Montag, 20. August 1973
Die Journalistenrunde wird schön langsam eine reine Routinesache.
Wanke hat Gott sei Dank einige Themen vorbereitet und vorallem müssen
wir jetzt lange Zeitprogramme erstellen. Vielleicht liegt dies auch
an den einzelnen Delegierten der Zeitungen. Es kommt fast keine Dis-
kussion mehr zustande. Auch für die Teilnehmer der Zeitungen wird
es eine Routineangelegenheit. Damit besteht die große Gefahr, daß
früher oder später die ganze gute Idee,,die Koppe gehabt hat, wirkungs-
los wird.
Anmerkung für KOPPE
Wir müssen die Frühstücksrunde neuerdings, wie es jetzt mit dem
modernden Ausdruck heißt, motivieren. Wie weiß ich allerdings nicht.
Hoffentlich fällt Dir etwas ein.
Da im morgigen Ministerrat drei das Patentwesen betreffende Tages-
ordnungspunkte existieren, war es logisch, daß wir diese Patentfragen
ebenfalls in die Frühstücksrunde brachten. Wie formell bei uns alles
abgehandelt wird, zeigt der Bericht des Patentamtes. Immer wieder be-
klagt man sich bei mir, daß die Beschäftigten, d.h. die dortigen Be-
amten überbelastet sind und daß man dringender Neuaufnahmen bedarf.
Aus der beiliegenden Statistik, die sich wahrscheinlich bei dem Be-
richt aber niemals jemand angesehen hat, ist klar ersichtlich, daß
die Anmeldungen und Patente die erteilt werden sowie alle Aktivitäten
zurückgehen. Die Kurve hat seit drei Jahren einen deutlichen Knick
nachen unten gemacht. Der Beschäftigtenstand ist gleich geblieben.
Der Vorteil der Frühstücksrunde war, daß die Journalisten, wenn über-
haupt, so heute Fragen stellten und ich morgen dnach dem Ministerrat
daher von miemandenmehr wegen dieser Punkte Auskunft geben muß. Ich
werde aber trotzdem entgegen meiner sonstigen Gewohnheit längere Zeit
nach dem Ministerrat mich bei der dortigen Journalistenrunde aufhalten
und ich bin neugierig, ob mich wegen der Punkte jemand frägt.
Für den Hörfunk war insbesondere natürlich die Unfallstatistik unsererü
Straßenabteilung von Bedeutung. Was mich selbst auch überrascht hat ist,
daß selbst wenn man die 95 Toten der vorhergehenden Wochen dazuzählt
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man mit dem Jahresergebnis 1973 nur über 3 Tote gegenüber 1972 ibs
jetzt haben. Wenn man bedenkt, daß die Kfz. um 111.000 zugenommen
haben und gleichzeitig der Durchzugsverkehr durch Österreich von
den Fremden wesentlich zugenommen hat, so liegen wir eigentlich mit
dem Ergebnis gegenüber dem Vorjahr sehr günstig. Hehenberger hat viel
Material vorgelegt, interessanterweise aber waren nur von Puffler ein
Teil davon für die Journalisten kopiert werden. Ich habe dann veranlaßt,
daß wir selbstverständlich das gesamte Material den Journalisten ausge-
händigt haben. In Hinkunft wird es aber zweckmäßig sein, daß wir auch
aus diesen statistischen Material einen Waschzettel machen, damit die
Journalisten dann nicht selbst die Ziffern erst in der Frühstücksrunde
durcharbeiten müssen, oder gar vielleicht in den Redaktionen.
Anmerkung für WAIS
Bitte spätestens Montag früh dieses Material mit mir besprechen, damit
man ev. noch Ergänzungen vornehmen kann.
Für nächsten Woche, wenn die entsprechenden Fremdenverkehrsziffern für
Juli bereits vorliegen, und dies müßte der Fall sein, unbedingt Thema
Fremdenverkehr nötig. Swietly hat mir mitgeteilt, daß er darüber sehr
unglücklich ist, weil wir ihm unterlaufen, er möchte nämlich für Montag
Dienstag dann eine Fremdenverkehrsreportage in dem er in die Bundesländer
fährt, bringen, die wahrscheinlich Mittwoch ausgestrahlt wird. Ich habe
ihm empfohlen, dann müßte er eben Anfang der Woche bereits mit dieser
Reportage fertig sein und eben Samstag, Sonntag entsprechende Informatione
aus den Bundesländern einholen.
Pokorny von der Wochenpresse interessiert sich natürlich ganz besonders
für das Energiekonzept. Scheinbar will die Wochenpresse früher oder
später ein entsprechende Story bringen.
Anmerkung für WANKE und GEHART
Das Energiekonzept muß mit Anfang des Jahres soweit fertig sein, daß
wir es unbedingt den Beirat, den ich sofort einberufen werde vorgelegt
werden kann.
Pokorny hat mich nach der Sitzung gefragt, warum eigentlich MR Frank,
er hat ihn schon als SChef bezeichnet, ins Handelsministerium kommt, wo
er doch als Wissenschaftler eigentlich im Wissenschaftsministerium
richtig am Platz wäre. Pokorny hat vorher sich bei mir erkundigt ob
wir auch wissenschaftliche Untersuchungen insbesondere über neue Energie-
möglichkeiten im Ministerium durchführen würden, was ich allerdings ver-
neinte und darauf verwies, daß dies eigetnlich Aufgabe des Wissenschafts-
ministeriums und der Forschungsstätten sei.bzw. bei den Firmen betrieben
wird. Über eine solche Auslegung einer Tätigkeit war ich eigentlich ein
wenig überrashct und noch mehr, daß man deshalb in der Zeitung scheinbar
glaubt, daß Frank besser bei Firnberg am Platze wäre. Allerdings hat ihn
dann sofort beruhigt, als, ich ihm erklärte und Auer von der Wochenpresse
dies bestätigte, daß Frank von urbeginn an bereits nach dem er im Elek-
trizitätsministerium gewesen ist, dann im Handelsministerium gearbeitet
hat.
GenDir. Koller, den ich telefonisch über die Aussprache in Köflach infor-
mierte war sehr erstaunt als er von mir hörte, daß Kreisky bereits be-
schlossen hat, daß weder Döfflingberger noch Fohnsdorf geschlossen wird.
Kreisky hat seinerzeit nach Rücksprache mit Sebastian festgelegt, daß
eine Schließung vor dem nächsten Landtagswahlen. in dem Fall aber gleich-
zeit natürlich auch 1975 Nationalratswahlen nicht in Frage kommt. Koller
meinte erschüttert, da hätte man doch mit ihm vorher reden müssen. Er
müsse darauf drängen,daß ihm dann die finanziellen Mitteln zur Aufrecht-
erhaltung dieser Betriebe gegeben werden. Er hat riesige Investitionen
hat immer nur Versprechungen und bekommt keine Zuschüsse. Angeblich hätte
ihm Kreisky gesagt er könnte mit 2 Milliarden S rechnen und der Finanz-
minister weigert sich nun, diesen Betrag auch nur annähernd zur Verfügung
zu stellen. Ich beruhigte Koller insoferne, als ich erklärte, daß ich glau
glaube, daß aus der Bergbauförderung doch noch etliche Millionen der GKB
gegeben werden können. Ich habe ein diesbezügliches Ansuchen gerade vorher
an den Finanzminister für das zweite Budgetüberschreitungsgesetz unter-
schrieben. Ich binmselbst sehr gespannt, wieviel wir beim Finanzminister
für die Bergbaue herausreissen können. Die Betriebsräte haben unmißver-
ständlich bei der Aussprache am Freitag abends, die bis spät in die Nacht
dauerte darauf hingewiesen, daß man 100 Mio. für das F Defizit für die
Bundestheater hat, aber für den Bergbau nicnt die notwendigen Mittel be-
reitstellt. Koller hat zwar nicht dieselben Worte gebraucht, aber meinte
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dezidiert, er könne den Bergbau nur dann aufrecht erhalten, wenn
entsprechende Unterstützung von Seiten des Staates gewährt wird.
Die ORF-Diskussion mit jugendlichen Lehrlinge über ihre Probleme
war mehr als wie flau. Zwei vom Fernsehen eingesetzte Moderatoren
ich erfuhr daß sie Doktoren sind und niemals Lehrlinge oder auch nur
manuell gearbeitet haben, waren außerstande, die Diskussion zu leiten,
geschweige denn zu motivieren. Die anwesenden Jugendlichen, meistens
allerdings über das Lehralter und über die Lehrzeit hinaus, die ich
schon vorher festgestellt habe, aus Großbetrieben, meistens sogar
gewerkschaftlich organisiert und Mitglieder von Jugendorganisationen
hatten nur ein einziges Thema was sie besonders interessierte. Die
Angst des Lehrlings. Nach ihrer Auffassung wird für den Lehrling
viel zu wenig menschlich getan. Das Elternhaus drängt, daß er unter
allen Umständen die Lehre beendet, auch dann, wenn er in einem
schlechten Lehrverhältnis ist, wo er kaum entsprechende Ausbildung
genießt. In der Jugendsprache würde man sagen sie waren eingespritzt
auf dieses Thema und auf diese Motivierung. Die Bildregie hatte ange-
ordnet, daß wir alle in einem kleinen Kreis auf Bankerl saßen und es
war so heiß, daß meine Nachbarin nach kürzester Zeit so schlecht wurde,
daß sie zusammengebroch3n ist. Interessant war, im selbsen Moment als
sie die Filmrollen wechseln mußten, die Diskussion sofort lebhaft wurde
und auch eine natürlicheren Zug hatte, als wenn die Aufnahmen gemacht
wurden. Ich empfahl dem ORF er möge nächstens hergehen und
versteckte Kameras einbauen, wo man nicht sieht wieviel und wann ge-
filmt wird. Dann hätte sich sicher eine lebhaftere Diskussion ergeben.
Wie wenig geschreckt die Jugendlichen, zumindestens einige unter ihnen
sind, konnte ich anschließend an die Diskussion bei einem Zusammensein
im Speisesaal fststellen. Ich hatte mir vorgenommen den Betrieb der
Lenzinger, insbesondere die neue Acrylfaserproduktion zu besichtigen.
Dadurch verspätete ich mich, daß ich nicht wußte, daß die Jugendlichen
auf uns warteten, ca. 20,Minuten. Prompt wurde ich von einem 19 jähr.
angestenkert, ob ich eigentlich zu ihrer Diskussion gekommen bin oder
zur Besichtigung de Fabrik. Sofort erklärte ich, daß ich für beides
nach Lenzing gekommen bin, nicht wußte, daß sie auf mich warteten, ich
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dies nicht wünschte und erwartet habe und ich meine Zeit nützen muß.
Darauf meinte der Jugendliche ganz frech, er ist nicht gewphnt zu
warten. Dies veranlaßte sogar GenDir Seidl ihn zu fragen, wie alt
er sei, worauf er 19 sagte und er meinte dann er möglich glücklich,
wenn er in seinem Leben nie mehr als 20 Minuten wird warten müssen.
Ich war über das Verhalten des jungen Mannes schon einigermaßen über-
rascht, da es mir eigentlich das erste Mal passiert ist, wo sich jemand
aufgeregt hat, wenn ich wirklich, was bei mir äußerst selten zutrifft,
durch einen Organisationsfehler, in diesem Fall gar noch bedingt, zu
spät komme. Blöderweise hat man ihnen nicht gleichzeitig das Essen
gegeben, dann wären sie wahrscheinlich süberhaupt beruhigt gewesen
und hätten sich über mein Zuspätkommen nicht aufgeregt, wie sie dann
auch freimütig gestanden haben.
Die Konzeption der Lenzinger wird mir von GenDir Seidl sehr plausibel
erklärt. Die Viskoseproduktion Nylon soll also von 90.000 bis
1976 auf 100.000 erhöht werden. Da die Zellstoffproduktion derzeit
von 90.000 max. selbst mit den teueren moderneren Laugenverbrennungs-
anlagen die ich mir anschaute, max. auf 110.000 erhöht werden können,
weil der Vorfluter die Ager nicht mehr aufnimmt, ist auch die Viskose-
produktion mehr oder minder bgrenzt. Dies war einer der Hauptgrüne,
warum Stickstoff auf Polyesterfaser, wo heuer 14.000 t erzeugt werden
und 1975 21.000 und 1980 30.000 erzeugt werden soll, das zweite Bein
von Lenzing wird. Darüberhinaus wird jetzt die neue Acrylfaserproduktion,
die erst in einem Monat offizielle eröffnet wird, von derzeit 8.000 t
auf 30.000 t 1980 erhöht werden. Seidl meint, daß mit den
Viskose 100.000 Polyester, 30.000 Acrylfaser, 30.000 1980 einer Zell-
stoffproduktion von 110.000 t die Lenzinger als eine der größten
Faserbetriebe Europas gelten kann. Dies gilt allerdings nur für
eine Einheit, d.h. für eine Betriebsstätte wie Lenzing es darstellt.
Es gitbt natürlich Konzerne die größere Faserproduktion in der Welt
und in Europa haben, aber meistens auf mehrere Betriebe verteilt.
Seidl galubt nun, daß diese Konzentration der drei Fasern in Lenzing
und bei der Zellstofferzeugung, d.h. also der Produktion von Holz
bis zur Fertigware in einem Betrieb in eine unschlagbare und konkurrenz-
lose Sitaution gibt. Die seinerzeitige Diskussion, er hat sich damalsä
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an mich gewandt, damit ich ihn unterstützte, ob auch die Stickstoff-
werke Linz die Acrylfaserproduktion aufnehmen, hält er für erledigt.
Stickstoffchemie Linz hat keine Chance die monomere Produktion, welche
zuerst von GenDir Buchner der Stickstoffwerke beabsichtigt war, aufzu-
nehmen. Dazu sei es notwendig, Sohaoi-Patente, welche die monomere
Produktion erst ermöglich, zu erwerben. Ohne diesen Patenten meint
Lenzing, gibt es keine Chance der Produktion. Darüber hinaus hat
Hoechst in Ingolstadt eine 90.000 t Monomere Acrylnitritproduktion
aufgenommen, wofür nach seiner Meinung 300 Mio Greter und 700 Mio für
die Acrylproduktion Investitionen notwendig sind. Wenn nun Stickstoff
ebenfalls eine solche Produktion aufnehmen müßte, müßte mit ähnlichen
Investitionen gerechnet werden und dafür dürfte wahrscheinlich nicht
das Geld vorhanden sein . Auch die Acrylfaserproduktion hat für Lenzing
300.000 Mio S Investitionen bedeutetet.
Anmerkung für WANKE
Unser Chemie, Textil-Branchenreferat sollte diesen Problem beonsderen
Augenmerk zuwenden und über ev. Entwicklungen mir sofort berichten.
Tagesprogramm, 20.8.1973