Freitag, der 24. November 1972

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Freitag, 24. November 1972

Das Energiekomitee beschäftigte sich mit dem Vorschlag von Frühbauer,
die Haushaltsenergiepreise bis 1. Mai 1973 unverändert zu lassen.
Dies kostet der Energiewirtschaft ca. 40 Mill. S. Da wir ursprünglich
vorgesehen hatte, dass wir 2 Entlastungssätze 0,9 für Verbund, Salzburg
und Burgenland sowie Tirol und Vorarlberg sowie 1,4 % für die anderen
Länder vorgesehen hatten, die Berechnungen aber ergaben, dass für die
Tiroler TIWAG und für die Vorarlberger VKW eigentlich nur 0,5 % richtig
wären, haben wir den beiden westlichen Ländern den geringeren Ent-
lastungssatz zugebilligt. Dadurch kommt es auch zu einem Anheben
der Strompreise in diesen beiden Ländern in einem stärkeren Ausmass
als dies in den östlichen Bundesländern der Fall ist. Dadurch wird die
Differenz der Strompreise, die jetzt bereits existiert, ein klein
wenig verkleinert. Nach diesem Zugeständnis war es ganz klar, dass
auch die anderen Gesellschaften, nachdem jetzt die Tiroler und Vor-
arlberger befriedigt waren, d.h. insbesondere NÖ und OÖ, den Vor-
schlag akzeptieren würden. Ich habe überhaupt den Eindruck, dass
alle froh waren, so billig wegzukommen.

Im Verbändekomitee zeigte sich ebenfalls, dass eigentlich die Han-
delskammer mit den Kompromissvorschlägen sehr einverstanden ist.
Mussil hat nur noch ein Scheingefecht geliefert. Selbst für die
Benzinpreisregelung, die letzten Endes mit 1.1.1974 eine volle Befrie-
digung der Ölfirmen gibt, hat Mussil nur für das Protokoll festgehalten,
dass die Agip-Firmen bei ihm protestierte. Ich erklärte, dass dies
auch bei mir der Fall war, und sie das im Protokoll brauchen, damit
sie gegenüber ihren römischen Mutterhaus eine Entschuldigung haben.
Zu meiner grössten Verwunderung hat weder die Arbeiterkammer noch
der ÖGB zu den beiden Lösungen im Detail noch einmal Stellung ge-
nommen. Hier zeigte sich, dass sie grosse Disziplin halten. Insbesondere
für die Benzinpreisregelung hätte ich einen heftigeren Protest er-
wartet. Bei der Zuckerpreiskalkulation stellte sich heraus, dass die
Umstufung von der Vorratsentlastung 2 in 3 vollkommen genügt. Dr.
Habig, der Präsident des Verbandes meinte nur, sie möchten noch eine
Umstufung auf 5. Hecke hat dann eine genaue Durchrechnung durchgeführt
und letzten Endes erklärten sie sich also mit der Umstufung von 2
auf 3 vollkommen einverstanden. Ihre Berechnung, dass die Stufe 3
eine 5 %-ige Vorratsentlastung bedeutet, dies aber nur vom %-igen
Produktionswert und nicht vom Bilanzwert, bedeutet, dass sie 4 % plus


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1,74 d.h. also 5,75 nach ihren Berechnungen absetzen können. Demgegen-
über müssen sie 8 % Mehrwertsteuer bezahlen. Diese Milchmädchenrechnung
von Dr. Habig dürfte aber falsch sein. Ich selbst habe mich mit diesen
Problemen in der letzten Zeit nicht mehr beschäftigt. Was mich aber am
meisten verwundert hat, ist, dass Zöllner ebenfalls gleich freimütig erklär-
te, er hätte seinen Experten nicht zur Hand und könnte deshalb nicht
prüfen, ob die Berechnungen richtig sind und ob die 3 genügt. Ich per-
sönlich habe mich eigentlich geärgert, dass ich nicht mehr diese Detail-
kenntnisse in die Verhandlungen mitbringe. Andererseits hat es mich
wieder beruhigt, dass Zöllner in meiner Nachfolgefunktion die so für
mich selbstverständlichen Detailinformationen nicht besitzt. Richtig
ist und darüber hat sich Zöllner sehr beschwert, dass die Handelskammer
ihre Experten dann für die einzelnen Punkte zuziehen konnte. Mussil
erklärte, dass Androsch dazu gefragt und von ihm die Zustimmung be-
kommen hat. Bei Getreide konnte eine solche Einigung nicht erreicht
werden. Hier hat Androsch zugestimmt, dass ebenfalls eine Umstufung auf
3 stattfindet. Dies bedeutet, dass er für Weizen, Roggen, Weizenmehl
und Gries 100 Mill. S bereitstellen muss. Für Zucker sind es angeblich
55 Mill., die ihn die Umstufung kosten wird. Die Landwirtschaft, Brand-
stätter
, möchte aber, dass nicht nur die preisgeregelten sondern alle
Getreidesorten und Mehl und Futtermitteil entsprechend umgestuft
werden. Darüber hinaus möchte er noch eine Reduzierung des Entlastungs-
satzes. Ich erwiderte sofort, dass in diesem Fall dann die Herndl-Bauern
noch höhere Getreide- und Futtergetreide-Preise zahlen müssten.

Bei der budgetären Auswirkung hat Androsch jetzt zugestanden, dass
solange nicht der zusätzliche vorzeitige AfA-Satz von 25 % eingeführt
wird, die Differenzierung für die Grenzgebiete mit 60 % bleiben soll.
Ob er dann die 50 % Mischsatz auch für die Nicht-Grenzgebiete auf 45
wieder zurückführt, war für mich nicht ganz klar. Die Einführung des
25 %-igen zusätzlichen AfA-Betrages 1974 wird dann der einheitliche
Satz von 50 % scheinbar kommen. Ebenso will er die vorgesehene Aus-
setzung des 5 %-igen Wertberichtigungssatzes für Exportlieferungen zurück-
nehmen und 1973 doch einführen.

Bei der Liberalisierung für die Importe einigten wir uns, dass ausser
den Kontingenterhöhungen durch Ungarn und Polen usw., die ja keinerlei
grössere Anlieferungen garantieren, dass bei den nächsten Verhandlungen
mit Japan Zugeständnisse für Herausnahme aus der Lizenzierung für japa-
nische Importe gemacht werden sollen. In diesem Fall wird im Einvernehmen
mit der Handelskammer und der Arbeiterkammer und dem ÖGB eine neue Liste


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zu erstellen sein.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte Meisl zu ersuchen, entsprechende Vorberei-
tungsarbeiten mit den Interessenvertretungen jetzt sofort in Angriff
zu nehmen.

Die automatische Lizenzierung für Rind- und Schweinefleisch stiess
auf den erbitterten Widerstand der Landwirtschaft. Weihs schlug vor,
dass im nächsten Jahr, wo wir ca. 300.000 Schweine brauchen, 8.000
Stück für den Wiener Markt, 1.000 für Wr. Neustadt und 1.000 für
Graz je Woche als Grundimport genehmigt werden sollten und jetzt verein-
bart werden. Für die westlichen Bundesländern sollen 300 t Fleisch
pro Monat eingeführt werden. Darüber hinausgehende Mengen seien durch
die Abrufkommission festzulegen. Zöllner, der automatische Lizenzierung
unbedingt weiter verlangte, hat mir nachher unter vier Augen zugesichert,
dass er mit diesem Kompromissvorschlag Weihs sehr einverstanden sei,
aber erst am letzten Moment genehmigen will, bis die Präsidenten der
Landwirtschaftskammern sich zu diesem Kompromiss eindeutig bekannt haben
und auch in den Vertrag aufgenommen wird. Aus dieser ganzen Diskussion
und der Entwicklung habe ich eines gelernt: Man darf nicht vorzeitig ir-
gendein Problem zur Diskussion stellen, wie z.B. die Arbeiten unserer
Genossen im Feber über ein Preisstabilisierungskonzept, wenn die
Zeit noch nicht reif, jetzt wo der 7 %-ige Index alle geschockt hat,
sind sie bereit Zugeständnisse zu machen, die im Feber des Jahres nicht
einmal theoretisch erwogen hätten werden können. Andererseits aber ist
es objektiv gesehen jetzt wirklich 5 Minuten vor 12, wenn nicht viel-
leicht schon 5 Minuten nach 12. Ich glaube nämlich, dass wenn jetzt die
Preise natürlich noch weiter steigen werden, es einen furchtbaren Schock
der Öffentlichkeit geben wird, weil ein jeder annimmt, dass das Stabili-
sierungsprogramm jetzt bereits durch entsprechende Preissenkungen und
zumindestens darauf resultierenden Rückgang der Steigerungsrate seinen
Niederschlag finden müsste. Ich bin neugierig, ob die Handelskammer
und die Landwirtschaftskammer das Stabilisierungspaket annimmt oder
letzten Endes doch ablehnt. Sie könnte dies ja eigentlich tun und
gleichzeitig mitteilen, dass sie eben das Sozialpartnerabkommen trotz-
dem für zweckmässig hält und sich daran orientieren wird.

Die Fachvereinigung der Stahlhändler, die 600 Firmen umfasst hat mit
Ing. Rieder von der Handelskammer bei mir vorgesprochen, weil sie
erst am 10.12. den Antrag über Festsetzung der tieferen Entlastung
bei mir einbringen kann. Der Grosshandel, wie die Firma Waldmann, ins-
gesamt gibt es 29, hat bisher 4 % Vorratsentlastung und 5,5 % Umsatzsteuer,


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da sie umsatzsteuerpflichtig ist. Der Fachhandel, ca. 200 Firmen
hat nur die 4 %-ige Vorratsentlastung und war bis jetzt umsatzsteuer-
frei auf Grund der Freiliste 3. Da aber beide denselben Preis vom
Werk, sei es Alpine oder VÖEST vorgeschrieben bekommen und auch weiter
verrechnen, ergibt sich jetzt die ungleiche Behandlung. Der Grosshandel
hat nämlich genau denselben Preis wie der Fachhandel nur kriegt er
2,9 % Provision. Durch die 7,8 %-ige Entlastung würde der Grosshandel
15 Mill. und der Fachhandel 10 Mill. Ertragsminderung haben. Die Ver-
einigung hofft nun, dass ich einen positiven Bescheid bis Anfang Jänner
erlasse, damit sie nicht mit 1. Jänner andere Preise, nämlich tiefere
verrechnen müssen, die wie sie glauben, nach Erlass des Bescheides
dann wieder erhöht werden müssten. Ich habe ihnen selbstverständlich
gar nichts zugesagt, sondern erklärt, ich könnte erst, wenn der Antrag
vorliegt, die Interessenvertretungen um Stellungnahme bitten und
dann würde man erst sehen, ob überhaupt ein Bescheid erlassen wird.
Aus stabilitätspolitischen Gründen wäre es sogar zweckmässig, wenn
Anfang Jänner nicht allzu hohe Preise geltend gemacht werden. Solche
nämlich sich dann wirklich herausstellen, dass ihr Antrag berechtigt
ist, würde eben nach 8 Wochen, d.h. am 10. Jänner erst der neue
Preis in Kraft treten können.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Ich glaube, dass es bei den Bescheiden auf Grund
des Entlastungskatalogs – Preisbestimmungsgesetz – von uns sehr wohl
überlegt werden soll, wieweit wir preispolitische Gesichtspunkte gegen-
über betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten in den Vordergrund stel-
len.

Die Lohnschlächter, eine Arbeitsgemeinschaft von eigentlich Unselbstän-
digen, die nur als Selbständige geführt werden und auch entsprechende
Steuern zu zahlen haben, hatten vergessen, sich entsprechend bei der
Erstellung des Entlastungskataloges durch die Arbeiterkammer auf
ihre besondere Situation hinzuweisen. Sie sind nämlich umsatzsteuer-
frei und würden deshalb, wenn sie jetzt mit dem hohen Entlastungssatz
von über 7 % getroffen werden, wirklich eine Einbusse ihrer Einkommen
hinnehmen müssen. Bei Oberrat Marsch, wo sie schon vorgesprochen haben,
wurde ihnen bereits mitgeteilt, dass sie nur einen Antrag jetzt auf
Individual-Entlastung stellen können. In diesem Fall ist es deshalb
wieder von grossem Nachteil, weil bereits mit 1. Jänner sie auf
Grund des Preisbestimmungsgesetzes, wenn sie keinen Individualbescheid
von uns bekommen, auf alle Fälle die von ihnen bisher nicht bezahlte
Umsatzsteuer in Form einer Reduzierung ihrer Schlächterlöhne zur Kennt-
nis nehmen müssten.



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Dipl.Ing. Cifer kam mit dem ung. Generaldirektor Peschte um mir über
eine grosse Kooperation zu berichten. Peschte hat angeblich von Land-
wirtschaftsminister Dimény die Weisung und den Auftrag, mit Cifer
eine grosse Kooperation zu besprechen. Angeblich weiss auch Aussenhandels-
minister Bíró davon. Das Projekt umfasst umfasst 100 bis 150.000 ha
Bewässerung und wäre eine ungeheuer grosse Kooperation. Angeblich
soll nach Cifer auch die SU grosses Interesse daran haben, weil
sie dann gleichzeitig auch solche Kooperationen in ihrem eigenen Land
machen möchte. Die Investitionen würde 2–3 Mia. S umfassen und
sollten in vier Jahren erledigt sein. Es würden langfristige Kredite
notwendig sein. Der Fremdanteil, den die österr. Kontrollbank normaler-
weise nur mit 10 % zulässt, müsste in diesem Fall auf 25–30 %
erhöht werden. Insbesondere sollten Pumpstationen, die in Österreich
gar nicht erzeugt werden können, von den Ungarn zur Verfügung gestellt
werden. Die ungarische Nationalbank, ein gewisser Fekete, hätte
dem bereits zugestimmt. Die Planung dieses Projektes geht zu Lasten
Ungarn, d.h. die Kosten werden von Ungarn übernommen. Die Durchführung
und die Lieferung obliegt Österreich. Alles was unter der Erde ist,
also Kanäle usw. würden mit 10 – 15-jährigen Krediten berechnet
und alles was oben installiert wird, wie Pumpen, Installationen usw.
sollen mit 5 – 7-jährigen Krediten finanziert werden. Ein gebundener
Finanzkredit von 6 % sei dafür notwendig und Cifer hat so gemacht,
wie wenn er den bereits mehr oder minder gesichert hätte. Ich kann
mir nicht vorstellen, dass die österr. Kontrollbank in derartigen
Grössenordnungen bereit ist, mit Cifer Verhandlungen in concreto zu
führen. Ich habe ihm keinerlei Zusagen gemacht, sondern schon vorher
und auch beim Hinausgehen neuerdings erklärt, dass ich ihn finanziell
ihn keinesfalls unterstützen könnte. An dem Zustandekommen einer Koope-
ration aber erklärte ich ganz offiziell, wäre Österreich natürlich
sehr interessiert. Ein wesentlich kleines Projekt von 14 – 15.000 ha
soll Cifer jetzt in der Teilstufe II projektiert haben.

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Tagesprogramm, 24.11.1972

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
GND ID: 130620351


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: SChef HM
      GND ID: 12195126X


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: ung. Außenhandelsmin.


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Präs. Verb. d. öst. Zuckerindustrie


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: AK


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Finanzminister
                  GND ID: 118503049


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                    Tätigkeit: Fa. Bauer, Inhaber Dienstpass HM


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                      Tätigkeit: Leiter wirtschaftspolit. Abt. HK [1971 zuerst in einer Enquete; im Juni 1971 als Referent und Verantwortlicher f. Statistik und Wirtsch.pol. nach Klose bez.]


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                        Tätigkeit: GS Präs.konf. LWK AR Verbund
                        GND ID: 12906288X


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Beamter HM


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Verkehrsminister, LH-Stv. Ktn.
                            GND ID: 12053536X


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                              Tätigkeit: Vizepräs. Ung. Nationalbank


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