Montag, 11. Feber 1974
Beim jour fixe machte ich Mussil darauf aufmekrsam, dass jetzt
die entscheidende Phase für die Verwendung von gefärbtem Ofenöl
für die Bauern als Dieseltreibstoff gekommen ist. Das letzte Gut-
achten der Handelskammer hat ausschliesslich nur Argumente ge-
sammelt und keinesfalls gegen die Verwendung Stellung genommen.
Sallinger aber auch Mussil meinten, sie seien parteipolitisch zu
stark gebunden. Mussil wird mir aber von dem Gremium der Tankstel-
lenbesitzer, des Ölhandels und vom Fachverband für Mineralöle
Gutachten machen lassen udn sie mit einer Mantelnote der Handels-
kammer mir übermitteln.
Mussil erörtert, dass sie für die Stellungnahme der Handelskam-
mer vorsichtiger vorgehen müssen als bisher. Durch die rückhaltende
Politik im Zuge der Sozialpartnerschaft versuchen immmer wieder
die Unternehmer und jetzt in stärkerem Masse durch freiwillige Ver-
bände ihre Interessen besser zu vertreten. So wurde jetzt ein neuer
Verband für Gross- und Mittelhandel gegründet und der Zementhandel
und Baustoffhandel wurde jetzt bedeutend aktiviert. Diese freiwilli-
gen Verbände können ohne Rücksicht auf die gesamte und wirtschafts-
politische Situation starrere Interessensvertreter sein als die
Handelskammer in iuhrer GEsamtheit. Darin sieht Mussil eie grosse
Gefahr, besonders weil in diesem freien Verband politische Oppo-
sitionsgruppen leichter eindringen können.
Sallinger kam auf die Geschäftsführerstelle der ÖFVW zu sprechen.
Er wiederholte neuerdings, dass sowohl Sandner als auch ihr Mann
Fröhlich erpresst wurden und dies der Grund gewesen sei, warum Fröh-
lich seinerzeit zurückzog. Sallinger wollte von mir die dezidierte
Zusage, dass ich bereit wäre, für Fröhlich zu stimmen. Ich erklärte,
dass ich mich entschlosen haben, der Generalversammlung die Ent-
scheidung zu übertragen, ichwerde in geheimer Wahl Fröhlich und
Zolles zur Abstimmung bringen und nachdem sie die Mehrheit haben,
wird die Entscheidung dann nach ihren Wünschen ausfallen. Ich
selbst erklärte nch einmal, dass ich auf alle Fälle Konsequenzen
ziehen werde und mein Vermittlungsvorschlag, den Mussil als
interessant aber Sallinger ganz entschieden ablehnte, wäre, Fröh-
lich zum geschäftsführenden Obmann zu bestellen und Zolles als
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Geschäftsführer. Derzeit sehe ich noch keine Chance, diese Kom-
bination durchzubringen. Sallinger und Mussil gaben zu, dass sie
selbst seinerzeit die 21.000 S für den Geschäftsführer vorgeschla-
gen haben, weil ich überhaupt nur von 16.000 S ausgegangen bin.
Jetzt meinen sie müsste dieser Posten um das doppelte höher dotiert
werden. Dazu erklärte ich keienrlei Möglichkeiten zu haben, mein
Vorschlag lautet ja immer, dass die entsendende Stelle hatl den
betreffednen Mann zu vergüten hätte.
Im Hinblick auf unseren Iran-Besuch kam ich auf die Bezahlung
von Repräsentationsgeschenken zu sprechen. Ich erklärte, dass
ich beim letzten Rechnungshofbericht im Budgetausschuss auf die
Anfrage der ÖVP wegen der Überschreitung der Repräsentationsaus-
gaben von ca. 170.000 S eine detaillierte Aufstellung der Reprä-
sentationen gegeben hatte und dort ohne dass die ÖVP oder auch nich
die SPÖ oder die FPÖ zu diesen Bemerkungen auch nur ein Wort ver-
loren haben, sie Funktion als Handelsminister in dieser Bezie-
hung nur mit Unterstützung der Handelskammer durchführen kann.
Mussil war ein wenig überrascht, dass überhaupt die ÖVP diese Re-
präsentationsfrage aufgegriffen hatte und meinte, es sei doch
selbstverständlich, dass man mit den Ansätzen nicht auskommen könn-
te. Sallinger wiederum war der Meinung, wir müssten wir dem Rech-
nungshof reden, damit auch dieser über die Politik, die die Han-
delskammer jetzt verfolgt und die er beibehalten will, infor-
miert ist und ihn deckt. Ichw ar mit dieser Vorgangsweise sofort
einverstandne, da ich überzeugt bin, dass der Rechnungshof mehr oder
minder, nachdem durch seine Veranlassung und Einschau die Handelskam-
mer heutemehr Mittel aus den AHF-Beiträge bekommt, sicher auch
bereit sein wird, dass aus diesen Mitteln ein Teil für Repräsenta-
tion und Reisetätigkeit des Handelsministeriums abgezweigt werden
kann. Sollte dies nicht der Fal sein, dann müsste das Parlament
auf aälle Fälle andere Ansätze beschliessen. In der speziellen
Frage des Geschenkes für den Schah, dafür soll ein Mannlicher
Gewehr bereitgehalten werden, wird er mit dem Steyr-Generaldirektor
Rabus sprechen. Ich selbst erklärte rundweg, ich könnte mich
ohne weiteres auch mit dem Steyr-Werken ins Einvernehmen setzen,
weil ich gerade in den letzten Jahren sehr viel für diese Firma
getan habe. Ich bin überzeugt, er würde auch mir dieses Präsent
entweder so billig abgeben, dass ich es auch bezahlen könnte oder
selbst schenken. Da ich abr auf dem STandpunkt stehe, dass dies im
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Prinzipiellen die Handelskammer zu begleichen hat, darübe rhinacus
brauchen wir noch ein Präsent üfr dien Ministerpräsidenten und
für den Aussenhandelsminister Ansari, so soll die Handelskammer
jetzt einmal diese Fragen in sich selbst klären und dann die
entsprechenden Geschenke finanzieren. Wir vereinbarten, dass Dr. Bukow-
ski sich mit Mussil ins Einvernehmen setzen wird.
Beim Journalistenfrühstück berichteten wir zuerst über die Export-
ergebnisse des Jahres 1973. Einleitend wies ich darauf hin, dass
die Reorganisation im Handelsministerium und vor allem einmal die
Bestellung der Sektion I durch Sekt.Leiter Meisl dazu geführt
hat, dass wir jetzt alle Arbeiten, die die Handelskammer erklärte,
dass es ihre Vorschläge gewesen sind, in Wirklichkeit vom Handelsmini-
sterium vorbereitet und durchgeführt wurden. Meisl war in der letzten
Zeit ein wenig verbittert, weil Gleissner immer wieder die gesamten
Vorschläge und Regelungen, die wir insbesondere mit dem Osthandel
gemacht haben, als seine Erfindung darstellte, oben dass ich den
Namen Gleissner nannte, meinte ich nur, iwr könnten ohne weiteres
die Vaterschaft für die Massnahmen, die wir schon gesetzt haben und
die meistens jetzt erst von der Handelskammer teilweise gefordert wur-
den und werden, nachweisen, dass diese schon längstens von Min.Rat
Meisl durchgedacht und teilweise in die Tat umgesetzt wurden.
Selbstverständlich ergab sich dann bei der Diskussion über sonstige
Fragen sofort wieder die Diskussion und Anfrage wegen der Pickerln.
Man wollteunbedingt von mir das Ende dieser Aktion wissen und ist
eigentlich mit der Auskufnt 200.000 t netto anzusparen gar nicht
zufrieden. Mit Recht erkennen die Journalisten, dass dies ja
letzten Endes davon abhängt, ob die Internationalen aber auch die
ÖMV bereit sind, überhaupt diese Ansparung durchzuführen. Sie be-
schwerten sich neuerdngs, dass die ÖMV ihre Produktion sehr stark
zurückgenommen hat. Erklärlich ist ihnen noch die Rücknahme von
30.000 auf 26.000 jato, nicht aber auf die angeblich 22 -24.000
die jetzt gefahren werden sollen. Da mir die ÖMV vor längerer Zeit
sagte, dass dies nicht stimmt, habe ich diese Mitteilung weiterge-
geben.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte lass Dir die Tagesausstösse der ÖMV
schriftlich mitteilen und prüfe die GRünde der
Zurücknahme resp. die Erklärung der ÖMV dafür-
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Mein Hinweis, dass ich für die Aufhebung der autolosen Tage
die Zustimmung der Mineralölfirmen brauche, ist für die Journa-
listen nicht befriedigend. Derzeit will überhaupt niemand etwas
vom Ansparen wissen, die Zeiten, wo selbst die gesamte Presse geschr
ben hat, man müsste jetzt endlich Vorratslager anlegen, ist schein-
bar dort längst vorbei und wieder entsteht jetzt eine Massenbe-
wegung, wir brauchen keinerlei Beschränkungsmassnahmen. Nach Auf-
fassung der Massenmedien ist jetzt Benzin und Rohöl in jeder Menge
und ich fragte dann zurecht, warum dann noch immer die einzelnen
Staaten Beschränkungsmassnahmen haben. Wenn die Mineralölfirmen ent-
sprechende Mengen von Vergasertreibstoff zur Verfügung haben, dann
würden sie doch aus eigenstem Interesse daran interessiert sein,
dass wesentlich mehr konsumiert wird als durch Massnahmen wie z.B.
Tempobeschränkung aber vor allem autofreier Tag, in Wirklichkeit
sie weniger verkaufen können. ERklären konnten ich diesen Stand-
punkt, glaube akzeptiert hat ihn die Presse nicht. Ich werde so
lange nicht meine Glaubwürdigkeit verbessern, solange die verfluch-
ten Restriktionsmassnahmen ohne anders ausgedrückt die sogenannte
Benzinkrise mit irgendwelchen Folgen eine Rolle noch in Österreich
spielt.
Präs. Lehner, Landwirtschaftskammer, Rübenbund, Weiss, und Gesch.
Führer Kraus wollten neuerdings mit mir über die schnelle Ent-
scheidung über den Zuckerpreis verhandeln. Als ich ihnen dezeidert
erklärte, ich seh derzeit keine Möglichketi vor der Kampagne zu
einem Zucker- und damit neuem Rübenpreis zu kommen, schlugen sie mir
dann als Ausweg vor, dass sie bis maximal 20.000 t zusätzlich expor-
tieren könnten. Ich selbst erklärte, dass ich eine Möglichkeit
sehe, da sie mit dieser Aktion die Zuckerindustrie heranziehen
wollen, den Rübenmindererlös von 1.70 bis 1.90 S infolge Wegfalles
der Vorratsentlastung dieser aufzubürden. Der Vorgang wäre, dass
die Industrie auf ihren Gewinnanteil aus diesem Exportgeschäft
verzichtet und dadurch einen höheren Rübenpreis den Bauern zahlen
kann. Griechenland hat z.B. jetzt 20.000 t Zucker ausgeschrieben
und der Weltmarktpreis sei jetzt bereits bis zur Spitze 9.80
S/kg gestiegen. Ich ersuchte um eine schriftliche Darlegung der
Verkaufsrelationen und Erlössituation für diesen Exportzucker und
verpflichtete mich nur mit den Interessensvertretungen die Verhand-
lungen aufzunehmen, um eine einvernehmliche Lösung zu erzielen.
Beim Abendessen für den mexikanischen Präsidenten traf ich
Präs. Hrdlitschka und erzählte ihm den Sachverhalt. Da die Ar-
beiterkammer damit recht erhält, dass eine Zuckerpreiserhöhung für
die alte Kampagne nicht mehr in Frage kommt, andereseits die Zucker-
industrie ihre Gewinne dazu benützen soll, um die Rübenbauern zu
befriedigen, wird die Arbeiterkammer keinerlei Widerstand gegen
dueses Exportgeschäft machen.
Dir. Winter von der Chemiefaser Lenzing und der technische Direktor
Hautzenberg erkundigten sich, wieweit das Handelsministerium und
ganz besonders ich die Chemie Linz unterstützte, eine eigene Acryl-
faserproduktion aufzunehmen. Eine solche Idee hat Gen.Dir. Buchner
und möchte 60.000 t Acryl erzeugen, aus welcher dann 30.000 t Harze
und 30.000 t Faser erzeugt werden sollen. Dies sei ca. 10 % des
Umsatzes von Chemie Linz. Lenzing dagegen hat derzeit eine Anlage
mit 7.000 t laufen, 250 Mill. S Umsatz, das ist jetzt schon 10 %
ihrer Produktion, und möchtediese bis 1980 auf 30.000 t erhöhen.
DAnn würde der Umsatz ca 1 Mia S betragen und 30 % des Gesamtumsatzes
ausmachen. Für die 7.000 t Acrylfaserproduktion, die aus einer alten
Anlage Frix BASF gekauft wurde, mussten bereits 300 Mill. S investiert
werden. Gen.Dir. Buchner steht auf dem STandpunkt, er hat ihn mir
vor einigen Monaten expliziert, wie er eben eine finanzielle Ver-
schränkung mit Lenzing wünscht. Nach Auffassung von Winter hätte
er grosses Interesse daran, die der Fa. Bunzl als Ablöse für die
Papierfabrik seinerzeit übermittelten 20 Mill. S Aktienkapital
die jetzt an Lenzing zurückfallen und mit 40 Mill. S gekauft werden
müssen, zu erwerben. Mit den 20 Mill. Aktienkapital nominale
hätte er ca 10 % vom Stammkapital was 210 Mill S beträgt.
Darüber hinaus möchte er sehr gerne von der Länderbank noch weitere
Aktien der Chemiefaser Lenzing kaufen. Ockermüller ist aber nicht
bereit, dieses Aktienpaket ihm abzutreten. Derzeit besitzt Ocker-
müller den 51 %igen Anteil an Lenzing. Da mir Gen.Dir. Buchner bei der
letzten Aussprache vorige Woche mit der ÖMV zugesichert hat, er
wid sich mit Winter über die weiteren Intentionen der beiden
Werke zusammensetzen, erklärte ich,dass ich erst nach dieser Aus-
sprache eine Notwendigkeit sehe, wenn sie negativ verläuft, einzu-
greifen. Winter wird mich am Laufenden halten.
Ein zweiter Wunsch war, dass ich mich einschalte, weil die RAG
Rohölgewinnungs-AG in Oberösterreich nach Öl bohrt und Gas gefunden
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hat , jetzt diesen Gaspreis erhöhte und Lenzing sich darüber bei
mir beschwerte, entsprechend eingreifen sollte. Lenzing kauft
derzeit 500.000 m3 pro Tag, das sind ca. 180 Mill. m3 im Jahr,
fast die Hälfte der RAG-Produktion. Der Preis wurde mit 55.- S 10^6
vereinbart und soll nun, da er nur bis 1975 lauft bereits jetzt ent-
sprechend auf 75 S 10^6 angehoben werden. Die RAG erwartet, dass
sogar mit 1. Jänner 1974 rückwirkend gescheen sollte. Für die
weiteren Preise soll dann der Brennstoffindex auf Grund des Le-
benshaltungskostenindex angewendet werden. Die Mehrbelastung
für die Lenzing Chemie würde 40 Mill. S im Jahr sien, die
sie unmöglich tragen kann. Ich erklärte Winter, dass mit Gen.Dir.
Seidl vor längerer Zeit schon diese Entwicklung geschildert
hat, ich bereit bin, wenn die Generaldirektion von Lenzing wünscht
mich mit der RAG ins Einvernehmen zu setezen und gegebenfalls als
Schiedsrichter fungieren. Winter wird mit Seidl sprechen und mich
dann entsprechend informieren.
Beim informellen Mittagessen mit dem mexikanischen Präsidenten
waren nur der Aussenminister und ich von österreichischer SEite
anwesend. ausser selbstverständlich einige Beamten des Protokolls.
Es gab so wie immer den üblichen internationalen Schlick und als
mich mein Tischnachbar fragte, ob dies eine typisch Wiener Mehl-
speise ist, erklärte ich rundweg, dies sei keinesfalls der Fall
aber ich werde eine solche bestellen. Als dann Topfenpalatschinken
serviert wurden, haben sich die meisten daran wirklich delektiert
und sogar Präs. Echeverria hat eine Portion dann noch zusätzlich
gegessen und hat ihm sehr gut geschmeckt. Der Präsident meinte
zu recht, dass wenn Ausländer nach Österreich kommne, sie die typisch
heimischen Speisen kosten wollen und nicht die üblichen der inter-
nationalen Küche, die man überall bekommt. Dies war Wasser auf mein
Mühle, umso mehr als er erklärte, er wird dies dem Protokoll auch
wissen lassen, doch bin ich überzeugt, dass sich daran nichts
ändern wird.
Bei Arbeitsgespräch in der Präsidentschaftskanzlei hat Primär der
mexikanische Aussenminister und bei uns Kreisky und vor allem
auch Kirchschläger gesprochen. Da die mexikanische Seite vorgeschla-
gen hat. es wäre zweckmässig, eine Gemischte Kommission zu gründen
hat Kirchschläger sich anfangs dagegen ausgesprochen und meinte,
das wir ja eine Handelsdelegation in Mexiko haben. Zu meiner
grössten Verwunderung hat Aussenminister ganz dezidiert erklärt,
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dass mit dieser bis jetzt keinerlei Erfolge zu erzielen waren
und auch nicht zu erzielen sein werden. Er meinte, es müsste auf
alle Fälle eine staatliche Kommission mit den privaten Unternehmun-
gen gemischt Besprechungen mit Mexiko führen. Da Kreisky im weite-
ren VErlauf dieser Gemischten Kommission indirekt zustimmte, wurde
beschlossen, dass am nächsten Tag, wo der Aussenminister nur eine
unverbindliche Aussprache mit seinem Amtskollegen haben sollte,
doch auch über Wirtschaftsfragen eingehender diskutiert werden soll.
Ein Staatssekretär hat nämlich auch detaillirte Punkte über die
Wirtschaftspolitik vorgetragen. Ich bin fest davon überzeugt,
dass das Endergebnis dieses Staatsbesuches eine Gemischten Kommis-
sion sein wird, auch dann, wenn sich Kirchschläger sehr dagegen
ausspricht. Ich selbst befürchte nur, dass damit automatisch
auch dann im anderen südamerikanischen Staaten solche Gemischte
Kommission gegründet werden müssen. Echeverria hat bei der dritten
UNCTAD-Sitzung in Santiago de Chile seine Karte für Rechten und
Pflichten der Staaten vorgeschlagen. Die westeuropäischen Staaten
17 haben sich der Stimme enthalten, u.a. Österreich. Für mich
besteht kein Zwiefel, dass jetzt letzden Enes auch wir zustimmen
werden, umso mehr als in einem gemeinsamen Kommunique die
positive Seite dieser Charta unterstrichen werden soll.
Beim Gala-Dinner in der Hofburg kam ich durch ZUfall neben dem
Oppositionsführer der grossen Oppositionspartei in Mexiko zu setzen.
Dieser erkärte mir rundweg, dass es drüber wirtschaftlich jetzt
sehr bergab gegangen ist, eine Stagflation sie gehabt haben, aber
jetzt der Tiefpunkt erreicht wäre und die Konjunkturaufschwung
beginne. Gleichzeitig aber wies er darauf hin, dass in Mexiko die
Korruption blüht und dass der Schutz der persönlichen Freiheit z
wünschen übriglässt. Der mexikanische Präsident hat nämlich nicht
nur die Regierungspartei sondern auch der Vertreter des Parlaments
und vor allem auch die Opposition ja selbst sogar die Führer der
Studentenverbände, die gegen ihn sind, auf diese Europa-Reise
mitgenommen. Rösch meinte damit sie ihn nicht stürzen können,
derweil er im Ausland ist und ich glaube, dass sein Hauptziel
das war, eben diese Leute zum Schweigen zu bringen, damit sie
keine Kritik üben, wenn sie zurückkommen über die Sinnlosigkeit
dieser Reise. Kreisky handelt ja genauso wenn er die Oppositions-
parteien zu Staatsbesuchen in die Oststaaten mitnimmt. Übrigens
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dasselbe System, das ich mit den Sozialpartnern gleich bei meinen
Auslandsreisen 1970 eingeführt habe. Nämlich zu wichtigen die
Spitzenvertreter der Sozialpartner mitzunehmen.
Heindl hat mir mit Entrüstung erzählt, dass hie der Delegierten-
besprechung zum Parteitag der Wiener Delegierten nicht wie Jacobi
erwartet ich an ihrer Stelle für den Parteivorstand vorgeschlagen
werde. Die Wiener Organisation ist auf dem STandpunkt gestanden,
hier müsste wieder eine Frau nominiert werden und deshalb bin
ich durchgefallen. Da sich Heindl anschliessend bei Probst an
schliessend bei Probst über diese Vorgangsweise beschwerte, weil
man uns ja dezidiert ein solches Mandat zugesichert hat, hat Probst
darauf verwiesen, dass ich auf die 10 zentralen Notwendigkeiten
der Partei gesetzt werden soll. Dies bringt mich zwar in den
Parteivorstand, wo ich mich überhaupt gar nicht darum gerissen
habe, nicht aber die von unserem Bezirk gewünschte Lösung. Da
ich auf die Parteinotwendigkeiten angerechnet werde, kann ihc
natrülich jederzeit wieder wegen anderer Parteinotwendigkeiten
aus dem Vorstand entfernt werden. BEi unserer Festsitzung im
3. Bezirk hat wie ich feststellen konnte, unter Spitzenfunktionä-
ren diese Lösung auch nicht die ungeteilte Zustimmung gefunden.
Die meisten waren über die Vorgangsweise sehr aufgebracht und
ich habe unserer Sekretärin Tischler versichert, dass ich mit
gar keiner anderen Erkenntnis gerechnet habe. An und für
sich trifft mich diese Entscheidung überhaupt nicht, denn ich
wäre nicht einmal böse gewesen, wenn ich überhaupt nicht in den
Parteivorstand gekommen wäre. Natürlich gibt es für unsere Genossen
und ganz besonders auch für Heindl viele objektive Gründe, die dafür
sprechen, dass ich sehr wohl auf das Wiener Kontingent in den Partei-
vorstand einziehen müsse. Alle diese Genossen vergessen nur eines,
dass ich eben nicht als gewachsener Wiener Mandatar gelte sondern
eben als Gewerkschafter in irgendeiner WEise unterstützt noch
durch meine Position auf der Landstrasse zu berücksichtigen bin.
Niemals aber würden die Wiener tatsächlich anerkennen, mich auf ihr
Kontingent zu nehmen, da sie letzten Endes aus dieser Zwitter-
stellung – Gewerkschaft und Partei -a als Partei immer den Ge-
werkschaftsfunktionär sehen. Für mich persnöich ist diese Stellung
sehr angenehm, weil ich dadurch ein grosse Mass an Unabhängigkeit
für mich in Anspruch nehmen kann. Wenn man mich nicht von Wien aus
delegiert, dann bruche ich auch nicht die Wiener Interessen aus-
schliesslich zu vertreten. Die Delegierung durch die Gewerkschaft
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dagegen auch wieder nicht so dezidiert ausgesprochen ist,
gibt mir die Möglichkeit, wenn es einmal zu unvernünftigen Be-
schlüssen der Gewerkschaftsfraktion kommen sollte, mich umso
leichter davon zu distanzieren. Auf diese WEise kann ich meine
Selbständigkeit abolut erhalten, habeallerdings den Nachteil
dass mich in vielen Fragen eben niemand stützt und unterstützt,
weil mich niemand als ihr Mann betrachtet.
Tagesprogramm, 11.2.1974
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)