungen ja
eigentlich vereinbart haben, dass nur beim Letztverbraucher dann die
Gleichpreisigkeit herauskommen müsste und deshalb den Satz von 9,6 %
akzeptieren. Beurle war sehr froh, dies von mir zu erfahren, obwohl ihm
angeblich auch die 9,6 % Entlastung 60 Mill. S pro Jahr Verlust bringen.
Die ja allerdings wahrscheinlich durch andere positive Massnahmen
kompensiert werden können. Die 13,8 hätte er aber, wie er sich ausdrückte
nicht verkraften können. Beurle wird auch mit der Delegation, die Mon-
tag früh wegen der Entlastungssätze bei mir vorsprechen wird, erschei-
nen. In diesem Fall habe ich aber ein sehr gutes Argument bei den zu
erwartenden Verhandlungen.

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Tagesprogramm, 10.11.1972




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    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


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      Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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        Tätigkeit: CR OÖ Volksblatt


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          Tätigkeit: Dir. Brau-AG


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            Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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              Tätigkeit: Präs. LWK


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Bundeskanzler
                GND ID: 118566512


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                  Tätigkeit: HK


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                    Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


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                      Tätigkeit: MR HM


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                            Tätigkeit: Beamter HM


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