Samstag, 31. März 1973
In Graz war für den Vormittags leider nur eine Bauerndiskussion
vorgesehen. Ich habe deshalb in der Früh sofort unseren Landes-
sekretär Dragositsch angerufen, der natürlich noch bestens ge-
schlafen hat und wir haben zwei Bäckereien in Graz besichtigt.
Hier kam es mir weniger darauf an, dass ich Bäckereien kennenlerne,
eine zweite kleine, 20 km von Graz entfernt war deshalb sehr interes-
sant, weil sie ein Kleinbetrieb war, der ein 10 Mill.-Projekt jetzt
inAngriff nimmt. Die ganze Familie , Vater, Mutter, drei Söhne ,
arbeiten fleissig mit uns dieser Betrieb exportiert sogar Brot nach
Schweden. Die Luftfracht beträgt 11 S pro kg und trotzdem kann er
dieses Brot in Schweden oben verkaufen. Überall bei den Betriebsbe-
sichtigungen konnte ich feststellen, dass die Arbeitnehmer, d.h.
die Bäcker ganz besonders die Fünftage-Woche wünschen. Bei VErsamm-
lungen waren aber auch Bäckermeister anwesend, die nachher nur mich
fragte, ob ich nicht durch Gesetz die 5-Tage-Woche automatisch
verordnen könnte. Ich erklärte ausdrücklich, dass solange die
Kaufleute Samstag offenhaben, es keine Möglichkeit gibt, eine
solche Verordnung mit Hilfe des Ladenschlussgesetzes zu erlassen
und eine gesetzliche Novelle in dieser Hinsicht nicht erwartet
werden kann.
Bei der Bauerndemonstration und Diskussion in der Partei ging es
primär um eine Mitteilung der Neuen Zeit, dass die Marktordnungen
auslaufen sollen. Hier zeigte sich, wie nervös die Bauernvertreter
sind, dass dieses Instrument für sie verlorengehen könnte. Sie
stürzen sihc jetzt primär auf die Argumentation, dass die Markt-
ordnung auch im INteresse der Konsumenten geschaffen wurde. Da
hatte ich leichtes Spiel, weil ich erklärte, die Konsumentenver-
treter, ÖGB und AK, würden kein INteresse mehr an einer Markt-
ordnung haben, wenn sie so einseitig wie z.B. voriges Jahr im
Sommer, wo man sich gegen Einfuhr von Fleisch wehrte, ausgelegt
wird. Ich habe insbesondere darauf hingewiesen, dass nicht einmal
Weisungen der zuständigen Minister von Seite der Viehfondsführung
sofort durchgeführt wurden. Das Radio hat die oft sehr lebhafte
Diskussion aufgenommen und Ziesel vom Grazer Studio hat, wie
ich selbst dann auf der Fahrt nach Judenburg hören konnte, sher
objektiv, ja ich glaube sogar zu meinen Gunsten informiert.
Die BEgrüssungsrede von Kastner und Öhler musste ich ganz am Anfang
halten, da ich sonst unmöglich über das Gaberl zeitgerecht nach Juden-
burg kommen konnte. Als Aufhänger hatte ich gleich die günstige Be-
merkung, dass meine Zeiteinteilung scheinbar ein Nicht-Steirer gemacht
hat. Ausserdem konnte ich dne Wiener Schmäh rennen lassen. Scherbaum
war auch noch anwesend, hatte aber nicht einmal eine Mitteilung be-
kommen, ob er das Wort ergreifen sollte. Da er dann sehr nachdrücklich
fragte, ob dies gewünscht ist, hat man selbstverständlich dann erklärt
naja man hat angenommen, dass erst der Minister, dann der Landes-
hauptmann und von der Handelskammer und dann auch er einige Worte
sagt. Die Steirer stellen sich schon ein, dass er nicht mehr Bürger-
meister sein wird. Schrecklich, wenn man eine solche Wahl verliert
und dann selbst, wenn man abtreten will, erst die entsprechenden Ver-
handlungen wirklich durchführen muss, um vielleicht doch noch zu
retten, was noch zu retten ist. Hier glaube ich allerdings, dass kaum
mehr eine Chance besteht.
In Fohnsdorf, wo erwartet wurde, dass kommunistische Vertreter mich
wegen der Bergbaupolitik hart attackieren werdne, haben eigentlich
nur unsere Betriebsräte und der Bürgermeister das Wort ergriffen. Ich
habe dort denselben STandpunkt vertreten, den ich vor Jahren, als
ich bei einer KOnferenz und bei der 1.-Mai-Feier in Fohnsdorf war,
schon abgegeben hatte: die Bundesregierung und ich selbst werden
alles daran setzen, um zusätzliche Arbeitsplätze in das Gebiet zu
bringen. Natürlich ist es für die GEmeinde Fohnsdorf eine unglück-
liche Lösung, wenn die Ersatzbetriebe in anderen Gemeinden errichten
werden. Darauf aber habe ich und die Bundesregierung keinen Einfluss.
Eine BElastung des E-Preises durch ERhöhung von einem sogenannten
Krisengroschen, ähnlich dem der Milch, wie die Betriebsräte meinte,
haben ich nicht zugestimmt. Ich verwies auf die Schwierigkeiten,
höhere Kohlenpreise von den E-Gesellschaften, sei es für die WTK von
der OKA sei es von der ÖDK für die GKB zu bekommen. In OÖ ist es
dann noch eine FRage überhaupt die Mengen zu erhöhen, damit ein
rentabler Kohlenbetrieb aufrechterhalten werden kann. Darüber hinaus
nützte ich natürlich die Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass
die Oberösterreicher von mir verlangen, ich sollte mehr Bergbauför-
derungsmittel nach Oberösterreich geben, und nicht die grössere und
bedeutendere Förderung in die Steiermark allein legen. Angeblich
hat dann ein Funktionär zu dem anderen gesagt, als wir von der Ver-
sammlung hinausgingen, dies sei die Grabesrede für Fohnsdorf gewesen.
Obwohl ich kein einziges Mal von der Schliessung des Betriebes ge-
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sprochen habe. Ich habe allerdings nicht eine Zusage gemacht,
dass unter allen Umständen der Betrieb erhalten werden muss. Der
Betriebsrat Rohr hat gleichzeitig darauf hinverwiesen, dass auch
in Grünbach die VÖEST, die zuerst das Bergwerk eingegliedert bekommen
hat, es letzten Endes stillegte. Er fürchtet, dass auch die neue
Stahlgesellschaft einen solchen Weg gehen wird. Dem habe ich
weder widersprochen noch zugestimmt, diese Behauptung also überhört.
ICh glaube nämlic- auch, dass die Stahlgesellschaft tatsächlich die
Schliessung konkret wird durchführen. OB dies allerdings noch vor
den nächsten Wahlen 1975 sein wird, bezweifle ich auch schön langsam,
da ein Stillegungsbeschluss zwei Jahre bis zur endgültigen Durchführun
braucht, würde dies genau in die steirischen Landtagswahlen, resp.
in die Nationalratswahlen fallen. Bei den jetzigen negativen TRend
wird daher Kreisky niemals eine solche Zustimmung der Stahl AG geben.
Ohne die politische Rückdeckung werden die aber kaum einen solchen
BEschluss fassen.
Auf der Fahrt nach Schärding hatte ich Gelegenheit ,mit Ebner von
Graz über die Tätigkeit, die er bei dne Unternehmer-Befragung im
oö. Grenzraum gemacht hat, mich zu informieren. Ebner macht noch
einen Fehler, er versucht nur, die Lage besser zu schildern, als
sie dann tatsächlich war. Schon bei einem Essen in Schärding, das
Kreisky für die wichtigsten Unternehmervertreter gegeben hat, zu
dem ich zwar zu spät kam, aber doch dann noch einen Teil mitbekam,
haben sie sehr massive Forderungen an Androsch gerichtet. Ich selbst
bin verhältnismässig gut weggekommen, weil ich gleich darauf hinge-
wiesen habe, morgen werden wir Gelegenheit haben, über die Probmeme
eingehend zu diskutieren.