Dienstag, der 2. Oktober 1973

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Dienstag, 2. Oktober 1973

Gen.Direktor Buchner von den Stickstoffwerken wollte, dass ich Ocker-
müller
frage, wie weit die Möglichkeit zwischen kapitalmässiger Ver-
flechtung von Chemie-Linz und Lenzing möglich ist. Ockermüller hat
sich vor Jahren sehr bemüht, die Stickstoffwerke beim Ankauf von der
Bunzl Papierfabrik 300 Mill. zu interessieren. Linz hat sich aber in
weiterer Folge mit BASF liiert und Lenzing mit Höchst. Diese beiden
deutschen Giganten haben ihre eigene Forschungspolitik und auch ihre
eigene Konzernstrategie. Höchst wendet 3 Mia S für Forschung und Ent-
wicklung, Lenzing 30 Mill. und Chemie Linz maximal 150 Mill. S auf.
Höchst ist bei Austria-Faser eine gemeinsame Produktion zwischen Lenzing
und Höchst stark verankert. Wir erlauben uns den Luxus, dass wir beide
grossen Giganten mit jeweils einem Betrieb gebunden sind, statt dass
eine gemeinsame Kooperation der österr. Unternehmungen versucht wird.
Ockermüller sieht für meine Idee kaum eine Chance sie durchzusetzen.
Auch die Banken haben sich den anderen westeuropäischen Banken
liiert, doch auch dort eine starke Konkurrenz an stelle des Versuches
einer Kooperation. Die CA ist an einer Bankengruppe, wo insbesondere
die deutsche Bank führend ist, angeschlossen, die Länderbank an
ABCor wo insbesondere die Dresdner Bank führend ist. Diese Banken
haben dann ihre eigenen Industrie.Ketten. Daraus erklärt sich die
Schwierigkeit, heute Kooperationen von österr. Unternehmungen, die ver-
schiedenen Gruppen angehören, durchzuführen. Noch viel schwieriger
ist natürlich eine Kapitalverflechtung. Mit Ockermüller habe ich dies
alles als vertraulich besprochen, doch hat er sich bereiterklärt, mit
Gen.Dir. Buchner Kontakt aufzunehmen.

In der Fraktion der Arbeiterkammer konnte ich zwar zur offiziellen Sitzung
nicht mehr bleiben, da sie viel zu spät begonnen wurde, doch habe ich die
anwesenden Genossen informiert, dass ich eigentlich die Komfortzimmer-
aktion jetzt auf die Personalunterkünfte ausdehnen werde und damit eine
Forderung der Gewerkschaft erfülle. Da ich darauf Wert lege, dass
dieser Erfolg der Gewerkschaft auch dort entsprechend genützt wird, er-
suchte ich, dass ein Vertreter bei Min.Rat Würzl die Details besprechen
soll, um die Mitwirkung zu sichern. Scheer hat den richtigen Weg vorge-
schlagen, nämlich die AK wird mir ein Schreiben schicken, worauf ich
dann Entsprechendes im Ministerium veranlassen werde.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Natürlich ist nicht beabsichtigt, dass der einzelne
Fall mit Gewerkschaft besprochen wird, wohl aber,
dass sie der Ausarbeitung der Richtlinien mitwirkt.
Bitte bei Würzl entsprechendes veranlassen.



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Im Ministerrat hat Kreisky die beim Terrorakt beteiligten Zöllner
insbesondere die Geisel, auch die Staatspolizisten aber natürlich
ganz besonders die Flieger, die alle einzeln hinein kamen und den
Ministern vorgestellt wurden., gedankt. Kreisky hat eine ganze Serie
von positiven Briefen bekommen, insbesondere hat er ein Schreiben von
Gräfin Czernin verlesen, die meint, es ist beruhigend, Kreisky als
Bundeskanzler zu wissen, das Menschenleben schätzt. Auch eine Reihe
aber wesentlich weniger kritische Brief aus dem Inland und natürlich
Telegramme aus dem Ausland kamen. Insbesondere Rosenzweig, der eben-
falls sehr kritisch zur Sache steht, meinte, er würde HIlfe in juristi-
scher Frage anbieten. Kreisky hat allerdings mit Recht gesagt, dass
es sich hier nicht um eine juristische Frage handelt. Kreisky ärgert sich
und zeigt auch mit Recht auf, wie der ORF ununterbrochen oder meistens
nur negative Stellungnahmen bringt. Er als Bundeskanzler meint, hätte
überhaupt keine Möglichkeit gehabt, bis jetzt Stellung im ORF zu bezie-
hen. Richtig ist, dass anschliessend an den Ministerrat eine so grosse
Presse-Forumdiskussion war, dass natürlich auch der ORF dann entspre-
chend mitschneiden musste. Ansonsten ist das Fernsehen ja kaum mehr ver-
treten. Auch die anschliessende Pressekonferenz nah der Aussprache
mit Golda Meir wurde vom Fernsehen und vom ORF teilweise live und teil-
weise dann die Aufzeichnung gesendet. Ob der ORF dies aus eigenem getan
hat oder ob eine Intervention Kreiskys über dritte Personen erfolgte,
weiss ich nicht. Auf alle Fälle führt die ORF-Politik, die manchmal
wirklich nur von einer gewissen Abneigung Bachers gegen die Regierung ge-
leitet sein kann, ohne dass er dies vielleicht seinen Untergebenen dezidiert
aufträgt, dazu, dass selbst die Tauben, wie Gratz sich in der ORF-Frage
bezeichnete, sich früher oder später in Falken verwandeln. Eine Machtfülle
irgendeiner Person in irgendeiner Institut gegeben, bedeutet mehr oder
minder, dass wenn dann ein Konflikt entsteht, bei dieser Machtfülle
der einzelne versagen muss und natürlich diese Macht einsetzt. Dann gibt
es keine Objektivität, weder auf der Kanzlerseite noch auf der General-
intendantenseite. Natürlich wird ein jeder behaupten, dass er rein objekt-
tiv vorgeht, keinerlei persönliches Interesse ins Spiel bringt.

Rösch verwies noch darauf, dass der Sicherheitsdirektor von NÖ dem ORF
Informationen gab und in einem Interview Erklärungen abgab, die nicht
den Tatsache entsprechen. Der Rechnungshof hat beanstandet, dass Bundes-
beamte und die Sicherheitsdirektoren sind solche, nicht Diensthoheit
des Landes unterstellt sein können. Der Verfassungsdienst ist anderer
Meinung. Rösch hat aber Grund des Rechnungshofberichtes und der Kritik


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bereits mit Vorarlberg das Problem gelöst und angeblich auch jetzt mit
Oberösterreich. Höller wurde seinerzeit von Olah spektakulär abberufen
und wurde nach Olah natürlich sofort wieder vom Innenministerium auf Wunsch
NÖs eingesetzt. Es dürfte sich hier, gelinge gesagt, um einen eigenwilligen
Sicherheitsdirektor handeln. Kreisky meinte, sein Verhalten müsste man prü-
fen. Allerdings nicht in dem Zusammenhang mit der Terroraktion. Peterlunger
erklärt, ob aus freien Stücken kann ich nicht feststellen, dass die Be-
hauptung des Exekutivorganes falsch waren. Sicher ist, dass Rösch seine
Anordnungen nicht hundertprozentig durchsetzen konnte.

Kreisky verweist darauf, dass auf Grund des Bundesministeriengesetzes
insbesondere eines Absatz Bund 5 die Koordinierung für die public relation
und Information dem Botschafter Thalberg ab sofort übertragen wird. Damit
soll niemand ersetzt werden, dies bezieht sich ganz besonders auf
den Leiter des Bundespressedienstes Fischer, sondern eben nur eine im
neuen Bundesministeriengesetz vorgesehene Stasmöglichket genützt werden.
Die Koordination betrifft nicht die wirtschaftliche Gestionen vom Bundes-
pressedienst der Wiener Zeitung, Wochenschau, Kurzwellendienst usw.

Wie schnell die Tagesordnung abgewickelt wird, zeigt folgendes Beispiel.
Weihs wollte und hat vorher mit mir besprochen, dass bei den österr.-bulg.
wirtschaftlichen industriellen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit
für 10 Jahre auch das Einvernehmen mit dem Land- und Forstwirtschaftsmini-
sterium herzustellen ist. Da es sich in Wirklichkeit nur darum handelt,
dass dann seine Beamten erklären, sie seien einvernehmlich berührt und
müssten daran teilnehmen, habe ich mich natürlich nicht dagegen ausge-
sprochen. umso mehr als ich ja immer einen Wunsch eines Ministers so
weit er nicht wirklich gravierende Interessen des Handelsministeriums
oder meine berührt und mir sehr unangenehm ist, natürlich erfülle.
Kreisky ist so schnell vorgegangen, dass Weihs erst Gelegenheit gehabt
hat, beim übernächsten Tagesordnungspunkt dann zu sagen, zu 7) hätte er
die Ergänzung. Da Kreisky dies nicht gleich mitbekommen hat, hätte nicht
viel gefehlt und Weihs hätte auf diesen Antrag glatt verzichtet. Momentan
steht wirklich alles unter der Terroraktion des Araber, wie ich übrigens auch
bei der ÖGB-Bundesfraktion als auch bei der Aussprache im Bezirksausschuss
feststellen konnte. Überall eine umfangreiche Debatte, die allerdings
letzten Endes immer wieder zeigt, dass die Österreicher, soweit man bis jetzt
feststellen kann, mit der Haltung der Bundesregierung einverstanden sind.
Wenn sich dies tatsächlich bewahrheitet, werden – davon bin ich überzeugt,
auch die Massenmedien und die Zeitungen, die jetzt noch grösstenteils


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kontra schreiben, sehr bald umschwenken. Die ÖVP wird dann mit ihren
Vorschlägen und Oppositionsgehaben allein oder mit wenig Unterstützung
übrigbleiben.

Um die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung endlich flott zu bekommen,
war eine Aussprache mit Leodolter, an der auch Sekt.Chef Pindur, Dozent
Petuely, Berater Dr. Umeg, von uns Koppe und Wais daran teilnehmen..
Das Dilemma, in dem sich sowohl Koppe als auch ich befinden, ist, dass
wir natürlich schon allein von unserer Herkunft für härtere Formulierungen
gegenüber Handel, Gewerbe und Industrie volles Verständnis haben.
Petuely möchte nur manchmal wirklich extreme Forderungen durchsetzen,
die die Industrie und auch den Handel ungeheure Schwierigkeiten
bringen müssen. Insbesondere Koppe glaubt, dass es unmöglich sein wird,
die Handelskammer und den Fachverband für Nahrungs- und Genussmittel-
industrie Dr. Smolka, von den neuen Vorschlägen zu überzeugen. Ich habe
mit Koppe abends im Bezirksausschuss vereinbart, dass er versuchen soll,
unter Hinweis, dass ansonsten das Gesundheitsministerium früher oder
später eine solche Kennzeichnungsverordnung erlassen wird, dieses
Kompromiss anzunehmen. Sollte dies nicht gelingen, dann glaube ich ist es
wirklich zweckmässiger, wir treten die ganze Materie mit dem Lebensmit-
telgesetz, welches in Kürze ja kommen wird, an das Gesundheitsministerium
ab, nur wenn ein einvernehmlicher Vorschlag zustandekommt kann ich
auf alle Fälle von den Industriebetrieben und Handelsbetrieben kommt,
begegnen, Wenn ich eine Verordnung gegen die Handelskammer erlasse,
dann wird man mir mit Recht vorwerfen, dass dies doch eigentlich nicht
meine Funktion als Handelsminister sei. In diesem Fall tue ich es mir
wirklich leichter, wenn vielleicht in einem Jahr dann eine Lebensmittel-
kennzeichnungsverordnung vom Gesundheitsministerium eben weil auch die
Lebensmittelgesetzkompetenz ja bei ihr liegt, von Leodolter erlassen wird.
Die gute Ausrede für uns besteht ja darin, dass wir eben so lange in
den letzten Jahren auf diesem Gebiet nichts machen konnten, weil das
UWG ja nur eine Ersatzlösung war, bis eben das Lebensmittelgesetz eine
rechtlich einwandfreie auch kompetenzmässig saubere Lösung bringt.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Sollte – wie besprochen – die Bundeskammer gegen
dieses Kompromiss sein, dann müssen wird ohne das
Gesicht zu verlieren, die Verhandlungen mit Petuely
hinzuziehen, was keine Schwierigkeiten macht, bis
eben das Lebensmittelgesetz in Kraft ist.

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Tagesprogramm, 2.10.1973

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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Tagesordnung 88. Ministerratssitzung, 2.10.1973

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GND ID: 1017902909


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: ÖMV-Rechtsvertreter, AR Alpine und VÖEST, Verfassungsrichter


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Gesundheitsministerin


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: GF Fachhandel Nahrungs- u. Genussmittelindustrie


          Einträge mit Erwähnung:


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Sekr. Leodolter


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Chemie Linz


                  Einträge mit Erwähnung:
                    GND ID: 125462697


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                      GND ID: 130620351


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                        GND ID: 102318379X


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: MR, Leiter Gruppe FV u. Gewerbeförd. HM


                          Einträge mit Erwähnung:


                            Einträge mit Erwähnung:
                              GND ID: 118937308


                              Einträge mit Erwähnung:


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Kammeramtsdir. AK Wien


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: isr. MP bis 1974


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Bundeskanzler
                                        GND ID: 118566512


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: GD f. öff. Sicherheit bis 1975


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Diplomat


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