Donnerstag 5. April 1973
Ursprünglich sollte dieser Tag und sogar noch der Freitag für das
Parlament reserviert sein. Als man die Termine fixierte hat man ange-
nommen, dass mit Ende der Herbstsession viele Gesetze zur Beratung und Be-
schlussfassung anstehen. Tatsächlich ist nun ein ganzer Berg von Gesetzen
in Unterausschüssen und werden beraten. Die ÖVP-Taktik geht glaube ich
jetzt auf. Durch ungeheure diffiziele Behandlung der Gesetze, ja vielfach
sogar Obstruktion durch immer wieder neue Informationen resp. Ergänzungs-
fragen und so weiter wird vorgetäuscht, dass man die Gesetze sehr gründ-
lich beraten will und in Wirklichkeit will man sie wahrscheinlich nur schie-
ben und deren Beschlussfassung so weit wie möglich auf einen späteren Zeit-
punkt erreichen. Jetzt zeigt sich, dass Gratz recht gehabt hat, als er vor
etlichen Monaten verlangte, dass man die Gesetze nicht ohne Terminisie-
rung in Behandlung nehmen sollte. In meinem konkreten Fall hätte man
bei Einbringung in den Nationalrat die entsprechende Terminisierung für
die Gewerbeordnung z.B. die Frühjahrssession oder die Herbstsession dieses
Jahres festlegen müssen. Wenn bis zu diesem Zeitpunkt das Gesetz nicht
im Unterausschuss fertig ist, hätte es müssen automatisch an den Handels-
ausschuss zurückkommen. Natürlich ist die Opposition, wenn es in so
einem Fall gelungen ist einen Zeitplan einzuhalten, sehr verstimmt und
hätte wahrscheinlich alle anderen Möglichkeiten genützt, um ein einver-
nehmliches Zustandekommen eines Gesetzes in dem Fall der Gewerbeordnung
zu verhindern. Scheinbar ist es in dieser Session nicht nur mir sondern
vielen anderen um nicht zu sagen allen so gegangen und deshalb war die
vorgesehene Reserve der Tage zur Beschlussfassung von Gesetzen vollkom-
men sinnlos und unnötig. Dies konnte man aber Anfangs nicht wissen. Ausser-
dem ergibt sich und zeigt sich für mich wieder einmal der Fall, dass wenn
man die Taktik ändert und Gratz hat vor längere Zeit schon vorgeschlagen,
man soll Terminisierung der Gesetzwerdung beschliessen, dann hätte man
müssen, dies konsequent durchziehen.
Pol.Präsident Reidinger, der von der Staatspolizei herkommt, wird uns
auf der Landstrasse helfen, die Auswüchse der Gastarbeiter – wie haben in
einzelnen Vierteln richtige Jugoslawen-Ghettos bereits – die sicherlich
in den seltensten Fällen gemeldet sind, zu überprüfen. Wenn sich nämlich
die Zustände in Erdberg nicht verbessern, dann wird die Bevölkerung
eine ausgesprochene Anti-Gastarbeiter-Kampagne wünschen, statt dass wir
versuchen die Gastarbeiter zu assimilieren, wird es durch Ghetto-Bildung
und Fremdenhass zur gegenteiligen Entwicklung kommen.
Leherb und Dr. Zolles kamen mit dem Architekten, der den Tanzwaggon,
den die ÖBB zur Verfügung stellen, um die Plakate in Deutschland zu
präsentieren, herzustellen. Leherb ist erschüttert, dass in Brüssel
der Zweigstellenleiter der ÖFVW gegen die Ausstellung resp. die Prä-
sentation seiner Plakate gearbeitet hat. Dies ist zumindestens seine Auf-
fassung. Zolles wird dem Fall nachgehen und prüfen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Du behauptest immer, dass uns diese ganze Reprä-
sentation der Plakate nichts kostet. Bitte prüfe,
ob das tatsächlich der Fall ist. Ich kann mir dies
nicht vorstellen.
Vorstandsdirektor Grill und sein Kollege, ein Linzer Finanzmann, den
ich durch Holoubek aus der Wohnbaufrage kenne und der jetzt auch im
Vorstand der Stadtbetriebe Linz ist – Zeitelhofer – kamen wegen der
Gasversorgung in Linz. Die oberöstereichische Ferngas hat jetzt mit
ihnen endlich einen Vertrag auf 30-80 Mill. m3 abgeschlossen zu einem
Preis von ca. 60 Groschen. Die OÖ. Ferngas wurde so wie andere Landes-
gesellschaften von den Industriellen errichtet. Der Vorsitzendes des
Aufsichtsrates ist der Leder-Kommerzialrat Pöschl, Geschäftsführer
Dr. Amon, der gleichzeitig Leiter der Industriesektion in der Handels-
kammer ist. Mit dieser Gründung wollten sich die Unternehmer ähnlich wie
in Kärnten und Vorarlberg, die Stadtbetriebe Linz, die Hafenanlagen,
Kanal, Wasser- Bäder usw. betreiben, möchten nun in stärkerem Masse in
die Gasversorgung einsteigen. Interessant wollte sie von mir weder
aber eine Unterstützung noch sonst etwas sondern nur bei der Erstellung
der Energiekonzeption arbeiten.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte Min.Rat Frank verständigen, damit er sich
mit ihnen in Verbindung setzt.
Unerklärlich ist mir, dass es daneben noch die ESG, Vorstandsdirektor
Zeitlinger, gibt, die sich in Linz mit der Stromversorgung, der Strassen-
bahn und der Fernwärme befasst. Das kann man sicher nur aus der Geschichte
der Stadtwerke verstehen, dass es zwei Gesellschaften gibt, die sich wahr-
scheinlich sogar im Einzelfall konkurrenzieren, statt dass sie zusammen-
arbeiten.
Der Direktor der Firma König und Bauer und der Betriebsratsobmann wollten
angeblich wegen der Schillingfakturierung sind aber in Wirklichkeit wegen
Auszeichnung ihrer Mitarbeiter gekommen. König & Bauer feiert im Herbst
die 125-Jahrfeier und möchte bei dieser Gelegenheit einen Ordensegen.
Min.Rat Ottahal hat ihnen sofort zugesichert, dass er das Möglichste
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machen wird, wenn sie nur zeitgerecht einreichen. Die Firma exportiert
ca. für 80 Mill. S davon 38 % in die Sowjetunion. Die SU beharrt
nach wie vor trotz des Abkommens mit uns, die Schillingfakturierung
zu akzeptieren auf Dollar oder Pfundverrechnung. Die Firma König
& Bauer hat sich zwar durch Versicherung gegen Währungsverluste abgedeckt
wird aber dadurch kostenmässig teurer und das Risiko ist noch immer zu
gross. Nur grosse Firmen können, wenn sie Dollar-Lieferungen eingehen,
gleichzeitig Dollar-Verpflichtungen aufnehmen, einen entsprechenden
Ausgleich finden, ja sogar im Einzelfall dabei profitieren. Für mittlere
Betriebe ist dies unmöglich und der Direktor befürchtet, dass er
Exportaufträge verliert. Angeblich wäre es ihm möglich, aus der SU
1000 t Giessereieisen zu beziehen, doch ist dieses Gegengeschäft nicht
möglich.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte prüfen lassen, wieso eine solche Gegen-
lieferungen nicht möglich ist.
Bei einem Institutsessen mit Kienzl und Rieger unterhielten wir
uns über die weitere Stabilisierungsmöglichkeit. Die OeNB wird Kredit-
restriktionen auf alle Fälle aufrechterhalten. Ein Hauptproblem
ist aber derzeit, wie die ca. 8 Mia Investitionen, die durch Anleihen
gedeckt werden sollen, auf dem Kapitalmarkt untergebracht werden können
Die bisherigen Anleihen sind grösstenteils bei den Banken verblieben,
sodass die ÖNB bekanntlich 1 Mia jetzt in Kost nehmen müsste. Durch
die Neueinführung des günstigen Prämiensparens wurde der Kapital-
markt weitestgehend ausgetrocknet. Wir sprachen auch über die gestrige
Diskussion in der Paritätischen Kommission insbesondere über die zukünftige
Lohnpolitik. Kienzl befürchtet, dass die Forderungen der Gewerkschaften
an die 20 % betragen werden, ich selbst glaube nicht, dass die Gewerk-
schaften einen solchen Prozentsatz auch durchsetzen können. Selbst
dann, wenn ihr letzter Kollektivvertrag oft fast bis 1 1/2 Jahre
zurückliegt. Die Tragik liegt darin, dass durch die hohe Preisstei-
gerungsrate und durch das verhältnismässig gute reale Wirtschaftswachstum
konjunkturmässig natürlich eine überproportionale Lohnforderung gestellt
und durchgesetzt werden müsste. Andererseits bedeutet dies sofort einen
neuerlichen bedeutenden Kostenauftrieb und damit im Zusammenhang eine
Preissteigerungsrate, die einen circulus vitiosum auslöst. Meine Haupt-
sorge geht daher dahin, dass es zwar vielleicht den Gewerkschaften ge-
lingen wird eine vernünftige Lohnpolitik zu betreiben, dann aber gerade
in dem Wahljahr sich herausstellen wird, dass die Unternehmer nicht
nur ungeheure Gewinne haben sondern auch der Gewinnanteil der Unter-
nehmer sich unter soz. Regierung das erste Mal wesentlich vergrössert
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haben wird. Der ÖGB betreibt eigentlich mit seiner jetzigen Methode
seit Jahrzehnten eine antizyklische Lohnpolitik. Fast würde ich sagen
als einziger im ganzen Konjunkturspiegel. Kienzl wird versuchen, ob es
möglich ist, einen kleineren wirtschaftlichen jour fixe mit Gewerkschafts-
präsidium einzurichten. Eine solche Aussprache erscheint ihm äusserst
dringend. Mir übrigens auch.
Die Vorstandssitzung der Lebensmittelarbeiter verlief wie üblich. Die
Ruhe macht mir schön langsam Sorgen und beängstigt mich sehr. Gerade
die Fleischer haben, da derzeit auf dem Märkten die Markthelfer und
Lohnschlächter unterbeschäftigt sind-, gefragt, wie sie sich in Hinkunft
zu Bestrebungen, aus diesen Branchen abzuwandern, stellen sollten. Ich
hatte ihnen vor Jahrzehnten schon erklärt, dass ich keine Möglichkeit
sehe, dass sowohl die Markthelfer, die lizenzierte Arbeiter der Gemeinde
Wien sind, als auch die Lohnschlächter, die eine eigene Genossenschaft
bildeten, Chancen haben, auf den Wiener Märkten in dem grossen Umfang
wie das in der ersten Republik aber auch noch in der zweiten Republik
der Fall war, existieren zu können. Die einzelnen Firmen nehmen sich
ihre eigenen Markthelfer und die Lohnschlächter bekommen immer weniger
Arbeit. Da die Fleischhauer auch selbst schlachten. Ich habe deshalb
beiden Gruppen sowie insbesondere auch den Gemüsemarkt-Helfern empfohlen,
sich um andere Beschäftigungen umzusehen. Solange die Konjunktur anhält,
können sie leicht bei der Gemeinde oder bei privaten Firmen unterkommen.
Natürlich verlieren sie dadurch ihre günstigen Arbeitsbedingungen. Diese
bestehen primär darin, dass sie keine geregelte Arbeitszeit und damit
keine übermässige Arbeitsdauer haben. Sie haben als fast Akkord-Arbeiter
in verhältnismässig kurzer Arbeitszeit früher gut verdient. Dies ist
natürlich auf den neuen Märkten in Inzersdorf und St. Marx nicht zu
erreichen.
Die Brauunternehmer hatten unseren Betriebsräten erklärt, dass wenn sie
ein Ansuchen der Gewerkschaft an die Paritätische Kommission wegen
Freigabe der Lohnverhandlungen erhalten, dann mit sich reden lassen.
In Wirklichkeit hat sich jetzt herausgestellt, dass obwohl wir diesen
Brief wegen Freigabe bereits geschrieben haben, sie natürlich erst dann
bereit sind, mit uns zu verhandeln, bis die Paritätische Kommission
die Fühlungnahme freigegeben hat. Da wir die neue Lohnbewegung erst
mit 1.6. abschliessen wollen, haben wir noch einige Wochen Zeit.
Präs. Ebert und Herr Schreiben, sein Kompagnon, haben in Burgenland
eine zweite Schuhfabrik errichtet. Sie haben nun mit Semperit vereinbart,
dass sie deren Schuhproduktionsmaschinen übernehmen. Semperit möchte
die die Hush Puppies eine ausgesprochene Defizitproduktion aufgeben.
Nach Auffassung von Ebert war primär für die Verlustproduktion das
reiche Sortiment und die vielen Typen resp. Modelle schuld. Semperit
wird sich nun an der neuen Schuhfabrik beteiligen. Der BRO LAbg.
Kaiser ist natürlich schwer dagegen. Ich habe mich nur verpflichtet,
mit ihm über dieses Problem zu sprechen. Viel. Hoffnung, dass er auf meine
Intervention dann seinen Widerstand aufgibt, habe ich nicht. Ich wollte
aber Ebert ganz besonders der mit uns Kooperiert, nicht allzu gross
enttäuschen.
In der Fraktion des AK-Vorstandes habe ich wegen der kaufmännischen Prü-
fungsordnung nämlich der Taxen und der Entschädigung versucht, eine
Entscheidung herbeizuführen. Weissenberg aber auch Hrdlitschka haben die
Details nicht gekannt, von der Jugendabteilung war niemand mehr anwesend
und so sind wir übereingekommen, das wir zu einem späteren Zeitpunkt
über dieses Problem neuerdings diskutieren. ALS zweiten wichtigen Punkt
habe ich ihnen auseinandergesetzt, dass ich drei Arbeitsgruppen, näm-
lich für Energie, Fremdenverkehr und für Preispolitik auf Grund der
ökonomischen Versammlung errichten werde. Insbesondere in der Preispolitik
habe ich empfohlen, man sollte zuerst versuchen, die Handelskammer für
einen Vorschlag, den sie selbst macht, zu gewinnen, damit sie festgelegt
ist. Zöllner dagegen vertritt die Meinung, dass Verhandeln zu einem
auch für die AK akzeptablen Lösung zu kommen. Er meint, wir würden einen
sehr unzulänglich Entwurf bekommen und kaum damit etwas anfangen können.
Dass Rösch z.B. im Vorjahr versucht hat und dann selbstverständlich
gescheitert ist, die Regierung und die soz. Partei aber keinesfalls
dann erklärt hat, dann lassen wir die gesamte Preisregelung auslaufen,
macht auf ihn keinen Eindruck. Er meint, dass seinerzeit die Verhandlungen
über das Aussenhandelsgesetz die er geführt hat, hat die Handelskammer
auch nicht geglaubt, dass wir dies auslaufen würde und letzten Endes hat
auch Sekt.Chef Augenthaler nachgegeben. Allerdings hat damals eine Zeit
lang das Handelsministerium mit dem Rohstofflenkungsgesetz gearbeitet,
bis der Verwaltungsgerichtshof diese ungesetzliche Praxis aufgehoben
hat. Hrdlitschka selbst hat ganz besonders festgestellt, dass die
Arbeiterkammer nicht beriet ist, denn er schlägt den ich eventuelle
als Handelsminister mache zu akzeptieren, wenn nicht alle Wünsche der
Arbeiterkammer berücksichtigt werden. Wie ich aus dieser Situation
herauskomme, weiss ich noch nicht. Auf alle Fälle war nicht genügend
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Zeit, um dieses Problem ernstlich auszudiskutieren und Hrdlitschka
hat vorgeschlagen, wir sollten dies zu einem späteren Zeitpunkt
tun.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Ich glaube, es wird zweckmässig sein, wenn Du
dann versuchst, im Laufe der nächsten Wochen, mit
unseren Freunden im ÖGB und AK eine entsprechend
Konzeption festzulegen, was sie wirklich wollen.
Direktor Stockinger von der Sparkasse Salzburg, der gleichzeitig
Landtagsabgeordneter ist, ein guter Freund von mir, hat versucht
ein Wirtschaftskonzept für Salzburg zu erarbeiten. Bei dieser Gelegen-
heit musste er feststellen, dass ähnlich wie in Wien und wahrscheinlich
in ganz Österreich sich zuerst einige Spitzenfunktionäre bereiterklären
mitzutun, letzten Endes aber dann alle die Arbeit einem oder zwei
Leuten überlassen. Da sie nicht mitarbeiten, sind sie daran nicht
besonders engagiert und damit auch nicht bereit, dann sich für diese
Arbeit zu exponieren. Das wichtigste ist. nämlich es dann in der
Öffentlichkeit nicht zu vertreten sondern auch zu propagieren und
durch entsprechenden .. Dies glaube ich ist Kreisky mit den
Wirtschaftprogrammen, Gesundheitsprogrammen usw. tatsächlich geglückt.
Damals hat er Dutzende von Fachleuten an einen Tisch gebracht, sie
waren daran engagiert und auch bereit, sich dann dafür einzusetzen.
Zumindestens für die Propagierung dieser Konzepte, Jetzt bei der
Durchführung allerdings werden sie wieder nicht herangezogen, sind
daher frustriert und dies ist mit einer der Gründe, warum es so
lethargisch auf diesem Sektor vorwärtsgeht. Ohne Mobilisierung
von Spitzenfunktionären und von Experten, die etwas zu sagen und die
als opinion leader eine Einfluss haben, kann und muss unsere Propa-
ganda steckenbleiben. Wenn aber diese Leute nicht mehr tatkräftig
mitarbeiten, dann muss es zu dem Zustand kommen, wie er jetzt in der
Partei herrscht. Ein paar Spitzenpolitiker, meistens Regierungs-
mitglieder können sich zerreissen und die anderen laschieren.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte deshalb unter aller Umständen die drei
Arbeitsgruppen zum ehestmöglichen Termin nach
Ostern einzuberufen.
Tagesprogramm, 5.4.1973