Freitag, der 2. Februar 1973

14-0126

Freitag, 2. Feber 1973

Der finnische Botschafter Mäkinen wollte noch während der Anwesenheit
Patolitschews wissen, was wir besprochenhaben. Insbesondere interessier-
te er sich für die Stellungnahme der Sowjetunion zu den EG-Verhandlungen
und Ergebnis zu erfahren. Er wollteganz besonders den Punkt des Aide-
memoire der SU erläutert, der von Verhandlungen wegen der Benachteili-
gung der SU durch die EG-Verträge spricht. Ich glaube, Mäkinen war
sehr erstaunt, als ich ihm mitteilen konnte, dass wir gar nicht über
eine generelle Regelung wie sie z.B. die Finnen mit der SU geschlossen
haben, sondern nur über Details von einzelnen Positionen verhandelten.
Zum Schluss las ich ihm noch den Punkt im Protokoll vor. Er ersuchte,
ob er sich einzelne Aufzeichnungen dazu machen könnte, was ich selbst-
verständlich akzeptierte. Das Protokoll ist nämlich in diesem Punkt
auch nicht sehr vielsagend, sondern sieht ja nur vor, dass die SU und
Österreich nicht nur bei der Gemischten Kommission sondern Vertreter
jederzeit Probleme und einzelne Produkte, die diskriminiert werden,
zur Sprache gebracht werden können.

BEim Abflug Patolitschews hat mir dieser noch zum Schluss gesagt,
dass er mit der Pressekonferenz sehr zufriedne war, auch soweit er das E
Echo überblicken kann, war er glaube ich auch einverstanden. Er meinte
nur nebenbei, wenn in der SU eine Pressepolemik, wie sie die "Presse"
gemacht hat, stattfindet, dann würde man den Redakteur fragen, in wel-
chem Auftrag er eigentlich gehandelt hat. Diese Bemerkung war für mich
sher vielsagend, sollte also doch vielleicht im innenpolitischen Kampf
in der SU manchmal ein Redakteur eben Meinungen vertreten, die nicht in
die grosse Parteilinie fallen, dann versucht man, primär herauszube-
kommen, wer steckt dahinter. Ein Vorgang, den wir auch bei uns in
Österreich und in der westlichen Presse immer wieder beobachten
können.

Lt. einer Mitteilung von ZS Blüml soll am Montag der Bäckermeister
Schrammel zum Kommerzialrat ernannt werden. Schrammel ist als zwar
guter Fachbäcker aber als sehr assozialer Mensch bekannt. U.a. hat
zwei Betriebsräte ganz einfach aus dem Betrieb hinausgeworfen, obwohl er
jetzt den Prozess in der letzten Instanz verloren hat. Ich habe, nachdem
mir dies mitgeteilt wurde, unverzüglich Präs. Sallinger angerufen und
auch die Situation aufmerksam gemacht. Sallinger sagte mit REcht, dass


14-0127
er davon nichts gewusst hat, auch ich muss eingestehen, dass ich
den Akt unterschrieb, ohne mir GEdanken zu machen und dass er unver-
züglich mit Präs. Mitterer von der Wiener kammer reden wird. Sallinger
hat dann später noch einmal angerufen und die konkreten Unterlagen bezüg-
lich der Verurteilung verlangt. Ich habe Ottahal ersucht, er möge von
der Arbeiterkammer oder der Gewerkschaft die entsprechenden notwendigen
UNterlagen beschaffen. Sallinger selbst habe ich dann die BEgründung zur
Kommerzialratstitelverleihung mitgeteilt. Darin konnteich entnehmen,
dass Schrammel in der Landesinnung Wien als VErtreter fungiert und dass
bei der Einkaufsgenossenschaft der Bäcker tätig ist. Seine Leistung
für die Allgemeinheit, wie es beim Kommerzialratstitel erforderlich
ist, wird im Akt von der Innung angegeben als Mitglied des Karlskir-
chen-Bauvereins. Ottahal meinte, dass 90 % der Kommerzialsratstitel,
die wir verleihen, auf solche unzulänlgichen Tätigkeiten beruhen.
Sallinger selbst hat mir versprochen, er wird mit dem Präsidenten in
der nächsten Zeit eine BEsprechung führen, um verschärfte Richtlinien
zu erarbeiten.

Bei der Sitzung über die Durchführung des Zuckerförderungsgesetzes
bin ich auf einige interessante phänomens gestossen. Anwesend waren
die Interessensvertretungen und die Zuckerindustrie – Präs. Habig
und Dr. Hiller – aber selbst LWM Weihs und Sekt. Pultar sind zur
Sitzung gekommen. Min.Rat Hauffe hat mir Dr. Benda gesagt, ist erkrankt
und konnte deshalb an der BEsprechung nicht teilnehmen. Nach zweistündige
Debatte, die sich insbesondere zwischen dem Finanzministerium Dr. Lenz
und Dr. Kratschmeier und der Zuckerindustrie abspielte, wir uns aber
nicht einigen konnten, unterbrach ich die Sitzung, damit noch einmal
genaue Berechnungen erstellt werden können. Das Finanzministerium,
die Arbeiterkammer und der Gewerkschaftsbund lehnen die Einbeziehung der
Sachpauschalsätze entschieden ab. Das Landwirtschaftsministerium, HK und
Präsidentenkonferenz sowie Zuckerindustrie sind dafür Vielleicht gibt
es eine Kompromisslösung – Kratschmeier wird mit den Interessensver-
tretungen noch einmal Berechnungen anstellen, die dann in meinem Haus,
da wir ja die Federführung haben, vielleicht finalisieren können.
INteressant war, dass an der Sitzung Dr. Schwarz nicht teilnahm. Er
hat als Legist seinerzeit die entsprechenden Vorarbeiten geleistet.
Der materielle Vorschlag, nämlich den Sachpauschalsatz einzubeziehen,
geht auf eine Vereinbarung der Parteien zurück, an der sich damals
durch Abwesenheit nicht anwesend war. Dr. Lachs vom ÖGB sagt, das


14-0128
hätte das Finanzministerium dmals ohne Interessensvertretungen der
Arbeitnehmer zu fragen, ganz einfach mit der ÖVP-Seite, die durch
die Handelskammer verstärkt war, vereinbart und nun soll das Finanz-
ministerium dies allein ausbaden. Ich halte davon nicht allzu viel und
habe Dkfm. Blaha von der Arbeiterkammer ersucht, mitzuwirken. Schwarz
selbst ist als Legist von Min.Rat Hauffe ausgeschaltet worden. Schwarz
wurde auch nicht von der Sitzung verständigt und ich habe ihn nur
dann selbst dazu gerufen. Zum Schluss entdeckte ich durch einen reinen
Zufall, weil die Arbeiterkammer eine Liste wollte, dass wir über dieses
Zuckerförderung auch die pharmazeutische Industrie subventionieren.
U.a. soll La Roche 4 t Zucker, Ciba ebenfalls 4 t Zucker subventioniert
bekommen. Ich habe mich sofort dagegen ausgesprochen, weil ich verhindern
will, dass wegen eines so unbedeutenden Betrages, es macht derzeit ca.
1.500 S pro Jahr aus, ein administrativer Apparat aufgebaut werden muss.
Hauffe selbst möchtedies natürlich sehr gerne, weil er dadurch mehrere
Dienstreisen bekommt und er mir schon angeduetet hat, dass er eine
B-Kraft dann dringend braucht. Ich selbst habe der Handelskammer erklärt
wenn sie auf einer solche Subventionierung der grossen BEtriebe mit so
unbedeutenden MEngen geharrt, dass sie selbst die KOntrolle und ABwicklun
durchführen müsste. Dies lehnt natürlich die Handelskammer und ganz beson-
ders die Zuckerindustrie auf das entschiedenste ab. Schwarz steht auf dem
STandpunkt, hier könnte man mit der Amtshilfe die KOntrollaufgaben
Bezirksbehörden übertragen. Ich habe ihm sofort meine Unterlagen, die
im Handakt für mich vorgesehen gewesen wären, gegeben und erklärt, ich
erwarte von ihm einen vernünftigen Lösungsvorschlag. WEnn Hauffe dies
erfahren wird, wird er sic h zumindestens ärgen, dass er an der Sitzung
mit teilgenommen hat. In der HOffnung, dass er dann vielleicht das
Ärgste hätte verhindern können.

Wir liegen im Handelsministerium, was dkewirtschaftliche BEdeutung be-
trifft, sehr daneben. Während ich mich mit der Zuckerindustrie herunm-
streite, ob man für so riesige pharmazeutische BEtriebe überhaupt eine
Subvention geben soll in der GRössenordnung von 1.500 S pro JAhr,
wird die österr. oder besser gesagt die europäische Währungssituation
durch Milliarden Dollarbeträge, die von einem Staat in den anderen
hinüberwandern, erschüttert. Ich bin überzeugt, dass auch die Nationalbank
und das Finanzministerium nichts besonderes unternehmen, weil ja angeb-
lich alles bereits durch entsprechende Beschlüsse abgesichert ist
Die ÖNB kann heute gewisse Devisenbeschränkungen verfügen, wie es die
BRD erst jetzt schafft. Trotzdem entsteht der Eindruck und der zurecht,


14-0129
dass natürlich an den Schalthebeln in dem Fall doe OeNB und das Finanz-
ministerium sitzt. MEhr denn je komme ich zur Überzeugung, dass in Wirk-
lichkeit eine Trennnung der Agenden des Finanzministeriums wie wir sie
seinerzeit im Wirtschaftsprogramm angedeutet und im Kautsky-Kreis des
öfteren ernsthaft diskutiert haben, nicht möglich und wahrscheinlich auch
gar nicht zweckmässig sit. Jedwege Koordination zwischen einem Budget-
ministerium und einem Schatzminister oder gar vielleicht noch mit
einem Wirtschaftsminister kann nur zu Reibereien führen und macht das
System nur unbeweglicher. Wenn die heutige Kompetenzverteilung und unser
ganzes Regierungssystem darauf aufgebaut ist, dass jeder Minister unter
seiner Ministerverantwortung tun und lassen kann, was er eigentlich
will und der Bundeskanzler nur ein gleichberechtigter Minister ist,
dann galube ich, kann das System nie funktionieren. Die einzige Ausnahme
ist nur darin zu sehen, dass eben der Bundeskanzler so wie Kreisky
eine so starke Führung der wichtigsten Agenden hat, er beherrscht ja
zweifelsohne nicht nur das Bundeskanzleramt sondern auch der Finanz-
ministerium und natürlich auch in wichtigen Entscheidungen alle anderen
Minister, sodass dies die einzige Möglichkeit ist, daß das System überhaupt
arbeitet. Ein schwacher Bundeskanzler oder gar zerstrittene Minister
muss nach aussen hin meiner Meinung nach zu einer Katastrophe führen
Jeder Finanzminister wird dahernach kürzester Zeit selbstverständlich
trachten, dass alle Agenden, di-e er jetzt hat, auch in einem Ministerium
vereint bleiben.

Dr. Otto, österr. Botschafter in Jugoslawien, hat nun aufgeklärt, wieso
es in Belgrad zu einer solchen Verstimmung wegen meiner Reise gekommen
ist. Der jug. Aussenhandelsminister hat mich eingeladen, ich habe zugesagt
dass ich komme, habe nur zu erkennnen gegebne, dass ich selbstverständlich
bei dieser Gelegenheit gleich das Fremdenverkehrsabkommen zwischen Jugo-
slawien und Österreich unterfertigen möchte. Dies hatte ich seinerzeit
mit Dr. Snuderl, der ebenfalls im Minsterrang beim Bijedic arbeiet
vereinbart. Da Snuderl aber kein Ressort hat, er ist angeblich für
Fremdenverkehr und für die Beziehungen zu den Weststaaten, insbesondere
EWG und EFTA, zugeständig, der Aussenhandelsminister dagegen sehr wohl
ein Ressort besitzt, so ist nach Mitteilung Botschafter Otto der
Aussenhandelsministerrang höher. Als der nun über den jug. Botschafter
in Österreich erfahren hat, dass ich erklärt hätte, ich komme sowieso
zu Snuderl und würde dann eben ihm auch einen BEsuch abstatten, war er
natürlich riesig verargert. Ich habe eine solche dezidierte Erklärung
zwar nie abgegeben, sondern eben nur gehofft und gemeint, man könnte


14-0130
eben doch beide Aktionen koppeln. Von wem ich eingeladen bin und
wer dort im Protokollrang höher ist, interessiert mich überhaupt
nicht. Der jug. Aussenhandelsminister möhcte mit mir insbesondere
das jug. Handelspassivum besprechen. Ich kann mir nicht gut vor-
stellen, wie wir dies abstellen. Die Jugoslawen können theoretisch
alle Waren nach Österreich bringen und haben sogar mit 30 %-iger
Zollpräferenz denselben Status wie die Entwicklungsländer. Trotzdem
gelingt es den Jugoslawen nicht, die entsprechenden Exporte nach
Österreich zu tätigen. Otto wird jetzt bei seiner Rückkehr nach Jug.
versuchen, die beiden Einladungen so zu koppeln, dass ich alles erledige
kann. Gleichzeitig habe ich ihm mitgeteilt, dass auch ich nach Tirana
Albanien fahren müsste. Otto ist akkreditiert auch in Tirana udn war
sehr erstaunt, erst von mir über diese REiseabsichten zu hören. Im
Haus hat man scheinbar, Dr. Fälbl ist dafür zurständig, den Bot-
schafter Otto überhaupt nicht verständigt. Ich glaube, dass hier wirk-
lich organisatorische Fehler in unserem Hause geschehen. An und für
sich lege ich keinen grossenWErt darauf, von österr. Botschaftern im
Ausland betreut zu werden. Als Minister aber kommt man glaube ich
doch nicht umhin , zumindestens die österr. Botschaft zu verständigen.
Diesbezügliche ANregungen wurden von uns schon gemacht und scheinbar
nicht eingehalten.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte endgültig Vorkehrung treffen, damit
nicht wieder durch Nichtinformation eines
Botschafters eine solche peinliche Situation
entstehen kann.

14_0125_01

Tagesprogramm, 2.2.1973


Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: MR FM


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Beamter HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: AK


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: jug. MP 1971-77


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: MR HM
            GND ID: 133521052


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
              GND ID: 130620351


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                GND ID: 102318379X


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: LUGA-Zentralsekretär


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Jurist Abt. Agrarfragen HM


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Beamter HM, u.a. zuständig f. Protokollfragen


                        Einträge mit Erwähnung:


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: stv. Obmann Verband d. Zuckerindustrie Österreichs


                            Einträge mit Erwähnung:


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Bundeskanzler
                                GND ID: 118566512


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Präs. Verb. d. öst. Zuckerindustrie


                                  Einträge mit Erwähnung:


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Sekt.R HM


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                                        Einträge mit Erwähnung:


                                          Einträge mit Erwähnung: