Samstag, 26. Mai 1973
Die Fortsetzung des Gewerkschaftstages hat mit dem Bericht der Man-
datsprüfungskommission und der Wahlkommission seinen Höhepunkt und
seinen Abschluss gefunden. Alle Anträge wurden einstimmig angenommen,
mit einer einzigen Ausnahme: Eine Ortsgruppe hat verlangt, man sollte
Jubiläumsgelder mit ein resp. zwei Monaten bei 25 und 40-järhriger
Zugehörigkeit festlegen. Gegen die Monatsbezüge wendete sich aber dann
Deutsch, der aufzeigte, dass durch dieses System die Angestellten, da
sie höhere Monatsbezüge haben insbesondere die leitenden Angestellten
einen wesentlich höheren Schillingbetrag bekommen als die Arbeiter.
Da der Antrag dem Zentralvorstand zugewiesen wurde, hatte ich ange-
nommen, dass doch auch der einstimmig angenommen wird. Interessant
hat sich dann aber eine kleine Gruppe von 5 Personen dagegen ausge-
sprochen. Alles andere ging glatt über die Bühne, auch die Wahl.
Es gibt heute bereits nicht innerhalb des Gewerkschaftsbundes und
vielleicht auch gar nicht innerhalb der Betriebsräte sondern meistens
ausserhalb die Behauptung, dass sie ein undemokratisches System haben.
Es wird nur ein Kandidat meistens vorgeschlagen, es kommt zu keiner
Kampfabstimmung und es wird vor allem nicht geheim gewählt. Darüber
hinaus gibt es eigentlich keine Urwahlen sondern es leiten sich die
Betriebsräte das Recht ab, auch namens ihrer Belegschaft bie den
Gewerkschaftstagen ihre Stimmung und Meinung und Wahl so durchzu-
führen, wie sie es glauben ihrer Belegschaft gegenüber vertreten zu
können. Im Sinne der klasischen Demokratie mag dieses System undemokra-
tisch erscheinen. Im Sinne der zweckmässige Führung eines so grossen
Vereines, wie es der ÖGB ist, und wie seine 16 Gewerkschaften heute
gegliedert sind, halte ich es für das einzig Mögliche. Ich bezweifel
nämlich, ob die "Demokratisierung" welches in der Partei heute einge-
führt wurde, wirklich sehr zielführend ist. Abgesehen davon, dass auch
dort die Länder ein ungeheures Übergewicht gegenüber z.B. Wien besitzen
Vorarlberg, Tirol und einige andere Bundesländer haben oft nicht mehr
Mitglieder als bie einzelne Bezirke, so glauve ich auch ist das in
den Gewerkschaften übliche zentralistischere System zielführender.
Die Diskussion, soweit GEgenäszte zwischen den Bundesländern und Wien
auftreten zeigt immer wieder, dass man dies gar nicht will. Ein starkes
Ausspielen der Bundesländer gegen Wien oder umgekerht, würde aber die
Schlagkraft einer Organisation sehr schädigen. DArüber hinaus ist doch
mit diesem System mehr gewährleistet, dass ein Demagoge kaum die
Chance hatte, Stimmen für sich zu gewinnen oder gar zu organisieren,
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da letzten Endes verantwortliche Funktionäre in mittleren oder
höheren Positionen die Wahl resp. den Vorschlag zur Wahl, wenn
es um eine Ablöse geht oder selbst wenn es um eine Kampfwahl geht,
vornehmen. Ausserdem wird der Nachfolge meistens systematisch vorbe-
reitet und aufgebaut. Natülrich kann dies aucu danebengehen, wie der
FAll Olah zeigte. Trotzdem glaube ich sollte man an diesem Esystem
nichts ändern.
Die Wahlkreiskonferenz in Steyr, wo der zuständige Landesrat Reichl
und dann der LH-Stv. Fridl referierte, stand unter einem gewissen
Zeitdruck. Frühbauer und Weihs, die vormittags bei einer anderne
Wahlkreiskonferenz waren, sind einige Minuten vor mir gekommen.
Frühbauer hat für micheinspricngen wollen, wenn ich nicht zeitgerecht
vom Verbandstag weggekommen wäre. Trotzdem hat Reichl mich ersucht,
ich sollte mich kurz fassen und mir 20 Minuten gegeben, Frühbauer
hat soofrt ersucht, dass ich an seiner Stelle das Referat halten sollte.
Dem bin ich gerne nachgekommen, da ich in den 20 Minuten, wie Fridl mir
nachher sagte, soviel sagte, wozu Kreisky mindestens 3 Stunden brauchen
würde. In der Diskussion haben sich dann 15 Redner gemeldet. GRössten-
teils hat es sich aber darum gehandelt, dass örtliche Strassenbahn-
Eisenbahn-, Fremdenverkehrs-, Landwirtschaftsprobleme, Unterrichts-
Schulprobleme usw. zur Diskussion standen. Verständlich versuchen diese
Genossen bei Anwesenheit von drei Ministern ihre Wünsche zu deponieren.
Dies war auch bei den anderen Wahlkreiskonferenzen, wie mir Frühbauer
und Weihs versicherte, der Fall. Ich glaube überhaupt, dass in den
Ländern draussen viel sträekrer bei solchen Angelegenheiten die
lokalen Wünsche vorgetragen und man auch erwartet, dass sie erfüllt wer
den. Hier glaube ich haben die Bundesländer einen grossen Vorteil ge-
genüber Wien. In Wien würde kaum jemanden einfallen, dss wir unsere
Konferenzen in den Bezirken dazu benützen, um WÜsnche über Telefon-
anschluss und ich weiss nicht was noch alles, nur um ein Beispiel zu
nennen, an den Referenten herangetragen wird. Vielleicht kommt es
nicht zuletzt auch dadurch zu einer gewissen BEnachteiligung der Wiener
Organisation und der Bezirksinteressen.
Ich habe in meinem Schlusswort dann auch ersucht, die Auseinander-
setzung in Wien mit dem Sternwarteparkproblem noch herauszustreichen.
Mir kam es insbesondere darauf an, in den Bundesländern die Politische
Seite zu erklären. Ich habe auch dort gesagt, dass wir erkennen müssen,
dass die gemsanten Gegner maximalst vereint sind. Natürlich habe ich
bei den Konferenzen in der vergangenen Woche und auch nicht in Steyr
meine negative Einstellung zum Ausdruck gebracht. Am Abend war ich
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aber von dem Ergebnis überhaupt nicht überrascht, da ich es erwartet
hatte.
Tagesprogramm, 26.5.1973
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)