Dienstag, 18. Juni 1974
Kreisky ist an einer leichten Verkühlung erkrankt, weshalb
Häuser die Ministerratssitzung führt. Wieder ist keine Minister-
ratsvorbesprechung, so daß die Diskussion über die einzelnen
fraglichen Punkte und Einwendungen der Minister bereits im
Ministerrat abgehandelt wird. Zur Verlängerung des Katastrophen-
fondsgesetzes und der Abänderung meint Weihs, es wäre zweckmässig,
wenn er für die Lawinen- u. Flußverbauung als Vorbeugungsmaßnahme
bereits im Gesetzentwurf einen grösseren Betrag bekommen könnte.
Im Jahre 1971 wurden 50 Mill. 1972 60 Mill. und 1973 70 Mill. Schilling
vom Konto für private Schäden abgebucht und den Vorbeugungskonto
zugewiesen. Androsch, der zu spät gekommen ist wäre bald bei diesen
Tagesordnungspunkten nicht einmal anwesend gewesen und es wäre
sehr interessant, was dann geschehen wäre. So konnte er sich natürlich
wieder einmal durchsetzen indem er erklärte, der Landwirtschafts-
minister kann für die Wildbach- u. Lawinenverbauung mit grösseren
Beträgen rechnen obwohl er dann nach wie vor darauf bestand, daß
400 Mill. Schilling auf dem Konto für private Schäden verbleiben
müssen und nicht wie Weihs wollte nur 320 Millionen, dadurch hätte
er automatisch gleich 80 Mill. wieder für die Lawinen- u. Wildbach-
verbauung bekommen. Die Lösung wäre vom Stabilitätsstandpunkt
nicht ideal gewesen, denn es wären dann weitere Mittel in die Bau-
wirtschaft geflossen. Allerdings und dies dürfte stimmen, meint
Weihs immer wieder, daß auf dem Wildbach- u. Lawinenverbauungssektor
eine gewisse Beschäftigung von Arbeitskräften und von Unternehmungen
die zu sonstigen Bauarbeiten kaum herangezogen werden können, örtlich
bedingt und ausschließliche Handarbeit nicht herangezogen werden
können. Gerade auf diesem Sektor, meint Weihs, muß er sich ständig
bemühen kontinuierliche Beschäftigung zu haben, was übrigens auch
die Bauarbeitergewerkschaft ständig verlangt.
Die Bundesfinanzgesetz-Novelle welche die Bonifizierung der Alt-
anleihen vorsah, hat der Verfassungsdienst ausser einigen sachlichen
Einwendungen auch verlangt, daß die Textgegenüberstellung fehlt. Hier
hat sich Häuser mit Recht aufgeregt, daß der Verfassungsdienst
sich jetzt um Probleme kümmert, die ihm aber auch schon gar nichts
angeben. Bei anderen Gesetzentwürfen, wie Einkommenssteuergesetz-
Novelle, Erdgasanleihegesetz vom Finanzministerium aber auch vom
Wohnbaudarlehengesetz des Bautenministers hat der Verfassungsdienst
gegen eine Formulierung Stellung genommen, die er wie Moser be-
hauptet, vorher sogar vorgeschlagen gehabt hat. Es entwickelt sich
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jetzt die Methode, daß der Verfassungsdienst immer wieder
Bemerkungen mit Einspruchsauftrag für den Bundeskanzler macht,
die so überspitzt sind, daß letzten Endes die Minister überein-
kommen sie vollkommen zu negieren. Schade, daß Kreisky nicht
hier war, denn dies ist seine Ressortkompetenz und Häuser hat
natürlich allein schon aus Wut darüber, daß ihm der Verfassungs-
dienst immer mehr anmaßt, alle diese Einwände nur zu Protokoll
geben lassen um sie wirklich nur bei sachlicher Notwendigkeit
berücksichtigt, soweit eben Gesetzestextfehler vorlagen.
Androsch berichtete mündlich als Ergänzung seines mündlichen
Berichtes über die Währungsbesprechung in Washington und verwies
auf drei Punkte:
1.) die zusätzliche Liquidität soll durch die Goldreserven, die
150 Milliarden Dollar zu Marktpreisen betragen gegebenenfalls
erreicht werden, die bis jetzt vorgesehenen Sonderziehungsrechte
und deren Verteilung konnten die Liquidität die international
notwendig ist nicht garantieren. Wenn aber Goldreserven zu Markt-
preisen und nicht zu den fest vereinbarten Kurs abgegeben werden,
gibt es eine große Möglichkeit, Österreich würde z.B. dadurch 50
Milliarden Schillinge, den selben Betrag den unsere Devisen-
reserven darstellen damit zu Verfügung haben.
2.) Das Problem der Transferierung von Krediten und auch Liqui-
dität an die Entwicklungsländer ist ein schweres Problem welches,
soweit diese Entwicklungsländer Öl besitzen, durch die höheren
Ölpreise nicht nur garantiert ist sondern sogar überkompensiert
wird, umso schlimmer trifft es allerdings dann die Entwicklungs-
länder, die kein Öl haben und damit an dem hohen Ölpreis nicht
nur nicht verdienen sondern sogar noch wegen des hohen Ölpreises
schwer draufzahlen.
3.) teilte er mit, daß Österreich – der Schilling – in die 16
Währungen aufgenommen wurde, deren Berechnungen bei der Wert-
ermittlung Sonderziehungsrechte in Hinkunft als Grundlage dienen
soll.
Wesentlich interessanter aber war, daß die Berichterstattung von
Androsch – auch hier lag ein schriftlicher u. mündlicher Bericht
vor – über die Budgeterstellung 1975 zuerst von Häuser und Broda
nicht zur Kenntnis genommen werden sollte sondern nur von dem
Bericht Kenntnis nehmen wollte. Der Unterschied ist, daß sowohl
Firnberg als auch andere sich beim letzten Mal schon beschwerten,
daß, ohne daß sie Gelegenheit gehabt haben mit ihren Beamten zu
reden und die Auswirkungen im Detail festzulegen, zuzustimmen,
daß entweder eine gleichbleibende der Ansetzung oder sogar eine
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Kürzung vorgenommen werden sollte. Wenn ein solcher
Grundsatzbeschluß gefaßt wird, dann gibt es kaum Möglichkeiten
bei den Ministerdetailverhandlungen grössere Änderungen mehr
vorzunehmen. Im Vorjahr dürften bereits einige Minister große
Schwierigkeiten gehabt haben, indem sie entweder sich zu viel
vorgenommen oder vielleicht sogar zu große Versprechungen ge-
macht haben. Das Endergebnis ist, daß dann natürlich bei den
Budgetdetailverhandlungen der Finanzminister mit Recht auf die
grundsätzlichen Beschlüsse verweist, andererseits ist es gar
nicht anders möglich, daß Androsch ohne einen solchen Grundsatz-
beschluß natürlich bereits auf Beamtenebene mit den einzelnen
Ministerien eine solche Wust von Anträgen bekommen würde die
es ihm unmöglich machen ein Budget zu erstellen. Nachdem Androsch
mit Recht darauf hingeweisen hat, daß er von der Presse gefragt
wird – werden wir z.B.auch den Ausfall für die 10.5 Milliarden
Schillinge aus dem Einkommensteuergesetz, hereinbringen will –
konnte er sich letzten Endes dann doch durchsetzen und es wurde
der Bericht zur Kenntnis genommen und zugestimmt, und nicht nur
vom Bericht Kenntnis genommen. Auf alle Fälle zeigt sich für mich
deutlich, daß im Laufe der Jahre die einzelnen Ressorts sehr wohl
entsprechende zusätzliche Wünsche haben, die, wenn eben die not-
wendigen Budgetmittel nicht zur Verfügung stehen, gekürzt werden
müssten. Der Minister der aber bereits durch Zusagen oder Äußerungen
in der Öffentlichkeit sich gebunden fühlt, kommt dann in des
Teufels Küche. Hier bewährt sich glaube ich doch unsere Taktik,
daß wir im Handelsministerium niemals entsprechende Forderungen
erhoben haben sondern erst dann zu Maßnahmen geschritten sind,
wenn bereits budgetär die notwendigen Mittel dafür bereit ge-
stellt war. Die Politik zuerst verlangen damit man nachher mehr
bekommt ist meiner Meinung nach optisch falsch und bringt in Wirk-
lichkeit substanziell auch gar nichts. Kein Finanzminister kann
den Forderungen der Bürokratie die natürlich immer nur Geld aus-
gibt auch nur im entferntesten Rechnung tragen. Wenn sich der
Minister dann dahinterstellt muß er auf der Strecke bleiben.
In der öst. Raumordnungskonferenz hat Häuser nur eingeleitet,
dann den Vorsitz an Frühbauer übergeben, der aber als Länderver-
treter sowieso den Vorsitz zu führen gehabt hätte. Frühbauer, muß
ich gestehen, hat in seiner ruhigen Art souverän diese schwierige
Sitzung geleitet. Veselsky war in seinem Element, weil Kreisky nicht
anwesend war konnte er zu allen Punkten die das Bundeskanzleramt
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betrafen, und das waren fast alle, Stellung beziehen und
Ausführungen machen. In Wirklichkeit wurde im Punkt 1) eine
sehr kritische Situation von Frühbauer gemeistert als Lechner
erklärte, daß es jetzt bald vier Jahre her ist, und die Örok ihre
Ziele noch immer nicht genau definiert hat. Die Stellvertreter-
kommission hat vorgesehen, daß dies so schnell als möglich,
spätestens bis 1975 in Angriff genommen und auch abgeschlossen
sein soll. Lechner hat nun im Hinblick scheinbar auch auf die
Wahlen im Oktober 1975 darauf verwiesen, daß, wenn es bis zu
diesem Zeitpunkt nicht gelingen sollte, dann eigentlich die
ganze Örok überflüssig sei. Richtig ist, wie Gehart mir gegenüber
behauptet, daß die operative Arbeit in der Örok ein Minimum ist.
Was produziert wird, sind nur immer wieder Berichte und wieder
Berichte. Ein weiterer sehr kritischer Punkt war, daß die Steier-
mark, Niederl war nicht anwesend und deshalb hat es der Landesamts-
direktor vorgetragen, eine entsprechende Änderung in der Konstruk-
tion in der Örok wünscht. Nach Auffassung der Länder soll nicht der
Bund richtungsgebend in der Örok und mit der Örok seine Raumplanung
durchführen sondern umgekehrt es sollten die Länder ihre ent-
sprechenden Pläne und Absichten darlegen und letzten Endes auch
durchsetzen und der Bund sollte nur ergänzend, d.h. substitör
in Erscheinung treten. Kohlbacher hat mir gegenüber dann geäußert,
daß die Länder jetzt sehr aggressiv sind und dies darauf zurück-
zuführen ist, weil die Raumplanungsabteilung im Bundeskanzleramt
nicht in Erscheinung treten kann. Ursprünglich als sie das Geschäft
vor vier Jahren begannen hatten sie Kreisky entsprechende Vor-
schläge über die Vorgangsweise gemacht. Kreisky selbst hatte aber
nicht zu Letzt auch weil dieser Vorschlag von Veselsky vorgetragen
wurde und er allen seinen Vorschlägen sehr skeptisch gegenüberstand
den Ländern gegenüber die weiche Tour angeschlagen. An Stelle ein
Konzept zu präsentieren hat er verlangt, man sollte mit den Ländern
verhandeln um zu irgend welchen gemeinsamen Auffassungen zu
kommen. Das Endergebnis war, daß die Länder zuerst überhaupt nicht
wußten was sie wollten sich aber allerdings schön langsam fanden
und selbst die sozialistisch geführten Ländern den Vorschlägen
der Raumplaner von uns sehr skeptisch gegenüber waren. Im Laufe
der Jahre wurde dann die Länderfront immer stärker und hat sich
jetzt so durchgesetzt, daß in Wirklichkeit gar nichts mehr geschieht
außer daß man eben Berichte erstattet.
Genau dies war auch der Punkt wo wir vom Handelsministerium
mit ebenfalls den Länderwünschen konfrontiert wurden. Die
Länder würden unsere Investitionstätigkeit nicht nur eingeschränkt
sondern auch im engsten Einvernehmen mit ihnen durchgeführt wissen.
Die Länder wollen also jede Aktivität von uns kontrollieren, be-
einflussen ja wahrscheinlich in den meisten Fällen sogar unter-
binden und selbst aber vollkommen freie Hand haben. Gehart machte
daher zu den von ständigen Stellvertretern gemachten Vorschläge
über den Beschluß zu diesem Tagesordnungspunkt sehr geschickte
Ergänzungen die letzten Endes dann auch von mir durchgesetzt werden
konnten. Alle Aktivitäten sollen also auch die der Länder über die
Örok gehen. Lechner beschwerte sich bei dieser Gelegenheit über die
Vorgangsweise, Sanierung und Vorplanung im Raurisertal. Lechner
sagte mit Recht, daß der Bundeskanzlers drei Gemeinden zu sich
gebeten hatte, dort entsprechend große Konzepte entwickelte ohne
daß das Land verständigt wurde und letzten Endes dann das Land
aber auch mit finanziellen Unterstützungen einspringen mußte damit
das ganze Projekt nicht eine Pleite wurde. Zum Glück hatten wir
damals das Handelsministerium zu ersten Mal konkret damit befaßt
wurde sofort die Salzburger Landesregierung den zuständigen
Referenten zwar nur telefonisch und dank der guten Beziehung
von Würzl verständigt so daß ich jetzt auf diesen Angriff Lechners
zumindestens was das Handelsministerium betrifft gut parieren
konnte. Gleichzeitig konnte ich auch darauf verweisen, daß auch
der Bund mit finanziellen Mitteln und Opfern eingesprungen ist.
Richtig ist dagegen, nur konnte ich dort es nicht sagen, ja nicht
einmal erwähnen, daß der ursprüngliche Plan von Kreisky – dies
Rauris wird unser Tennessee - niemals auch nur annähernd in der
dem Bundeskanzler vorgeschwebten Projektgröße verwirklicht wurde,
ja vielleicht sogar beim besten Willen gar nicht verwirklicht werden
kann. In der Raumordnung hat eben Kreisky ohne die finanziellen
Mittel zu haben oder auch nur bereitstellen zu können ein zu
großes Projekt resp. Modell in großen Zügen dargelegt und in der
Detaildurchführung dann nicht durchstehen können.
Maurer beschwerte sich, daß in der Raumplanung der Bund z.B.
jetzt in Sigmundsherberg die Schulische Ausbildungsstätte aus der
Arbeitsmarktförderung errichtete ohne daß mit dem Land Einvernehmen
erzielt wurde. Im Wahlkampf hat Häuser, und dies glaube zu Recht,
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auf Vorschlag von Czettel in dieser ehemaligen Eisenbahnerstadt
entgegen dem Wunsch von Landeshauptmann Maurer die Bauarbeiten
dort begonnen. Genützt hat es uns bei den Wahlen vielleicht nicht
sehr viel aber auf Fälle wurde Maurer ein einziges Mal von Czettel
in einer konkreten Frage überrundet; dies ärgert Maurer und er
behauptet, alle sachlichen Gründe sprechen gegen diesen Standort.
Maurer meinte scheinheilig, Gmünd wäre der richtige gewesen dort
seien die politischen Verhältnisse dieselben wie in Sigmundsherberg.
Czettel der in der Landesregierung einen furchtbar schweren Stand
hat und durch den letzten Wahlkampf so stark beansprucht wurde,
liegt derzeit mit einem leichten Herzinfarkt im Hanusch-Kranken-
haus. Maurer ist ein furchtbar aggressiver Landeshauptmann, ich
kenne keinen von der ÖVP der ärger ist und mir bereitet es daher,
selbst dann wenn die Entscheidung für Sigmundsherberg nicht sehr
richtig war, eine große Genugtuung, daß ihm einmal sein Wunsch,
sein Vorschlag ja seine Forderung nicht erfüllt wurde. Veselsky
behauptete sogar, daß ursprünglich auch die Landesvertreter für
Sigmundsherberg gewesen sind, was allerdings von Maurer bestritten
wurde.
Ich habe das Gefühl, daß die Genossen in der Raumplanung beim
Bundeskanzler sehr deprimiert sind, was sie am meisten erschüttert
ist, daß keine fraktionelle Front gegen die Attacken der ÖVP, die
jetzt auf diesem Klavier zu spielen beginnt, aufgebaut werden kann.
Als der Überraschungseffekt, wir waren immerhin die ersten, die
in der Regierung so etwas propagierten und auch gegenüber den
Ländern vertraten, nach 1, 2 Jahren vorüber waren, richten jetzt
die Länder die Angriffe auf den Bund. Die schwersten Auseinander-
setzungen müssen wir für das nächste Jahr vor den Nationalrats-
wahlen erwarten. Mir erscheint als einziger Ausweg sofort mit
einer fraktionellen Tätigkeit aller mit der Materie befaßten
Mitglieder der Stellvertreterkommission zu beginnen.
Anmerkung für Gehart: Bitte versuche mit Knapp so etwas zu
organisieren. Meine UNTERSTÜTZUNG hast Du.
In der Paritätischen Kommission mußte ich für Kreisky den Vorsitz
führen. Alle anderen Minister hatten sich entweder entschuldigt
oder waren gar nicht gekommen. Die Auseinandersetzungen waren ver-
hältnismäßig sehr leicht, weil auf Grund der letzten Beschlüsse,
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z.B. die Baustoffpreise doch neuerdings verhandelt wurden.
Das letzte Mal hat die Handelskammer erklärt, sie könne zu
keiner Regelung ihre Zustimmung geben, worauf ich ihm Minister-
rat auf Wunsch des Gewerkschaftsbundes den Antrag stellte, die
vorgesehenen Preiserhöhungen so lange nicht von der öffentlichen
Hand anzuerkennen, bis eine Einigung erzielt werden könne. Die
Bauunternehmen fürchteten nun mit Recht, daß doch der diesbezügliche
Erlass den Moser dann den nachgeordneten Dienststellen dann
schickte, von den Beamten schon wortwörtlich und auf längere Sicht
durchgeführt, für sie einen großen Schaden bedeuten würde, deshalb
lenkten sie ein und es kam dann zu einer weitestgehenden Einigung.
Ursprünglich wollten sie den 1. Juni, der ist längst vorüber und
sie müssen jetzt zustimmen, damit sie noch mit 1. Juli die ent-
sprechenden reduzierten Erhöhungen bekommen. In einigen anderen
Gebieten wie z.B. für die Möbelindustrie hat die Handelskammer
Vorbehalte gemacht und gemeint, es sei unmöglich, die Erhöhung
mit 10 % zu begrenzen, die Industrie hat ohne Genehmigung der
Paritätischen Kommission als erste Etappe schon 12 % durchgeführt.
Benya war dann bereit auf 11 % zu gehen und Hrdlitschka kündigte
gleichzeitig an, wenn die Industrie dies nicht akzeptiert, er
dann entsprechende § 3 Anträge stellen wird. Da es sich hier um
eine ganze Branche handelt müsste die Handelskammer nach ihren
Vereinbarungen mit der anderen Seite einer § 3 Regelung zustimmen.
Ich bin gespannt, wie sich dies weiter entwickeln wird. Ähnlich
war es bei der Firma Huber die die Trikotagepreise sowie auch in
den vergangenen Jahren ohne Genehmigung der Paritätischen Kommission
in ihrem neuen Winterkatalog 74 druckte. Auch die Firma Ottakringer
Brauerei, Firma Harmer, hat die Cit-Orange von 2.80 auf 2.90 S und
die Römer-Quelle von 3.50 auf 3.60 ohne Genehmigung erhöht. Hier
verwies Hrdlitschka, daß ebenfalls der § 3 Antrag kommen würde.
Mussil fragte scheinheilig, ob ein Präsident der Arbeiterkammer
dies ohne Präsidium und ohne Vorstand beschliessen könne, er selbst
müsste in einer so eminenten Frage vorerst diese Gremien fragen.
Sallinger wieder machte den Einwand, daß sie dieses Problem in ihrem
Präsidium genau besprechen werden, d.h. ob Harmer die Preise zu-
rückführt oder dann doch ein § 3a zu befürchten ist, diskutiert
werden sollen. Die Situation in der Paritätischen Kommission ver-
steift sich immer mehr.
Für Speiseöl und Speisefette lag ein Erhöhungsantrag seit
März vor und konnte nicht entschieden werden. Die Arbeiter-
kammer verlangte, daß die Erhöhung für den Produzenten nicht
automatisch in den Spannen eine weitere Erhöhung für die Ver-
braucher auslösen sollte. Mussil wendete dagegen ein, daß
die Tangentenlösung bei Lacken und Farben erstmals zur Anwendung
gekommen ist, d.h. es wurden durch die Brennstoffpreise absolute
Zuschläge vereinbart die in den Handelsspannen nicht berücksichtigt
wurden. Bei der zweiten großen Gruppe, Baustoffe, hat diese Lösung
schon großen Unwillen ausgelöst. Die Bundeskammer ist mit der Idee
diese Zuschlägespannen unwirksam weiter zu geben nicht durchgedrungen.
Die Handelskammer hat deshalb, wie Zöllner nachher Mussil ent-
gegnete, auch ein vertrauliches Rundschreiben herausgegeben wo sie
darauf aufmerksam macht, daß die Handelsspannenunwirksamkeit von
den einzelnen Unternehmen genau überlegt werden soll ob er eben
seine prozentuelle Spanne auf die Preise aufschlägt oder nur die
Finanzierungskosten, liegt in der Entscheidung der Handelsfirma.
Mussil hat mir zugegeben, daß es unzweckmässig war, eine solche
Mitteilung überhaupt als vertraulich zu bezeichnen weil sie doch
an alle Handelsgremien ergeht und damit selbstverständlich auch
dem Gegner bekannt wird. Die Paritätische Kommission hat letzten
Endes dann den Fabriksabgabepreis auf Antrag Benyas mit 7 % für
die 0.7 und Literflasche und 12 % für die 2 1/2 und 3 Liter-
Flaschen beschlossen wobei offen blieb wie der Handel diese Preis-
erhöhung weiter geben wird.
Bei der Heimfahrt hat mir Mussil zugegeben, daß die Information
ihres schwerfälligen Apparates mit vertraulichen Rundschreiben
äußerst ungünstig ist. Er selbst bestätigte mir, daß nur ganz
wenige Briefe wirklich vertraulich behandelt werden konnten und
können und hat als Beispiel den Rhodesien-Brief bezeichnet. Ich
selbst habe ihm sofort gesagt, daß im Ministerium auf jeden Fall
ein Akt angelegt wird womit auch hier ein grösserer Kreis von
Beamten damit zu tun haben. Ich halte deshalb überhaupt nichts
von Vertraulichkeit, interessant ist, daß ich eigentlich, das hab
ich Mussil zwar nicht gesagt, aber ist mir aufgefallen bei dieser
Diskussion, einen sachlich bedeutenden vertraulichen Akt in meinem
Ministerium noch niemals gesehen habe. Meistens handelt es sich
vereinzelt um Personalmitteilungen resp. um vertrauliche Brief-
wechsel im Zuge der Aussenhandelsvertragsverhandlungen, die meiner
Meinung auch vollkommen wertlos sind. Der einzige Vorteil besteht
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darin, daß eine andere Stelle z.B. ein anderer Staat sich
eben nicht auf einen vertraulichen Briefwechsel beziehen kann
weil er ihm nicht kennen kann, auch dann wenn er ihm natürlich
genau kennt.
Das Referat und die Diskussion in Wr. Neustadt bei der Bezirks-
konferenz war für mich angenehm weil ich mich in diesem Kreis
wohl fühle obwohl nur eine einzige kritische Wortmeldung vom KP-ler
war, der ÖVP-Diskutant wendete sich primär der Zukunft
zu und wollte Auskünfte über die Fragen des Klubs in Rom, d.h.
den Rohstoffmangel, den Bevölkerungsüberschuss und der Umwelt-
verschmutzung. Entweder war mein Referat so überzeugend oder die
Genossen resignieren.
Wesentlich schwieriger hatte ich es auf der Landstraße unsere
Spitzenfunktionäre davon zu überzeugen, daß wir alle Anstrengungen
machen müssen um trotz der guten Vorhersage der Meinungsforscher
die Bundespräsidentenwahlen zu gewinnen. Ich erwarte von der ÖVP
noch harte Attacken gegen Kirchschläger, weil sie ganz genau
wissen, daß sie damit unsere Funktionäre verunsichern können. Wenn
wir diese Wahl gewinnen wird es meiner Meinung nach sehr knapp
sein. Diese Prognose hatte ich allerdings bereits bei Beginn des
Wahlkampfes unmittelbar nach der Nominierung gesagt wo wir noch
gar nicht das Handicap der Kirchschläger-Vergangenheit kannten.
Wenn wir uns daher nicht sehr zusammenreissen, könnte es noch
schiefgehen. Lugger holt ständig auf, er hat ein besseres Aussehen
und wird auch von seinen Propagandisten besser verkauft. Die
letzten Plakate, die wir von Kirchschläger drucken, sind meiner
Meinung nach so schlecht, zumindestens höre ich dies von allen
anderen, es ist also nicht mehr meine Meinung, daß ich mit einem
Galgenhumor behaupte, es handelt sich hier um ein Plakat der ÖVP,
so wie man seinerzeit Mörderfotos von Politikern machte und in den
Zeitungen präsentierte, bezeichne ich dieses Plakat als Mörderplakat
von der ÖVP gebracht zum Schaden von Kirchschläger. In unserem Bezirk
herrscht auch diesmal eine besonders ungute Spannung. Vor jeder
Wahl gibt es natürlich gewisse Nervosität, aber diesmal kommt sie
mir besonders deutlich zum Bewußtsein. Vielleicht aber liegt das
primär daran, daß auch ich nicht mit meiner ganzen inneren Über-
zeugung unserer Genossen mit unserem Wahlziel begeistern kann.
Tagesprogramm, 18.6.1974
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 122. Ministerratssitzung, 18.6.1974
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