Mittwoch, 23. Jänner 1974
Präsident Minkowitsch urgiert bei mir neuerdings die Zuckerpreis-
erhöhung. Die Rübenbauern haben voriges Jahr 51,85 Groschen je Zentner
Rübe bekommen und heute durch die geringere Gestion und dass ins-
besondere die Lagervorratsentlastung mit 1.70 S nicht mehr gegeben
wird, nur 47,69 S Minkowitsch möchte, dass auf alle Fälle bis zum
letzten Auszahlungstermin Ende Feber der neue Zuckerpreis genehmigt
ist. Ich habe mit Zöllner mittags neuerdings über dieses Problem
gesprochen und er ist nach wie vor sehr stur in dieser Frage. Minkowitsch
wird aber mit Benya Verhandlungen führen und deshalb habe ich Zöllner
empfohlen, die ganze Sache nicht mher höher zu spielen.
Der Handelsdelegierte Pötscher kommt jetzt nach Sao Paulo, Brasilien.
Da er ein sehr agiler Mann ist, ich habe ihn in Hongkong kennengelernt,
ersuche ich ihn, er möge mir einen Bericht schicken, ob tatsächlich die
von einigen Seite mir gemachte Behauptung stimmt, dass die österr.
Handelsdelegierten in Südamerika keine Chance haben, mit der Behörde
Kontakt zu bekommen. Dort gelten nur Botschafter etwas Besseres mit dem
man sich trifft, der Handelsdelegierte aber ist als reiner Geschäfts-
vertreter nicht gesellschaftsfähig. Pötscher wird, nachdem er jetzt
in mhereren Aussenhandelsstellen, zeurst in Südamerika ist, mir einen
Bericht schicken.
Architekt Mang berichtet mir, dass das Institut für Formgebung jetzt
wie er glaubt eine sichere finanzielle Basis hat. Die Bundeskammer
hat sich versöhnt, Mautner-Markhof, der seinerzeit Obmann werde wollte,
hat diese Stelle zwar nicht bekommen, die Bundeskammer ist aber doch
bereit, mitzuarbeiten. Über das Wirtschaftsforschungsinstitut will
Mang nun Aktivitäten mit jüngeren Mitarbeitern entwickeln. Ihm schwebt
vor, dass mehr Wettbewerbe ausgeschrieben werden und dass insbesondere
die Erziehung zum Designer wesentlich verbessert wird. Mang empfiehlt
hganz besonder, dass Einzelstücke, die prämiert werden, womöglich
auf der Messe ausgestellt werden. Österreich hat seinerzeit in der
Möbelproduktion kunstgewerblicher Art eine grosse Rolle g4espielt.
Jetzt wird noch von Wittman Möbel nach den Vorlagen von HoffmannHoffmann, Josef
Wiener Werkstätten erzeugt. Für diese Art der Möbeln hat sich Casina,
Italien, beworben, doch hat Wittman das Rennen gemacht. In Köln wird er
bei der Möbelmesse sicherlich Preise bekommen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Vielleicht können wir die Designer, ohne dass
wir uns finanzielle daran beteiligen, unter-
stützen. Mang hat bie der Möbel-Enquete mitgewirkt
und sich für unsere Vorschläge sehr eingesetzt.
Die österreichischen Automobilfabriken haben bei den sowj. Auto-
importen grosse Schwierigkeiten, weil die Bundesbahn jetzt eine
wesentliche Erhöhung von ungarischer Grenze bis Wien verlangt.
Manschulo hat bereits hingewiesen, dass die sowj. Seite auf Auto-
exporte nach Österreich verzichten müsste. Allerdings wegen der Zoll-
belastung.
ANMERKUNG FÜR WAIS: österr. Automobilfabriken wird mir einen Brief
schreiben, bitte mit dem Verkehrsministerium
eine Lösung finden.
Dir. Haselbrunner AEG ist besorgt, dass der Nachtstromtarif zu sehr
angehoben wird und dadurch die Elektroindustrie ihre Elektrogeräte
schwerer verkaufen aknn. Mit dem absoluten Groschenbetrag, der
auch auf den Tagstrom draufkommt, ist er äussersten Fallles einver-
standen.
Die Produktendeklaration soll jedem Gerät von der Industrie beige-
geben werden und gleichzeitig die Lieferscheinnummer darauf vermerkt
werden. DAdurch möchte n die österr. Firmen feststellen, ob die Geräte
von ihnen stammen oder aus Deutschland vom Handel importiert wurden.
In diesem Fall werden sie natürlich auch Garantie geben aber in die
Produktendeklaration soll eine weitere Werbeunterstützung darstellen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte diese Frage von Welser prüfen lassen, wenn
die Handelskammer keinen Widerstand dagegen lei-
stet, bin ich mit einer Verzeichnung des Liefer-
scheins auf der Produktendeklaration einverstanden
Präs. der Verbund Verkehrsminister a.D. Weiss will sich vorstellen
und mir gleichzeitig versichern, dass er mit Frühbauer sehr gut
zusammengearbeitet hat. Durch eine weitere Aufnahme eines Sozialisten
in den Verbund-Aufsichtsrat will er dokumentieren, dass nun 13 Sozia-
listen gegen 12 ÖVP und einen FPÖ-ler besser verankert sind. Ich
selbst erkläre ihm rundheraus, dass dies für mich nicht die ent-
scheidende Frage ist. Ich erörtere ihm die Konzeption der Konzen-
tration der Elektrizitätswirtschaft, die ich nur schrittweise vor-
nehmen werde. Weiss ist mit der Zusammenlegung von Enns und Donau
19-0109
alledings nur de facto je jure geht es ja nicht, weil ansonsten
das zweite Verstaatlichungsgesetz mit 2/3-Mehrheit beschlossen werden
müsste, einverstanden. Er verspricht, dass er seinen Parteifreunden
insbesondere LH Wenzl Kontakt aufnehmen wird, Da er die Notwendig-
keit voll und ganz einsieht.
Der Freie Wirtschaftsverband Mühlbacher, Obmann von NÖ und ZS
Swoboda beschweren sich bei mir, dass die Handelskammer ihre Wünsche
über die neue Handelskammerwahlordnung nicht akzeptiert. Sie über-
geben mir ein Schreiben und ich werde versuchen, mti Sallinger
und Mussil zu einer befriedigenden Regelung zu kommen.
Bei der wirtschaftspolitischen Aussprache erörtert Seidel, Androsch
und Waldbrunner die wirtschaftspolitische Prognose für 1974.
Die Unterlagen, die Androsch verteilt sind sehr instruktiv und
bauen in Wirklichkeit aber auf OECD-Untersuchungen resp. auf Ar-
beiten des Wirtschaftsforschungsinstituts auf. Da es nicht zweckmässig
wäre, dieselbe Arbeit auch von uns machen zu lassen, andererseits von
mir dies gar niemand erwartet, komme ich nicht in die schwierige
Situation, dass unser Haus so etwas wahrscheinlich gar nicht vor-
legne könnte. Wir kommen mit unserem Material, wenn überhaupt, so viel
zu spät erst heraus. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hält beknnat-
licherweise immer Vorbesprechungen über die Prognosedaten ab, wenn
aber dann die Verlautbarungen offiziell erfolgen, hat das ganze
Material gar keinen Neuigkeitswert mehr. Andere Stellen, die
schneller und intensiver arbeiten, bekommen es scheinbar früher und
verwerten dies auch. ZUm Glück ist noch niemand auf die Idee ge-
kommen, mich um ein solches Material zu fragen. Androsch ersuchte
neuerdings die Präsidenten, dass er eine Budgetvorschau für 1975
vom Beirat erwartet. Die vergangenen zwei Jahre hat er diese For-
derung auch gestellt, die Präsidenten haben nur abgelehnt, weil
sie erklärten, dass durch die Umstellung auf die Mehrwertsteuer
das Budget keinerlei Vergleichsmöglichkeiten mehr gibt und des-
habl eine Budgetprognose fast unmöglich ist. An neuen ZIffenr war
nur interessant, dass ich erfuhr, dass die Arbeitsmarktförderung
die 1973 500 Mill. gehabt hat, 1974 mit 630 Mill. dotiert ist
und gleichzeitig noch 100 Mill. in der Stabilisierungsquote des
Budgets vorhanden sind. DArüber hinaus verfügt Häuser, wie er mir
versicherte, für 600 Mill. Reserve, die er jederzeit bei einer
19-0110
kleinen Rezession oder hie Schwierigkeiten in einzelnen Betrieben
einsetzen kann. Hier haben wir wirklich mit der Zusammenarbeit
bei Häuser einen grossen finanziellen Rückhalt. Das einzige, was
wir noch wissen müsstne, wäre die Betriebe, wo man helfen muss
und helfen könnte. Durch die Betriebsberatung ist es sicherlich
möglich, ein bisschen mehr Kontakt mit den einzelnen Betrieben zu
haben. Ein ausgebautes System könnte hier aber auch noch fast
Wunder wirken.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Überleg Dir, wie wir hier wirklich mehr Mittel
durch bessere Information von der Wirtschaft flüssig machen könnten.
Es wird im Grenzland und in sonstigem Notstandsgebiet einzelne Betrie-
be geben, denen man helfen sollte und könnte.
Die Ausführungen von Waldbrunner über die Kreditpolitik der OeNB
waren besonders interesant. Die Kreditausweitung um 1 % pro
Monat wurde weitestgehend eingehalten und hat nur mehr 28 Mia be-
tragen gegenüber 21 % im Jahre 1972 mit 44 Mia. Der Geldzinssatz ist
ziemlich stabil geblieben und auch die Anleihen, die heuer 12,6 Mia
betragen waren 1972 fast gleich mit 13 Mia. Trotzdem gelang es der
OeNB, die Kreditzuteilung, die 1972 43,5 Mia betrug, bei einem Primär-
geldaufkommen von 44 Mia, 1973 doch noch mit 40 Mia sehr hoch zu
haltn, obwohl das Primärgeldaufkommen nur 34 Mia S betrug. Eine
wesentlich geringere Primärgeldaufnahme und trotzdem nur im
ein 3,5 Mia S geringere Kreditzuteilung. Die OeNB wird an dem Indi-
katorensystem festhalten, auch dann, wenn die Handelskammer eine
gewisse Revision wünscht. Mussil meinte, dass der Anteil der DM an
diesem Indikator, der vor dem Franc-Ausscheiden 59,5 % betragen
hat, jetzt bereits auf 63,3 % gestiegen ist. Waldbrunner meint
aber, dass die OeNB mit sich reden lässt, abr sichelrich nicht die
schwachen Währungen Italiens, Grossbritanniens und jetzt auch
Frankreichs jetzt in die BErechnungen einbeziehen wird. Hier
geht die OeNB mit dem Finanzministerium vollkommen konform.
Der Finanzminister hat angekündigt, dass für den Fremdenverkehr
und für den Export in der nächsten Zeit wesentliche Hilfen von ihm
vorgesehen sind, die zwischen Verkehrsministerium bezüglich Waggon-
bau, Stark- und Schwachstrom, Finanzministerium und Handelsministe-
rium Export und Fremdenverkehr, im einzelnen noch verhandelt wird.
Die Bevorratung sollte auch programmgemäss im Feber dem Parlament
zugeleitet werden.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte mit der FM-Bürokratie klären, welche
Massnahmen hier beabsichtigt sind.
Androsch meinte, für einen grossen big bargain sei keine Not-
wendigkeit. weil die Stabilisierungsbemühungen fortgesetzt werden
und bis 30.6. 1974 die dritte Phase läuft. Die Landesfinanzkon-
ferenz und der Städtebund hätten sich sehr positiv geäussert und
auch der Gemeindebund würde der Politik des Finanzministers zu-
stimmen. Die Handelskammer-Vertreter Sallinger, Mussil aber auch
Igler und Seidel haben vorgeschlagen, es sollte der ÖGB auf die
3 %-ige Reallohnsteigerung verzichten. In den letzten Jahren
lagen die Reallohnsteigerungen über den 3 % und deshalb könnte
hier Zurückhaltung gezeigt werden. Der Finanzminister soll durch
eine Lohn- und Einkommenssteuersenkung das Seinige dazu beitragen.
Benya liess die Unternehmer nicht im Unklaren, dass auf die 3%
Reallohnsteigerung nicht verzichtet werden kann und dass vor allem
auch eine Steuersenkung den kleineren Einkommen überhaupt nichts
bringt und daher nur durhc Lohnerhöhungen die Preissteigerung ab-
gegolten und eine Reallohnerhöhung erreicht werden könnte. Über
eine Steuersenkung wird der ÖGB noch mit dem Finanzminister im
Jahre 1974 Verhandlungen führen.
Seidel beschwerte sich,dass in OÖ die RAG den Erdgaspreis um 100 %
erhöhte. Lachs stellte den Antrag, dass das Handelsministerium eine
Preisregelung dafür durchführen sollte. Seidel vermerkte dann noch
mir gegenüber, wir müsstne aufpassen, dass die Amerikaner in der RAG
nicht die derzeitige Leitung, Oswald, verdrängen. Ein Ersatzmann
soll bereits in der Firma sein.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte genau diesen Vorgang beachten und fest-
stellen, was hier von Seiten der RAG
der amerikanischen Besitzer-Anteil
beabsichtigt ist.
In der anschliessenden Paritätischen Kommission musste ich, nachdem
Kreisky ja kaum den Vorsitz dort führt, anstelle von Rösch, der jet
ausgeschieden ist, den Vorsitz übernehmen. Da 38 Punkte zur Diskus-
sion standen, hat Altenburger sich anschliessend sehr darüber aufge-
regt, dass in der Paritätischen Kommission so viele Preiserhöhungen
ohne eine genauere Kontrolle akzeptiert werden. In Wirklichketi ärge
sich Altenburger, seitdem die Präsidenten am Vormittag immer die
19-0112
einzelnen Punkte durchgeehen und weitestgehende Einigung erzielen,
dass innerhalb der Paritätischen Kommission kaum mehr eine Aus-
einandersetzung stattfindet. Altenburger dürfte leibend gern
mit Mussil streiten, denn die beiden liegen sich ständig in den
Haaren. Altenburger hat angekündigt, dass er nur deshalb diesmal
sich nicht in die einzelnen Positionen eingemischt hat, weil
Benya versicherte, der ÖGB wird über dieses Problem genau
nachdenken. Altenburger schwebt vor, dass die Lohn- und Preis-
kommission effektiver arbeitet, d.h. dass insbesndere innerhalb
der Kommission etnsprechnde Detailarbeiten geleistet werden.
Es wäre auch notwendig, nicht nur die Preiserhöhung festzustellen,
sondern die Auswirkung auf den Lebenshaltungskosten-Index und
veilee Kalkulationsposten wie z.B. die Werbung ganz einfach
zu streichen.
Heinzi Fischer war so wie Reiter zur letzten Ministerratsvor-
besprechung nicht eingeladen worden. Wie icherfahren konnte,
wolltre Kreisky de Aussprache nur mit Regierungsmitgliedern
führen. Scheinbar wollte er die Diskussion zwischen ihm und
mir nur in diesem Kreis wie aber zu erwarten war, waren natür-
lich aller- über die Auseinandersetzung informiert. Das Mitleid
dieser Genossen habe ich auf alle Fälle. Keiner glaubt mir
allerdings, dass ich dies gar nicht brauche, mir geht es viel
weniger um das Problem, ob ich recht behalten habe, als wie
dass ich ungern mir in meine Kompetenzen reinreden lassen. Wenn
ich eine Arbeit übertragen habe, dann will ich sie auch allein
durchführen. Wenn das Bedürfnis besteht, mit mir über Probleme
zu reden, um Taktiken zu ändern, habe ich dafür volles Verständ-
nis. Interessant war, das Kreuzer meint, es müsste einmal
in absehbarer Zeit der Moment kommen, wo allgemein gesagt wird,
dass ich doch recht gehabt habe. Ich erwarte diesen Zeitpunkt
keiensfalls, vor allem sehne ich ihnnicht herbei, denn ich
bin überzeugt davon, dass die ÖVP natürlich angreifen wird,
was mich überhaupt nicht stört und in kürzester Zeit dieses
ganze Problem überhaupt keine Rolle mehr spielen wird.
Tagesprogramm, 23.1.1974
TB Wanke, 23.1.1974