Dienstag, 14. November 1972
Im Presseclub Concordia wurde das Europa-Institut durch eine Presse-
konferenz des Gen.Sekr. Wellenstein vorgestellt. Das Europa-Institut
repräsentiert durch den Obmann Dr. Heindl, hatte diese Pressekonferenz
einberufen, obwohl die österr. aussenpolitische Gesellschaft, Dr.
Fürstenberg, sich dadurch einigermassen desavouiert fühlte. Wellenstein
war nämlich auf seine Einladung gekommen. Fürstenberg schlug mir des-
halb auch vor, es müsste zwischen dem Europa-Institut und seiner aussen-
handelspolitischen Gesellschaft eine Abgrenzung resp. Absprache über
die Tätigkeit erfolgen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Ich glaube, eine solche Koordination ist nicht
nur mit der Aussenpolitischen Gesellschaft sondern wahrscheinlich auch
mit vielen anderen Institutionen sehr zweckmässig. Wenn man nämlich
diese Organisationen auch für die Tätigkeit des Europa-Instituts ge-
winnen kann und uns eine koordinierende Funktion zugutekommt.
In der Ministerratsvorbesprechung, zu der ich später kam, wurde
ausschliesslich nur die Ortstafeldiskussion weitergeführt. Kreisky
meinte, dass ihn der jug. Botschafter schon vor längerer Zeit gesagt
hat, dass die Kroaten immer von einem eigenen Staat reden, während
die Slowenen immer sehr loyal gegenüber Belgrad sind und deshalb ihre
Interessen umso mehr von Belgrad wahrgenommen werden müssen. Kirch-
schläger war jetzt durch 3 Tage im Grenzgebiet und hat dort Versamm-
lungen gehalten. Er sagt, dass diese Stimmung dort unten ganz fürch-
terlich ist. Wer das Volksbegehren jetzt z.B. jetzt nicht unterschreibt,
wird einem ausgesprochenen Druck ausgesetzt. Dies geht so weit, dass
Familien, wo z.B. die Tochter woandershin geheiratet hat, vom Vater
aufgesucht werden und erklärt wird, sie müsse unterschreiben, sonst
wäre keinerlei Kontakt mehr zwischen ihnen möglich. Suchanek
bezeichnet dieses Phänomen als eine Urangst wegen der Grenze. Kirch-
schläger meint, vielleicht müsste man in späteren Zeiten einmal eine
diesbezügliche beruhigende Erklärung machen. Kreisky weist aber mit
Recht darauf hin, dass im Staatsvertrag die 4 Grossmächte und Jugoslawien,
welches assoziiertes Mitglied in diesem Fall ist, die Grenzen garantiert
haben. Darüber gibt es noch eine bilateralen Vertrag mit Jugoslawien
über Sichtbarmachung der Grenzen. Eine weitere Anerkennung oder Zusiche-
rung kann ja gar nicht verlangt werden und mit Wahrscheinlichkeit er-
wartet werden. Kreisky sieht einen einzigen Ausweg, dass gleichzeitig
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auch die Kroaten ihre Ortstafeln regeln. Sinowatz meint, wenn die
SPÖ eine gewisse Zeit hat, dann kann sie im Burgenland dieses Problem
anders lösen als dies in Kärnten der Fall gewesen ist. Er verweist al-
lerdings darauf, dass auch die seinerzeitige Sozialdemokratische Partei
sehr starke deutschnationale Tradition gehabt hat, die heute noch nach-
wirkt. Die Burgenländer haben nur sehr geschickt dieses Problem ange-
fasst, indem sie erklärten, dass nur die Kroaten allein entsprechende
Vorschläge machen sollten und von diesen ist bis jetzt eben noch gar
nichts erfolgt. Die Novelle der Strassenverkehrsordnung wird bei mir
wieder urgiert und ich kann Gott sei Dank einen Akt vorweisen, worauf
ersichtlich ist, dass alles bereit ist, wenn ich grünes Licht von
der Bundesregierung bekomme. Die Abteilung hat mir zwar vorgeschlagen,
dass man die Landeswappen oben auf die Tafel aufsetzen sollte, während
Kreisky und auch ganz besonders Frühbauer auf der Seite die Landes-
farben mit den Wappen resp. Bundesfarben mit dem Bundesadler haben
möchte. Zu diesem Zweck wird die Novelle, die ich mit Min.Rat
Metzner so bespreche, noch einmal geändert und in die Begutachtung
geschickt.
Mit Kirchschläger bespreche ich den Wunsch der Jugoslawen, dass ich
von 8. – 10.12. nach Belgrad kommen soll, er selbst hält es für unbe-
dingt notwendig, dass ich diese Einladung annehme.
In der Ministerratssitzung wird von Kreisky bei einem Punkt, wo es
sich um Taggelder der Kommissionsmitglieder handelt, vorgeschlagen,
dass ein kleines Ministerkomitee aus Bundeskanzler, Finanzminister,
Inneres, Landwirtschaft, Sozial und Wissenschaft, die Sitzungsgelder
untersuchen und womöglich generell regeln sollen. Kreisky wurde in
der Budgetdebatte im Finanzausschuss gefragt, wie er eine Regelung
sich vorstellt, da die Freien Berufe heute nicht mehr in Kommissionen
gehen, da sie zu grosse finanzielle Verluste erleiden.
Die Papierlösung soll nun durch einen Brief des Bundeskanzlers und
Finanzministers an die Papierindustrie diesen mitgeteilt werden.
Danach erhalten sie für den Umweltschutz 1,8 Milliarden Schilling
Aufwand Zinsenzuschuss von 4 % 10-jährigen Kredit, 2 Jahre rückzahlungs-
frei. Dies macht für 1973 2 Mill., für 1974 36 Mill., für 1975 58 Mio.
und für 1976 72 Mill. aus. Kreisky meint, das sei aber unreal, da sie
nicht so viel investieren werden. Ich bin keinesfalls dieser Meinung.
Die ERP-Quote, die mit 70 Mill. fixiert ist und auf 100 Mill. aufge-
stockt, die 30 Mill. mehr sollen ebenfalls am Kapitalmarkt beschafft
und durch Zinsenzuschuss auf den ERP-Kredit 5 % gesenkt werden.
Dadurch sind 1973 900.000, 1974 1,8 Mio., 1975 2,7 und 1976 3,6 Mill.
notwendig. Hier wurde also zum erstenmal ein Investitionsvorhaben der
Industrie, also Industriepolitik gemacht und schon geht der Aufwand
in die hunderte Millionen. Bei den Zeitungsförderungsvorschlägen,
die noch verhandelt werden, soll gleichzeitig gesichert sein, dass
die Roto-Papiere von der österr. Industrie abgekauft werden. Sollte
dies nicht der Fall sein, denkt Kreisky dann doch an eine Daxbarer
Fiskal. Wenn ich mir vorstelle, was dieser Aufwand jetzt für einen
einzigen Industriezweig für den Staat bedeutet, dann kann ich er-
messen, wie wirkliche Industriepolitik Hunderte Millionen Budgetmit-
tel notwendig machen würde. Niemals kann ich rechnen, dies in
meinem Budget zu bekommen. Wenn Kreisky sich noch eine zweite oder
dritte Industrie zur Sanierung heraussucht, dann bin ich gespannt,
wie Androsch die finanziellen Mittel dafür aufbringen wird.
Kirchschläger berichtet über den Protest des jug. Botschafters,
der Text der Note wird den Ministern zugestellt werden, die Ant-
wort wird Kirchschläger in der nächsten Zeit verfassen.
Androsch berichtet über die Restkredite 1972. 1971 war beschlossen
worden, damit nicht die Bürokratie die Kredite auf alle Fälle aus-
schöpft, wenn es auch nicht notwendig ist, dass über 5.000 S eine
Genehmigung durch das Finanzministerium notwendig ist. Dies soll
auch heuer geschehen, wobei Androsch zusichert, dass das FM ganz
grosszügig diese Bestimmung handhaben will. Er möchte nur eine Kon-
trolle über die Ausgaben. Ich frage mich in diesem Zusammenhang, warum
eigentlich wir noch ein Präalabel, d.h. bevor die Ausgaben überhaupt
gemacht werden können, eine entsprechende Vorgenehmigung alle Monate
vom Finanzministerium benötigen. Ich bin überzeugt, bei uns hat
die Budgetabteilung so wie im Vorjahr längst schon alle Ausgaben
getätigt.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte dies klarzustellen.
Die Pressekonferenz über den Entlastungskatalog verläuft verhält-
nismässig ruhig und unkritisch. Dr. Hecke von der Handelskammer
stellt einige Fragen und versucht natürlich immer meine Darstellung,
dass es sich um einen weitestgehend einvernehmlich erstellten Katalog
der auf gewissenhafteste Prüfung der vorbelasteten Umsatzsteuer
zurückzuführen ist, zu entkräften. Ganz besonders versucht er
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natürlich, die tatsächliche Diskrepanz, dass einige Produkte
preisgeregelt sind damit nicht im Katalog aufscheinen, dann aber
doch, da es sich um vereinzelt auch freie Preise handelt, aufgenommen
werden müssen, wie z.B. Zucker, Fleisch und teilweise für Getreide.
Überhaupt ist der einzig schwache Punkt die Tatsache, dass eben nicht
alle Produkte – die preisgeregelten Waren sind ja ausgenommen – im
Katalog aufscheinen. Zum Glück kann ich vor den Pressevertretern bewei-
sen, dass ich in der letzten Preiskommission diesen Vorschlag, sie
nicht in den Entlastungskatalog aufgenommen habe, deshalb machte,
um zu verhindern, dass die Bundeshandelskammer den Sitzungssaal ver-
lässt, wie sie dort ja auch angedroht hat. Ich habe also nur im
Interesse der Zusammenarbeit eine solche Lösung akzeptiert. Die
allerdings, wie ich erkläre, rechtlich vollkommen einwandfrei ist,
da sie bereits der zuständige Abteilungsleiter Min.Rat Schleifer,
ein Volljurist, mir vor Monaten schon vorgeschlagen hat. Für die
Sendung "Autofahrer unterwegs" hat Koppe berechnen lassen, wieviel
durch die Entlastung die PKW billiger werden könnten. Theoretisch
ist man auf eine Zahl von 4 % für Einfuhren aus dem EWG-Raum ge-
kommen. Ich hatte angenommen, dass diese Ziffer von den Händlern
mit Heindl abbesprochen ist und deshalb ausser Streit steht. Zum
Glück war ich vorsichtig, leider hat aber die Presse sich natürlich
als einzige effektiv von mir genannte Ziffern sich sofort auf diese
gestürzt. Auch bei der Sendung Autofahrer unterwegs habe ich dann
diese Ziffern teilweise bekanntgegeben. Zu meiner grössten Ver-
wunderung musste ich dann am Nachmittag erfahren, dass die Händler
ganz entschieden gegen solche Berechnung protestierten und erklärten,
dass z.B. der Volkswagen selbstverständlich die Preise erhöhen wird und
von einer Preissenkung keine Rede sein kann. Angeblich hat bereits
bis jetzt die Preissenkungen alle vorweggenommen und dadurch die
Umsatzsteuerentlastungen bereits mehr als kompensiert. Wenn VW eine
solche Politik jetzt macht und nicht einmal bis zum 15. Feber, wie
alle anderen Autohändler stillhält, dann muss ich sagen, bin ich
ganz schön blamiert. Mir ist es dann bei der Preisverlautbarung genau
so gegangen wie Androsch mit dem Benzinpreis. In Hinkunft werde ich
deshalb bei Aussagen noch wesentlich vorsichtiger sein als ich dies
bis jetzt schon gewesen bin.Was ich nicht selbst verhandelt habe
oder wo nicht eine schriftliche Bestätigung vorliegt, werde ich in
Hinkunft nicht mehr konkrete Aussagen machen oder gar Ziffern nennen.
In der Fraktion des Finanzausschusses, wo mit den einzelnen Genossen
die morgige Finanzausschuss-Diskussion vorbesprochen wurde, konnte
ich feststellen, dass natürlich einige Genossen mit den Ansätzen gar
nicht zufrieden sind. Sowohl Wille als auch Fleischhacker meinten,
dass für die Bergbauförderung wesentlich höhere Ansätze notwendig wären,
um eine zielbewusste Bergbaupolitik machen zu können. Andere Abgeord-
nete meinten wieder, wo das Energiekonzept bleibt. Ich erklärte frei-
mütig, dass ich dies unmöglich ohne den entsprechenden Mann durchführen
könnte und dass ein solcher erst im nächsten Jahr zur Verfügung stehen
wird.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Aus dem OECD-Bericht wird ja immer mehr oder
minder ein Energiekonzept. Bitte diese Grundlage durch Auftrag zur
Erweiterung einer solchen ausbauen zu lassen.
In der Frage der Novelle des Mühlengesetzes ist noch immer offen,
ob der ÖGB und die AK tatsächlich zustimmen, dass anstelle der Ex-
kontingent-Vermahlung von Getreide, welches für die Exporte der
Süsswaren- und Teigwarenindustrie dient, zugestimmt wird oder
der Wunsch der Mühlenindustrie und des Gewerbes, die im Kontingent
zu vermahlen und dafür eine Umlage von 50 Groschen für die Stützung
einzuheben. Ich erörterte daher dieses Problem in der Vorbesprechung
überhaupt nicht und es fällt gar niemandem von den Abgeordneten auf,
dass überhaupt das Mühlengesetz, das morgen auf der Tagesordnung des
Handelsausschusses steht, ein solches Problem überhaupt hat. Am Abend
beim Empfang der Nationalbank erklärt mir dann Hofstetter, dass der ÖGB
dieser Regelung zustimmt. Schwarz hätte die Interessenvertretungen
zusammengerufen und dann hätte man sich auf 40 Groschen geeinigt.
In der Fraktion des ÖGB berichtete Benya über die Stabilisierungs-
bemühungen und den ORF. Zur Stabilisierungsbemühung hat Kienzl
sich dann gemeldet und gemeint, dass die Gewerkschaften, wenn man
die Arbeitseinkünfte pro Kopf rechnet und die Steuer und Preissteige-
rungen abzieht, noch immer für das Jahr 1970 eine Reallohnsteigerung von
3,4 % und 1971 von 6,1 % herauskommt. Er meint deshalb die Gewerk-
schaften müssten jetzt den Präsidenten unterstützen, der vor längerer
Zeit bei Antritt der soz. Regierung gegenüber Kreisky erklärt hat,
es wird keine englische Gewerkschaftspolitik gegen die Regierung ge-
macht. Jetzt müsste in den nächsten 6 Monaten eine Beruhigung eintreten
Millendorfer wies darauf hin, dass es nirgends eine Preisstelle gibt,
die die Bau- und Holzarbeiter bereits am 15.5.1972 mit einem Brief an
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Moser verlangt hätten. Nur das Statistische Zentralamt macht eine Index-
fortschreibung, doch niemand kann heute sagen, wieviel die Preise
am Bausektor wirklich gestiegen sind. Die Gemeinde Wien gibt derzeit
nur 4.600 Wohnungen in Auftrag und sollte eigentlich 10.000 vergeben.
Dadurch wird das Wohnprogramm mit 55.000 neuen Wohnungen pro Jahr
in Österreich, das die Regierung versprochen hat, nicht erfüllt. Kienzl
hat am Abend mir mit Recht bemerkt, dass damals die Bauarbeiter ja die
Partei hereingelegt haben, als sie erklärten, es könnten 55.000 Woh-
nungen gebaut werden. Prechtl wies darauf hin, dass die Genossenschaften
auch die der Eisenbahner, bereits vorgesehen haben, 200.– S pro Monat Miet-
zinserhöhung für die Mehrwertsteuerbelastung zu verlangen. Dies konnte
nur im letzten Moment von ihm gestoppt werden. Er fürchtet, dass sehr
wohl die Genossenschaften, die keine Reserven haben, die Mietzinse
entsprechend erhöhen werden. Ganz besonders beschwert er sich über die
Bauordnungen, die z.B. in der Steiermark jetzt einen Luftschutzkeller,
Fluchttunnels, mehrere Aufzüge usw. verlangen und dadurch bis zu 2.000
S Monatsmiete kommen. Weissenberg berichtet über die sozialpolitischen
Fragen. Insbesondere die 29. ASVG-Novelle. Durch die organisatorische
Änderung, Auflösung der land- und forstwirtschaftlichen Unselbständi-
gen-Pension und -Krankenkasse durch Überführung der Krankenkasse in
die Gebietskrankenkasse und der Pensionsversicherung in die Unfall
bzw. in die PV Arb. soll die Gewerkschaft der Land- und Forstarbeiter
gestützt werden. Wenn diese Organisationsänderung nicht kommt, hat der
Obmann Pansi sein Gesicht vollkommen verloren. Die ÖVP wird jetzt als
Gegenvorschlag eine Bauernversicherung für die Selbständigen und Unselbstän-
digen verlangen. In diesem Fall müssten Angestellte, die jetzt bei der
PV Ang. organisiert sind, ausscheiden. Daran denkt natürlich überhaupt
niemand. Die Pensionsleistungen der Angestellten sollen an die der Arbei-
ter herangeführt werden, d.h. sie müssten eigentlich höhere Beiträge be-
zahlen. Ebenso wäre eine Valorisierung der Höchstgrenzen für die Kran-
kenkassenbeiträge vorgesehen, in diesem 5-Jahres-Konzept, doch wird
die ÖVP nur eine erste Etappe – Erhöhung von 4.800 um ca. 1.000 S –
nach Meinung Weissenbergs zustimmen. Wie mir Häuser am Abend erklärt,
macht die ÖVP allerdings hier eine zweischneidige Politik bei den Ver-
handlungen im Unterausschuss erweckt sie den Eindruck, dass eine ent-
sprechende Erhöhung vorgenommen werden kann, während er bereits weiss,
dass die ASVG-Novelle von der ÖVP abgelehnt wird.
Bei meiner Berichterstattung über China und Ungarn beim Herrn Bundes-
präsidenten beschwert sich Jonas, dass er beim Besuch Suhartos noch immer
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nicht weiss, welche Minister an der Besprechung teilnehmen werden.
Kreisky möchte – wie er in einer Ministerratsvorbesprechung ange-
deutet hat – erst wissen, welche Probleme überhaupt besprochen werden
sollen, da seiner Meinung nach diese Aufgabe ausschliesslich den Bundes-
kanzler resp. der Regierung obliegt. Hier handelt es sich, wenn nicht
um mehr so mindestens um eine Koordinationslücke. Zum Glück habe
ich mich bereits vor längerer Zeit beim Bundespräsidenten entschuldigt
da ich zum gleichen Zeitpunkt die EFTA-Ministerratstagung zu leiten
habe. Auch bei den Veranstaltungen kann ich nicht teilnehmen, da ich
eben Verpflichtungen aus diesem EFTA-Vorsitz erfüllen muss. Nur nach dem
Abendempfang durch den Bürgermeister werde ich noch zum Empfang nach
Schönbrunn durch den Bundespräsidenten gehen. Er hat mich dazu ausdrücklich
aufgefordert. Den Opernbesuch kann ich keinesfalls mitmachen, da ich
zu diesem Zeitpunkt eine Heurigenveranstaltung habe.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte daher unbedingt die Zusage bezüglich des
Opernbesuches rückgängig machen. Mir ist es unerklärlich, wie so eine
Möglichkeit, nachdem ich am Abend selbst eingeladen habe, überhaupt in
Erwägung gezogen werden konnte.
Da ich Androsch auf Wunsch von Gehart zwei Briefe geschrieben habe über
das Stabilisierungsprogramm, welches ich insbesondere mit der Benzin-
preisfrage beschäftigte, sah ich keine Notwendigkeit mehr, eine dies-
bezügliche Besprechung abzuhalten. Gehart hat, wie mir Holoubek beim
Mittagessen mitteilte, verzweifelt, aber mit aller Kraft für unser
Ressort die notwendigen Erklärungen bei einer Vorbesprechung wo ich nicht
teilnehmen konnte, abgegeben. Ich habe Holoubek sofort erklärt, dass
ich Gehart nicht in den Krieg geschickt habe, sondern dass er aus
eigener Überzeugung diese Meinungen entgegen der ganzen Korona dort
vertreten hat. Man sollte nämlich ihm oder dem Haus keinen Vorwurf machen,
dass wir nicht zeitgerecht auf alle Schwierigkeiten hingewiesen haben.
Kreisky hat mir sofort geantwortet, dass dies ein Problem von Androsch
sei, das ich mit ihm besprechen sollte.
Bei der konstituierenden Sitzung des Ladenausschusses konnte ich neuer-
dings die Erfahrung machen, dass selbst Verhandlungspartner, die die
Probleme schon dutzendemale mitsammen durchbesprochen haben und ihre
gegenteiligen Meinungen ausgetauscht haben, selbst in so einem kleinen
Kreis sich vorerst durch eine diesbezügliche Diskussion eigentlich die
Zeit stehlen. Schönbichler mit den Handelskammer-Leuten und Skritek
mit den AK-Vertretern hatten doch mindestens eineinhalb Stunden ge-
braucht, um neuerdings ihre Standpunkte zu präzisieren. Ich schlug
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ihnen vor, sie sollten ihre Standpunkte dann numerieren und
nur mehr sagen: 1, 5, 7, 2 usw. und jeder weiss dann gleich,
worum es sich handelt und man erspart wesentlich mehr Zeit.
Letzten Endes einigten sie sich dann doch – wie ich ihnen auch
vorschlug – entsprechende Untersuchungen über die Ladenschluss-
regelungen in den umliegenden Ländern in Österreich selbst die
entsprechenden Meinungsumfragen usw. als Grundlage ihrer weiteren
Behandlungen zu verlangen. Spitalsky wird als Sekretär fungieren
und alles zur Verfügung stellen. Jagoda wies mir gegenüber nur
darauf hin, dass die rechtliche Grundlage unserer Ladenschluss-
regelungen äusserst problematisch ist. Wenn sich die Partner
einmal im Prinzip über einen Weg und eine Vorgangsweise geeinigt
haben, wird er dann die rechtliche Seite erst in die Diskussion
werfen. Schönbichler verlangte, als reinen Konsumentenvertreter
sollte man unbedingt auch den Verein für Konsumenteninformation
den Beratungen zuziehen. Ebenso wies ich darauf hin, dass man
letzten Endes, wenn man die Kostenberechnungen des entsprechenden
Wirtschaft bzgl. Ladenschlussänderungen durchführt, ebenfalls die
anliefernde Industrie, d.h. die Nahrungs- und Genussmittelindustrie
und sonstige Produzenten, die bekanntlicherweise bezüglich Laden-
schluss sehr interessiert sind, gern hören müsse.
Der Finanzminister ersucht mich während der Sitzung bereits, ich
sollte ihn dringend anrufen. Er meinte dann, ob ich nicht doch zu
ihm hinüberkommen sollte, ohne mir zu sagen, dass die ÖMV mit den
ganzen Direktoren und Kreutler bei ihm waren. Ich habe Gehart
ersucht, der sich über dieses Problem ebenfalls den Kopf zer-
bricht, mitzukommen. Androsch erklärte einleitend, er wollte
sich nicht in meine Kompetenz einmischen, doch wenn er schon
die Benzinpreisfrage begonnen hat durch seine Erklärungen nach
der Festlegung der Mehrwertsteuer so wollte er nicht nachher
dieses Problem auf mich abwälzen. Er hat mit der ÖMV deshalb fol-
gende Vereinbarung vorgesehen: Das Superbenzin soll um 39 Groschen,
Normalbenzin um 33 und Gas, also Dieselöl um 29 Groschen erhöht wer-
den. Diese Erhöhung soll mit 1.4.1973 in Kraft treten. Darüber hinaus
müsste mit 1. Jänner 1973 sofort das Ofenheizöl von 1,70 durch
meine Zusage der seinerzeitigen 10 Groschen auf 1,85 Mehrwert-
steuer incl. erhöht werden. Mit 1.1.1974 soll dann für Super- und
Normalbenzin weitere 10 Groschen aufgeschlagen werden. Darüber
hinaus möchte er noch den Förderzins für die ÖMV von 51 % auf 6 %
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reduzieren. Dieser Vorschlag wird, wie er sich ausdrückt, von Kreisky
nicht goutiert. Die ÖMV hat mit dieser Regelung eigentlich alle
Wünsche, die sie sich aus der Mehrwertsteuer vorstellte, durchge-
setzt, allerdings mit einer Verzögerung mit der 1. Etappe 1.4.1973
und der zweiten Etappe mit 1. Jänner 1974. In dieser letzten Etappe
soll auch gleich die Rohölpreiserhöhung mit 1. Jänner 1973 von
der OPEC vorgenommen, eingebaut sein. Den schwarzen Peter für die
Preiserhöhung hat allerdings jetzt nicht das Handelsministerium,
wie dies Koppe die ganze Zeit befürchtet hat. Aus taktischen
Überlegungen habe ich Androsch nur vorgeschlagen, ich halte es
nicht für zielführend, dass er dieses Ergebnis sofort dann morgen
in einer Besprechung den internationalen Gesellschaften, die gleich-
falls mit der ÖMV kommen werden, mitteilt. In diesem Fall befürchte
ich, dass die internationalen Gesellschaften als einen Teilerfolg
diese Regelung teilweise innerlich befriedigt annehmen werden, ohne
sie aber zu akzeptieren, d.h. ich bin überzeugt davon, dass dann
noch immer schärfste Proteste kommen werden und sogar die Gefahr
besteht, dass sie den Verwaltungsgerichtshof anrufen. Ich schlug des-
halb vor, dass wenn Androsch nach wie vor auf seinen 30 Groschen be-
harrt dann schön langsam die Ölindustrie durch entsprechende langwierige
Verhandlungen so wie ich dies auch bei der letzten Benzinpreis-
erhöhung erreichen konnte, der vorgesehenen Regelung mehr oder minder
zustimmen werden, dann bleibt auch noch genügend Zeit, um mit den
Kraftfahrverbänden und den anderen Interessenvertretungen diese
Regelung abzusprechen. Androsch möchte, das sofortige Zugeständnisse
die Schockwirkung, die morgen nach Veröffentlichung des Stabilsierungs-
programmes, das ja überhaupt keinerlei Erhöhung vorsieht, sein mit der
ÖMV ausgehandeltes Ergebnis den internationalen Gesellschaften sofort
mitteilen. Dadurch hofft er, dass sie bereit sind, mehr oder minder
diese Regelung zu akzeptieren. Da er letzten Endes für diese Regelung
die politische Verantwortung trägt, ich selbst habe ja überhaupt
keine Ziffern bis jetzt genannt, erklärte ich mich letzten Endes,
nachdem er auf seinem Vorschlag beharrte, dass dies als Schocktherapie
der Ölgesellschaft mitgeteilt werden soll, auch meinerseits mich bereit
mit dieser Vorgangsweise einverstanden zu sein. Ich werde deshalb,
wenn er morgen die Ölgesellschaften empfängt, ebenfalls anwesend sein.
Ich bin sehr gespannt, wie diese reagieren werden. Androsch meinte,
dass insbesondere durch meine Anwesenheit dokumentiert werden könnte,
dass die Bundesregierung jetzt in dieser Frage geschlossen vorgeht.
Nachdem Bauer insbesondere weggegangen war, d.h. also unsere Genossen
allein waren, meinen diese, dass die internationalen Gesellschaften
sehr wohl mit dieser Vorgangsweise einverstanden sind, doch
keinesfalls ihre Zustimmung geben werden. Androsch hofft, dass sie
ein bisschen, um den Wiener Ausdruck zu gebrauchen "matschkern" und
dann doch mehr oder minder mit dieser Lösung zufrieden sein werden.
Ich selbst habe nur ein einziges Bedenken, dass nämlich die internatio-
nalen Gesellschaften sehr wohl dann mit der Handelskammer gemeinsam
und von der ÖVP mehr oder minder aufgestachelt die Kampagne gegen die
Regierung und insbesondere gegen die Preispolitik zuerst Steuerbelastung
und nachher keine Abgeltung der Unternehmer richten werden. Androsch
hofft, wenn er dieses Ergebnis ihnen unmittelbar mitteilt, dann auch
in der Öffentlichkeit keinerlei Polemik Platz greifen wird. Er gibt
sich der Illusion hin, dass mit 1 bis 2 Tage Zeitungsschreiben dann
alles erledigt sein wird. Bei diesem ganzen Konzept das eigentlich ja
letzten Endes doch die Forderungen der Unternehmer durchsetzt, nur
mit der Verzögerung, die zweifelsohne vom Stabilsierungsgesichts-
punkt äusserst wichtig und nützlich ist, hofft Androsch auch dann die
Benzinpreisfrage bis zu den nächsten Wahlen geregelt zu haben. Er hat
der ÖMV eine diesbezügliche Andeutung gemacht, und verständlicherweise
von diesen weder eine Zustimmung noch eine Ablehnung gehört. Die ÖMV,
die natürlich unter einem wesentlich stärkeren Druck gestellt werden
kann, gerade vom Finanzministerium, als die internationalen Gesellschaften,
möchte jetzt einmal diese Benzinpreisregelung unter Dach und Fach haben.
Der einzige Vorteil dieser Regelung ist, dass es sich um unrunde Preise
handelt und man deshalb sagen kann, Berechnungen des Finanzministeriums,
die mir leider nicht zugänglich sind, haben eine solches exaktes Ergeb-
nis gebracht, denn der Finanzminister ist eben nur bereit, bis zu
dieser Höhe den Benzinpreis ansteigen zu lassen. Ich wies bei dieser
Gelegenheit auch darauf hin, dass die internationalen Gesellschaften
dann das Problem der Stationäre neuerdings aufrollen könnten oder
werden, um hier die notwendige Unterstützung der Forderung von diesen
tausenden Beschäftigten zu bekommen. Bei der Abendveranstaltung der
ÖNB habe ich Androsch neuerdings ersucht, er möge sich das Problem
genau überlegen und überschlafen, denn ich habe die Erfahrung gemacht,
dass es doch immer zweckmässiger ist, wenn auch durch wochenlange Verhand-
lungen, die dann doch auch in der Öffentlichkeit ganz hart immer
kritisiert werden, zu einer einvernehmlichen Auffassung zu gelangen.
Diese Regelungen haben dann den Vorteil, dass sie doch im Grossen
und Ganzen halten.
Bei der Bezirksvorstandssitzung konnte ich feststellen, dass inner-
halb der Strassenbahn ganz schön Spannungen bestehen müssen. Ein
Vertreter der Hauptwerkstätte hat mir mit Recht erklärt, dass
die Massnahmen, die die Bundesregierung setzt und setzen wird, bei
den Leuten keinen entsprechenden Widerhall finden. Horak, ein
Vertrauensmann und Sektionsleiter bei uns im Bezirk, der gleichzei-
tig ein Funktionär oder zumindestens ein höherer Beamter in den
Hauptwerkstätten ist, meinte, dass es äussert schwierig ist, die
Leute mit solchen allgemeinen Erklärungen zu beruhigen. Sie stellen
immer wieder fest, dass vereinzelt Preiserhöhungen vorkommen, die
durch nichts zu begründen sind. So hat er selbst ein Hochzeits-
billett, das bis jetzt immer an die 10.– S bezahlen musste, jetzt mit
15.– S kaufen müssen. Kapaun, der BRO vom Bahnhof Erdberg und ein
hoher Vertrauensmann in der Gewerkschaft, der Strassenbahner, hat
ganz heftigst gegen die Politik der Hauptwerkstättenfunktionäre prote-
stiert. Er meinte, dass sie bereits eine Abgeltung für eine Brot-
preiserhöhung verlangt haben, als dieser nicht einmal noch in Kraft
gesetzt war. Sie hatten sich vorgestellt, dass sie 1000 S heurige
Abgeltung erreichen könnten. Die Tatsache, dass die Strassenbahner
schlecht bezahlt sind, hat er widerlegt, indem er darauf hinwies,
dass jetzt die Verwendungszulagen mit 1. Dezember neuerlich
stark erhöht werden. Bis jetzt hätte ein Schaffner und ein Fahrer
200.– S im Monat bekommen jetzt wird er 400.– S erhalten und der
Facharbeiter statt 234.– 550.– S. Aus dieser Diskussion konnte
ich entnehmen, dass es äusserst schwierig ist, unsere Funktionäre
alle auf eine einheitliche Linie zur Angriffsabwehr der ÖVP zu
vergattern. Die Kollegen oder Genossen haben den Eindruck, dass
wesentlich mehr geschehen müsste, denn die Widerstände innerhalb
unserer eigenen Parteimitglieder gegen diese Politik, die sie als
nutzlos und nicht zielführend betrachten, wird immer stärker. Benya
hat mit seinen Ausführungen glaube ich recht, dass er sagt, wir haben
in der Regierung wesentlich mehr getan als jemals eine andere Re-
gierung zuvor. Wir haben also Aktionen gesetzt wie die Schul-
bücher, Freifahrten, die Kinderbeihilfe-Erhöhung, die Renten-
verbesserungen, die aktive Lohnpolitik und dies aber in so schneller
Reihenfolge, dass es dem einzelnen gar nicht bewusst wurde.
Ausserdem hat er das Gefühl, man braucht nur mehr zu verlangen und
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kriegt das dann sowieso. Wenn dann ein negatives Ergebnis wie eben höhere
Preise aus dieser nicht zuletzt Einkommenspolitik resultieren, dann
verlangt er neuerdings, dass hier mehr geschehen müsste, als dies
möglich ist. Nach Konzept Benya wäre es viel zielführender, eine Mass-
nahme zu verlangen und nach einigem Kampf durchzusetzen und dann diese
eine Massnahme immer wieder als den Erfolg durch einige Zeit hin-
durch immer wieder herausstreichen. Erst dann, wenn dies nicht mehr
den gewünschten optischen Erfolg hat, eine zweite Massnahme und Forderung
aufstellen und auch diese erst nach einigem Kampf durchzusetzen um
neuerdings dann über den Erfolg längere Zeit zu berichten. Diese Politik
hat auch seinerzeit Böhm vertreten, der immer meinte, man könne nicht
alles auf einmal erreichen, sondern müsste schrittweise vorgehen,
denn dynamisieren mit den Tatsachen, dass man immer wieder sagt, das
muss auch noch schnell erledigt werden und dadurch eigentlich wirklich
eine ganze Fülle von Forderungen erfüllt, die aber letzten Endes dann
als selbstverständlich gelten, kommt man wirklich in das Dilemma in
der weiteren Zukunft sobald nichts mehr zu fordern ist, ohne dass
nicht entsprechende negative Rückwirkungen zu verzeichnen sind.
Kreisky hat hier ganz besonders in den letzten Monaten immer wieder
durch Ideen, die er unmittelbar auch sogar teilweise durchgezogen hat,
vielleicht wirklich die Parteiöffentlichkeit mit Erfolgen verwöhnt,
die jetzt unter dem Misserfolg der Preispolitik keinerlei positive
Ergebnisse mehr abwerfen für die weitere Unterstützung unserer Genossen
in den Auseinanderzungen unserer Genossen mit der ÖVP.
Tagesprogramm, 14.11.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 48. Ministerratssitzung, 14.11.1972
Nachtrag TO 48. Ministerratssitzung, 14.11.1972