Freitag, der 29. März 1974

20-0387

Freitag, 29. März 1974

Sekt.Chef Pindur vom Gesundheitsministerium veranstaltet eine Altöl-
enquete und Leodolter und ich waren dazu geladen. Das Gesundheits-
ministerium hat Referenten aus der BRD, aus der Schweiz, Liechtenstein
und Österreich auf den Vorsitztisch postiert, weil diese Fachleute
ihre Erfahrungen und dann untereinander über die Probleme diskutieren
sollten. Leodolter hatte man ein Manuskript gegeben, das allerdings
wie ich feststellte nicht gerade überwältigende Erkenntnisse beinhaltete.
In dieser Beziehung konnteich mich trösten, auch wenn ich von unserem
Haus irgendwelche Unterlagen für eine Rede bekommen, sind sie auch
nicht besser und scheinbar ist es auch in anderen Ministerien ähnlich.
Ich selbst habe sofort erklärt, dass ich an einer Altölgewinnung nur von
zwei Gesichtspunkten als Handelsministerium interessiert bin, erstens
müssen doch die Kostenfragen einiermassen geklärt sein und zweitens
ist die Frage der Organisationsform von grosser Bedeutugn. In Österreich
gibt es bereits eine Firma, die in NÖ und Salzburg interessanterweise
diese Ölsammlung vornimmt und dafür 1.140 S pro m3 verlangt. Hiefür ein
Behälter im Betrieb aufgestellt und von ihnen jeweils getauscht. Alle
bestätigen, dass sich oft Firmen dafür interessierten und wenn es dann
zur konkreten Verhandlung kommt, sofort die Hälfte der ursprüng-
lich vorgesehenen Abholölmenge verschwindet. Zur Selbsthilfe ist
natürlich für ein Gesundheitsministerium bedenklich und deshalb möchte
Leodolter resp. ihre Umweltschutzsektion ein Ölbeseitigungsgesetz
In der BRD wird das Altöl raffiniert und darauf hochwertige Schmier-
öle gewonnen. Allerdings bezahlt das Wirtschaftsministerium dazu 10 DM
resp. 12 DM. Die Schweizer und liechtensteinische Erfahrungen konnte ich
mir nicht mehr anhören, da ich zum Abschlussgespräch mit Staatssekretär
Beil gehen musste. Interessant war aber, dass diese Enquete so schlecht
bersucht war, dass ich sie nur als katastrophal bezeichnen kann. Ausser
ca. 10 Beamten waren vielleicht noch 4 – 5 Zeitungen vertreten. Ein
irrsinniger Aufwand, eine organisatorisch scheinbar nur eben formell
mit Einladungen durchgeführt Enquete, wo nicht persönlich versucht wurde,
entsprechende Interessenten zu organisieren, ist eben einmal eine Pleite.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Versuche einmal zu klären, wieviele Leute sie eigent-
lich eingeladen haben.

Die Schlussbesprechung mit Beil ergab, dass er von seiner Anwesenheit
in Österreich sehr befriedigt sit. Er hat scheinbar mit verschiedensten


20-0388
stellen ausser Programm, was wir gar nicht wissen, Besprechungen
geführt. U.a. hat er einmal erklärt, er müsse jetzt dringend von
einem Essen weggehen, weil er um 1/2 3 Uhr einen Termin hat, er
wollte auch wissen von seinem Handelsrat Krüger, der auf der Wiener
Botschaft sitzt, wielange er dorthin fährt, hat aber weder die Firma
nioch die Strasse angegeben. Er betreibt verständlicherweise hier
fast ein bisschen Geheimdiplomatie und indem er eben nicht er-
kennen lassen will, mit wem er allen Kontakt aufgenommen aht. Aus
der Schlussbesprechung aber konnte ich zwei interesante Tatsachen
feststellen. Erstens hat er mit Ärzten aber auch mit Schrift-
stellern Kontakt, letztere haben ihm nämlich empfohlen, er soll
unbedingt auch in Österreich schöngeistige Literatur auflegen,
dafür gäbe es grosses Interesse. Ich wollte ihn nicht enttäuschen,
habe aber darauf hingewiesen, dass die technisch-wissenschaftliche
Literatur seht gefragt ist udn sie deshalb auch sehr guten Absatz
in Österreich haben. Ich weiss dies u.a. auch von meinen eigenen
Söhnen, die immer wieder bestätigen, dass die Lehrbücher, die sie
im Kollektiv erstellen und wo der Autor nicht ausschliesslich aus
Gewinninteresse eine solche Arbeit macht, bestens ankommen. Ob
bei schöngeistiger Literatur dies der FAll ist, kann ich nicht
beurteilen, weil ich wie ich selbst erklärte, kaum zum Lesen von
Romanen oder sontigen Büchern komme. Ich meinte allerdings, Bert
Brecht
würde sicherlich sich gut verkaufen lassen, was ich bei
Becher , ihrem sogenannten Haus- und Hofliteraten, der hauptsächlich
die DDR verhimmelt, nicth glaube. Beil antwortete, dass er in
der letzten Zeit in Westdeutschland gute Bücherabschlüsse machen
konnte. Es gibt einige modernere Schriftsteller und glaube ich
auch eine Frau, deren Namen ich momentan vergessen habe, die
sehr gut im Westdeutschland ankommen. Hier meint er, müsste
sich auch en solcher Absatz aufbauen lassen.

Da ich neuerdings auf die Ausdehnung ihres INteresses für Koopera-
tionen auf dem Sektor der Leichtindustrie und Nahrungs- und Genuss-
mittelindustrie usw. hinwies, hat mir Beil versichert, er wird
sehr wohl auch hier Überlegungen anstellen. Was den normalen
Handelsverkehr betrifft, so wird er heuer für 300 Mill. schon
angeschlossene Textilien und Schuhe in Österreich kaufen. Er


20-0389
hat mir d-ann angedeutet, dass er unter vier Augen bereit ist, mir
noch die weiteren Abschlüsse zu sagne, als Wir dann zr Pressekon-
ferenz gingen und ich ihn nach den endgültigen Ziffern fragte,
meinte er, es seien heuer immerhin noch 150 Mill. vorgesehen,
doch wollte er dies nicht vor unsrem Handelsrat Castek mitteilen.
ICh konnte dieser Bemerkung entnehmen, das Castek in Berlin wirklich
eine persona non grata fast ist, denn wenn man so zurückhaltend
agiert, dann kann man nur annehmen, dass er aus welchem Grunde immer
dort auf grossen Widerstand stosst.

ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte versuche über diplomatische Kanäle aber
äusserst vorsichtig zu erfahren, was der Grund dieser gorssen Ableh-
nung von Castek durch die DDR-Behörden ist. Wenn die BHK nicht von al-
len Göttern verlassen ist und an einem Export interessiert ist, wird
sie ihn früher oder später abziehen müssen.

Beil berichtete auch noch über Kooperation, die er mit der VÖEST
bei der Braunkohlegewinnung in Australien machen wird. Die
DDR hat hier einen Kooperationsvertrag mit australischen Firmen
abgeschlossen, möchte aber unter allen Umständen, dass das Land
nicht genannt wird. Bei der Pressekonferenz wurde Beil dann prompt
von einem Redakteur gefragt, welche Abkommen bezüglich Braun-
kohlelieferungen und Kooperationen mit der VÖEST abgeschlossen
wurden und ob es sich auf europäische oder aussereuropäische Länder
bezieht. Beil antwortete sehr geschcikt und hat viele Länder aufge-
zählt, wo es Braunkohle gibt, in Europa und ausser Europa und meinte
so beiläufig und ich glaube auch in Australien gibt es welche. Der
Journalist Babourek von der Neuen Zeit hat nicht mehr nachgestossen,
sonst hätte Beil Farbe bekennen müssen oder er hätte ganz einfach
no comment gesagt. Ich resp. wir haben ja überhaupt keinen Grund,
hier irgendwelche Informationen weiterzugeben. Das Pressegespräch
war besser besucht als ich erwartet hatte. Vorsorglich habe ich
Beil vorher dahingehend beeinflusst, dass ich erklärte, nachdem
er beim Empfang schon der Presse, d.h. der Zeitung die Presse
ein Interview gegeben hat, welches heute ganz gross dort heraus-
gebracht wurde, fürchteich, dass andere Zeitungen dadurch beleidigt
wären. Zu meiner grössten Verwunderung war dies aber wirklich
nicht der FAll, sondern im Gegenteil, selbst Konitzer von der
Frankfurter war erschienen. Beil hat nachher mir gesagt, dass er


20-0390
sehr überrascht ist, weil ansonsten immer die Frankfurter oder
alle westdeutschen Korrespondenten über die Beziehungen zwischen
DDR und Westdeutschland, wo immer er hinkommt, von ihm Auskunft
wissen wollen. Dass dies in Österreich nicht der Fall war. Ich verwies
auf das Gastrecht, welches er geniesst und dass man wahrscheinlich
auch zumindestens von österreichischem Frankfurter Korrespondenten
gewahrt wissen wollte. Beil hat auch in aller Öffentlichkeit vor
der Presse erklärt, dass in den nächsten Jahren mit Zuwachsraten von
25 – 30 % zu rechnen ist. DAdurch konnte ich meine Bemerkung anbringen,
wir hatten seinerzeit 7 – 10 % reales Wachstum des Aussenhandels
im Abtausch gegen die Liberalisierung vereinbart. Es hat sicherlich
damals Gegenstimmen gegeben, die meitnen, dies würde nicht zu erreichn
sein, jetzt stellt sich schon heraus, dass ein wesentlich grösserer
Anteil und Zuwachs der DDR zu erwarten ist. Meine Überlegungen gehen
dahin, dass wir mit der BRD so einen grossen Handelsverkehr haben,
aus Tradition aber auch doch aus der gemeinsamen Sprache. Hier
kann die DDR ohne die Tradition allerdings jetzt durch 25 Jahre
unterbrochen zu haben, zumindestens die gemeinsame Sprache nützen. Es
wird sehr bald viele Unternehmer geben, die diesen Vorteil für engere
Geschäftskontakte nützen werden. Ich sehe eine grosse Möglichketi, die
starken Importe aus der BRD teilweise durch DDR-Importe zu ersetzen.
Dass die DDR unsere Exportgüter dringend benötigt, steht für mich
ausser jeder Diskussion. Den Hinweis Beil's, durch den Vertrag
den ich unterschrieben habe und vor allem auch durch die Anerkennung
jetzt der Handel so stark aufblüht, halte ich nur Phrase. Der grösste
Teil geht auf die entsprechenden Liefermöglichkeiten Österreichs zurück.

Ein wesentlich schlechteres Gespräch hatte ich mit dem polnischen
Sonderminister Hrynkiewicz. Dieser wurde von Staatssekretär Veselsky
eingeladen und aht auch mit ihm Besprechungen ü-er die Vorbereitung
des Ministerpräsidentenbesuches in Österreich geführt. Die Polen hoffen,
dass im Herbst einige grössere Projekte abgeschlossen werden können.
Die Möglichketi ist dazu vorhanden , doch hat Polen den Wunsch, auch
etnsprechende Gegengeschäfte abzuschliessen. Jetzt haben wir im
Jahre 1973 einen Export von 2,5 Mia gehabt und einen Import von 1,7 Mia.
Nach dem polnischen Aussenhandelsstatistik-Ziffern, die bekanntlich
auch Transit immer einbeziehen, ist das Handelsbilanzdefizit noich viel
grösser. Hrynkiewicz wollte mir unbedingt einreden, dass Österreich


20-0391
und die Bundesregierung und ganz besnders das Handelsministerium
sich mehr anstrengen müsste, dann könnte es zu einem Ausgleich
der Handelsbilanz kommen. Mein Hinweis, dass wir mit 1.1.1975 libera-
lisieren und damit alle Möglichkeiten des Importes gegeben sind, hat
er mit REcht dahingehend korrigiert, dass das ja nur kleine marginale
Zunahmen ergeben werde, Nur grössere Projekt wie z.B. eben 300 MW-
Elektrizitätslieferung oder auch Kohlelieferung für ein Kohle-
kraftwerk in Österreich könnte z.B. auf dem Energiesektor eine
grössere Abnahmepost sein. HIer ergeben sich aber laut Auskunft von
Gen.Dir. Ehrbacher grosse Schwierigkeiten. Abgesehen von der preis-
lichen Differenz glaubt Ehrbacher, dass wir frühestens im Jahre 1982
einen solchen Strombezug überhaupt brauchen werden. Hrynkiewicz wollt
auch als grössere Möglichkeit ein Baukontingent von polnischen
Bauarbeitern mit Firmenführung gleich nach Österreich bringen. Hier
hatte ich lange, bevor Kreisky dieses Problem in Polen angeschnitten
hat. die entsprechenden Wünsche der polnischen Seite dahingehend
immer klärend beeinflusst, dass ich darauf hinwies, die Bauarbeiter-
gewerkschaft würde kaum ein grösseres Kontingent akzeptieren. Karski
der polnischen Botschafter in Österreich hat dann allerdings argu-
tiert, er hätte im Fernsehen gesehen, dass ungarische aber auch rumä-
nische Bauunternehmungen in Österreich Arbeiten errichtet haben.
Zum Glück war wenigstens ein Mann von unserem Haus, dessen Namen
ich nicht kenne, anwesend, der sich erinnerte, dass es sich hier
nur um eine Gegenleistung Errichtung einer Halle als Gegengeschäft
von Rumänien und Ungarn gehandelt hat. Ich versprach nur, mit den
Bauarbeitern neuerdings dieses Problem zu besprechen. So kleinen
gelegentlichen Montagen hat Polen kein Interesse, wie Hrynkiewicz
ausführlich betonte.

ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Millendorfer verbinden.

Bei der Informationstagung des Atom-Forums hielt Prof. Häfele,
derzeit in Laxenburg beschäftigt und ehemaliger Atomwissenschaftler
von der BRD ein interssantes Referat. Über die zukünftige Atomnutzung.
Ich hatte bei der Begrüssung rein gefühlmässig auch diese Probleme
allerdings nicht vom wissenschaftlichen sondern vom politischen Stand-
punkt aus angeschnitten, In meiner lockeren Art und mit einigen Gags
bestückt ist diese Ansprache ganz gut, so hoffe ich, angekommen.
Frank war anwesend ich ich konnte ihm jetzt einmal demonstrieren,
welche UNerlagen ich zu solchen Eröffnung und Begrüssungen brauche.



20-0392

Wie ich sie bringe, das weiss ich schon, nur die Facts und vor
allem irgendwelche wissenschaftliche oder ökonomische Hinweise
brauche ich. Zugegebenermassen hat es ein gost wrighter bei mir sehr
schwer. Ich benötige nicht seine Formulierung sondern in Wirklichkeit
sein Wissen oder das Wissen anderer, das er sich eben auch erst zusam-
emnstellen muss. HIerhaben wir trotz vierjähriger Tätigkeit bis
jetzt noch keine befriedingede Lösung gefunden.

20_0386_01

Tagesprogramm, 29.3.1974

20_0386_02

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


GND ID: 1017902909


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ÖGB


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: -min.


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Gesundheitsministerin


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: stv. Außenhandelsminister
          GND ID: 127276920


          Einträge mit Erwähnung:


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Straßburg


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Handelsrat DDR


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Atomwissenschaftler


                    Einträge mit Erwähnung:


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: FAZ-Korrespondentin


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Chef Energiesektion


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: GD Verbund


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Bundeskanzler
                              GND ID: 118566512


                              Einträge mit Erwähnung:
                                GND ID: 12254711X


                                Einträge mit Erwähnung: