Freitag, 15. Dezember 1972
Min.Rat Hanisch wollte bereits gestern abends in einer dringlichen
Angelegenheit – wie er dem Sekt.Chef Jagoda mitteilte – mit mir
Sprechen. Da ich durch die Entlastungssitzung für Bauten verhindert
war, ist er heute früh erschienen. In Wirklichkeit handelt es sich
aber um keine persönliche Angelegenheit, sondern er hat nur grösste
Beschwerde erhoben, dass ihm sein B-Beamter, wie er sich ausdrückte, ein-
ziger Mitarbeiter Walz durch eine Doppelzuteilung entzogen wird.
Er wies darauf hin, dass damit die Arbeit an der wirtschaftlichen
Landesverteidigung vollkommen zum Erliegen kommen wird. In Schweden
gibt es für die wirtschaftliche Landesverteidigung ein eigenes
Büro mit 300 Beamten. In der Schweiz ist es noch grösser. Er dagegen
soll nun allein die wirtschaftliche Landesverteidigung machen.
Winterleitner beschäftigt sich ausschliesslich mit Umweltschutzfragen.
Sein B-Beamter Walz ist aber nur, wie sich später herausstellte, mit
maximal 5 %, wie Sekt.Chef Römer mir mitteilte, für die Branche Kunst-
stoffe beschäftigt. Da ich mich in den Streit gar nicht einmischen
wollte, habe ich sofort Sekt.Chef Schipper als Präsidialisten dazuge-
beten. Hanisch wies aber darauf hin, dass er mir direkt unterstellt
sei. Ich erklärte, dass ich jetzt mit den Parteien in Verhandlungen
bin, ob eine wirtschaftliche Landesverteidigung durch Aufnahme in
die Verteidigungsdoktrin und damit in die Verfassung überhaupt
kommen soll. Wenn sich das Parlament und die Regierung zur wirtschaft-
lichen Landesverteidigung nicht nur mit Worten sondern auch mit Taten
bekennt, d.h. für die Vorratsbildung entsprechende budgetäre Mittel
zur Verfügung stellt, die in die Hunderte Millionen gehen werden, dann
kann man auch eine wirtschaftliche Landesverteidigung mit grösserem
Rahmen aufbauen. Schipper erklärte rundweg, dass dafür dann entsprechend
Beamte dann erst aufgenommen werden müssen. Derzeit hat er keine.
Hanisch erklärte, dass in Wirklichkeit die Branchenreferate, ich
schlug nämlich vor, dass diese ja die eigentlichen Vorarbeiten gelei-
stet haben müssten und über die einzelnen Versorgungssituationen bei
der Branche genau informiert sein müssten, nur allgemeine Informationen
besitzen. Die Detailkenntnis, insbesondere die streng geheim zu behan-
delnden Versorgungspläne und Lenkungspläne könnten nur bei ihm er-
stellt und dann von ihm auch verwahrt und immer korrigiert werden.
Angeblich hat er nur für Treibstoffe einen solchen Katastrophenplan,
der auf den letzten Stand immer wieder gebracht wird. Ich ersuchte
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Schipper nach ziemlicher langer und heftiger Diskussion, den Forderung
von Min.Rat Hanisch die mögliche organisatorische und personelle
Form durch Überlegungen seinerseits entgegenzutreten oder zumindestens
mir entsprechende Vorschläge zu machen. Schipper erklärte nämlich
während der Diskussion, dass keine Leute für Hanisch zur Verfügung
stehen. Damit ist vom Präsidium endgültig entschieden und ich habe
ihn auch diesbezüglich gedeckt, kein eigener grosser Organisations-
apparat bei Hanisch. Hanisch selbst würde, wie mir Schipper vor ihm ver-
sicherte, deshalb den Minister direkt unterstellt, weil bei der Bestellung
von Sekt.Chef Römer zur Leitung der Sektion III Lobmeyr, der sich
übergangen fühlte, daraus die Konsequenzen und in Pension ging, während
Hanisch eben blieb und als Pflaster eben dem Minister direkt unterstellt
wurde. Hanisch versicherte in dieser Sitzung, dass ich als einziger
und erster Minister mich bis jetzt um die wirtschaftliche Landesver-
teidigung überhaupt gekümmert habe. Schipper meinte dann nachmittags,
er hätte mit Römer und Hanisch sich friedlich geeinigt.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND HEINDL: Ich glaube, dass es entscheidend ist,
dass wir eine organisatorische Änderung vornehmen. Durch die Errichtung
der entsprechenden Referate und Abteilungen aus der Industriesektion und
insbesondere in der OB muss dort auch die gesamte Vorarbeit für die wirt-
schaftliche Landesverteidigung gemacht werden.
Hanisch hätte dann die Aufgabe die Koordinierung für die wirtschaftliche
Landesverteidigungsseite resp. die Zusammenfassung von mir aus in geheimen
Plänen, die er dann reservat durchzuführen hat. Ich halte es für vollkom-
men ausgeschlossen, dass wir neben den jetzt mühsam errichteten Branchen-
referaten und neuen Abteilungen noch eine eigene Konstruktion bei Hanisch
in parallel laufenden Bewirtschaftern aufbauen. Andererseits mmss etwas
geschehen, damit Hanisch jetzt nicht die Gelegenheit hat, bei den Opposi-
tionsparteien auf die Unzulänglichkeit auch der organisatorischen Vorbe-
reitungen im Ministerium hinzuweisen.
Gen.Dir. Wiszniewski als der Mann in Polen, welche die Häfen zu leiten
hat, ist mit Dr. Nussbaum von der Handelskammer und Metzner zu einer
Besprechung zu mir gekommen. Ich konnte die Herren mit der freudigen
Mitteilung begrüssen, dass ich das Gefühl habe, dass jetzt eine Invasion
aus Polen in Österreich erfolgte. Auf allen Gebieten werden jetzt enge
Kontakte zwischen Polen und Österreich angeknüpft resp. verstärkt.
Wiszniewski hofft, dass es gelingt, zwischen den österr. Firmen z.B.
auf dem Container-Gebiet Kooperationen zu beginnen.
Dr. Barfuss als Vertreter von Herrn Stöckl, der eine Chartergenehmigung
von Verkehrsminister Frühbauer möchte, informierte mich, dass er die
Genehmigung auf alle Fälle bekommen müsste, da seiner Meinung nach die
Bedarfslage eindeutig ist. Frühbauer hat aber bereits über 6 Monaten,
d.h. jetzt schon fast ein Jahr, keinen Bescheid, weder im positiven noch
im negativen Sinne gegeben. Barfuss möchte nun, nachdem Stöckl mir aus-
einandergesetzt, dass der Charterflug die AUA nicht konkurrenzieren würde,
die Auseinandersetzung über den Verwaltungsgerichtshof vermeiden. Stöckl,
der selbst 14 Jahre bei der AUA beschäftigt war und dort auch den Charter-
flug zu organisieren ist felsenfest davon überzeugt, dass es sich nur um ein
Prestige vom AUA-Standpunkt aus handelt. Er glaubt, dass die AUA keine in-
ländische Gesellschaft möchte, da man ansonsten ihren aufwendigen Apparat,
mit einer – wie Stöckl sich ausdrückte – aktiv gebarenden kleinen Firma ver-
gleichen könnte. Ich verspreche Barfuss nur, dass ich nachdem ich da keiner-
lei Kompetenzen besitze, mit Frühbauer über die Angelegenheit reden werde.
Im Parlament entledige ich mich gleich dieser Verpflichtung und Frühbauer
setzt mir auseinander, dass er jetzt einen endgültigen Bescheid geben wird,
der allerdings negativ sein wird.
Dir. Heinrich von der Ankerbrotfabrik teilt mir mit, dass die Lebensmittel-
untersuchungsanstalt jetzt bereits ein zweites Mal seinem Abteilungs-
leiter vor den Kadi zitiert hat. Die Ankerbrot will mit ihren Dauerhaften
Backwaren bis nach dem Westen Österreichs vordringen, um der deutschen Kon-
kurrenz insbesondere aus München mit Sandwiches und so weiter den Markt
zu halten. Dazu verwendet sie ein Konservierungsverfahren, welches im
neuen Kodex angeblich erlaubt sein wird. Da dieses Kodex-Kapitel
aber noch nicht in Kraft ist, bestraft Petuely, da auf Grund des derzeit
bestehenden dies noch verboten ist. Der Abteilungsleiter, fügt Heinrich
im Gespräch so nebenbei ein, sei BSA-Mitglied und schon 20 Jahre bei
ABF so wie er selbst. Ich erkläre mich sofort ausserstande, in das Ver-
fahren einzugreifen oder auch nur bereit zu sein, mich dagegen auszusprechen
Das einzige was ich zusage, dass man mir einen Brief schreiben soll, worauf
ich mit Minister Leodolter sprechen werde, um das Kapital so schnell wie mög-
lich in Kraft zu setzen. Die Kodexkommission arbeitet seitdem ich sie kenne
immer sehr langsam und wenn sie dann einen Teil erledigt hat, dauert es immer
noch geraume Zeit, bis endlich dann die Verlautbarung erfolgt. Hier liegt
es nicht nur im Interesse der Ankerbrotfabrik sondern aller auch der Kon-
sumenten, dass man doch vielleicht versuchen sollte, dass schneller die
einvernehmlich erstellten Kapitel verlautbart werden.
Die Budgetbesprechungen mit Jagoda, Marhold, Heindl und Koppe zeigen
mir deutlich, dass dieses System von uns geändert werden muss. Wir haben
jetzt bereits den 15. Dezember und wissen noch immer nicht, wie wir
endgültig die Restmittel verbrauchen. Da Marhold die Zustimmung für alle
Projekte von Finanzministerium benötigt, hängt es nun ausschliesslich von
seinem guten Willen ab, dass wir diese auch noch jetzt zeitgerecht erreichen.
Bei allen Werkverträgen, die wir noch abschliessen, muss ebenfalls noch
die Zustimmung des Finanzministeriums eingeholt werden. Mit Prof. Frisch
habe ich mittags ausgemacht, dass eben versuchen werden, ihn zu unter-
stützen. Er selbst hat ein Projekt, jetzt über die Inflationsursachen
laufen und erwartet, dass wir ihm 100.000 S geben. Ich habe ihm bereits
mittags auseinandergesetzt, dass dies vollkommen unmöglich sei. Eine
Subvention kommt, wie Marhold vorschlägt, nicht in Frage, denn wir können
nicht ein Institut subventionieren. Dies hielte ich für ein gefährliches
Präjudiz. Hier kommt nur ein Werkvertrag in Frage und Marhold wird
sich bemühen, einen solchen für 30.000 S heuer und allerdings dann leider
vorbelastend 30.000 S für das nächste Jahr abzuschliessen. Im Jahre 1973
müssen wir wirklich ein anderes System unserer Budgetmittelaufteilung
finden. Sicherlich war besonders auch heuer durch die Bindung, die dann
auch in eine 7,5 %-ige Kürzung umgewandelt wurde, die Aufteilung der Rest-
mittel schwieriger als in den vergangenen Jahren Trotzdem wäre es nicht
nötig gewesen, dass wir so lange mit einzelnen Projekten zugewartet haben.
Interessant ist dabei, dass es Marhold geglückt ist, im Laufe des Jahres
doch einzelne Posten aus der Bindung weitestgehend herauszulösen. Wenn man
hier mit der Budgetabteilung nicht gut kooperiert, kann ich mir vor-
stellen, wie in anderen Ministerien dann die Beamten die Chance haben, Projek-
te und Ideen des Ministers auf diesem kalten Weg unmöglich zu machen.
Dabei kann man dies dann nicht einmal als Sabotage bezeichnen, weil eben
nur die Vorschriften des Haushaltsrechtes und der Usancen mit dem Finanz-
ministerium genau eingehalten werden.
Bei der Überreichung des Exner-Medaille im Gewerbe-Verein an Prof. Zemanek
von der TH, der einen Computer mitentwickelt hat und einen deutschen Profes-
sor, der auf Halbleitertechnik gearbeitet hat, werden auch 6 Unternehmer
und vor allem über 140 Arbeitnehmer für langjährige Tätigkeit mit Diplom
ausgezeichnet. Dr. Fritsch, der gleichzeitig auch Präsident der Wirt-
schaftstreuhänder ist und als solchen kenne ich ihn längere Zeit, teilt
mir dann mit, dass diese Aufwendung, insbesondere das anschliessende Essen
von den Firmen bezahlt wird. Dieser Gewerbeverein war einmal eine mächtige
politische Organisation in der Monarchie und vor allem auch sicherlich
noch in der ersten Republik. Jetzt ist er in meinen Augen doch nicht anderes
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als ein Verein unter vielen, der eben sich gelegentlich durch Verleihung
der Exner-Medaille und gelegentlichen Veranstaltungen in der Öffent-
lichkeit in Erinnerung ruft.
Tagesprogramm, 15.12.1972