Samstag, 1. Juni 1974
Während des Ausfluges mit Avram gibt es keine neuen Gesichtspunkte,
die berichtenswert erscheinen. In Baden besichtigen wir das neue
Kurmittelhaus, Avram ist am meisten erschüttert – mit Recht – über
die hohen Preise. Ungefähr die Hälfte der Patienten sind aber
Kassenpatienten, d.h. dort zahlt die Krankenkasse einen wesentlich
geringeren Teil und der Einzelbesucher dadurch ja gar nichts.
Interessant ist, dass der Leiter des Kurmittelhauses, ein Ingenieur,
dessen Namen ich vergessen habe, auf meine Frage nur dezidiert er-
klärt, er würde, wenn er auf Grund seiner jetzigen einjährigen
Erfahrung das Haus neu bauen müsste, wesentlich andere Konstruktion
machen. Vor allem hält er es nicht für zweckmässig, die Umkleide-
kabinen und den Ruheraum getrennt zu machen. Dies bewährt sich
seiner Meinung nach überhaupt nicht. Dadurch verliert man Platz
und der Patient hat ausser der Umkleidekabine noch einen eigenen
Ruheraum. Mich frappiert diese Erkenntnis, denn in Oberlaa hat
man beim Kurmittelhaus genau dieselbe Konstruktion gewählt. Ich
frage Bürgermeister Wallner, der Vorsitzender des Kurbäderverbandes
ist, ob er bei der Enquete über die Bäder, die in Baden stattge-
funden hat, anwesend war. Dort hat Prof. oder Dozent Tiefenbrunner
aus Innsbruck, wie ich in einem Interview gehört habe, eine furcht-
bar negative Stellungnahme über unser österreichisches Bädersystem
und vor allem einmal über die Verschmutzung der Bäder abgegeben.
Wallner hat dies nicht im einzelnen gehört, Würzl, den ich vor
einigen Tagen darauf aufmerksam gemacht habe, wird sich die Unterlagen
beschaffen und dann den Bäderverband, Wallner, kontaktierten. Ich
glaube hier muss wirklich so schnell wie möglich Abhilfe ge-
schaffen werden. Wenn die Zustände so verheerend sind, dann muss unver-
züglich etwas dagegen unternommen werden, und wenn dies nicht der
Fall ist, dann muss man sich gegen solche Publikationen, die je vor
allem auch in der BRD gehört werden, wehren.
Am Flughafen Schwechat kreuzen wir uns bei der Verabschiedung
Avrams und der Ankunft Kreiskys. Dadurch ergibt sich die Möglich-
keit, dass Kreisky noch mit Avram ein kurzes Gespräch hat. Avram
kann seinen Auftrag erfüllen, nämlich beste Grüsse von Ceausescu und
so weiter ihm zu übermitteln. Worüber er sichtlich erleichtert ist.
Kreisky wird neuerdings von Avram eingeladen und sagt natürlich zu.
Er entschuldigt sich nur, dass er jetzt nach der SU schon fahren
musste, weil er vor zwölf Jahren das letzte Mal in der SU gewesen
ist. Avram kontert natürlich sofort gleich und meint, in Rumänien
sei er allerdings noch nie gewesen.
Bei der Ankunft Kreiskys war durch seine Delegation bedingt, aber
auch durch die Leute, die die Delegation erwarteten, der Sondergastraum
natürlich bummvoll. Meisl berichtete mir sofort von den Ergebnissen.
Konkret meinte er, war wirtschaftlich überhaupt nichts, vor allem
keinerlei Zusagen über Öl- oder Gaslieferungen. Meisl selbst hat mir
Kuzmin verhandelt und sogar einen Vertrag unterschrieben. Kreisky
selbst hat nur das Protokoll, wie es auch üblich ist, wenn ich
im Ausland bin, unterfertigt. Trotzdem glaube ich, wenn wir keiner-
lei konkrete zusagen bekommen haben, dass durch diesen Besuch die
Sowjet neuerdings auf die Notwendigkeit der Gas- und Öllieferungen
hingewiesen wurden. Ich bin auch überzeugt, dass wir grössere Mengen
bekommen können, nur wird es furchtbar zähe Detailverhandlungen geben,
und vor allem wir werden voraussichtlich immer wieder in jedem
Jahr bis 1978 eventuell mehr Mengen bekommen, wenn sie sich über-
schüssig haben und keinen zusätzlichen Vertrag über diese Mehrliefe-
rungen. Für das Jahr 1978 würde dann der neue Gas-Rohr-Vertrag zum
Tragen kommen. Hier hab ich mit Matthes, der ebenfalls bei der Dele-
gation war, eine kurze Aussprache gehabt. Ich erklärte meine Ver-
wunderung, dass er jetzt doch den Sowjets eine grössere Menge Bleche
angeboten hat, zumindestens stand dies in den Zeitungen. Matthes
stellte sofort richtig, dass sie die Erhöhung der 150.000 auf
200.000 t für Kohle und Erz abgeschlossen haben, dass es sich
hier um Feinbleche handelt, um eine ganz andere Sorte, als die
Sowjets für die Rohrlieferung brauchen. Bezüglich der Bleche
für Rohrlieferungen sieht Matthes nach wie vor keine Möglichkeit
die gewünschten 100.000 von den Sowjets zu erfüllen. Die Presse-
informationen sind hier in der Sowjetunion aber auch scheinbar von
der Delegation jetzt in Österreich bei der Ankunft nur sehr unzu-
länglich gewesen. Zum Glück ! hat dies niemand bemerkt. Ich bleibe
auf alle Fälle bei meiner Taktik zu sagen, dass wir hoffen können,
dass die Sowjets grössere Mengen liefern werden, dass aber
niemand noch einen konkreten Vertrag gesehen hat, ja nicht einmal
ein solcher existiert. Die SU hat ein System, dass wenn sie ab-
schliesst, dann den Vertrag bis auf den letzten Buchstaben erfüllt
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und deshalb ist sie immer äusserst vorsichtig im Vertragabschliessen
selbst dann, wenn sie schon grössere Mengen von Erdgas wie dies
1974 der Fall war ausserhalb des Vertrages liefert.
Am meisten frappiert hat mich, dass natürlich Igler dort gross in
Erscheinung getreten ist, als er auch gleichzeitig den Minister
Avram als einen alten Bekannten begrüsst hat, er hat ja vor einigen
Wochen eine Delegation in Rumänien geführt und dadurch wenn die
Handelskammer sich weiter so ungeschickt verhält, die Industriellen-
vereinigung in kürzester Zeit sie wird auf dem Gebiet der Aussenhan-
delspolitik überrundet haben. Die Handelskammer hat den Apparat,
die Handelskammer macht die Arbeit und Igler tritt in Erscheinung,
als ob er die Aussenhandelspolitik heute schon stärker beeinflussen
könnte als die Bundeskammer. Nur weil diese aus politischen Gründen
gehemmt ist und sich in immer stärkerem Massen von gemeinsamen Aktivi-
täten zurückzieht. Ich werde nicht verabsäumen, dieses Problem
im nächsten Jour Fixe zur Sprache zu bringen.