Freitag, der 19. Juli 1974

22-0908

Freitag, l9. Juli 1974

Buchauer vom Profil interessierte sich ausschliesslich für die
Fremdenverkehrssituation. Zu diesem Zweck hatte ich dann auch
Min.Rat Würzl gebeten, an der Sitzung teilzunehmen. Natürlich
wollte er in Wirklichkeit nur wissen, was wir unmittelbar in
der nächsten Zeit an Massnahmen setzen. Alles andere war nur
Verbrämung und Polemik. Für mich ergibt sich folgendes interessan-
te Phänomen: Solange eine Sache normal läuft, ist sie für alle
uninteressant, nur wenn es scheinbar irgendwo Schwierigkeiten gibt,
d.h. wenn negative Erscheinungen auftreten, dann stürzt sich die
Presse aber auch das Fernsehen und der Rundfunk darauf. Wenn man
daher einer Sache besonderes Gewicht beimessen will, dann ergibt
sich die Möglichkeit irgendwelche sensationelle Ankündigungen zu
treffen. Mit Sicherheit kann man dann erwarten, dass in der öffent-
lichen Meinung dieses Problem hochgespielt wird, um nach einiger
Zeit wieder sang- und klaglos zu verschwinden. Dieses Prinzip
hat Kreisky entweder intellektuell längst schon erkannt oder ge-
fühlsmässig jetzt während seiner Kanzlerschaft zur Perfektion ent-
wickelt. Ich habe deshalb auch in der Sektionsleitersitzung, um
die Saure-Gurken-Zeit zu überbrücken darauf verwiesen, dass es
notwendig, aber auch möglich ist, einige Tätigkeiten des Han-
delsministeriums nach diesem System viel stärker in der Öffent-
lichkeit herauszustreichen. Wir haben z.B. bei der im Vor-
jahr so hochgespielten Krisenstimmung auf dem Rohstoffsektor
Untersuchungen durchgeführt über die notwendigen Rohstoffimporte.
Das Ergebnis ist, dass zum Unterschied von der Schweiz angeblich
15 bedeutende Rohstoffe festgestellt worden und wo man Vorratslager
anlegt, es sich bei uns um einige hunderte handelt, weil unsere
Wirtschaft anders strukturiert ist. Diese Erkenntnis ist sicher-
lich uninteressant. Ein interessanter Aufhänger aber wäre, dass
die Milchversorgung in Wien im Vorjahr gefährdet war, weil für
die Plastiksackerl ein Bindemittel knapp wurde. Aufhänger: Wiens
Milchversorgung gefährdet ? ist ein so negative Schlagzeile, die
wahrscheinlich von allen sofort gebracht wird. Notwendig aber
um letzten Endes aber einer positive Aussage machen zu können,
wäre, dass das Handelsministerium nicht nur diesen Tatbestand
jetzt herauskristallisiert hat sondern auch Vorsorge getroffen hat,
dass diese Bindemittel auch tatsächlich immer zur Verfügung stehen.



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Ich habe Puffler bei der Sektionsleitersitzung ersucht und
alle anderen Abteilungsleiter, solche Ergebnisse, wenn sie vor-
liegen, auch entsprechend propagandistisch auszuwerten.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Es gibt scheinbar noch ungeahnte Möglich-
keiten in unserem Haus, die Öffentlichkeits-
arbeit zu unterstützen.

Die Zuckerarbeiter haben mir in der Gewerkschaft auseinander-
gesetzt, dass sie selbst ohne weiteres imstande sind, bis zur
neuen Zuckerpreisfestsetzung mit der Lohnauszahlung zu warten.
In der letzten Zeit ist aber die Abgabe von Zucker an die Lager-
häuser und an einige andere grosse Händler irrsinnig gestiegen.
Ausserdem hat der ORF, wie sie glauben, von der ÖVP-Seite stark
beeinflusst, eine Aufklärung über die Zuckerpreissituation und
über die Versorgungslage gestartet. Dadurch kann tatsächlich eine
Gefahr für die Zuckerversorgung entstehen. In der Sektionsleiter-
sitzung hat Sekt.Chef Römer aber auch Min.Rat Gröger erklärt,
dass nach den jetzt vorliegenden Unterlagen ein Anschluss an
die neue Ernte gegeben ist. Ich hatte vor längerer Zeit bereits
Wochenmeldungen verlangt, die Gröger mir erklärte, die Zucker-
industrie nicht liefert. Sie lehnt zwar solche Meldungen nicht
ab, erklärte sich aber ausserstande zeitgerecht die entsprechender
Ziffern vorzulegen. Gröger wird jetzt neuerdings darauf dränge,
glaubt aber, dass der Anschluss an die neue Kampagne ohne weiters
zu finden ist, wenn nicht Hamsterkäufe grösseren Stils entstehen.
Spät abends hat dann Mussil noch angerufen und erklärt, er sieht
eine grosse Gefahr für die Zuckerversorgung, weil scheinbar
bei ihm auch die Zuckerindustrie oder sonst irgendjemand auf
die brenzlige Situation hingewiesen hat. Ich habe ihn nicht im
unklaren gelassen, dass die Zuckerindustrie und deren Exponent
für Exporte und Importe Fritz Mauthner mir, als wir den Export
voriges Jahr genehmigten, erklärt hat, die Versorgung ist da
durch unter gar keinen Umständen gefährdet. Mauthner dürfte sich
an dieses Versprechen halten, denn er will jetzt mit mir verhan-
deln, wie man zusätzliche Zuckermengen importiert. Mussil selbst
meinte, wenn solche Importe durchgeführt werden, würden sie
zu wesentlich höheren Preisen notwendig sein und deshalb müssten
die Zuckerpreisverhandlungen schnell beendet werden, um einen


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Mischpreis auch zwischen dem teuren Importzucker und dem
billigeren Inlandszucker dabei zu verkraften. Hier bahnt
sich eine kritische Situation an, da scheinbar die Arbeiter-
kammer noch immer nicht erkannt hat, dass wir infolge der
hohen Weltmarktpreise in einer ausgesprochen schlechten Ver-
handlungsposition sind.

Das Gespräch mit der GKB und ÖDK wegen der Kohlenlieferungen
konnte letzten Endes einvernehmlich geregelt werden. Ich hatte
einleitend sofort erklärt, dass ich eine Austragung des Strei-
tes vor Gericht auf das entschiedenste ablehne. Der Streit
geht eigentlich seit Jahrzehnten und war früher hauptsächlich
dadurch bedingt, weil die Kohle im schwarzen Handelsministerium
und der Strom im roten Verkehrsministerium ressortierte.
Die Gesellschaften, obwohl sie beide verstaatlicht waren,
hatten deshalb einen entsprechenden Rückhalt bei den je-
weiligen Ministern, dieser Zustand ist jetzt Gott sei Dank
beseitigt und ich habe, da ich beide jetzt zu vertreten habe,
auch die Aufgabe für entsprechende Ruhe und Lösungen auf diesem
Sektor zu suchen, eine Verpflichtung. Nach längerer Verhandlung
einigten wir uns, dass der Rabattsatz 5,5 % betragen soll,
ich glaube, beide Teile waren damit sehr zufrieden. Den Gesell-
schaften wurden viel Rechtsanwaltskosten und Gerichtskosten
erspart. Interessant war nur, dass von jeder Gruppe der
Spitzenmann – Matthes von der VÖEST und Hautzenberg von der ÖDK –
sowie fast jeder mit einem halben Dutzend von Direktoren und
wichtigen Leuten anmarschiert kam.

Der Schrottverband möchte neue Massnahmen, damit nicht der
Schrott exportiert wird. Derzeit werden 350.000 t zu einem
Durchschnittspreis von 820.- im Inland aufgebracht, wozu
noch 120.000 t für einen Importpreis von 2.400 S kommen.
verständlich, dass bei einem so hohen Weltmarktpreis die
Schrotthändler versuchen, Schrott aus Nutzeisen ins Ausland
zu exportieren. In der jetzigen Preiskundmachung ist vor-
gesehen, dass nur der Erwerber zu bestätigen hat, dass es sich
um Schrott handelt. Gröger hatte bereits bei der Sektionsleiter-
sitzung den guten Einfall, man sollte die Preisanordnung ändern


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und durch Experten bestätigen lassen, dass es sich um Schrott
handelt. Bei dieser Gelegenheit müsste auch neuerdings die
Preise für sogenannte Entfallstellen, d.h. wo der Schrott
anfällt, festgesetzt werden und nicht nur die Grosshandels-
abgabepreise resp. die Werkspreise. Die bisherigen Exporte
dürften nicht sehr gross gewesen sein, denn im ersten Halbjahr
wurden nur Exportanträge für 21.000 t gestellt, wovon nur
13.000 genehmigt wurden, die eindeutig als Schrott zu be-
zeichnen sind. Trotzdem war ich natürlich bereit, den Wünschen
des Schrittverbandes Rechnung zu tragen, umso mehr als auch
der Fachverband von der Bundeskammer eine solche Lösung ver-
langte. Ich hatte bereits aus politischen und optischen
Gründen in der Sektionsleitersitzung verlangt, dass die
Handelskammer diese Bewirtschaftungen von mir verlangen muss.
Ich werde dies im Laufe von weiteren Auseinandersetzungen
dringend benötigen.

Mit Gen.Dir. Koller besprach ich das Südafrika-Geschäft. Janko-
witsch
, unser Mann im Sicherheitsrat bei der UNO hat neuer-
dings bei Kreisky urgiert, man sollte von jedweden Geschäften
mit Weiss-Afrika Abstand nehmen. Kreisky hat sich dieser Mei-
nung angeschlossen und bei der Regierungsklausur schon darauf
hingewiesen, dass die VÖEST einige schlechte, zumindest aussen-
politisch bedenkliche Geschäfte gemacht hat. Soweit es sich auf
Rhodesien bezieht, hatte ich ihm sofort erklärt, dass ich eine
entsprechende Exportverbotsverordnung erlassen werde. Südafrika
aber ist für die VÖEST von eminenter Bedeutung, wie mir
Koller neuerdings bestätigt. Nur so wird die VÖEST die not-
wendigen Rohmaterialien Bramen und Zaggel sowie auch Kohle
bekommen. Der Hinweis Kreiskys, beim Formosa-Geschäft sind
sie auch schlecht herausgestiegen, stimmt nach Koller nicht,
da sie eine Abstandssumme bekommen haben, nachdem die Amerikaner
sie aus dem Geschäft hinausgedrängt haben, die alle ihre
Kosten deckte. Im Südafrika-Geschäft würden sie nicht, wie
der Aussenminister Bielka meint, bereits in einem Jahr, wohl
aber in drei Jahren alle ihre Investitionen und Aufwendungen
amortisiert haben. Das Risiko ist minimal. Koller sagt mit
Recht, dass er in Wirklichkeit nur die Chance hat, in viel-
leicht aussenpolitisch riskante Geschäfte einzusteigen, weil
die glatten, guten Geschäfte von bedeutend grösseren


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Firmen von Grossmächten gemacht werden. Zu Bedingungen,
die die VÖEST niemals erfüllen kann. Ich werde nach Vor-
liegen der Unterlagen, die mir Kreisky zugesagt hat, eine
neuerliche Besprechung mit Koller und Apfalter abführen.
Ein interessanter und typischer Fall von Vermischung von Poli-
tik und Wirtschaft, wo meiner Meinung nach, nicht zuletzt
um die Existenz gewisser Betriebe zu sichern, tatsächlich
die Wirtschaft Priorität haben müsste. Ähnlich war es auch
beim LKW-Werk von der Steyr-Daimler-Puch AG in Griechenland.
Ich bekenne aber freimütig, dass es für mich eine nicht so
einfache Entscheidung ist, da ich in meiner Jugend wahrschein-
lich über diese Probleme anders dachte. Zum Glück habe ich
meine Söhne, die mich daran erinnern. Manchmal kommen mir dann
Zweifel, ob ich mich nicht wirklich schämen müsste, welch
Opportunist ich jetzt geworden bin.

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Tagesprogramm, 19.7.1974

22_0907_02

hs. Notiz (Tagesprogramm Rückseite)


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